Was macht das Stinktier im Kofferraum?

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1 Wer hat das Stinktier in den Kofferraum gesteckt?

Als Gott die Welt erschuf, erschuf er Mann und Frau.

Und damit das Ganze dann nicht zusammenbrach,

erschuf er noch den Humor.

GUILLERMO MORDILLO

Das Leben warnt uns selten rechtzeitig vor den Überraschungen, die es bereithält. Fragen Sie einmal Patricia und Christopher Smith. Als das Ehepaar kürzlich mit seinen beiden Söhnen ein Zimmer in einem Maryland Comfort Inn nahm, freuten sie sich auf ein warmes Bett, ein heißes Bad und vielleicht ein paar extra Shampoofläschchen, die sie mit nach Hause nehmen konnten.

Aber sie bekamen weit mehr, als sie bezahlt hatten.

Um halb zwei nachts wachte Christopher auf und wollte den Fernseher ausschalten. Da entdeckte er, dass der Teppich sich bewegte. Wenn Sie gelegentlich mal in einem Hotel übernachten, dann wissen Sie, dass das kein gutes Zeichen ist. Es stellte sich heraus, dass der Teppich eine lebendige, drei Meter lange Königsboa war, die, soweit Christopher wusste, nicht in der Werbebroschüre des Hotels aufgeführt war.

Er hatte drei Möglichkeiten:

1. Er konnte seine Frau aufwecken und sie bitten, ihm seine Hausschuhe zu holen, die im Bad waren.

2. Er konnte versuchen, wieder einzuschlafen.

3. Er konnte das Hotelzimmer früher als geplant verlassen.

Die Familie entschied sich für die dritte Möglichkeit, ohne dabei noch einmal unter dem Bett nachzusehen, ob sie auch nichts vergessen hatten. Dann riefen sie die Polizei. Die Schlange konnte in die Enge getrieben und in einen großen Mülleimer bugsiert werden. Aber erst nachdem die Smiths, ebenfalls in die Enge getrieben, die Nacht im nächsten Seven-Eleven-Laden verbracht hatten. Sie beschrieben es als »grausame Qual« (was ich nicht bestreiten will), gingen in therapeutische Behandlung und verklagten den Mutterkonzern des Hotels auf 1,5 Millionen Dollar wegen »Fahrlässigkeit und vorsätzlicher seelischer Grausamkeit«.

Ich muss zugeben, dass ich genauso wenig von Reptilien begeistert bin wie die Smiths. In der dritten Klasse habe ich einmal zugesehen, wie ein Freund Mrs. Hill einen Salamander in die Bluse gesteckt hat. (Wenn Sie das lesen, Mrs. Hill, dann hoffe ich, dass Sie sich auch an meine besseren Seiten erinnern und keine rechtlichen Schritte einleiten werden.) Aber anfassen wollte ich den Salamander nicht. Ich war nur der Anstifter. Aber der beste Streich, an dem ich je beteiligt war, war, als mein Freund Bobby und ich es schafften, ein Stinktier in den Kofferraum des Autos von unserem Nachbarn zu stecken.

Wenn Sie vorhaben, sich selbst einmal dieses Vergnügen zu gönnen, sind drei Dinge äußerst wichtig:

1. Ein Stinktier (am besten ein totes),

2. die Autoschlüssel, die im Zündschloss des Autos stecken sollten,

3. und völlige Dunkelheit.

Damals, in der dritten Klasse, war Mr. Finney unser Sonntagsschullehrer, und er war der schreckhafteste Mensch, an den ich mich je von hinten angeschlichen und laut geniest habe. Er konnte auch sehr gut Akkordeon spielen, und er hatte einen Piepser – was ich für etwas übertrieben hielt bei einem Akkordeonspieler.

Samstags polierte Mr. Finney immer seinen alten Ford Fairlane, bis man die Initialen, die die Nachbarskinder auf die Motorhaube geritzt hatten, kaum noch sehen konnte. Mr. Finney war ein seltsamer Mensch. Er polierte so ziemlich alles, was ihm wichtig war, und er war so korrekt gekleidet, dass man nicht einmal einen verrutschten Manschettenknopf an ihm finden konnte.

