Gedichte der deutschen Romantik

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Aus der Reihe: Literatur (Leinen)
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II

Worte sind nur dumpfe Zeichen

Die Gemüter zu entziffern;

Und mit Zügen, Linien, Ziffern

Mag man Wissenschaft erreichen.

Doch aus den äther’schen Reichen

Läßt ein Bild des ew’gen Schönen

Nieder zu der Erde Söhnen

Nur in Licht und Ton sich schicken:

Liebe spricht in hellen Blicken,

Liebe denkt in süßen Tönen.

Liebe stammt vom Himmel oben,

Und so lehrte sie der Meister,

Welchen seine hohen Geister

In derselben Sprache loben,

Denn beseelt sind jene Globen.

Strahlend redet Stern mit Stern,

Und vernimmt den andern gern,

Wenn die Sphären rein erklingen.

Ihre Wonn ist Schaun und Singen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Stumme Zungen taube Ohren,

Die des Wohllauts Zauber fliehn,

Wachen auf zu Harmonien,

Wenn sie Liebe neu geboren.

Memnons Säule, von Auroren

Angeschienen leis und fern,

Haucht so aus dem starren Kern

Ihre Sehnsucht aus in Liedern,

Und der Mutter Gruß erwiedern

Nur in Tönen mag sie gern.

Musik ist die Kunst der Liebe,

In der tiefsten Seel’ empfangen

Aus entflammenden Verlangen

Mit der Demuth heil’gem Triebe.

Daß die Liebe selbst sie liebe,

Zorn und Haß sich ihr versöhnen,

Mag sie nicht in raschen Tönen

Bloß um Lust und Jugendscherzen

Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen,

Alles, was sie will, verschönen.

III

Laß dich mit gelinden Schlägen

Rühren meine zarte Laute!

Da die Nacht hernieder thaute,

Müssen wir Gelispel pflegen.

Wie sich deine Töne regen,

Wie sie athmen, klagen stöhnen,

Wallt das Herz zu meiner Schönen,

Bringt ihr aus der Seele Tiefen

Alle Schmerzen, welche schliefen.

Liebe denkt in süßen Tönen.

Zu dem friedlichen Gemach,

Wo sie ruht in Blumendüften,

Laß noch in den kühlen Lüften

Tönen unser schmelzend Ach.

Halb entschlummert, halb noch wach

Angeblickt vom Abendstern

Liegt sie, und vernimmt wohl gern

In den leisen Harmonieen

Träume, Bilder, Phantasieen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Inn’ger, liebe Saiten, bebet!

Lockt hervor den Wiederhall!

Weckt das Lied der Nachtigall,

Und wetteifernd mit ihr strebet!

Doch wenn sie die Stimm’ erhebet,

Dann erkennet euren Herrn,

Lauscht demüthig und von fern.

Horch! schon singt der holde Mund,

Denn verrathen unsern Bund

Nur in Tönen mag sie gern.

Nun noch einmal, gute Nacht!

Und an deinem Lager säume

Nur der zärtlichste der Träume

Bis der Morgen wieder lacht.

Dann geh’ auf in stiller Pracht,

Wie der Tag den Erdensöhnen,

Meine Hoffnungen zu krönen.

Kann doch deine Blüthenjugend,

Unschuld, Anmuth, reine Tugend,

Alles, was sie will, verschönen.

IV

Hör’ ich durch die dunkeln Bäume

Nicht, wie sie sich rauschend neigen,

Wünsch’ aus treuem Busen steigen,

Die sich leise nahn, wie Träume?

Schwebt nicht durch die grünen Räume,

Was das Leben mag verschönen

Und mit aller Wonne krönen?

Fühl’ ich nicht, wie die Gedanken

Holder Liebe mich umwanken?

Liebe denkt in süßen Tönen.

Flieht, o Töne, flieht zurücke,

Wie ihr euch in Wipfeln schaukelt,

Schmeichlerisch mein Herz umgaukelt,

So ertrag’ ich nicht mein Glücke.

