Was macht das Stinktier im Kofferraum?

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3 Und Bob?

Man kann nicht gut ankommen,

wenn man ständig schlecht drauf ist.

NACH JOHN MAXWELL

Ich lernte Bob und Audrey kennen, als sie mich nach einer Fernsehsendung, zu der ich in Winnipeg in Manitoba, Kanada, gewesen war, zu sich in die Küche einluden. Wenn Sie noch nie in Winnipeg waren, nun ja … gehen Sie nicht wegen der Landschaft hin, gehen Sie wegen der Menschen hin. In Winnipeg gibt es nur zwei Jahreszeiten: Winter und Schnaken. Während wir die besten Spaghetti mit Hackfleischbällchen aßen, die es außerhalb Italiens gibt, erzählten sie mir eine der lustigsten Geschichten, die ich seit langem gehört habe. Die Geschichte wurde oft von Audreys ansteckendem Lachen (das durch ihre drei kleinen Kinder nur noch verstärkt wurde) und Bobs sanftem Glucksen unterstrichen. Audrey liebt dieses Glucksen. »Wenn Bob nicht so glucksen würde«, meinte sie, »dann wäre ich so sehr in Schwierigkeiten wie … nun ja, wie jemand, der in großen Schwierigkeiten steckt.«

Nach den ersten paar Minuten ihrer Geschichte begann ich zu verstehen, warum sie das sagte.

Das Thanksgiving-Wochenende fing so an, wie die Meisners es geplant hatten. Sie stopften ihren Kleinbus mit Matratzen, Schlafsäcken und Kindern voll und fuhren 1000 Meilen durch das Flachland von Manitoba bis zu ihren Verwandten in Michigan. Es war eine schöne Reise. Bis zum Horizont erstreckte sich eine Landschaft aus Wiesen, durchsetzt mit Seen, wie ein grüner Flickenteppich. Die Pappeln reckten ihre kahlen Zweige in den Himmel, als wollten sie sich dem Winter ergeben. Die Kinder zählten die V-förmigen Formationen der Wildgänse, die ihre Heimat verließen und nach Florida zogen. Weder Bob noch Audrey ahnten, dass die Schönheit dieses ersten Teils ihrer Reise im krassen Gegensatz zu ihrer Heimfahrt stehen sollte.

Am Wochenende gab es jede Menge Truthahn und Verwandte. Und viel zu lachen. Am Sonntagabend verabschiedeten sie sich und machten sich auf den Heimweg. Sie fuhren abends um elf Uhr los, fuhren die ganze Nacht hindurch und kamen am nächsten Morgen um halb neun in Minneapolis an. Obwohl Vater und Mutter müde waren, schrie die größte Einkaufsmeile Amerikas geradezu nach einem Besuch. Und so ging schon die Sonne unter, als sie die Skyline der Metropole im Rückspiegel verschwinden sahen.

Als Audrey anbot, das Lenkrad zu übernehmen, kletterte Bob nach hinten, verschwand hinter einigen Schlafsäcken und schlief ein.

Eineinhalb Stunden später fuhr Audrey so leise, wie sie konnte, auf einen Rastplatz, in der Hoffnung, die Familie nicht zu wecken. Sie ließ den Motor im Leerlauf laufen und bemerkte, dass ein Zylinder nicht richtig lief. Das erinnerte sie an Bobs Schnarchen, das vom Rücksitz zu hören war.

Nachdem sie auf die Toilette gegangen war, stieg Audrey wieder ins Auto, rührte ihren Kaffee um, nahm einen großen Schluck und fuhr wieder auf die Autobahn. Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug, während sie mit den Fingern den Rhythmus der Country-Songs mittrommelte und in verschiedene Talksendungen hineinhörte. Als sie in Fargo, in North Dakota, ankam, wachten die Kinder allmählich auf. Aber Bob nicht. Der muss wirklich müde sein, dachte Audrey. Gott sei Dank, dass es hier starken, kolumbianischen Kaffee gibt. Ihr siebenjähriger Sohn tauchte im Rückspiegel auf und rieb sich die Augen. »Schlaf noch ein bisschen, mein Schatz«, sagte seine Mutter.