Was wir nicht wussten, war, dass die Familie Finney am nächsten Tag in Urlaub fahren wollte. Mr. und Mrs. Finney mit ihren Kindern Joshua und Josiah hatten alles sorgfältig vorbereitet und gepackt, was sie für einen friedlichen Urlaub, weit weg von allen Sorgen unserer Kleinstadt, brauchen würden.

Als sie schliefen, legten Bobby und ich das Stinktier an seine letzte Ruhestätte, schlossen vorsichtig wieder den Kofferraumdeckel, steckten die Autoschlüssel wieder ins Zündschloss und schlichen uns auf Zehenspitzen wieder nach Hause mit Ausreden, um den Gestank zu erklären.

Wenn man jung ist, fängt der Tag noch früh an, und so waren wir rechtzeitig hellwach, um uns zu den Finneys zu schleichen und hinter einer Fichte zu verstecken. Es dauerte nicht lange, da kamen die ahnungslosen Finneys mit erwartungsvollen Gesichtern heraus, gingen zum Gartentor und stiegen in ihren Fairlane.

Was dann geschah, werde ich niemals vergessen.

Mr. Finney drehte den Zündschlüssel um und ließ den Motor aufheulen. Dann legte er den Rückwärtsgang ein. Nachdem er scharf gewendet hatte und etwa zehn Meter auf dem Schotter gefahren war, brachte er das Auto mit quietschenden Reifen zum Stehen, sodass die Steine in alle Richtungen spritzten. Im Wagen starrte Mr. Finney seine Frau mit gerunzelter Stirn an. Dann drehte er sich um und starrte seine Kinder vorwurfsvoll an. Schließlich stieß er die Autotür auf und schnüffelte herum. Als er den Autoschlüssel in das Kofferraumschloss steckte, hatte er einen Verdacht. Als er den Kofferraum öffnete, bestätigte er sich. Wie auch immer er es bisher geschafft hatte, nie die Fassung zu verlieren – jetzt funktionierte es nicht mehr. Er knallte den Kofferraum zu, stand mit geballten Fäusten da, trat gegen die Stoßstange, und die Ausdrücke, die er gebrauchte, waren so intensiv wie das Blau seines Autos. Bobby und ich beobachteten das Ganze von unserem Versteck hinter der Fichte und wussten nicht, ob wir lachen oder weinen sollten. Oder ob wir es unseren Müttern gestehen sollten.

Einige Zeit später erfuhr ich, dass die Finneys umzogen, aber niemand wusste so recht, warum.

Niemand außer Bobby und mir.

Was Mr. Finney, Mrs. Hill und die Smiths in diesen unvergesslichen Augenblicken entdeckten, das erfährt jeder Mensch auf seinem Lebensweg früher oder später. Manchmal kann man dem Zimmerservice nicht trauen, manchmal wird das Leben schlüpfrig, und manchmal stinkt es uns.

In den darauf folgenden Jahren habe ich gelernt, dass jeder Einzelne einmal an einen Punkt im Leben kommt, wo er ein Stinktier im Kofferraum entdeckt – irgendetwas kommt in unser Leben, das wir uns definitiv nicht ausgesucht hätten.

Aber warum knallen die einen den Kofferraum zu, treten gegen die Stoßstange und fluchen, während die anderen irgendwie doch noch etwas Lustiges daran entdecken können – wenn auch vielleicht erst Jahre später?

Der erste Schritt ist ganz bestimmt die bewusste Entscheidung für die richtige Einstellung. Zur richtigen Einstellung gehören auch immer die richtigen moralischen Entscheidungen.

Knapp ein Jahr, nachdem Ramonas Anfälle begonnen hatten, nahm ich eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit die Zeitung mit. Sofort rief ich zu Hause an und las ihr von der Titelseite vor: »Nach einem Jahrzehnt Forschung wurde jetzt das Chorea-Huntington-Gen entdeckt. Die Hoffnungen auf eine Therapie für die tödlich verlaufende neurologische Erkrankung steigen.« Ramona hielt den Atem an.

Chorea Huntington tritt in einer von mehreren Tausend Familien auf. Wir sind eine davon.

