Gedichte der deutschen Romantik

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Aus der Reihe: Literatur (Leinen)
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An Romantica

Sonett

Es flossen Blitz’ aus jedem Edelsteine;

Mondstrahlen träufelten aus allem Golde;

Es weinte Liebesfunken jede Holde;

Rings dampften alle Berge Glut vom Weine;

Die Fluten alle loderten – nicht eine

Der Flammen, die da stehn in Lichtes Solde,

Vom Glanz der Sterne, bis zum Schein der Dolde,

Blieb übrig – jede Blüthe ward die deine.

Geathmet all’ in einem einz’gen Kusse,

Sich selbst in neuer Strahlung zu gebähren,

Verschlang sie dein jungfräulich keusches Dunkel.

So that dein Schoos, durchbohrt vom Himmel, Buße;

Und die Empfängniß selig zu bewähren,

Gebahrst du den schwarzleuchtenden Karfunkel.

DOROTHEA SCHLEGEL

»Draußen so heller Sonnenschein,

Alter Mann, laß mich hinaus!

Ich kann jetzt nicht geduldig sein,

Lernen und bleiben zu Haus.

Mit lustigem Trompetenklang

Ziehet die Reuterschar dort,

Mir ist im Zimmer hier so bang,

Alter Mann, laß mich doch fort!«

Er bleibt ungerührt,

Er hört mich nicht:

»Erlaubt wird, was dir gebührt,

Tust du erst deine Pflicht!«

Pflicht ist des Alten streng Gebot;

Ach, armes Kind! du kennst sie nicht,

Du fühlst nur ungerechte Not,

Und Tränen netzen dein Gesicht.

Wenn es dann längst vorüber ist,

Wonach du trugst Verlangen,

Dann gönnt man dir zu spät die Frist,

Wenn Klang und Schein vergangen!

Was du gewähnt,

Wonach dich gesehnt,

Das findest du nicht:

Doch bleibt betränt

Noch lang dein Gesicht.

[1802]

Mein Lied, was kann es Neues euch verkünden?

Und welche Weisheit, Freunde, fordert ihr?

Der Hohen meine Jugend zu verbünden,

Dies, wie ihr wißt, gelang noch niemals mir.

Noch Neu, noch Alt wußt’ ich je zu ergründen;

Das Schicksal gönn’ im Alter Weisheit mir.

Wir irren alle, denn wir müssen irren,

Gelassen mag die Zeit den Knäul entwirren.

Der Waldstrom braust im tiefen Felsengrund,

Gar schroffe Klippen führen drüber hin,

Die furchtbar hängen über’m finstern Schlund;

Wer strauchelt, dem ist sichrer Tod Gewinn!

Ein Müder wankt an Geist und Gliedern wund

Daher, schaut bang hinab, kalt graust der Sinn:

Am Felsen spielt ein Kind, sorglos bemühet

Ein Blümchen pflückend, das am Abgrund blühet.

Oft mühten sinnreich Dichter sich und Weise,

Das Leben mit dem Leben zu vergleichen.

Am glücklichsten geschah’s im Bild der Reise!

Ein Tor eröffnet Armen sich, wie Reichen;

Früh ausgewandert auf gewohntem Gleise

Sieht er die Dämmrung kaum dem Licht entweichen,

So treibt der Wahn, ihm dürf’s allein gelingen,

Rastlos in nie erreichte Fern’ zu dringen.

Es türmen Felsen sich in seinen Wegen,

Des Mittags Strahlen glühn auf seinem Haupt,

In Wüsten Sands muß sich der Fuß bewegen,

Ein Ungewitter naht, der Sturmwind schnaubt,

Wo kommt ein sichres Dach dem Blick entgegen?

Es seufzt nach Ruh’, wem stolzer Mut geraubt;

In später Nacht, doch tausendfält’ger Not

Kömmt er ans Ziel – und dieses ist – der Tod!

Der Jüngling tritt, von Ahndung fortgezogen,

Zur Schwelle hin, die in das Leben führt.