Trüget ihr doch meine Blicke

Wieder hin zu eurem Herrn,

Brauchtet euren Zauber gern,

Strömtet aus in süßen Klängen

Liebender Gefühle Drängen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Wie die Tön’ in Lüften schweben,

Blumen zitternd, wankend Gras,

Ach, sie alle fühlen das,

Was mich zwingt vor Lust zu beben.

Worte, euer regstes Streben

Ist mir ohne Mark und Kern;

Bleibt, o bleibt mir jetzo fern!

Was uns kann in Wonne tauchen

Weiß die Lieb’, und es verhauchen

Nur in Tönen mag sie gern.

Rührt die Zweige dann, ihr Winde!

Singet, bunte Vögelein!

Rauschet, klare Bäche, drein!

Daß ich also Bothen finde.

Denn verklungen, ach! geschwinde

Sind die Lieder, von den Tönen

Muß sich nun mein Ohr entwöhnen.

Darum spielt mit zartem Triebe,

Dient der Lieb’, es kann die Liebe

Alles, was sie will, verschönen.

[Sophie Bernhardi-Tieck]

ZACHARIAS WERNER
Zwei Sonnette
1.
An mein Ideal

Was Schönes in der Kunst und in dem Leben,

Es offenbaret sich den holden Frauen,

Entschleiert können sie die Sonne schauen,

Dieweil sie selbst in ew’ger Klarheit schweben.

Doch – welcher Gott den Liebreiz hat gegeben,

Die schafft zu Eden um die Erdenauen,

Und ihre Blicke, wo sie niederthauen,

Wol können sie den Keim zur Frucht erheben –

Durch heil’ge Schönheit will sich Gott

verkünden,

Der in der Klarheit wohnt, und in der Güte,

Dem Volke, das den reinen Sinn verloren.

Luise! du, der hohen Frauen Blüte,

Du bist zur Weihe teutscher Kraft erkoren,

Im Schmerz ein Reich der Schönheit zu begründen!

2.
An die Teutschen

Kraft, Freiheit, Glauben! – habt ihr es

vernommen?

Sie sind nicht außer euch, noch in den Dingen.

Das Herrliche, es kann euch noch gelingen,

Doch kann es euch nur aus euch selber kommen.

Seht, eure Stützen sind euch fortgeschwommen,

Vergebens mit dem Strom der Zeit zu ringen,

Das Schicksal nicht, nur euch könnt ihr bezwingen,

Das ist das Ziel des Starken und des Frommen.

Ihr saht nur Theile stets und nur das Viele,

Gesammelt wart ihr nie zum Ganzen, Einen,

Drum ist gekommen, was ihr selbst verschuldet.

Jetzt rettet euch zum einzigen Asile,

Flieht zur Idee, entflieht dem leeren Meinen,

Das Rechte thut und das Gerechte duldet.

ERNST MORITZ ARNDT
Abendlied

Der Tag ist nun vergangen,

Und dunkel schläft die Welt,

Die hellen Sterne prangen

Am blauen Himmelszelt;

Nur in den grünen Zweigen

Singt noch die Nachtigall,

Im weiten, tiefen Schweigen

Der einz’ge Lebensschall.

Ich aber, Vater, stehe

In meiner Hüttentür

Und schau hinauf zur Höhe

Und schau hinauf zu dir;

Wie gerne möcht ich klingen

Als helle Nachtigall,

Dir Preis und Dank zu bringen

Mit tiefem Schmerzenschall.

Ja, mit dem Schall der Schmerzen:

Denn geht die Nacht herauf,

So springt in meinem Herzen

Ein Quell der Tränen auf,

Der Tränen und der Klagen –

Du, Vater, weißt es best,

Was singen nicht und sagen,

Was sich nicht sprechen läßt.

Du kennest meinen Kummer,

Der auf gen Himmel blickt,

Wann für den süßen Schlummer

Die ganze Welt sich schickt,

Womit so schwer beladen

Mein Herz nach oben schaut,

Nach deinem Born der Gnaden,

Der Labsal niedertaut.

Ja, deine süße Liebe,

Die tröstet mir den Schmerz,

Ja, deine süße Liebe,

Die stillet mir das Herz,

Die löst in heißen Tränen

Das Eis des Busens auf

Und stellet Sinn und Sehnen

Zum hohen Sternenlauf.