Mit 39 Jahren kam Ramonas ältester Bruder, Dennis, in ein Pflegeheim. Sein gewinnendes Lächeln und sein herzlicher Humor waren nur noch Erinnerungen aus früheren Tagen. Zwei ihrer Schwestern hatten nun ebenfalls diese gefürchtete Krankheit. Obwohl die Krankheit bei Ramona noch nicht diagnostiziert worden war, war sie sich sicher, dass sie die Nächste sein würde.

Als die Krampfanfälle sich häuften, standen wir vor der schwierigen Frage, ob sie den Test machen lassen sollte oder nicht. Eines Tages saß mir ein weiser Arzt gegenüber, der mir von seinen eigenen Problemen erzählte. Seine Frau wurde vom Krebs zerfressen. Er hatte die Diagnose selbst gestellt. »Phil«, sagte er, und hatte Tränen in den Augen, »als meine schlimmsten Befürchtungen sich bestätigten, stand ich vor einer ganz einfachen aber sehr weitreichenden Entscheidung. Weglaufen – oder es durchstehen. Diese Entscheidung musst du auch treffen. Ich habe schon viele Menschen beraten, die Ähnliches durchgemacht haben wie du. Für die meisten heißt das Ende ›Scheidung‹ und dann Depression und Untergang. Phil … mach das nicht.«

»Einen Baum kann man am besten beurteilen, wenn er gefällt ist«, meinte er. Das waren kluge Worte.

Am nächsten Tag saß ich mit einem Freund in einem Café, und wir machten Witze. Als die Sonne durch die Wolken drang und auf unseren Tisch schien, fragte mein Freund: »Dass du bei all dem noch lachen kannst. Wie machst du das?«

Ich nippte nachdenklich an meiner Cola. »Ich weiß auch nicht recht«, erwiderte ich. »Vielleicht sind das die Medikamente.«

Er lachte.

»Ich glaube, ich begreife allmählich, dass ich den Wind nicht bestimmen kann, aber ich kann meine Segel richtig setzen«, sagte ich. »Manche Menschen leben so, als hätten sie Limburger Käse an den Lippen – ihnen stinkt alles. Ich lerne gerade, den Käse von den Lippen zu wischen. Ich gewöhne mir eine andere Einstellung an.«

Als ich später darüber nachdachte, wurde mir klar, dass wir die Tatsache, dass wir nach all den Jahren noch lachen können, nicht uns selbst zuzuschreiben haben. Sie beweist nicht unseren Mut, sondern liegt zum großen Teil an einer einfachen Entscheidung, die wir im Sprechzimmer eines Arztes getroffen haben. Ich werde meiner Frau und meinen Kindern treu bleiben. Und ich werde mich fest an Gott klammern. Ich verstehe seine Wege nicht immer, aber ich glaube, dass er mich niemals eine Straße führen wird, die er nicht schon selbst gegangen ist. In der Bibel verspricht er uns seinen Frieden, ein Ziel und Hoffnung – ja sogar Freude – mitten in der finstersten Nacht. Dann wollen wir mal schauen, wo uns dieses Abenteuer hinführt.

 

Tom sieht die Dinge folgendermaßen: Mit 55 hat er bei einem Bootsunfall beide Beine verloren und musste dann zusehen, wie seine Millionen-Firma den Bach hinunterging. Eines Tages schaute Tom mich von seinem Rollstuhl im hinteren Teil der Kirche an und meinte: »Ich habe jetzt mehr Fragen an Gott, als bevor das alles passierte, aber ich weiß auch, dass die Bibel für mich noch nie so real war.« Seine Augen wurden feucht und er sah weg. Seine Frau stand hinter ihm mit den Händen am Rollstuhl.

»Tom hängt am liebsten irgendwelche Bibelverse an den Kühlschrank«, meinte sie lächelnd. »Da hängt dieses große Foto aus glücklicheren Tagen von unserer Familie vor dem Firmensitz. Gestern hat Tom einige Verse aufgeschrieben und sie unter das Bild gehängt.« Sie schlug Habakuk 3,17-18 auf und las vor:

Noch trägt der Feigenbaum keine Blüten, und der Weinstock bringt keinen Ertrag, noch kann man keine Oliven ernten, und auf unseren Feldern wächst kein Getreide; noch fehlen Schafe und Ziegen auf den Weiden, und auch die Viehställe stehen leer. Und doch will ich jubeln, weil Gott mir hilft, der Herr selbst ist der Grund meiner Freude!