An seiner Schulter tönt der goldne Bogen

Der Göttin, so die Welt ihm hold verziert,

Der Phantasie, die ihn auf kühnen Wogen

Sanft fortreißt, ihn mit bunten Bildern rührt.

Wenn er dann so nach schönen Träumen hascht,

Wird unbewußt vom Glück er überrascht.

Gebt acht, gebt acht, Gelegenheit ist flüchtig,

Nicht leicht ihr Stirnenhaar im Flug zu fassen.

Obgleich zu nützen sie ein jeder tüchtig,

Dem’s klug gelang, sie nicht entfliehn zu lassen,

So ist dem Würdigen sie nie so wichtig,

Daß er von ihr sich mag bestimmen lassen.

Doch was hilft Mut, was mächtiges Bestreben

Dem Schiff, das tollen Stürmen preisgegeben?

So mancher hat gefunden, was zu suchen

Er gleichwohl nicht verstand, was zu gewinnen

Vergebens er, und mühvoll wird versuchen;

Mißlingen droht dem treulichsten Beginnen.

Wie viele hört man dann ihr Los verfluchen

Und klagen: »Glück! o mußtest du zerrinnen?«

Was traut ihr müßig auf des Glückes Gunst?

Natur sei Vorbild, Leben eine Kunst!

Wer hebt des Künstlers Mut in Kampf und Leiden

Als ferne Ahndung hoher heil’ger Liebe?

Was lehrt ihn schellenlaute Torheit meiden

Als eignes Glück der süßen zarten Liebe?

Wo ist ein Port für Hohn und böses Neiden,

Als in den Armen frommer, treuer Liebe?

Und wird des Helden Stirn in Myrtenkränzen

Der Nachwelt schöner nicht, als Lorbeer glänzen?

[1802]

AUGUST WILHELM SCHLEGEL
Die Sylbenmaaße
1. Der Hexameter

Gleichwie sich dem, der die See durchschifft, auf offener

Meerhöh

Rings Horizont ausdehnt, und der Ausblick nirgend

umschränkt ist,

Daß der umwölbende Himmel die Schaar zahlloser

Gestirne,

Bei still athmender Luft, abspiegelt in blaulicher Tiefe:

So auch trägt das Gemüth der Hexameter; ruhig

umfassend

Nimmt er des Epos Olymp, das gewaltige Bild, in den

Schooß auf

Rhythmischer Fluth, urväterlich so den Geschlechten der

Rhythmen,

Wie vom Okeanos quellend, dem weit hinströmenden

Herrscher,

Alle Gewässer auf Erden entrieseln oder entbrausen.

Wie oft Seefahrt kaum vorrückt, mühvolleres Rudern

Fortarbeitet das Schiff, dann plötzlich der Wog’

Abgründe

Sturm aufwühlt, und den Kiel in den Wallungen schaukelnd

dahinreißt.

So kann ernst bald ruhn, bald flüchtiger wieder enteilen,

Bald, o wie kühn in dem Schwung! der Hexameter, immer

sich selbst gleich,

Ob er zum Kampf des heroischen Lieds unermüdlich sich

gürtet,

Oder, der Weisheit voll, Lehrsprüche den Hörenden

einprägt,

Oder geselliger Hirten Idyllien lieblich umflüstert.

Heil dir, Pfleger Homers! ehrwürdiger Mund der Orakel!

Dein will ferner gedenken ich noch, und andern

Gesanges.

2. Die Elegie

Als der Hexameter einst in unendlichen Räumen des Epos

Ernst hinwandelnd, umsonst innigen Liebesverein

Suchte, da schuf aus eignem Geblüt ihm ein weibliches

Abbild

Pentametrea, und ward selber, Apoll, Paranymph

Ihres unsterblichen Bundes. Ihr sanft anschmiegend

Umarmen

Brachte dem Heldengemahl, spielender Genienschaar

Ähnlich, so manch anmuthiges Kind, elegeische Lieder.

Er sah lächelnd darin sein Maeonidengeschlecht.

