Leben aus dem Sein

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Kapitel 4
Voraussagen und Vorbereitung für die Wiederkehr Babajis:
Mahendra Maharaj und Vishnu Dutt Mishra

Mahendra Baba findet Babaji

Während Shri Babajis körperlicher "Abwesenheit" in den Jahren 1922 bis 1970 betrat ein großer Siddha Yogi43 die Bühne des Lebens, um die Menschen von Babajis Existenz zu unterrichten, seine Wieder­kehr vorauszusagen und vorzubereiten.

Der Mann, bekannt unter dem Namen Mahendra Baba, oder Mahendra Maharaj, wurde am 4. März 1908 in Hause seines Großvaters mütterlicherseits in der Kleinstadt Manika, bei Mithila in Bihar, Indien geboren. Mithila ist bekannt als Geburtsstätte von Sita, Ramas Gemahlin. Mahendra Baba verbrachte seine Kindheit und Jugend im Hause seines Großvaters. Dieser war ein unerschütterlicher Verehrer der Göttin Durga - ein Name und ein Aspekt der göttlichen Mutter, der Erschaffenden und Nährenden. Die Familie war gebildet und hatte keine wirtschaftlichen Sorgen. Mahendra besuchte die Schule des Ortes. Wenn er nach Hause kam, wurde er von Gelehrten in Sanskrit und anderen Sprachen, einschließlich Englisch unterrichtet.

Sein Großvater war ein Gelehrter in Sanskrit, geschult in Astrologie und der Ausübung ritueller Gottesdienste. In einem separaten Raum, getrennt von der Familie, führte er seine Pujas (rituelle Verehrung Gottes) aus. Dort las er mehrmals am Tag die Durga Saptashati (Siebenhundert Verse zu Ehren der Göttin Durga) auf Sanskrit, und der junge Mahendra lernte sie ebenfalls bald lesen.44

In seiner Kindheit und Jugend hatte Mahendra mehrere Erlebnisse mit Babaji. Er erzählte, dass er als kleines Kind durch eine Vision von Babaji und der göttlichen Mutter Durga von einer fast tödlichen Krankheit geheilt wurde. Babaji erschien ihm wieder und schenkte ihm Süßigkeiten, als er an seinem fünften Geburtstag in einen Lebensmittelladen ging, um dort Süßigkeiten zu kaufen.

Ein Mann aus Bombay, den Mahendra Baba wie einen Freund behandelte, berichtete, dass Mahendra Baba ihm folgende Geschichte er­zählte: Als er seinen Abgang von der Oberschule feiern wollte, betrat er einen Laden, um Süßigkeiten zu kaufen. Bei dem Geschäft stand ein großer, alter Heiliger, der ihn mit intensiven Blicken einschüchterte. Als er die Süßigkeiten gekauft hatte, bot er sie dem Heiligen an, der sie mit den Worten ablehnte, er wolle lieber mit Mahendra in sein Elternhaus gehen. Dort angekommen lehrte der Heilige Mahendra sechs Tage und Nächte Yoga. Anschließend verließ er das Haus, um nie wiederkehren. Mahendra hatte seinen Meister gefragt, wo er denn herkäme, und er erwiderte, er sei aus dem Himalaja. Nach seinem Namen hatte er sich nicht erkundigt, denn es ist üblich, Heilige mit "Baba" oder "Maharaj" anzureden.

Mahendra erzählte einem anderen Schüler, dass er, sobald er seine Knabenzeit erreicht hatte, von dem Wunsch erfüllt war, nach Vrindaban zu fahren, um dort über Krishna zu meditieren, den er sehr liebte. Eines Tages, als kleiner Junge, bat er seine Mutter um Erlaubnis, nach Vrindaban fahren zu dürfen, um dort Krishnas Namen zu rezitieren und "Gott" zu finden. Seine Mutter fing zu weinen an und bat ihn, da­mit zu warten, bis er die Schulbildung hätte, die ihm ein besseres Verständnis für das Spirituelle geben würde.

Mahendra besuchte das College in Patna im Staat Bihar. Er er­zählte seinem Freund aus Bombay, dass er dort seinen Heiligen wiedertraf. An einem kalten Dezembertag bemerkten Mahendra und eine Anzahl seiner Mitschüler einen "Mahatma" ("große Seele"), dem sie durch die Straßen folgten. Der Mahatma ging an das Ufer des Ganges, warf seine Kleidung ab und watete hinaus zu einer Sandbank, auf der er sich in Yogi-Haltung niederließ. Während er dort saß, erwärmte sich seine Umgebung, es wurde so warm, dass die Jungen am Ufer beim Zuschauen ihre Winterkleidung auszogen. Schließlich drehte sich der Heilige nach ihnen um und schrie: "Versucht ja nicht, die Kräfte eines Yogis auf die Probe zu stellen!" Erschreckt liefen die Jungen da­von.