Und plötzlich war die friedliche Ruhe des frühen Morgens dahin. »Wo ist Papa?«

»Machst du Witze?«, meinte Audrey und verstellte den Rückspiegel, um nach hinten zu sehen. »Er liegt doch da hinten und schläft … oder nicht?«

Die Kinder fingen an, die Kissen zur Seite zu schieben und nach ihrem Vater zu suchen. »Nein«, sagte ihr Siebenjähriger, »er ist nicht hier.«

»Meinst du, er ist vielleicht entrückt worden? Weißt du, so wie du gesagt hast, Mama, wenn Jesus wiederkommt, um uns zu holen?«

Aber Audrey lachte nicht. Während sie nach der nächsten Ausfahrt Ausschau hielt, überkam sie Angst und Sorge. Sollte sie umdrehen und zurückfahren? Sie hatte keine Ahnung, wo der Rastplatz gewesen war. Hatte sie vor zwei Stunden dort gehalten? Oder vor drei? »Bleib ganz ruhig, Audrey«, sagte sie sich selbst. »Oh Herr«, betete sie, »hilf mir, Bob zu finden. Und bitte beschütze ihn, wo auch immer er ist.«

Sie fuhr zu einem Rasthof, ging zum Telefon und rief die Polizei an. »Äh … ich … äh … habe meinen Mann in Minnesota vergessen«, erklärte sie dem Polizeibeamten. »Auf einem … äh … einem Rastplatz.«

Einen Augenblick herrschte Schweigen in der Leitung. »Entschuldigung, könnten Sie das noch einmal wiederholen?«

Nach einigen verzweifelten Minuten gelang es Audrey, den Beamten davon zu überzeugen, dass das kein Scherz war, sondern dass sie ihren Mann tatsächlich, wenn auch unabsichtlich, zurückgelassen hatte, obwohl er vielleicht denken mochte, es sei Absicht gewesen.

»Wissen Sie was«, meinte der Polizeibeamte, »bleiben Sie dran. Ich gebe Ihnen die Telefonnummern von allen Rastplätzen in dieser Gegend. Laufen Sie nicht weg, verstanden?«

Audrey lief nicht weg.

Nachdem sie sich bei dem Polizisten für seine Hilfe bedankt hatte, fing sie an, die Liste abzutelefonieren, eine Nummer nach der anderen. Bei jedem Anruf erntete sie Überraschung, hatte aber keinen Erfolg. Sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sie die letzte Nummer auf ihrer Liste wählte. »Ist bei Ihnen vielleicht ein Mann, der …?«

»Allerdings«, erwiderte jemand mit starkem norwegischem Akzent.

Kurz darauf war Bob am Telefon. »Schatz … es tut mir so leid«, sagte Audrey. »Ich wollte dich nicht …« Sie fing an zu weinen. Und Bob fing an zu lachen.

Vor zwei Stunden war er aus dem Wagen gestiegen, um auf die Toilette zu gehen. Aber als er zurückkam, war das Auto nicht mehr da. »Haha«, sagte Bob laut. »Sehr witzig.« Er ging dreimal um die Tankstelle und rechnete fest damit, dass sie jeden Moment grinsend um die Ecke kämen. Aber er konnte sie nirgends finden. »Sie würde mich nicht einfach so verlassen«, sagte Bob noch lauter. »Oder etwa doch?«

Um sich die Zeit zu vertreiben, wusch Bob den Kunden die Windschutzscheiben und betete, dass Gott ganz deutlich zu seiner Frau sprechen oder vielleicht dafür sorgen möge, dass sie einen Platten hatte. Er stieg sogar zu einem Fernfahrer in den Lastwagen, der gerade etwas Ermutigung brauchte. »Wissen Sie«, sagte der Fahrer zu Bob, »dass ich Sie hier getroffen habe, das war wirklich Gottes Wirken. Ich brauchte das ganz dringend.«