O laß mich ewig schauen

Im stillen Kindersinn

Zu jenen güldnen Auen,

Woher ich kommen bin!

O richte Herz und Sinne,

Mein Vater, für und für

Zu deiner süßen Minne,

Zum Himmel hin, zu dir.

So mag ich froh mich legen

Nun mit der Welt zu Ruh,

Mein Amen und mein Segen,

Mein Wächter, das bist du;

So mag in deinem Frieden

Ich fröhlich schlafen ein,

Dort oben und hienieden

Im Schlaf und Wachen dein.

Klage um den kleinen Jakob

Wo ist der kleine Jakob geblieben?

Hatte die Kühe waldein getrieben,

Kam nimmer wieder.

Schwestern und Brüder

Gingen ihn suchen in’n Wald hinaus –

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

 

Wohin ist der kleine Jakob gegangen?

Es hat ihn ein Unterirdscher gefangen,

Muß unten wohnen,

Trägt goldne Kronen,

Gläserne Schuh, hat ein gläsern Haus –

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

Was macht der kleine Jakob da unten?

Streuet als Diener das Estrich mit bunten

Blumen und schenket

Wein ein und denket:

Wärest du wieder zum Wald hinaus!

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

So muß der kleine Jakob da wohnen,

Helfen ihm nichts seine güldenen Kronen,

Schuhe noch Kleider,

Weinet sich leider –

Ach! armer Jakob! – die Äuglein aus.

Kleiner Jakob! Kleiner Jakob! Komm zuhaus!

FRIEDRICH HÖLDERLIN
Abendphantasie

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sizt

Der Pflüger; dem Genügsamen raucht sein Heerd.

Gastfreundlich tönt dem Wanderer im

Friedlichen Dorfe die Abendgloke.

Wohl kehren jezt die Schiffer zum Hafen auch,

In fernen Städten fröhlich verrauscht des Markts

Geschäfttger Lärm; in stiller Laube

Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen

Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh und Ruh

Ist alles freudig; warum schläft denn

Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;

Unzählig blühn die Rosen, und ruhig scheint

Die goldne Welt; o dorthin nehmt mich,

Purpurne Wolken! und möge droben

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Laid! –

Doch, wie verscheucht von thörichter Bitte, flieht

Der Zauber; dunkel wirds, und einsam

Unter dem Himmel, wie immer, bin ich. –

Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt

Das Herz; doch endlich, Jugend, verglühst du ja,

Du ruhelose, träumerische!

Friedlich und heiter ist dann das Alter.

[1800]

Der Zeitgeist

Zu lang schon waltest über dem Haupte mir

Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit!

Zu wild, zu bang ist’s ringsum, und es

Trümmert und wankt ja, wohin ich blike.

Ach! wie ein Knabe seh ich zu Boden oft,

Such in der Höhle Rettung von dir, und möcht’,

Ich Blöder, eine Stelle finden,

Alleserschüttrer! wo du nicht wärest.

Lass endlich, Vater! offenen Augs mich dir

Begegnen! hast denn du nicht zuerst den Geist

Mit deinem Stral aus mir gewekt? mich

Herrlich ans Leben gebracht, o Vater! –

Wohl keimt aus jungen Reben uns heil’ge Kraft;

In milder Luft begegnet den Sterblichen,

Und wenn sie still im Haine wandeln,

Heiternd ein Gott; doch allmächtger wekst du

Die reine Seele Jünglingen auf, und lehrst

Die Alten weise Künste; der Schlimme nur

Wird schlimmer, dass er bälder ende,

Wenn du, Erschütterer! ihn ergreiffest.

[1800]

Menschenbeifall

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,

Seit ich liebe? Warum achtet ihr mich mehr,

Da ich stolzer und wilder,

Wortereicher und leerer war?

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplaz taugt,

Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;

An das Göttliche glauben

Die allein, die es selber sind.

