Buch lesen: «Laute und Gitarre in der deutschsprachigen Lyrik», Seite 2

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[Pseudonym von Johann Fischart]

Martin Opitz (1597–1639), Uberschrift auf eine Laute

Martin Opitz (1597–1639)

Uberschrift auf eine Laute

DA als ich war ein Baum hört ich deß Orpheus Lieder:

Nun bin ich eine Laut' / vnd Orpheus hört mich

[wieder.

Martin Opitz (1597–1639), An H[errn] Johann Nauwach

Martin Opitz (1597–1639)

An H[errn] Johann Nauwach

WAs schönes hör' ich doch? was ist es für ein klang /

Vnd zarte Melodie? ists Orpheus sein Gesang

Mit dessen kräfften er kan die Odryser zwingen

Das harte rawe Volck? hör ich den Phebus singen /

Der Musen grossen Gott? o Nauwach das bist du.

Thalia selber kömpt / vnd reckt jhr Ohr hinzue;

Sie zörnt mit jhrer Handt / leßt ab die hellen seiten /

Verschleußt den süßen Mundt / vnd wil mit dir

[nicht streiten:

Du steigest vber sie / vnd deine newe Bach

So in die Elbe rinnt giebt nicht den Brunnen nach

Am grünen Helicon. hört ewren mittgesellen /

Ihr Pierinnen Volck / den rechten Spruch zu

[fellen /

Als die jhr richten könnt. hier taugt kein Midas nicht /

Der Eselsohren hatt / vnd esels vrtheil spricht.

So wußte Pindarus Beotien zu stillen /

Tirteus Sparten Volck; so folgte Telesillen

Das streng' Argiverlandt; so wann Alceus nam

Die starcke laut' vnd sang / ward Lesbos mild' vnd

[zahm.

Was aber soll nun mir / o Nauwach / von dir

[ahnen /

Mir / der ich eine gans bin bey gelehrten

[schwanen /

Das du mein Kinderspiel mit solchem Eyfer liebst /

Vnd durch dein singen jhm erst seine Seele giebst?

Ich bin es ja nicht werth / ich weiß das meine

[sachen /

Mein Tockenwerck vnd schaum der jugendt nicht

[viel machen;

Doch machst du daß mein sinn mich stoltz zu

[werden zwingt /

Weil du mich vnd mit dir das schöne Dresden singt.

Wolan / denselben Lohn den ich dir nicht kan

[geben /

Wird dein gerüchte dir verleihen nach dem Leben:

Die Laute deine Ziehr soll bey der Leyer stehn

Die mit den Sternen pflegt am Himmel auff zu gehn.

Die künste sterben nicht. so lange man wirdt

[singen /

So lange wird dein Lob durch Erd' vnd lufft

[erklingen.


Emblem Concordia Discors. Aus: J. W. Zincgref: Sapientia picta, Frankfurt 1624. Kupferstich von Matthaeus Merian, dem Älteren.

Deutschsprachige Epigramme zum Emblem Concordia Discors von Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635), Georg Greflinger, So kann eine Stadt bestehen

Deutschsprachige Epigramme

zum Emblem Concordia Discors von Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635)

DIe Laut bezogen ist mit grob und kleinen Seiten /

Von Mancherley gethön / vnd wer daruff sol

[schlagen /

Das es recht Accordir, muß wissenschafft drumb

[tragen /

Gut Regiment darff Kunst bey so vielerley Leuten.

(Sapientia picta 1624)

So kann eine Stadt bestehen

Sich dieses Lautenspiel mit grob und kleinen Säyten

Und gleich wol / stimmt man sie / stimmt die der

[andern ein:

Sol eine Stadt in Ruhe und Recht erhalten seyn /

So muß sie seyn besetzt mit groß und kleinen Leuthen.