»Oh Herr«, betete Bob, »es reicht für heute mit deinem Wirken.«

Früh am nächsten Morgen sah Bob die Scheinwerfer eines vertrauten Kleinbusses auf die Raststätte zukommen. Er hörte auf, den Kunden die Windschutzscheiben zu waschen und seufzte erleichtert auf. Für Audrey war es eine Rundreise gewesen. Aber diesmal hupte sie laut, und es war ihr egal, wen sie damit aufweckte. »Das war das erste Mal, dass ich meinen Mann verlassen habe«, meint sie und kann inzwischen darüber lachen. »Und Sie können mir glauben, es war auch das letzte Mal.«

»Wir haben schon viel über diese Geschichte gelacht«, meint Bob mit einem breiten Grinsen. »Manchmal ist meine Perspektive, meine Reaktion auf Dinge das Einzige, worauf ich noch Einfluss habe. Das war jedenfalls einer dieser Momente.«

Auch Audrey hat etwas daraus gelernt. »Anscheinend lerne ich nur dann wirklich etwas, wenn mir nichts mehr anderes übrig bleibt, als mich an Gott zu wenden«, gesteht sie. »In dieser Nacht lernte ich, wie wichtig es ist, alle meine Sorgen auf Gott zu werfen. Sie gehören ihm, und ihm kann ich absolut vertrauen. Und natürlich habe ich auch gelernt, dass man immer erst durchzählen sollte, bevor man wieder weiterfährt.«

4 Lektionen auf dem Eis

Neulich ging ich zu einem Boxkampf, und dann wurde plötzlich ein Eishockeyspiel daraus.

RODNEY DANGERFIELD

Als kleiner Junge war ich fest davon überzeugt, dass die Erwachsenen mich tot sehen wollten. Zum einen haben sie mich in die Welt des Eishockeys eingeführt (ein Spiel für steif gefrorene Menschen, die bereit sind, alles zu tun, um wieder warm zu werden). Sie haben uns scharf geschliffene Kufen an die Füße geschnallt, uns Stöcke und ein hartes Gummigeschoss, auch Puck genannt, in die Hand gedrückt, und uns dann auf glattes Eis gestellt. Und was haben sie dann gemacht? Sie haben sich hinter einem Schutzzaun versteckt, um zu beobachten, was dann passiert. Über die Jahre brach ich mir beim Eishockey zweimal die Nase (der kleine Trainingsunfall aus Kapitel 2 nicht mitgerechnet). Im Laufe der Zeit hatte ich mir jede einzelne Rippe irgendwann einmal gebrochen. Aber ich begann, dieses Spiel wirklich zu lieben.

Seit ich dem Schiedsrichter bis zum Knie reichte, war ich schon sportbegeistert.

In Kanada, wo ich aufgewachsen bin, ist Eishockey Staatsreligion. Kinder und Erwachsene gehen gleichermaßen einmal in der Woche, manchmal sogar jeden Tag zum Gottesdienst in die örtliche Eishalle und beklagen sich nie, dass die Predigt zu lang ist. Im Winter zog ich mir jeden Morgen die Schlittschuhe an, stolperte die Straße hinunter, dass die Funken in alle Richtungen sprühten, bis ich zu unserer Freiluft-Eisfläche kam. Dort lernte ich schon mit drei Jahren, mit den Großen Hockey zu spielen. Ich lernte, mich mit dem Puck zwischen den besten Spielern hindurchzuschlängeln und mit größter Präzision zu schießen. Ich lernte auch, wie man mühelos über eine Eisfläche gleitet, manchmal auch auf dem Po, oder ich krachte Kopf voraus in die Bande und wachte erst am nächsten Mittwoch verwirrt wieder auf.

Vielleicht liegt es daran, dass ich den Puck ein paar Mal zu oft abbekommen habe, aber ich vermisse diese Zeiten.