So, freiwillig beschränkt, nachläßigen Gangs, in der

Rhythmen

Wellenverschlingungen, voll lieblicher Disharmonie,

Welche, sich halb auflösend, von neuem das Ohr dann

fesselnd,

Sinnigen Zwist ausgleicht, bildeten dich, Elegie,

Viel der Hellenischen Männer und mancher in Latium,

jedes

Liebebewegten Gemüths linde Bewältigerin.

3. Der Jambe

Wie rasche Pfeile sandte mich Archilochos

Vermischt mit fremden Versen, doch im reinsten Maaß,

Im Rhythmenwechsel meldend seines Muthes Sturm.

Hoch trat und fest auf, dein Kothurngang, Aeschylos;

Großart’gen Nachdruck schafften Doppellängen mir,

Samt angeschwellten Wörterpomps Erhöhungen.

Fröhlicheren Festtanz lehrte drauf Aristophanes,

Labyrinthischeren: die verlarvte Schaar anführend ihm,

Hingaukl’ ich zierlich in der beflügelten Füßchen Eil.

4. Der Choliambe oder Skazon

Der Choliambe scheint ein Vers für Kunstrichter,

Die immerfort mit sprechen, ob’s gleich schlecht fort will,

Und eins nur wissen sollten, daß sie nichts wissen:

Wo die Kritik hinkt, muß ja auch der Vers lahm seyn.

Wer sein Gemüth labt am Gesang der Nachteulen,

Und wenn die Nachtigall beginnt, das Ohr zustopft,

Dem sollte man’s mit scharfer Dissonanz abhaun.

Todten-Opfer
I. Sinnesänderung

Was plötzlich abgebrochen,

War dennoch ausgesprochen

Dem ordnenden Gefühl:

Ein Lied war mir die Jugend,

 

Der Fall der Heldentugend

Ein göttlich Trauerspiel.

Doch bald ist mir zerronnen

Der Muth, so dies begonnen,

Die G’nügsamkeit in Dunst.

Gefesselt vom Verhängniß

Im irdischen Gefängniß:

Was hilft mir weise Kunst?

Die Rose, kaum entfaltet,

Doch süßer mir gestaltet

Als aller Schmuck der Welt,

Die hat ein Wurm gestochen,

Die hat der Tod gebrochen,

Die hat der Sturm gefällt.

Nun schau’ ich zu den Sternen,

Zu jenen ew’gen Fernen,

Wie tief aus öder Kluft;

Und, ihre blauen Augen

Dem Himmel zu entsaugen,

Küss’ ich die leere Luft.

O, werde mein Orakel,

Du, die du ohne Makel

Der falschen Welt entflohst!

Sieh mich in meiner Demuth

Und hauch’ in meine Wehmuth

Der zarten Liebe Trost.

Wenn dort die Ros’ erblühte,

So sey die heil’ge Güte

Endlos gebenedeyt.

Zwar sehnlich werd’ ich schmachten,

Doch nicht vermessen trachten

Aus dieser Sterblichkeit.

Wo ich mich wiederfinde

Bey meinem süßen Kinde,

Muß Heil seyn, Wonn’ und Licht.

Sie wird, wenn meiner Zungen

Der Klage Laut verklungen,

Mein himmlisches Gedicht.

Den strahlenden Karfunkel

Nahm ich in grausem Dunkel

Der Schlange Tod vom Haupt.

Ich will ihn bey mir tragen,

In allen Lebenstagen

Wird er mir nie geraubt.

II. Auf der Reise

Von ferne kommt zu mir die trübe Kunde.

Es trennt mich ein Gebirg mit Wald und Klüften,

Blau dämmernd in des Horizontes Düften,

Von dort, wo ich erlitt die Todeswunde.

Da mach’ ich auf die Wandrung mich zur Stunde:

Wo Bäche stürzend rauschen in den Schlüften,

Wo Felsen sich gewölbt zu dunkeln Grüften,

Da ist der Pfad mit meinem Sinn im Bunde.