(Georg Greflinger 1666)

Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658), Selig sind / die nicht sehen / und doch glauben

Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658)

Selig sind / die nicht sehen / und doch glauben



IN den grünlich falben Matten /
unter einer Linden Schatten /
hat ein müder Wandersmann
seine Laute hingeleget /
weil er / von dem Schlaff erreget /
Mund und Augen zugethan.
Auf nechst beygelegnen Auen
weidet' / in dem kühlen Tauen /
ein darob erstaunter Knab:
Als er nun nichts mehr vernommen /
ist er näher beygekommen /
hinterlassend seinen Stab.
Er kniet nechst der Laute nieder /
die zuvor so holde Lieder /
und den wunderreinen Klang /
diesen Knaben zu bethören /
in den Lüfften lassen hören
durch den strengen Saitenstrang.
Er wolt dem Gehör nicht trauen
und mit seinen Augen schauen /
wie deß stummen Holtzes Stern
könte sonder Sinn und Leben
so beliebte Stimme geben /
wolt er selber schauen gern.
Als er nun nicht mögen sehen /
wie der Klang pflegt zu geschehen /
rühret er die Saiten an:
bald die Lauten murmelnd klagte /
und dem Wandersmann ansagte /
was der Hirtenknab gethan!
Sind nicht in deß Holtzes Krümmen aller Vögel zarte Stimmen / der Knab redet.
die doch niemand hier beschaut?
Ich hab mit dem Ohr vernommen /
daß aus diesem Holtze kommen
ein gar wundersüsser Laut.
Wie kan auß deß Bauches Klüfften
etwas tönen in den Lüfften /
sag mir lieber Wandersmann?
Sag mir / wie kan doch geschehen /
daß ich hier nicht kan ersehen /
was ich hab gehöret an?
Knab / du must den Ohren trauen / Antwort.
was du hörst / ist nicht zu schauen.
dich vergnüge das Gehör! Rom. 10/17.
Man muß seinen Sinn betauben /
GOttes Wort in Einfalt glauben.
Selig ist / der glaubt der Lehr! Joh. 20/33. [recte: 20/29.]


Figurengedicht Ein Laute. Aus: Johann Helwig: Die Nymphe Noris, Nürnberg: Dümler, 1650.

Johann Helwig (1609–1674), Ein Laute (Auf! singet und springt)

Johann Helwig (1609–1674)

Ein Laute

Nun / so wil ich / sprach Montano / noch eines versuchen / und in des Floridans Namen eine Lauten aufgesetzt haben.

Auf! singet und springt!

die Laute schön klingt:

derer Klang

ohne Zwang

hoch anringt.

Lasst sie liebn /

und uns übn /

solchen Lust;

iedem wie bewußt /

was für Freud sie macht /

freyer Muth hier lacht:

sie kein Leid betrüb'!

ieder hab die lieb!

wer sie nicht hoch acht /

sich selbst veracht /

und hat darvon

den Midas Lohn.

Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658), Von der Brüderlichen Versöhnung

Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658)

Von der Brüderlichen Versöhnung

DAs Band der Einigkeit ist gleich den Lauten Seiten / *

Die gleicher Weiß gestimmt / gantz gleiche Tönung

[leiten.

Springt etwan eine Quint / so zieh sie wieder an!

Wie man / mit Hertz und Hand / den Feind

[versöhnen kan.

* Zwo gleich gestimmte Lauten / geben gleichen Ton von sich / ob man gleich nur eine berührt.

Paul Fleming (1609–1640), An Herrn Johan Klipstein

Paul Fleming (1609–1640)

An Herrn Johan Klipstein

Was Orpheus jener Zeit auf Venus Klippen sunge

und wie er durch den Witz die starken Saiten zwunge

in dem beseelten Ton, daß auch der Thracen Hain'

und ungefüßte Klüft' ihm nachgegangen sein;

und daß der Linus auch die Thebischen Gefilder,

das ungezahmte Land, gemachet hat viel milder

durch seiner Harfen Kraft; wie auch Arions Kunst

den liebenden Delfin zu einer solchen Gunst,

die über Wundern ist, bei Lesbus hat bewogen;

und daß das wilde Wild Amphion nachgezogen,

im Fall' er Stimm' und Spiel zugleiche tönen ließ, –

ist mancher Klügling noch zu gläuben ungewiß.

Wie, spricht er, kan es sein, daß Felsen hören können?

Und hat der dumme Forst auch die Vernunft der Sinnen,

daß er den Ton vernimmt? Drum weiß er nicht, wohin

die hohen Schriften sich in ihrer Deutung ziehn.

Das strenge Heidenvolk sind die bewegten Klippen,

der Wald das wilde Tun der ungeschlachten Lippen,

und grober Sitten Wust, die durch die kluge Hand,

und feurige Vernunft der Weisen sich erkannt,

und sich aus sich verjagt. Diß hat der Kastalinnen

geneunte Schwesterzunft so glücklich enden können

durch ihrer Musik Macht. Wer ist so taub und blind,

daß er den Stimmen nicht ein Ohr und Auge gönnt?