 

Damals war Samstag Badetag. Vom Ältesten bis zum Jüngsten stiegen wir der Reihe nach in die Badewanne, um uns den Dreck der ganzen Woche vom Leib zu schrubben. Das war eine der Gelegenheiten, bei denen es nicht von Vorteil war, der Jüngste zu sein. Bis ich an der Reihe war, war das Wasser, vorsichtig ausgedrückt, schon ziemlich trüb, und ich konnte es kaum erwarten, mich im Wohnzimmer mit den anderen ums Radio zu setzen und den kanadischen Eishockeyspielen zu lauschen. Oh, wie ich das Grölen der Menge liebte. Und die Spannung in der Nachspielzeit. Wenn die Namen der Spieler genannt wurden, weckte das Träume von Ehre und Ruhm: Gordie Howe, Frank Mahovlich, Bobby Orr, Phil Callaway. Ich stellte mir tatsächlich vor, wie der Kommentator mit aufgeregter Stimme hastig rief: »Es ist Callaway, der da übers Eis saust … er durchbricht die Verteidigung … er schießt … Toooooor! Oh Mann, so etwas Aufregendes habe ich nicht mehr gesehen, seit die Alliierten in der Normandie einmarschiert sind!«

Ich war mir ganz sicher, dass das meine Bestimmung war, und verfolgte meinen Traum mit vollem Einsatz.

Schon bald spielte ich in einer echten Mannschaft, in einem echten Eisstadion, mit echten Helmen, um unsere echt harten Schädel zu schützen. Während der Rest der Welt noch schlief, gingen wir jeden Samstagmorgen in eine leere Eishalle, um zu spielen. Manchmal schaute ich dann zu der leeren Zuschauertribüne auf und stellte fest, dass sie gar nicht so leer war. Mein Vater war da. Irgendwie hatte er nach einer anstrengenden Arbeitswoche noch die Kraft aufgebracht, sich aus dem Bett zu wälzen, um mir zuzuschauen. Mein Vater schien zu glauben, dass ich mehr Talent hatte als die Toronto Maple Leafs und die New York Rangers zusammen, und das ließ er auch alle wissen, indem er laut schrie, wenn ich ein Tor schoss (was in jenem Jahr zweimal vorkam) und mit seinen großen Lederhandschuhen klatschte.

Ich sehnte mich so sehr danach, seine Handschuhe zu hören, und konnte es kaum erwarten, als Profi zu spielen. Dann würde ich Mama und Papa zu den Spielen fliegen lassen, ihnen Karten in der ersten Reihe kaufen, direkt hinter den Spielerbänken. Sie könnten dem Trainer bei schwierigen Entscheidungen helfen.

In jenem Jahr gewannen wir nur ein Spiel (weil der Torwart der gegnerischen Mannschaft nicht kam), aber mein Vater hat mir immer Mut gemacht.

»Mein Sohn«, sagte er immer auf dem Heimweg vom Eisstadion, während er meine schwere Ausrüstung trug und ich den Hockeyschläger, »du bist nicht der Erste, der gegen eine Wand rennt.« Dann zählte er alle möglichen Menschen aus der Geschichte auf, die zunächst versagt hatten: Thomas Edison machte zweitausend vergebliche Versuche, bevor er die Glühbirne erfand. Henry Ford ging fünf Mal pleite, bevor es ihm gelang, ein Auto zu bauen.

»Aber Papa«, widersprach ich, »unser Ford Meteor springt nicht an. Deshalb gehen wir ja zu Fuß.«

»Mein Sohn«, sagte er unbeirrt, »mach dir darüber keinen Kopf. Du musst es nur machen wie die Briefmarke: Du musst einfach dranbleiben, bis du am Ziel bist.«

In der zehnten Klasse blieben wir dran, hatten unsere erste siegreiche Saison und gewannen die Bewunderung von ein paar Hundert Teenager-Mädchen. Dieses Jahr war ein Meilenstein für mich. Es geschah etwas, das meine Zukunftsträume für immer veränderte.

Das war so.