[1800]

Heidelberg

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,

Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,

Du, der Vaterlandsstädte

Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,

Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,

Leicht und kräftig die Brüke,

Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt ein Zauber einst

Auf der Brüke mich an, da ich vorüber gieng,

Und herein in die Berge

Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,

Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu

schön,

Liebend unterzugehen,

In die Fluthen der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen

Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn

All ihm nach, und es bebte

Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Thal hieng die gigantische,

Schiksaalskundige Burg, nieder bis auf den Grund

Von den Wettern zerrissen;

Doch die ewige Sonne goss

Ihr verjüngendes Licht über das alternde

Riesenbild, und umher grünte lebendiger

Epheu; freundliche Wälder

Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Thal,

An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,

Deine fröhlichen Gassen

Unter duftenden Gärten ruhn.

[1801]

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

[1805]

An die Hofnung

Zweite Fassung von Bitte

O Hofnung! holde! gütiggeschäftige!

Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst,

Und gerne dienend, Edle! zwischen

Sterblichen waltest und Himmelsmächten.

Wo bist du? wenig lebt’ ich. Doch athmet kalt

Mein Abend schon. Und stille, den Schatten gleich

Bin ich schon hier; und schon gesanglos

Schlummert das schaudernde Herz im Busen.

Im grünen Thale, dort, wo der frische Quell

Vom Berge täglich rauscht und die liebliche

Zeitlose mir am Herbsttag aufblüht,

Dort, in der Stille, du holde, will ich

Dich suchen, oder wenn in der Mitternacht

Das unsichtbare Leben im Haine wallt,

Und über mir die immerfrohen

Blumen, die blühenden Sterne, glänzen,

O du des Äthers Tochter! erscheine dann

Aus deines Vaters Gärten und darfst du nicht

Ein Geist der Erde, kommen, schrök’, o

Schröke mit anderem nur das Herz mir.

Blödigkeit

Dritte Fassung von Dichtermuth

Sind denn nicht dir bekannt viele Lebendigen?

Geht auf Wahrem dein Fuss nicht, wie auf Teppichen?

Drum, mein Genius! tritt nur

Baar ins Leben und sorge nicht!

Was geschiehet, es sei alles gelegen dir!

Sei zur Freude gereimt, oder was könnte denn

Dich beleidigen, Herz, was

Da begegnen, wohin du sollst?

Denn, seit Himmlischen gleich Menschen, ein einsam

Wild,

Und die Himmlischen selbst führet, der Einkehr zu,

Der Gesang und der Fürsten

Chor, nach Arten, so waren auch

Wir, die Zungen des Volks, gerne bei Lebenden,

Wo sich vieles gesellt, freudig und jedem gleich,

Jedem offen, so ist ja

Unser Vater, des Himmels Gott,

Der den denkenden Tag Armen und Reichen gönnt,

Der, zur Wende der Zeit, uns die Entschlafenden

Aufgerichtet an goldnen

Gängelbanden, wie Kinder, hält.

Gut auch sind und geschikt einem zu etwas wir,

Wenn wir kommen, mit Kunst, und von den

Himmlischen

Einen bringen. Doch selber

Bringen schikliche Hände wir.

Dankgedicht an die Lehrer

Und würdigte einst eurer Weissheit Wille,

Der Kirche Dienst auch uns zu weih’n,

Wer Brüder säumt, dass er die Schuld des Danks erfülle,

Die wir uns solcher Gnade freun?

Froh eilt der Wanderer, durch dunkle Wälder,

Durch Wüsten, die von Hitze glühn,

Erblickt er nur von fern des Lands beglükte Felder,

Wo Ruh’ und Friede blühn.

So können wir die frohe Bahn durcheilen,

Weil schon das hohe Ziel uns lacht,

Und der Bestimmung Sporn, ein Feind von trägem

Weilen.

Uns froh und emsig macht.

Ja, dieses Glück, das, grösste Mäcenaten,

Ihr schenkt, soll nie ein träger Sinn,

Bey uns verdunkeln, nein! verehren Fleis und Thaten,

Und Tugend immerhin.

Euch aber kröne Ruhm und hohe Ehre,

Die dem Verdienste stets gebührt,

Und jeder künfftge Tag erhöhe und vermehre,

Den Glanz, der euch schon ziert.

Und was ist wohl für euch die schönste Krone?