Mahendra schloss seine formale Erziehung an der Bhagalpur Universität in Bihar mit dem Grad des Magisters für Künste in Philosophie ab. Seine Schriften bezeugen einen hohen Wissensgrad, sie sind gespickt mit Zitaten in Sanskrit, literarischen und biblischen Anspielungen, die selbst einer gebildeten Leserschaft die Lektüre erschweren und das Übersetzen ausgesprochen schwer gestalten. Mahendra Maharaj erzählte auch, dass er nach Beendigung seiner Ausbildung eine Zeit­lang an Mahatma Gandhis politischer Bewegung teilnahm und viele Städte während dieser Betätigung besuchte.

Mahendra verließ sein Zuhause im Jahre 1928. Eines Tages, bei einem Spaziergang, beschloss er, die Stadt Benares zu besuchen. Er unterbrach seinen Spaziergang nicht, sondern ging immer weiter und weiter, bis er eine Strecke von mindestens 350 Kilometern zurückgelegt hatte. In Benares angekommen, hielt er sich einige Zeit im Vishwanath Tempel auf und gründete eine Schule. Als sein Großvater hörte, wo sich Mahendra aufhielt, schickte er ihm etwas Geld und ließ ihn wissen, dass er ihn besuchen käme. Diese Mitteilung veranlasste Mahendra, das Geld seines Großvaters für eine Fahrt nach Vrindaban auszugeben, wo er "zu Füßen der Mutter Radhaji"45 fiel.

Mahendra ließ sich für zwanzig Jahre in Lohban nieder, einem Ort, der einige Kilometer von Vrindaban entfernt bei Mathura liegt und wo Krishna geboren wurde. Dort übte er Sadhana aus (religiöse Übungen zum spirituellen Wachstum). Er reiste und verbrachte viel Zeit in Amba im Datta Distrikt in Gujerat. Das ganze Gebiet ist eng mit der göttlichen Mutter Amba verbunden. Seine Familie hat er nie mehr in Bihar besucht. Während er in Lohban weilte, organisierte Mahendra Baba Japa-Veranstaltungen (Wiederholen von Gottes Namen), das Singen von religiösen Liedern und Lesungen aus den Schriften wie dem Ramayana. Viele Menschen kamen zu ihm und lauschten seinen Unterweisungen.46 Man erinnert sich noch gut an ihn in Lohban. 1985 sammelten die Menschen dort Geld, um einen Tempel und einen Ashram auf geschenktem Boden für Mahendra Maharaj und Shri Haidakhan Baba zu errichten.

Obgleich Mahendra Baba nach Vrindaban und Lohban zog, um mit Krishna und Mutter Radha zu sein, vergaß er nicht seinen Wunsch, seinen Guru zu finden. Er durchquerte den Himalaja in Indien, Nepal und Tibet auf der Suche nach seinem Meister, der ihm einstmals Yogawissen beigebracht hatte. Es wird gesagt, dass Mahendra Baba niemals um Nahrung oder anderes bat, wie es Brauch bei den meisten Wandermönchen ist, und dass er oft hungrig blieb und Mangel litt, obwohl die Menschen ihm ungefragt Nahrung und das Nötigste an Dingen anboten. Er legte lange Fasten- und Meditationszeiten ein, bekleidete sich spärlich, aß und sprach wenig. Er war bekannt für seine strenge Askese. Die wachsende Anhängerschaft und der Raja des Datta Gebietes brachten ihm oft Nahrungsmittel und Süßigkeiten, um seine Askese zu erleichtern und seine Gesundheit zu erhalten, aber er nahm diese Gaben selten an.

Jahrelang betete Mahendra Baba darum, dass er seinen Meister aus dem Himalaja wiederfinden möge, aber er konnte nicht in Erfahrung bringen, wer es war. 1949, so wird gesagt, hatte Mahendra Baba eine Vision im Ambaji Tempel in Datta. Die Göttin Amba kam zu ihm und sagte, er solle in den Almora Distrikt von Uttar Pradesh nach seinem Meister suchen. Diese Suche im Gebiet um Almora ist das Hauptthema in Mahendra Babas Buch "Anupam Kripa."