Hier reiste jüngst hindurch, die ich betraure,

Nicht achtend auf des schroffen Wegs Beschwerde;

Zur heitern Landschaft südlich hingezogen.

Mai wars, nun heißt es Sommer, und ich schaure

Von kaltem Sturm; ihr ward zum Grab die Erde:

Der Lenz hat Allen, Jugend ihr gelogen.

III. Der Gesundbrunnen

Der Himmel lacht, es wehen warme Lüfte,

Die Gauen blühn ringsum mit Wein und Korne.

Hier schirmen Hügel vor des Nordwinds Zorne

Ein kleines Thal voll frischer Wiesendüfte.

Und es ergießt der Schooß der kühlen Klüfte

Heilsamen Trank in ewig regem Borne.

Da fällt mich die unheimliche, verworrne

Vorahndung an: hier sind auch Todtengrüfte.

Kannst du dich so, Natur, mit Mord besudeln?

Wie, oder war dir jede Kraft und Tugend

Vom unerbittlichsten Gestirn gebunden?

Ja, hier, wo selbst die Quellen Leben sprudeln,

Hat, in der Rosenfülle froher Jugend,

Mein süßes Leben seinen Tod gefunden.

IV. Der erste Besuch am Grabe

Schon Wochen sind es, seit sie hier versenket

Den süßen Leib, von aller Huld umflossen,

Der das geliebte Wesen eingeschlossen,

Zu dem umsonst mein Sehnen nun sich lenket.

Welk ist der Kranz, dem Grabe frisch geschenket,

Und nicht ein Halm dem Hügel noch entsprossen;

Die Sonne zielt mit glühenden Geschossen,

Noch Thau noch Regen hat den Staub getränket.

Auch werd’ ich dazu nicht des Himmels brauchen.

Kehr dich nur weg, fühlloses Weltenauge!

Ihr Wolken mögt euch anderswo ergießen.

Nur meine Thränen, heil’ger Boden, sauge!

Bei warmem Liebesblick und kühlem Hauchen

Der Seufzer sollen Wunderblumen sprießen.

V. Geliebte Spuren

Dich sollt’ ich hassen, und ich muß dich lieben,

Ort! der mein Kleinod geizig wollte haben,

Nicht um sich sein zu freun, es zu vergraben;

Selbst reicher nicht, indeß ich arm geblieben.

Hier sind noch ihre Spuren eingeschrieben:

Auf diesen Wiesen saß sie; Schatten gaben

Ihr Busch und Baum, und Früchte, sie zu laben;

Die Blumenlust ließ Au und Feld sie üben.

Hier sang sie noch dem Echo muntre Lieder;

Jungfräulich wandelnd im Cyanenkranze

Ließ sie das goldne Haar anmuthig flattern.

Bald aber sank sie, ach! entseelt danieder,

Wie den Gespielen weggerafft im Tanze

Eurydice vom Stiche falscher Nattern.

VI. Das Schwanenlied

Oft, wenn sich ihre reine Stimm’ erschwungen,

Schüchtern und kühn, und Saiten drein gerauschet,

Hab’ ich das unbewußte Herz belauschet,

Das aus der Brust melodisch vorgedrungen.

Vom Becher, den die Wellen eingeschlungen,

Als aus dem Pfand, das Lieb’ und Treu getauschet,

Der alte König sterbend sich berauschet,

Das war das letzte Lied, so sie gesungen.

Wohl ziemt sichs, daß der Lebensmüde Zecher,

Wenn dunkle Fluten still sein Ufer küssen,

In ihren Schooß dahingiebt all sein Sehnen.

Uns ward aus liebevoller Hand gerissen,

Schlank, golden, süßgefüllt, bekränzt, der Becher;

Und uns zu Füßen braust ein Meer von Thränen.

VII. Die himmlische Mutter

Der Himmel, sagt man, kann Gewalt erleiden.

O drängen meiner Blicke Liebespfeile

Die Wolken durch, daß ich an deinem Heile,

Geliebtes Kind, mein Herz doch möchte weiden!