Der Kirche und des Staates Wohl,

Stets eurer Sorgen Ziel, Wohlan, der Himmel lohne

Euch stets mit ihrem Wohl.

Des Morgens

Vom Thaue glänzt der Rasen; beweglicher

Eilt schon die wache Quelle; die Birke neigt

Ihr schwankes Haupt, und im Geblätter

Rauscht es und schimmert; und um die grauen

Gewölke streifen röthliche Flammen dort,

Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;

Wie Fluthen am Gestaade woogen

Höher und höher die Wandelbaren.

Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,

Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!

Denn offner fliegt, vertrauter dir mein

Auge, du Freudiger! zu, solang du

In deiner Schöne jugendlich blikst, und noch

Zu herrlich nicht, zu stolz mir geworden bist,

Du möchtest immer eilen, könnt ich,

Göttlicher Wandrer, mit dir! Doch lächelst

Des frohen Übermüthigen du, dass er

Dir gleichen möchte; seegne mir lieber denn

Mein sterblich Thun und heitre wieder,

Gütiger! heute den stillen Pfad mir!

Die Heimath

Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,

Von Inseln fernher, wenn er geerndtet hat;

So käm’ auch ich zur Heimath, hätt’ ich

Güter so viele, wie Laid, geerndtet.

Ihr theuern Ufer, die mich erzogen einst,

Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir,

Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich

Komme, die Ruhe noch einmal wieder?

Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,

Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah,

Dort bin ich bald; euch, traute Berge,

Die mich behüteten einst, der Heimath

Verehrte sichre Grenzen, der Mutter Haus

Und liebender Geschwister Umarmungen

Begrüss’ ich bald und ihr umschliesst mich,

Dass, wie in Banden, das Herz mir heile,

Ihr treugebliebnen! aber ich weiss, ich weiss,

Der Liebe Laid, diss heilet so bald mir nicht,

Diss singt kein Wiegensang, den tröstend

Sterbliche singen, mir aus dem Busen.

Denn sie, die uns das himmlische Feuer leihn,

Die Götter schenken heiliges Laid uns auch,

 

Drum bleibe diss. Ein Sohn der Erde

Schein’ ich; zu lieben gemacht, zu leiden.

Die Nacht

Seyd gegrüsst, ihr zufluchtsvolle Schatten,

Ihr Fluren, die ihr einsam um mich ruht;

Du stiller Mond, du hörst nicht, wie Verläumder lauren,

Mein Herz, entzükt von deinem Perlenglanz.

Aus der Welt, wo tolle Thoren spotten,

Um leere Schattenbilder sich bemühn,

Flieht der zu euch, der nicht das schimmernde Getümmel

Der eitlen Welt, nein! nur die Tugend liebt.

Nur bei dir empfindt auch hier die Seele;

Wie göttlich sie dereinst wird seyn,

Die Freude, deren falschem Schein so viel Altäre,

So viele Opfer hier gewiedmet sind.

Weit hinauf, weit über euch, ihr Sterne,

Geht sie entzükt mit heilgem Seraphsflug;

Sieht über euch herab mit göttlich heilgem Blike,

Auf ihre Erd, da wo sie schlummernd ruht …

Goldner Schlaf, nur dessen Herz zufrieden,

Wohlthätger Tugend wahre Freude kennt,

Nur der fühlt dich –. Hier stellst du dürfftig schwache

Arme

Die seine Hülfe suchen, vor ihn hin.

Schnell fühlt er des armen Bruders Leiden;

Der arme weint, er weinet auch mit ihm;

Schon Trost genug! Doch spricht er, gab Gott seine

Gaben

Nur mir? nein auch für andre lebe ich –.

Nicht von Stolz, noch Eitelkeit getrieben,

Kleidt er den nakten dann, und sättigt den,

Dem blasse Hungersnoth sein schwach Gerippe zählet;

Und himmlisch wird sein fühlend Herz entzükt.

So ruht er, allein des Lasters Sclaven

Quält des Gewissens bange Donnerstimm,

Und Todesangst wälzt sie auf ihren weichen Lagern,

Wo Wollust selber sich die Ruthe hält.

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