1949, zu Beginn der Sommerzeit, besuchte er drei oder vier Tage den Tempel von Almora. Da er seinen Meister dort nicht fand, wurde er unruhig und wanderte nach Kosi, welches etwa fünfzehn Kilometer entfernt liegt. Am Abend bot sich ein Dorfbewohner an, Mahendra Baba zu einem in den Bergen weit abgelegenen Tempel zu begleiten. In der Dunkelheit der ersten Nachtstunden wanderten sie entlang eines Pfades oberhalb eines Flusses von nur einem halben Meter Breite. Mahendra Baba war hungrig und müde, doch der Weg war so schmal, dass er keinen Platz zum Ausruhen fand. Nach zwei Stunden zeigte der Dorfbewohner mit der Hand auf einen Weg, der zum Tempel führte und verschwand in der Dunkelheit, um zu seinem kranken Sohn heim­zukehren. Mahendra Baba tastete sich langsam auf dem Pfad entlang bis zum Dorf, wurde aber von bellenden Hunden aufgehalten. Er rief die Namen Gottes und wurde von einigen Dorffrauen gehört, die ihm einen Mann zur Hilfe sandten. Dieser bot ihm Speise an, doch Mahendra Maharaj wollte nur in den Shatrudra Tempel, den sie nach Mitternacht erreichten.

Sobald Mahendra Maharaj vom Wasser des nahen Flusses getrunken hatte, verschwanden Hunger und Durst und er fiel auf den Tempelstufen in Schlaf. Bald wurde er vom Priester des Tempels in großer Aufregung geweckt: "Maharaj, sage mir schnell, was ich dir für Speise bringen soll. Sage es mir schnell, denn Gott selbst hat mir ernsthaft befohlen, den hungrigen Asketen zu speisen. Sieh, mein Herz schlägt noch jetzt vor Aufregung!" Mahendra Baba protestierte und sagte, er wolle nichts. Und da er so offensichtlich erschöpft und müde war, meinte der Priester, er solle weiter schlafen. Als Mahendra Baba wie­der entschlummerte, ging der Priester in den Tempel und stolperte über ein Bündel in der Dunkelheit. Es enthielt Mehl, und so entschied er, Brot und Gemüse in großen Mengen für Mahendra Maharaj herzu­richten.

So wie hier wurde Mahendra Baba durch das ganze Almora Gebiet nach Sheetlaket geführt. Dort traf er Shiromani Pathal, der ihn, nach­dem er eine lange Nacht mit ihm im Gespräch47 verbracht hatte, in den Siddashram, einen Kilometer unterhalb von Sheetlaket, schickte.

"Ich erreichte den Ashram und seinen dort ansässigen Priester. Selbst ein Poet wäre außerstande, die Schönheit dieses Ortes zu beschreiben. In dem Ashram steht ein Bungalow, der einem Gästehaus für Besucher ähnelt, ein an einem gleichmäßig fließendem Strom gelegener Laxmi Tempel und eine Einsiedelei. Auf dem höchsten Punkt steht eine andere Hütte, von der man einen herrlichen Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Nadakot, Badrinarayan, Nilkanth und andere werfen kann.

 

Etwas von der Hütte entfernt stehen zwei Deodar-Bäume, die unter dem Namen "Nar" und "Narayan" bekannt sind. Der Priester sagte, ich solle mich unter die Bäume setzen, obwohl es weder einem Sadhu noch einem Pilger erlaubt ist, in dieser Hütte zu verweilen. Es werden darin nur die Bilder von Shri Maharaj aufbewahrt, seine Mala (Rosenkranz), einige Bücher über Durga, Vishnu, die Gita und gewisse andere Objekte für Andachten. Niemand kann die Hütte benutzen. Aber die Gnade Gottes wollte es, dass der Priester, kaum dass wir die Hütte erreicht hatten, das Tür­schloss öffnete.

Ich grüßte die Bilder, verneigte mich und wurde plötzlich von einer Glückswelle überflutet, stand ich doch unverhofft vor den Bildern meines Meister48, der mich seit langem - seit meiner Studienzeit - sein Eigen nannte!"49

Sofort wurde Mahendra Maharaj von Zweifeln, Verwirrung und Konflikten gepackt. Er dachte ans Fasten, aber als er schlief, erschien ihm die göttliche Mutter im Traum und sagte: "Bruder, ich bin hungrig." Weinend erwachte er und brachte ihr Speise und Süßigkeiten dar und aß anschließend selbst davon. Er konnte sich weder auf Japa (Wiederholen von Gottes Namen) noch auf die Meditation konzentrieren.