»Er hat auch einen Magneten darunter gehängt, auf dem steht: ›Am dunkelsten ist es immer, kurz bevor die Kühlschranktür aufgeht‹«, meinte sie lachend.

Was Tom und seine Frau begriffen zu haben scheinen, das fange ich gerade an zu lernen. Ob wir angesichts der Überraschungen, die das Leben für uns bereithält, noch lachen können, hängt nicht davon ab, ob wir die Gegenwart verstehen oder die Zukunft kennen, sondern von einer Entscheidung, die wir treffen müssen. Wir müssen uns entscheiden zu sagen: »Ganz gleich, was gut läuft im Leben, und ganz gleich, was schief läuft, Gott hat alles im Griff. Und eines Tages – vielleicht nicht morgen und vielleicht auch nicht nächste Woche – werde ich die Dinge so sehen wie er. Also kann ich genauso gut den Kopf heben und lachen.«

Aber wie kommt man an diesen Punkt?

Vielleicht kann uns ein Erlebnis weiterhelfen, das ich einmal an einem Wintertag in der neunten Klasse hatte.

Aber bevor ich Ihnen davon erzähle, muss ich Sie warnen: Wenn Sie dieses Buch spät abends in einem fremden Hotel lesen, sollten Sie vielleicht erst den Boden kontrollieren, bevor Sie weiterlesen.

2 Das passiert eben

Was meinen die Leute, die sagen, »Ich habe keine Angst vor Gott, weil ich weiß, dass er gut zu mir ist«?

Waren sie noch nie beim Zahnarzt?

C. S. LEWIS

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich mochte Schmerzen noch nie. Als ich in der neunten Klasse war, wog ich knapp 37 Kilo, wenn ich die Taschen voller Münzen hatte, und so beschloss ich, ein bisschen zuzulegen, indem ich doppelt so viel Sellerie aß und ein recht strenges Trainingsprogramm absolvierte, zu dem auch Gewichtheben gehörte. Mein großer Bruder, Dan, erklärte mir, dass man Gehirnzellen abtötete, wenn man die Gewichte über den Kopf hob, was ich mir seiner Ansicht nach nicht erlauben konnte. Also beschloss ich, mich auf den Rücken zu legen und die Gewichte in die Luft zu stemmen.

An guten Tagen schaffte ich 15 Kilo.

Eines Samstags, als ich gerade beim Gewichtestemmen war, entfernten sich die 15 Kilo aus meinen Händen. Ich sehe die Szene immer noch in leuchtenden Farben vor mir – manchmal sogar in Zeitlupe mitten in der Nacht.

Hilflos sah ich zu, wie die Stange mit den Gewichten auf meine Nase zukam. Ich fing an zu schielen, meine Nase knackte laut, und mir kamen die Tränen. Das war das dritte Mal, dass ich mir die Nase gebrochen hatte, obwohl ich sie noch gar nicht so lange hatte. Wenn ich heute meine Nase mit dem Finger bewege, klingt es immer noch, als knacke jemand Erdnüsse.

»Dad«, sagte mein Sohn vor Kurzem. Den Kopf schräg gelegt schaute er dabei auf meine Nase. »Wenigstens steht sie nicht nach oben, sonst würdest du bei einem Regenguss ertrinken.«

Lachen hilft. Aber trotzdem mag ich Schmerzen nicht.

Deshalb erstaunt es mich immer, wenn ich von Menschen höre, die gar nicht genug davon bekommen. Zum Beispiel Jean Luc Antoni. Für Jean gibt es nichts Schöneres, als Ski zu fahren ohne Schnee. Ja, er hat den Weltrekord aufgestellt im Ski fahren auf Felsen. Jean Luc kam ins Buch der Rekorde, als er mit fast 100 Sachen auf einem Monoski in Frankreich einen felsigen Hang hinunterschoss. Das Schwierigste war, so gab Jean Luc zu, unten anzuhalten, ohne gleichzeitig seine Karriere zu beenden. Also errichtete der erfinderische Franzose unten eine Wand aus Pappe, in die er hineinfahren konnte.