Du mußtest von der treuen Mutter scheiden:

Ward eine Mutter droben dir zu Theile?

Wer sagt dir Tröstung, die dein Mitleid heile,

Wenn du so fern herabschaust auf uns beyden?

Ein heil’ges Wort hat Botschaft ja gesendet,

Dort walt’ ein weiblich Bild der Muttertriebe,

Das Herz der Welt, in ewigem Umarmen.

O, wenn von ernster Glorie Strahl geblendet,

Die zarte Seele flieht zum Schooß der Liebe:

Birg du, Maria, sie in deinen Armen!

VIII. An Novalis

Ich klage nicht vor dir: du kennst die Trauer;

Du weißt wie an des Scheiterhaufens Flammen

Die Liebe glüh’nder ihre Fackel zündet.

Der Freuden Tempel stürzt’ auch dir zusammen,

Es hauchten kalt herein des Todes Schauer,

Wo Reiz und Huld ein Brautgemach gegründet.

Drum sey mit mir verbündet,

Geliebter Freund, das Himmlische zu suchen,

Auf daß ich lerne, durch Gebet und Glauben

Dem Tod sein Opfer rauben,

Und nicht dem tauben Schicksal möge fluchen,

Deß Zorn den Kelch des Lebens mir verbittert,

Daß mein Gebein vor solchem Tranke zittert.

Du schienest, losgerissen von der Erde,

Mit leichten Geistertritten schon zu wandeln,

Und ohne Tod der Sterblichkeit genesen.

Du riefst hervor in dir durch geistig Handeln,

Wie Zauberer durch Zeichen und Geberde,

Zum Herzvereine das entschwundne Wesen.

Laß mich denn jetzo lesen,

Was deiner Brust die Himmel anvertrauen;

Das heil’ge Drüben zwar entweihen Worte,

Ließ’ auch die ew’ge Pforte

Noch wen zurück, er schwiege: laß nur schauen

Mein Aug’ in deinem, wenn ich bang erbleiche,

Den Wiederschein der sel’gen Geisterreiche.

Es ruft uns mit lebendigem Geräusche

Des Tages Licht zu irdischen Geschäften,

Ihr leiblich Theil verleihend den Naturen.

Die Sonne will auf sich den Blick nur heften,

Und duldet, daß sie allgebietend täusche,

Kein Jenseits an den himmlischen Azuren.

Doch wenn die stillen Fluren

Scheinbar die Nacht mit ihrer Hüll’ umdunkelt,

Dann öffnet sich der Räum’ und Zeiten Ferne;

Da winken so die Sterne,

Daß unserm Geist ein innres Licht entfunkelt.

Bey Nacht ward die Unsterblichkeit ersonnen,

Denn sehend blind sind wir im Licht der Sonnen.

Bey Nacht auch überschreiten kühne Träume

Die Kluft, die von den Abgeschiednen trennet,

Und führen sie herbey, mit uns zu kosen:

Wir staunen nicht, wenn ihre Stimm’ uns nennet,

Sie ruhn mit uns im Schatten grüner Bäume,

Derweil sich ihre Grüfte schon bemoosen.

Ach die erblichnen Rosen

Auf dem jungfräulich zarten Angesichte,

Das selbst der Tod, gleich nach der That versöhnet,

Entstellt nicht, nein, verschönet,

Erblühn mir oft im nächtlichen Gesichte,

Daß meine Brust ganz an dem Bilde hänget,

Wovon des Tags Gewühl sie weggedränget.

So ist mir jüngst das theure Kind erschienen,

Wie auferstanden aus der Ohnmacht Schlummer,

Eh noch das dumpfe Grab sie überkommen.

Uns Traurenden verscheuchte sie den Kummer,

Und waltete mit ihren süßen Mienen,

Als wäre sie der Heimath nie entnommen.

Doch heimlich und beklommen

Schlich sich der Zweifel ein in unsre Seelen:

Ob sie, uns angehörig, wahrhaft lebte?

Ob sie als Geist nur schwebte,

Den herben Tod uns freundlich zu verhehlen?