Drei Tage lebte Mahendra Baba in dieser inneren Verwirrung.

"Ich fragte mich: "Wofür verbringe ich so meine Zeit? Sogar nachdem ich ihn gefunden habe, vergisst er mich, ich aber kann ohne ihn nicht leben. Oh, du mein Geist, vergiss ihn ganz und gar und versinke in weltliche Reichtümer und Leichtigkeit, oder aber lege dein Haupt durch Seelenkraft gestärkt zu Füßen deines geliebten Meisters nieder." So entschied ich mich vom nächsten Tag an bis hin zum Tod zu fasten, es sei denn, Shri Maharaj würde diese Zweifel von mir nehmen...

Wegen der Kälte nahm ich erst spät mein Bad, betete, meditierte, machte Japa, und las etwas in den Heiligen Schriften, dann verschloss ich sorgfältig meine Tür von innen und legte eine Kette davor. Es gab ein kleines Fenster auf der einen Seite des Raumes, es war durch ein Eisengitter versperrt, dennoch verschloss ich den Fensterla­den sorgfältig und verriegelte es. Ich verneigte mich vor Shri Maharaj und wollte schlafen. Niemals habe ich er­wartet, dass seine Gnade so bald auf mich fallen würde.

In der Shrimad Bhagwat hatte ich von Dhruva gelesen und von den Leben der modernen Heiligen wie Narasingh Mehta und anderen. Diese großen Weisen hatten nach schweren Versuchungen, getragen von Kraft und Hingabe, Erlösung gefunden. Ich war unerfahren, war kein Schüler, hatte weder Vertrauen noch Liebe und er­wartete nicht, dem Herrn so bald zu begegnen. Ich wusste aber, dass seine Gnade über mich kommen würde, warum sonst hätte er mich zu diesem heiligen Tempel gerufen? Ich war mir seiner unermesslichen Gnade bewusst. Solche und ähnliche Gedanken kreisten in meinem Gehirn, dann wurde ich müde, mir fehlte die große Liebe, die den Schlaf verscheucht. Ich wollte nicht essen oder trinken, mein Geist war nicht bereit, Zeremonien auszuführen oder heilige Lieder zu singen, und so entschloss ich mich, meine Zeit mit Schlafen zu verbringen.

Gedankenlos, während ich mich bereit machte, einzuschlummern, schaute ich, meine Beine ausstreckend, zur Tür und sah Shri Bhagwan dort stehen! Woher er gekommen war und wann, das weiß ich nicht. Wegen des Platzmangels, seines plötzlichen Erscheinens, der über­mächtigen Verehrung und der Schwäche meines Körpers und Geistes konnte ich mich nicht erheben, sondern griff im Sitzen mit meinen beiden schwachen und sündigen Händen nach seinen heiligen Füßen - sprachlos; ich war wie vor den Kopf geschlagen.

Obgleich meine Augen auf seine Füße gerichtet waren, versuchte ich einen Blick auf sein lotusähnliches Antlitz zu werfen. Er schaute mich geraume Zeit liebevoll an, so als wolle er mich durch seine Gnade zu seinem Eigen machen. Unterdessen vergaß ich alles um mich herum und berauschte mich an seiner Gegenwart. Erst an diesem Tag verschmolz ich völlig mit ihm und verspürte vollkommenes Einssein mit Shiva, dem Herrn.

Shri Bhagwan unterbrach meinen tranceähnlichen Zu­stand und fragte: "Baba, was wünschst du?" Der liebliche Klang seiner Stimme war unbeschreiblich. Heilige wie Shri Valmiki, Vaidvyas und andere haben bei solchen Gelegenheiten gedacht, dass Stille die beste Sprache ist. In seiner liebe­vollen Gegenwart wurde ich zur Einheit. Es war, als wenn sich eine Waise unter seinen Schutz stellt, oder als wenn eine Mutterkuh auf ihr schwaches, schwankendes Junges blickt. Die Schönheit seiner verehrten Gestalt, sein Duft, die Zartheit seiner Haut und seine Freundlichkeit standen jenseits meiner Wahrnehmung und meines Wissens. Dann legte er seine Hände auf meinen Kopf und fragte erneut: "Baba, was wünschst du?"

Als ich von der lotusähnlichen Erscheinung diese Worte hörte, wusste ich in meinem Herzen, dass, wenn ein königlicher Vater die erbärmliche Verfassung seines Sohnes sieht, er sofort bereit ist, ihm alles zu schenken, um seine Situation zu erleichtern. Genauso war Shri Bhagwan bereit, mir alle Wünsche zu erfüllen, - weltliche Gunst und über­natürliche Kräfte. Shri Bhagwan Samba­sadashiva, Herr der drei Welten und aller lebenden Geschöpfe, überschüttete mich mit der Gunst der Erlösung.