Ich glaube, Jean hat als Junge zu viele Gewichte über den Kopf gehoben.

Aber seine Heldentaten sind noch gar nichts im Vergleich zu Reg Mellor.

Im zarten Alter von 72 Jahren ist Reg der amtierende Weltmeister im »Frettchen-Hosen-Wettbewerb«. Die meisten seiner Mitstreiter würden ihren Enkeln nur zu gerne von einer solchen Ehre erzählen – wenn sie denn lange genug lebten. Wahrscheinlich haben Sie noch nie etwas von einem »Frettchen-Hosen-Wettbewerb« gehört, und für den Fall, dass Sie es selbst einmal ausprobieren möchten, erkläre ich ihnen kurz die Regeln. Bei diesem Wettbewerb werden (und das ist mein voller Ernst) dem Teilnehmer die Hosenbeine an den Knöcheln zugebunden. Dann führt man von oben in jedes Bein einen bissigen, etwa 30 Zentimeter langen, Fell tragenden Fleischfresser, auch Frettchen genannt, ein.

Sind die Frettchen in den Hosenbeinen, schnürt der Schiedsrichter oben den Gürtel zu. Jetzt geht es darum, so lange wie möglich regungslos dazustehen, während diese kleinen, wieselähnlichen Biester mit ihren nadelspitzen Krallen und den rasiermesserscharfen Zähnen versuchen, sich aus der Hose zu befreien.

Reg Mellor ist stolzer Halter des Weltrekordes. Fünf Stunden und 26 Minuten lang konnte er es sich verkneifen zu rufen: »He, wer hat mir die Frettchen in die Hose gesteckt?« Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Reg an einem kalten Winterabend mit seinen Enkeln vor einem lodernden Kaminfeuer sitzt und ihnen die Geschichte erzählt.

Großvater Reg: So war das damals, Kinder. Und die Geschichte ist so echt wie die Zehen an euren Füßen. Keiner ist auch nur annähernd in die Nähe meines Rekordes gekommen.

Enkelkinder: Wow, Großvater, du bist wirklich klasse! Zeigst du uns noch mal deine Holzbeine?

Es gibt da eine ganz einfache Sache, die die meisten von uns von einem Reg Mellor oder einem Jean Luc Antoni unterscheidet: Wir suchen den Schmerz nicht mit Absicht. Wir suchen vielleicht nach Abenteuern, aber nicht nach Schmerzen. Wir sind sogar mit einem gottgegebenen Schmerz-Abwehr-System ausgestattet, das sich schon in ganz jungen Jahren einschaltet und Sätze aus uns hervorbringt wie: »Mama! Kratz mich vom Herd ab!«

Aber eines Tages wachen wir dann auf und stellen fest, dass Mama nicht mehr in der Küche ist, und dass niemand mehr da ist, der uns hilft. Und was noch schlimmer ist: Wir mussten nicht erst nach Schmerzen suchen, sie kamen von ganz alleine. Vielleicht war es das Klingeln an der Tür, der Anruf oder jemand, der uns auf die Schulter getippt hat. Und schon waren wir schnüffelnd auf unserem Lebensweg unterwegs und haben uns gefragt, was da so grauenvoll stinkt und warum es ausgerechnet in unserem Kofferraum landen musste.

Ich weiß auch nicht, wie ich auf den Gedanken gekommen bin, das Leben sei wie Slalom fahren auf einer weichen Pulverschneepiste. Bestimmt habe ich das nicht im Kindergarten gelernt. Erinnern Sie sich noch an einige der Verse und Lieder, die wir dort gelernt haben? Als ich etwa zwei oder drei Jahre alt war, schaukelte meine Mutter mich sanft auf ihren Knien und summte dabei das traurigste Lied, das ich kenne. Jetzt, wo sie Enkelkinder hat, fügt sie ihren sanften Gemütern nur allzu gerne die gleiche Grausamkeit zu. »Oma«, betteln die Kinder, »sing uns das Lied von der Katze. Das Lied, das du Papa immer vorgesungen hast, als ihr in der Arche wart.«

Und so gibt sie das folgende kleine Familienerbstück an sie weiter:

Wo ist mein Kätzchen mit den weißen Tätzchen?