Ende März. Das Endspiel. Es war ein Ereignis von solcher Bedeutung für unsere kleine Stadt, dass unser Eisstadion mit Millionen, oder zumindest einigen Hundert Zuschauern gefüllt war, die ihre Stars sehen wollten. Als ich durch den Türspalt der Umkleidekabine nach draußen spähte, hatte ich das sichere Gefühl, dass das mein ganz großer Abend würde. Das jahrelange Training würde sich jetzt auszahlen. All die Zuschauer, die auf dem Schwarzmarkt ihre 25 Cent für die Karte bezahlt hatten, würden nicht enttäuscht werden.

Aber im Verlauf des Spiels schmolzen meine Träume immer mehr dahin. Als die Uhr die letzte Spielminute anzeigte, verwandelte sich mein Traum sogar immer mehr in einen Albtraum. Wir lagen 3:2 zurück, als ich aufs Spielfeld ging. Jeden Moment würde die Schlussglocke ertönen und das Spiel zu Ende sein. Wir brauchten ein Wunder. Wir brauchten Phil Callaway.

Und so nahm ich einen Pass aus der Ecke an und schoss den Puck geschickt am Torwart vorbei, der sich der Länge nach aufs Eis warf. Das rote Licht leuchtete auf und die Mädchen drehten durch. Es stand unentschieden, und ich war der Held. Ich hatte das Tor meines Lebens geschossen.

Nur ein Tor konnte noch schöner sein: das Siegtor in der Nachspielzeit.

Während ich in der Umkleidekabine saß und darauf wartete, dass das Eis präpariert wurde, spähte ich durch den Türspalt in die Zuschauermenge. Macht euch bereit, ihr Glücklichen. Heute ist mir das Schicksal wohlgesonnen. Heute ist mein Tag. Ihr werdet noch Jahre an mich denken. Als ich letzte Woche das leere Tor nicht getroffen habe, habt ihr mir Mut gemacht und zugerufen:

Ist schon recht. Ist okay.

Wir lieben dich trotzdem, Callaway.

Aber heute Abend wird das nicht vorkommen. Heute brauche ich euer Mitleid nicht. Heute will ich nur euren Beifall. Donnernden, überschwänglichen, bewundernden Beifall.

Und tatsächlich erzielte ich nach etwa fünf Minuten Nachspielzeit das Siegtor. Dieser Moment ist in meiner Erinnerung jederzeit abrufbar, manchmal sogar in Zeitlupe. Der Puck rutschte auf das Tor zu, ich hechtete vorwärts und versuchte verzweifelt, sein Ziel zu besiegeln. Die Zuschauer sprangen auf, als ich den Puck über die Torlinie schob.

Die rote Lampe leuchtete auf.

Die Zuschauermenge grölte.

Die Mädchen schrien.

Aber sie jubelten nicht wegen mir.

Ich hatte nämlich soeben ein Eigentor geschossen.

An die nächsten sechs oder sieben Jahre meines Lebens kann ich mich kaum noch erinnern. Ich weiß noch, dass ich schnurstracks in die Umkleidekabine geflüchtet bin und mir ein weißes Handtuch über den Kopf geworfen habe. Und ich kann mich noch an die Kommentare erinnern: »Mach dir keinen Kopf, okay? Das hätte jedem passieren können … wenn er so unkoordiniert ist.«

Ich zog mir das Handtuch über die Ohren, um das Gelächter nicht zu hören. Dann zog ich meine Schlittschuhe aus und hängte sie an den Nagel – für immer.

Ich konnte nicht wissen, dass Basketball-Star Michael Jordan aus seiner Schulmannschaft fliegen würde, dass Louis L’Amours erster Western von 350 Verlegern abgelehnt wurde, oder dass Albert Einstein einfache mathematische Gleichungen nicht lösen konnte (seine Frau half ihm bei der Steuererklärung). Es hätte mir vielleicht geholfen zu wissen, dass der Manager der Radioshow Grand Ole Opry zwölf Jahre zuvor einen Nachwuchssänger nach einer Vorstellung rausgeschmissen und ihm geraten hatte, wieder Lastwagenfahrer zu werden. Aber Elvis Presley wurde trotzdem Sänger.

Doch in jener Nacht dachte ich nicht an Elvis.

Ich verließ nur vollkommen erschüttert das Eisstadion.