Ich war in Ekstase! Einfach so vor seinem Kinde zu er­scheinen! Meinen Wunsch durch seine Gnade zu erfüllen! Entzückt und glückselig berührte ich seine Füße und sagte mit leiser Stimme: "Gib mir deinen Segen!" Die Augen des mitfühlenden Herrn füllten sich mit Tränen, sein starkes Herz schmolz. Indem er abermals seine geheiligten Hände auf meinen Kopf legte, sagte er: "Baba, dieser Ausgang hier ist verschlossen." Dann verschwand er aus meinem Blickfeld."50

Es nahm einige Zeit in Anspruch, bis Mahendra Baba sich beruhigt hatte. Nach einer Weile schob er den Riegel von der Tür zurück, ging hinaus auf die Veranda und schaute sich voll inneren Glückes um. Vielleicht würde er Shiva wiedersehen. Der Ashrampriester kam her­bei und Mahendra Baba bat ihn, Shiromani zu rufen, damit er Nahrungsmittel von den Geschäften in Sheetlaket besorge. Mahendra Baba war verwirrt. War das, was er erlebt hatte, Wirklichkeit oder Einbildung?

"...Es gab genügend Gründe für meine Zweifel. Erstens bin ich von Natur aus ein Zweifler, zweitens trug Maharaj keine Kappe und keine Kurta (langes Hemd), als er vor mir stand. Er trug ein um seine Taille geschlungenes Tuch, das den Oberkörper bedeckte und dessen andere Hälfte in Falten bis nach unten fiel und dort geknotet war. Die Farbe des Tuches hatte geleuchtet und attraktiv gewirkt. In meinem halb­bewussten Zustand wurde ich wieder und wieder von der Freude seiner Gegenwart übermannt.

Unterdessen war Shiromani angekommen. Der Priester er­reichte uns ein wenig später mit seinen Einkäufen. Ich fragte Shiromani, welche Kleidung Shri Baba getragen hatte. Mit ernster Stimme erklärte er, dass er keine besondere Art von Kleidung trug. Wir brachten ihn manchmal dazu, eine Kurta und eine Kappe anzulegen, oder ein Jackett und einen Turban und für kurze Zeit würde er alles annehmen, was wir ihm gaben. Meistens jedoch trug er einen Dhoti, ein Tuch, dessen eine Hälfte den Oberkörper bedeckte und die andere Hälfte in Falten nach unten fiel.

Sobald ich diese Worte hörte, waren meine Zweifel verschwunden. Ich zeigte daraufhin auf die eine Seite des Raumes, die Shri Bhagwan kurz vor seinem Verlassen angeschaut hatte und fragte: "Gab es jemals eine Tür auf dieser Seite des Raumes?" Shiromani staunte sehr über diese Frage. Er fiel mir zu Füßen und fragte: "Täuscht du mich? Bist du Shri Haidakhan Wale Baba? Seine äußeren Erscheinungen wechselten ständig. Er kannte keine feste Form. Er hatte die Gewohnheit, verschiedene Gestalten an­zunehmen. Er war Gott... Nach diesen Worten fing er zu weinen an..."

Shiromani fasste sich wieder, nahm mich bei der Hand und führte mich in den Raum. Er zeigte mir in der Wand die Überreste eines Türrahmens, sie waren genau dort, wohin Shri Maharaj gedeutet hatte. Sie waren kaum zu erkennen. Ich konnte nicht ganz die Bedeutung der Tür verstehen und bat um Erklärungen. Shiromani erzählte mir, dass in dem Zimmer von Shri Maharaj auf dieser Seite eine Tür gewesen sei, aber einer der Schüler hatte sie zugemauert und an an­derer Stelle eine Tür zu seiner eigenen Bequemlichkeit hin­eingesetzt. Ich hatte genug gehört, mir war meine unendliche Sehnsucht erfüllt worden und mein Herz sagte mir, selbst wenn ich jetzt sterben sollte, hätte ich, durch seine Gnade, Frieden auf Er­den gefunden.