Sie hat uns Menschen erst zu Menschen recht gemachet

und durch ihr Lieblichsein uns freundlich zugelachet,

als wir noch waren grob. Was nichts nicht zwingen kan,

das bändigt ein Gesang. Wenn Hermes stimmet an,

so schläft auch Argus ein. Was kann man bessers finden,

wenn uns der Trauermut die lassen Geister binden

und ganz umnebeln will, als wenn bei guter Kost

man um sich haben kan der Musik süße Lust,

der Kummertöterin? Da können deine Gaben,

Licinta, dich und uns in voller Wollust laben

und uns dir machen gleich, wenn dein bejahrter Wein

springt in der Schalen auf, und Einer spielet drein

es sei auch was es sei. Die Sing- und Saiten-Schulen,

die lernen uns bevor das wolvergunte Buhlen,

und wie man sittsam wird. Cytheris und ihr Sohn

sind, wo man singt und spielt, nicht gerne weit darvon.

Saul raset ohne sie. Misenus muste singen,

solt' Hector lustig sein. Wenn Schützens Lieder klingen,

so wächst des Sachsens Lust. Wenn Nauwach das Pandor

läßt hören und mit ihm den künstlichen Tenor,

da wacht mein Opitz auf, daß er des Künstlers Stimmen,

so hoch, wo über uns der Leier Sternen klimmen,

durch seinen ersten Preis, die deutschen Vers' empört,

weil immer eine Kunst die ander' liebt und ehrt.

Wo laß ich aber dich, und deine schöne Laute,

Herr Klipstein, welche dir von Hand zu Hand vertraute

Apollo Phöbus selbst, der sie vorerst erdacht,

der deine schnelle Faust ihr griffreich hat gemacht?

Wo lass' ich dich und sie, sie, Fürstin aller Saiten,

dich, ihrer Künstler Gott? Wenn du die Traurigkeiten

durch deine Kunst bestürmst, so dringt der Helicon

auch selbsten sich zu dir, daß ihn dein großer Ton

noch mache göttlicher. Du schaffst, daß unsre Sinnen

sich weit, weit über uns ans Blaue schwingen können,

wo man kein Leid nicht kennt. Der wollustvolle Klang

verzäubert uns den Sinn und macht uns sehnend krank,

doch durch ein süßes Weh. Wem soll ich dich vergleichen?

Ich weiß, an Lieblichkeit muß dir Iopus weichen

und Demodokus auch. Was Thamyras gespielt,

das stichst du leichtlich hin. Wen dieses Lob vervielt,

der komm' und höre dich! Du hast den Preis erworben,

daß du nach deinem Tod' auch bleibest ungestorben.

Die Kunst verlacht das Grab. Du wirst sein hochgepreist,

so lange Cynthius der Lauterfinder heißt.


Emblem Harmonia suavis. Aus: Lust- und Artzeney-Garten des Königlichen Propheten Davids, Regensburg 1675.

Wolf-Helmhardt von Hohberg (1612–1688), Der Herr hat wolgefallen an seinen wercken

Wolf-Helmhardt von Hohberg (1612–1688)

Der Herr hat wolgefallen an seinen wercken
(Ps. 104, V 31)

Von einer maisterhand gerührt fürtrefflich klinget

die Laute; wan wol sind die saiten eingestimmt:

Von Gottes weisheit so die ganze welt entspringet

und der geschöpffe kunst den Schöpffer macht

[berühmt.


Filip Zesens dichterische Liebes-Flammen. Frontispiz in: Filip Zesens dichterische Jugend-Flammen, Hamburg 1651.

Philipp von Zesen (1619–1689), Das fünfte Lied an die übermenschliche schöne Himmelshulde / als Er Sie auf der Lauten spielen hörete

Philipp von Zesen (1619–1689)

Das fünfte Lied
an die übermenschliche schöne
Himmelshulde /
als Er Sie auf der Lauten
spielen hörete

1.

Schöne / wie mag dieses kommen /

daß mich ihrer Lauten-klang /

die Sie kaum zur hand genommen /

macht so balde liebe-krank /

daß die sinnen schwächer werden /

und sich neugen hin zur erden /

daß mich ihrer augen blik

ziehet aus mier selbst zurük.