Als ich nach Hause kam, ging ich geradewegs in mein Zimmer. Mein Vater hatte wegen einer heftigen Grippe nicht zum Spiel kommen können.

»Wie war es?«, fragte er, als er in der Tür zu meinem Zimmer stand. Er studierte mein blasses Gesicht und ahnte die Antwort schon.

»Ach, Papa«, sagte ich mit gesenktem Kopf. »Das kann ich dir nicht sagen. Du bist ohnehin schon krank.«

Ich ließ mich aufs Bett fallen, verschränkte die Hände hinterm Kopf und starrte an die Decke. Mein Vater kam herein, setzte sich neben mich aufs Bett und sagte nichts.

»Hast du schon mal was so Dummes gemacht, dass du dir sehnlichst gewünscht hast, die Zeit um 24 Stunden zurückdrehen zu können und den Tag noch mal von vorne anzufangen?«, sagte ich.

»Na ja«, meinte mein Vater, »ich habe einmal mit einer 22er den Scheinwerfer des alten Mr. Henderson zerschossen … und dann habe ich …«

Zum ersten Mal seit Jahren unterbrach ich meinen Vater mitten im Satz. Dann setzte ich mich auf, vergrub das Gesicht in den Händen und erzählte ihm alles: wie schockiert die Zuschauer waren, wie peinlich es in der Umkleidekabine war, mein Spiel, an das man sich zu meiner Schande für immer erinnern würde. Ich wagte nicht, ihm ins Gesicht zu schauen. Das Gesicht eines stolzen Vaters, der große Träume für seinen jüngsten Sohn gehabt hatte.

Eine Minute lang herrschte Schweigen. Dann legte mein Vater mir die Hand aufs Knie und tat das Letzte, was ich in diesem Moment erwartet hätte: Er fing an zu lachen.

Und ich konnte kaum glauben, was ich dann tat … Ich lachte mit ihm.

Es war das Letzte, mit dem wir beide gerechnet hätten, aber es war das Beste, was wir tun konnten.

Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen, seit Vater und ich auf meiner Bettkante gesessen und zusammen gelacht haben. In meiner Erinnerung ist es der Abend, an dem ich beschloss, wieder Eishockey zu spielen. Ich spiele selbst heute noch Eishockey. Mit den Jahren ist es mir sogar gelungen, ein paar Tore zu schießen – und zwar ins richtige Tor. Aber keines dieser Tore war je so denkwürdig wie jenes Tor in der Nachspielzeit. Es wird mich mein Leben lang daran erinnern, dass die größten Siege im Leben oft in unseren Niederlagen errungen werden.

Noch Jahre danach wachte ich manchmal nachts schweißgebadet auf, weil ich von jenem Tor in der Nachspielzeit geträumt hatte, aber sobald ich mich dann an die Hand meines Vaters auf meinem Knie erinnerte, musste ich von einem Ohr bis zum anderen grinsen. An jenem Abend habe ich etwas entdeckt, das selbst die schwersten Lasten leichter erscheinen lässt.

Es ist die einfache Tatsache, dass ich einen Vater habe, der mich liebt, ganz gleich, was ich getan habe, ganz gleich, wo ich war, ganz gleich, wie schlimm es gerade steht. Jesaja hat das sehr schön ausgedrückt:

Berge mögen einstürzen und Hügel wanken,

aber meine Liebe zu dir wird nie erschüttert …

Das verspreche ich, der Herr, der dich liebt!

JESAJA 54,10

Ich habe es schon tausendfach erlebt. Diejenigen, die wissen, wo man sie findet, entdecken auch angesichts überwältigender Tragödien oder unüberwindlicher Hindernisse Freude. Mein Vater war sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber an jenem Abend hat er mir einen Einblick in das Wesen meines himmlischen Vaters gegeben, der von unschätzbarem Wert ist. Er hat mir sein Mitgefühl, seine Vergebungsbereitschaft und seine Gnade gezeigt. Er hat mir einen himmlischen Vater gezeigt, der verrückt ist nach seinen Kindern, und der gerne lacht.

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