In den nächsten fünf oder sechs Tagen konnte ich mich nicht aufraffen, etwas zu tun. Dann aber erstarkte in mir der Wunsch, der Welt die gesegnete und liebevolle Botschaft des Herrn zu übermitteln. Nur er konnte die Menschheit in diesem dunklen Zeitalter retten. Ich prüfte mein Herz genau um festzustellen, ob sich in irgendeiner Ecke ein selbstsüchtiger Wunsch nach Ruhm verbarg, der sich auf diese Weise kundtun wollte. Aber es ist nutzlos, darüber zu berichten, denn durch Gottes Gnade, gab es in meinem Gemüt kein solches Motiv und ist auch heute nicht dort zu finden. Für das Wohl der Menschheit allein entstand dieser Wunsch, und besonders für die, die an mich als spirituellen Lehrer glaubten und durch mich zur Erlösung gelangen wollten, obgleich ich ihnen immer wieder meine Unzulänglichkeit erklärte. Ich sagte ihnen, all dies sei Bhagwans Lila (Das Spiel oder das Wirken Gottes), ich hingegen sei nur sein Botschafter. Aber ich fühlte, ich sollte der Menschheit die gesegnete Botschaft des Herrn überbringen. Sei es so!"51

Nachdem Mahendra Maharaj Siddashram verlassen hatte, besuchte er Haidakhan zum ersten Mal. Er verbrachte etwa eine Woche in der Höhle, in der der "Alte Haidakhan Baba" zu sitzen pflegte. Während der dritten oder vierten Nacht seines Aufenthaltes dort wurde er durch ein rasselndes Geräusch, das sich zwei oder drei Mal wieder­holte, geweckt. Als er wieder einschlummerte, erwachte er abermals von dem Geräusch. Alarmiert sprang er auf. Seine Angst verwunderte ihn. Er hatte furchtlos in Wäldern und auf Berggipfeln geschlafen. In­dem er dachte, dass, was immer Gott ihm schickte, gut für ihn sei, begann er "nicht aus Glauben oder Furcht, sondern nur um die Zeit zu vertreiben",52 Gebete zu rezitieren. Bald verlor er das Tagesbewusstsein und komponierte durch göttliche Eingebung die Verse für Shri Munindra (einer der Namen für das Göttliche). Das Wiederholen dieser Verse machte ihn sehr glücklich, aber nachdem er sie einmal auf­gesagt hatte, vergaß er sie. Hätte er einen Bleistift und Papier bei sich gehabt, hätte er sie aufschreiben können. Falls diese Verse von Gott inspiriert worden sind, dachte er, wird Gott sie nicht vergessen und sie mir am kommenden Morgen wieder ins Gedächtnis rufen. Sind sie hingegen meine Schöpfung, dann schadet es nicht, sich ihrer nicht zu erinnern. Bei diesen Gedanken schlief er wieder ein.

Ein Lehrer aus dem Ort hatte es sich zur Aufgabe gemacht, zur Höhle zu gehen und Mahendra Baba Milch zu bringen. An diesem Morgen um acht Uhr fand er Mahendra Baba noch schlafend vor und weckte ihn mit den Worten: "Du bist ein gelehrter Mann, hier sind Bleistift und Papier im Falle, dass du etwas aufschreiben möchtest."

Noch bevor Mahendra Baba seine Milch trank, setzte er sich auf einen Stein vor die Höhle in Nähe des Flusses nieder und schrieb nach einem Gebet die Verse auf, die ihm in der Nacht in den Sinn gekommen waren.

"Oh, es war, als ob jede Anrufung Gottes in Licht gemeißelt wäre, und mit viel Freude schrieb ich die leuchtenden mantrischen Worte tief bewegt mit zitternden Händen nieder. Nachdem ich Gott für seine unendliche Gnade und Größe gedankt hatte, trank ich meine Milch.53

Mahendra Baba verbrachte noch drei oder vier Tage in der Höhle und komponierte ohne Schwierigkeiten weitere poetische Anrufungen Gottes und Gebete. Einige haben einen lehrenden Aspekt, andere er­klären schöne, aber schwierige Sanskrit-Verse. Nie hatte er Reichtum, Besitz, Frauen oder Dichtkunst besitzen wollen, aber durch Gottes Gnade wurde ihm poetische Kraft zuteil, die er mit Freude gebrauchte. Mahendra Maharaj zerriss seine eigenen Kompositionen, behielt nur diese eine und verließ Haidakhan.54

Herr Manherlal K. Vora aus Bombay berichtet, dass Mahendra Baba bald nach den Erfahrungen im Siddhashram und Haidakhan zu ihm nach Bombay kam. Noch zu diesem Zeitpunkt beschäftigten sie ihn sehr, und er war von Glauben und Zweifel hin- und hergerissen. Mahendra Baba ließ sich von Herrn Vora in den Ashram von Ramana Maharshi55 in Tiru Vana Malali bei Madras bringen. Dort wurde ihm versichert, dass Haidakhan Baba eine große Seele und eine geistige Kraft sei, und dass er in guten Händen sei.