Ich suchte im Haus von oben bis unten,

doch hab ich es auch unterm Bett nicht gefunden.

Mein treuer Hund, Moritz, der liebste von allen,

der tat mir einen großen Gefallen.

Er half mir suchen, draußen, unter den Buchen.

Wo war nur mein Kätzchen geblieben?

Zu guter Letzt suchten am Bach wir dort unten

Und siehe da war mein Kätzchen – ertrunken!

Es ist ein Wunder, dass ich bei diesem Gute-Nacht-Lied überhaupt schlafen konnte.

Als unsere Kinder noch klein waren, versuchte ich, einige dieser bedrückenden Texte umzudichten, um sie für empfindsame Kinderseelen angemessener zu machen. Ich sang ihnen Verse vor, in denen Humpty Dumpty wieder zusammengeflickt werden konnte, die alte Mutter Hubbart Chips zu essen fand und die alte Frau, die im Schuh lebte, genau wusste, was zu tun war. Die Kinder hörten aufmerksam zu und sagten dann: »Ach nein, Papa. Sing das Lied vom Kätzchen.«

Wahrscheinlich hat es auch seine Vorteile, wenn man schon früh lernt, dass das Leben nicht immer nach Wunsch verläuft. Diejenigen, die bei den Kinderliedern gut zugehört haben, wissen vielleicht, dass das Leben eine bunte Mischung aus banalen Dingen und großen Abenteuern ist, aus erhabenen und lächerlichen Momenten. Dass uns Menschen enttäuschen und Freunde uns im Stich lassen, und dass Stürme kommen. Diese Feststellung mag im ersten Moment missmutig klingen, aber sie ist immens wichtig, um Freude ins Leben zu bringen. Das ideale Leben ist nicht Hakuna Matata, jene von allen Problemen freie Philosophie, die Timon und Pumba dem jungen Simba in Der König der Löwen beibringen. Das wäre zwar schön, aber es dürfte schwer sein, auch nur einen einzigen Menschen auf der Welt zu entdecken, für den das Leben ein Kinderspiel war.

Uns von der Vorstellung frei zu machen, dass das Leben fair sei, ist eine wichtige Voraussetzung, um unseren Humor wiederzufinden. Sich dem Unbekannten auszusetzen und es mit Gottes Hilfe zu überwinden, gehört sogar dazu, wenn man echte Lebensfreude finden will. Deshalb fasziniert mich die Bibel schon mein ganzes Leben lang. Sie hält nichts zurück. Ihre Helden stolpern, ihre Geschichten entsetzen uns manchmal oder machen uns traurig. Im Schaukelstuhl erfuhr ich von Abrahams Lügen und Davids Betrug, von den Hunden, die Isebel fraßen, und von Herodes‘ Verrat. Und mitten in alledem entdeckte ich den Einen, der uns niemals im Stich lassen wird. Bibelverse, die man als Kind lernt, bleiben hängen, nicht wahr?

Vielleicht weiß ich jetzt, warum ich trotz dieser Gute-Nacht-Geschichten im Schaukelstuhl so gut schlief. Wahrscheinlich war mir klar, dass die Zukunft unberechenbar war, aber sich Sorgen zu machen war, wie im Schaukelstuhl zu sitzen: Man ist ständig in Bewegung, aber kommt nirgends an.

Ich glaube, ich habe noch aus einem anderen Grund so tief geschlafen. Meine Mutter sang zum Abschluss des Tages immer ein altes Kirchenlied. Ich kann heute noch hören, wie sie sang, während der Wind den Regen gegen die Fensterscheibe prasseln ließ.

Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt,

ob Stürme auch drohen von fern,

mein Herze im Glauben doch allezeit singt:

»Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn.«

Damals hatte ich nicht die geringste Ahnung, was die Worte bedeuteten, aber heute weiß ich es. Wenn Ihre Nase krumm ist, wenn es im Leben nur bergab geht oder wenn Sie ein Stinktier im Kofferraum finden, dann verändert eine solche Perspektive alles.