2.

Mit den fingern mag sie spielen /

aber mit den augen nicht;

dan die kraft macht schmertzen fühlen /

die aus ihren blikken bricht;

ja / was mehr ist / ihre zunge

reget mier auch hertz und lunge /

wan sie so beengelt singt /

und mich fast zum sterben bringt.

3.

Ja nuhn kan ich leichtlich gläuben /

daß Orfeus durch seinen klang /

wie die weisen Dichter schreiben /

das vertutzte wild bezwang /

weil itzund Ihr süßes spielen

die vernunft mus selbsten fühlen /

und / o Engel-mänschen-bild /

nichts für ihren strahlen gilt.

4.

Ihre laute / die sie führet /

ist mit bändern schön bestrükt /

die aus lieb' und gunst gerühret /

könt' ich auch so sein beglükt /

daß ein lied aus gunst geschrieben /

meine Schöne möchte lieben /

und derselbe / der es schreibt /

Ihrer gunst sei einverleibt.

5.

Sie ist ja zur gunst gebohren

denen / die ihr günstig seind /

und zum lieben auserkohren /

drüm werd' ich ja nicht / als feind /

so unglüklich bleiben müssen;

bin ich doch auf nichts beflissen

als auf ihren hohen preis /

der von keinem weichen weis.

Angelus Silesius (Johann Scheffler) (1624–1677), Das Lautenspiel Gottes

Angelus Silesius (Johann Scheffler) (1624–1677)

Das Lautenspiel Gottes

Ein Herze, das zu Grund Gott still ist, wie er will,

Wird gern von ihm berührt: es ist sein Lautenspiel.

Angelus Silesius (Johann Scheffler) (1624–1677), Sie stimmt ihm die Saiten an

Angelus Silesius (Johann Scheffler) (1624–1677)

Sie stimmt ihm die Saiten an

1

Ich will die Laute rühren,

Und Jesu musizieren.

Ich will die Saiten zwingen

Und, was ich kann, drein singen.

Mit Herz und Mund erschallen,

Daß es soll widerhallen.

Die Laute will ich rühren

Und Jesu musizieren.

2

Ich will mein Herz erheben

Und in dem Himmel leben.

Ich will mich von der Erden

Und weltlichen Beschwerden

Zu meinem Liebsten schwingen

Und durch die Wolken dringen.

Mein Herz will ich erheben

Und in dem Himmel leben.

3

Ihr himmelischen Chöre,

Vergönnet mir die Ehre,

Daß ich mit euch vermenge

Mein arme Lobgesänge.

Daß ich mit euren Weisen

Den Herren möge preisen.

Vergönnet mir die Ehre,

Ihr himmelischen Chöre.

4

Ich wollt ihn gerne loben,

Wie ihr im Himmel droben.

Stimmt ein mit euren Flöten

Und ewigen Trompeten.

Er wird von meiner Zungen

Nicht schön genug besungen,

Drum wollt ich ihn gern loben,

Wie ihr im Himmel droben.

5

O Jesu, mach mich weise,

Daß ich dich würdig preise.

Laß meines Herzens Saiten

Durch deinen Geist bereiten.

Befeuchte meine Seele

Mit deiner Gottheit Öle,

Daß ich dich würdig preise,

O Jesu, mach mich weise!


Der Nürnberger Lautenist Melchior Schmid (geb. 1608).

Kupferstich von Johann Jakob Schollenberger mit einem lateinischen Epigramm von Sigmund von Birken (1668).

Herzog Anton Ulrich Museum Braunschweig,

HJSchollenberger AB 3.24.

Sigmund von Birken (1626–1681), Uber D. Melchior Schmids Nürnb. Lautenistens Bildnis

Sigmund von Birken (1626–1681)

Uber D. Melchior Schmids
Nürnb. Lautenistens Bildnis


Seinen Orfeus Thracien, Thebe den Amfion preise;

unser Nürnberg diese Beÿde hat zugleich in diesen

[Mann.

Es bekennet, wer ihn kennet, ihn mit Ohren sehet an,

daß sein süsses Lautenspiel in dem Chor das Honig

[heise.

Deutschsprachige Fassung des lateinischen Epigramms.

In: Birken-Wälder, Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Historisches Archiv: P.Bl.O. 13.3.1.1, fol 208r.