 

Mahendra Baba berichtete vielen seiner Freunde und Bekannten schriftlich von seinen Erfahrungen und fing an, Gottes Botschaft zu verbreiten indem er lehrte und predigte. Er stellte das Haidakhan Arti (gesungene Andacht) aus eigenen Kompositionen zusammen und fügte andere Hymnen aus den verschiedensten traditionellen Artis hinzu. Er besuchte und reparierte die Ashrams vom "Alten Haidakhan Baba", die im Laufe der Zeit baufällig geworden waren, und er vereinte die Schüler, die der "Alte Haidakhan Baba" hinterlassen hatte mit denen, die Mahendra Baba durch seine Bemühungen gewonnen hatte.

Einige Erlebnisse mit Babaji

Mahendra Baba war damals durch seine große Hingabe und Liebe für Krishna nach Vrindaban und Umgebung gezogen. Eines Tages, als er im Ganges badete, entschloss er sich, nach seinem Bade nach Vrindaban zurückzukehren.

"Während ich das Mantra zu Ehren meines Meisters wiederholte, betete ich zum liebevollen Herren, zu Shri Haidakhan: Prabhu, Gott, du bist Ishwara, die Zuflucht aller Schöpfung, der verkörperte Wächter und unendlich mitleidsvolle Herr. Es ist gesagt worden, dass deine über­aus strahlende Gestalt die vollkommene Form Gottes ist. Oh, unwandelbarer Gott, es gibt kein Gleiches im ganzen Universum. Deshalb bete ich um eine Vision von dir in Vrindaban in Krishnas Gestalt.

Diese Worte gebrauchte ich beim Beten und vergaß sie wie­der. Es gibt keinen Zweifel, dass Shri Prabhu, Manmunindra Shri Haidakhan Baba und der große Geliebte, der glückliche Lord Shyam von Vrindaban ein und das­selbe sind."56

Zurück in Vrindaban kam Mahendra Baba eines Morgens auf einen Platz, der mit Krishna in Verbindung gebracht wird. Dort wurde ein Spiel aufgeführt, in dem Krishna für Radha auf seiner Flöte blies. Mahendra Baba erinnerte sich seines Wunsches, Krishna zu sehen und bat erneut um eine Vision. Kaum hatte er seine Bitte formuliert, als er den Yamuna Fluss in der Nähe eines Banyan Baumes fließen "sah". Unter diesem Baum inmitten von wild wachsenden Blumen stand Krishna, ein wunderschöner Jüngling. Er schaute Mahendra Baba aus den Augenwinkeln an und spielte auf seiner Flöte eine zarte, süße Weise, wie Pan.

"Mir war, als ob meine Sicht durch den ausströmenden Glanz seiner Augen ihre natürliche Funktion verlor. Wie ein Fisch tauchte sie vor Freude in den Ozean der Liebe ein."

Nach einiger Zeit "erwachte" er aus seiner Vision, kam zu sich und sah dem Schauspiel mit den gleichen Spielern und Zuschauern unter dem Banyan Baum zu. Erstaunt und erfüllt ertappte er sich beim Re­zitieren der Worte:

"Der große Meister Shri Haidakhan ist Krishna persönlich! Es ist Shri Krishna, der als Shri Haidakhan Baba eine Kappe und eine Kurta trägt."57

***

Das Jahr 1957 wurde von großer Bedeutung für die Schüler von Mahendra Maharaj und von Shri Babaji. Mahendra Maharaj verbrachte viel Zeit im Kathgharia Ashram, etwa fünf Kilometer von Haldwani entfernt. Dieser Ashram war vom "Alten Haidakhan Baba" ins Leben gerufen worden; er selbst hatte dort des öfteren viel Zeit verbracht. In dem Ashramtempel wurde am Sonntag, dem 24. Februar 1957 eine Murti von Shri Babaji aufgestellt. Zuvor war ein Fest gefeiert worden, dass vier oder fünf Tage gedauert und Tausende von Menschen, manche waren von weit hergekommen, angelockt hatte. Obwohl weder die Schüler noch die Polizei für Ordnung sorgten, gab es keine Unruhe oder Diebstähle, im Gegenteil, verlorene Gegenstände, sogar Wertsachen, wurden ihren Eigentümern zurückgegeben.