Und keiner wagte sie darum zu fragen,

Um nicht den holden Schatten zu verjagen.

Mir hat sich Traum und Wachen so verworren,

Und Grab und Jugend, daß ich schwankend zaudre

Nach irgend einem Lebensgut zu greifen.

Vor allen Blüthen steh’ ich fern und schaudre,

Als würden sie von einem Hauch verdorren,

Und nie zu labungsvollen Früchten reifen.

So muß ich unstät schweifen,

Aus meiner Liebe Paradies vertrieben,

Bis ich gelernt vom Ird’schen mich entkleiden,

Und an dem Troste weiden,

Daß diese Ding’ in leeren Schein zerstieben;

Und nur die drinnen wohnenden Gedanken

Sich ewiglich entfalten, ohne Wanken.

Geh hin, o Lied! und sage:

Du jugendlicher Himmelspäher, labe

Mit deiner Weihe den, der mich gesungen,

Daß er, emporgeschwungen

Zum Ziel des Sehnens, nicht versink’ am Grabe.

Ich bring’ ein Opfer für zwey theure Schatten,

Laß uns denn Lieb’ und Leid und Klage gatten.

IX. An denselben

Du Theurer, dem ich dieses Lied gesendet,

Muß ich dich selbst schon suchen bey den Todten?

Zur Todtenfeyer hab’ ich dich entboten:

Nun werd’ ein Todtenopfer dir gespendet.

Wer sich zu ferner Lieben Heimath wendet,

Dem wird gar mancher zarte Gruß geboten;

So find’ in dir mein Sehnen einen Boten,

Wenn je mein Herz dir liebend sich verpfändet.

Sag’ ihr: – doch in der Sprache jener Sphären

Verstummt der Laut des Schmerzes, den ich meyne,

Und diese Trauer läßt sich dort nicht nennen.

O könntest du den Perlenschmuck der Zähren

Ihr bringen, die ich ihr und dir nun weine!

Für wen sie fließen, weiß ich nicht zu trennen.

Variationen
Thema

Liebe denkt in süßen Tönen,

Denn Gedanken stehn zu fern,

Nur in Tönen mag sie gern

Alles, was sie will, verschönen.

I

Blumen, ihr seyd stille Zeichen,

Die aus grünem Boden sprießen,

Düfte in die Lüfte gießen

So das Herz zur Lieb’ erweichen.

Dennoch mögt ihr nicht erreichen

So das Herz, den Schmerz versöhnen,

 

Enden alles Leid und Stöhnen,

Daß ihr könntet als Gedanken

In den grünen Blättern schwanken:

Liebe denkt in süßen Tönen.

Wollt’ ich meine Liebe sprechen,

Ach! als Boten meiner Klagen

Sollte meine Hand nicht wagen

Bunte Blumen abzubrechen.

Still lass’ ich die Dornen stechen,

Wag’ die süßen Schmerzen gern,

Denn mir scheint kein günst’ger Stern,

Drum will ich nicht Worte hauchen,

Mag auch nicht Gedanken brauchen,

Denn Gedanken stehn zu fern.

Blumen, Worte und Gedanken.

Manche Sehnsucht mögt ihr stillen,

Manchen holden Wunsch erfüllen,

Manches Herz mag wohl euch danken.

Träume, süß, wie mich umwanken,

Denen bleibt ihr ewig fern;

Sie regiert ein andrer Stern.

Selbst der Purpurglanz der Rosen

Ist zu matt der Liebe: kosen

Nur in Tönen mag sie gern.

Hätt’ ich zarte Melodien

Sie als Boten wegzusenden,

Würde bald mein Leid sich enden,

Und mir alle Freude blühn.

Holde Liebe zu mir ziehn

Würd’ ich dann mit süßen Tönen,

Meinen Bund auf ewig krönen:

Denn mit himmlischen Gesängen

Kann Musik in goldnen Klängen

Alles, was sie will, verschönen.

[Sophie Bernhardi-Tieck]