Am Samstagabend versammelten sich die Menschenmassen ein­schließlich großer Weiser und Heiliger, Gelehrter und Philosophen, Menschen von Ost und West, um der Lesung des Ramayana beizuwohnen und die ganze Nacht Kirtans (religiöse Lieder) zu singen, bevor die Statue am Sonntagmorgen aufgestellt werden sollte. Mahendra Baba, Vishnu Dutt und Giridhari Lal Mishra und ein Schneider namens Ram Chandra waren in dem Ashramraum zusammen mit der Murti eingeschlossen worden, um Muße zur Anfertigung einer Kurta für die Murti zu haben. Sie sprachen bei der Arbeit über Shri Babaji. Etwa gegen elf Uhr, zum Höhepunkt der Feierlichkeiten, als das Gelände mit Hingabe und Liebe vibrierte, sahen etliche Damen, die unter einem Banyan-Baum saßen, ein göttliches Licht. Einige Augenblicke lang verstanden sie nicht, woher es kam, und fürchteten sich. Als das Licht in menschlicher Form sich dann hier- und dorthin bewegte, begriffen sie, dass es eine Vision von Shri Babaji war, um die sie gebetet hatten. Einige standen auf und liefen zu den anderen, um es ihnen mitzuteilen. Bald kamen hunderte von Menschen zusammengelaufen, um unter verwunderten Ausrufen und Jubel dieses Wunder zu sehen. Ein Schüler rannte zu dem Raum, in dem Mahendra Maharaj und die anderen arbeiteten, und rief: "Baba Haidakhan ist gekommen!" Sofort ließen die vier ihre Arbeit liegen und liefen hinaus. Nach einigen Minuten schwebte das Licht in den Raum, in dem die Statue stand, und verschwand.

"Dieses Licht war etwa drei Meter von der Menschenansammlung entfernt, und Maharaj schwebte einige Zeit in einer geraden Linie von 40 Metern umher, etwa fünfzig Zentimeter über dem Boden. Jeder sah ihn nur in Form eines Lichtes.

Die Beschreibung dieses Lichtes wird in fast allen religiösen Büchern gegeben. Wo immer eine solche Erscheinung beschrieben wird, hat es die Form eines Lichtes. In dem machtvollen vedischen Gayatri Mantra hat das Wort "Bharg" diese Bedeutung. Das im Neuen Testament er­wähnte Licht ist dasselbe wie in den Hindu Schriften. Im Buddhismus, im Jainismus, im Islam - in allen Religionen - wird auf "das Licht" Bezug genommen. Aber in einer solchen konzentrierten Form, sichtbar vor aller Augen für so lange Zeit, das hat es in der Geschichte noch nie gegeben."58

Einige Menschen berichteten, dass sie in dem Licht die Gestalt des "Alten Haidakhan Babas" wiedererkannten. Er trug eine Kurta, ein langes Hemd und eine Kappe. Vishnu Dutt Shastriji sagt, dass er in dem Licht, welches etwa in einer Entfernung von drei Metern an ihm vorüber schwebte, die junge Gestalt von Shri Babaji erkannte. Herr Laxmi Narayan Mittal aus Gwalior erzählte mir, dass das Licht so intensiv schien, dass es unmöglich war, in seinem Inneren eine Gestalt zu er­kennen.

Später im Jahr 1957 vollendete Mahendra Maharaj das Buch "Anupam Kripa", um mit anderen diese Erlebnisse um Shri Babaji zu teilen. Im darauf folgenden Jahr schrieb Mahendra Baba das Buch "Divya Kathamrit", welches, wie die Puranas, Diskussionen zwischen Göttern zur Führung der Menschheit enthält, und es sagt das Kommen Shri Babajis und sein Wirken voraus.

1958 überzeugte Mahendra Baba seine Anhänger davon,- er verbrachte immer mehr Zeit in Vrindaban und lebte dort bei Schülern während seiner Besuche - ein Grundstück in Vrindaban zu kaufen, um einen Ashram zu errichten. Es kamen 55.000 Rupies, hauptsächlich von Schülern aus Bombay, zusammen. So konnte Land erworben und die ersten Räume für den Ashram gebaut werden. Obwohl Mahendra Baba genaue Vorstellungen für einen angrenzenden Babaji-Tempel aus Marmor hatte, wurde dieser nicht mehr zu seinen Lebzeiten gebaut. 1958 jedoch, als die ersten Räume eingeweiht wurden, brachte Mahendra Baba die Statue des "Alten Haidakhan Baba", die 1957 in Kathgharia aufgestellt worden war, in den neuen Ashram, wo sie noch heute steht.

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