Kapitalmarktrecht

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5. Veröffentlichungspflicht bei Offenlegung gegenüber Dritten (Art. 17 Abs. 8 MAR)

563

Ein Emittent, der im Rahmen seiner Befugnisse einem Dritten Insiderinformationen offenlegt (dh mitteilt oder zugänglich macht), hat diese Informationen ad hoc zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister als amtlich bestelltem „System gemäß Richtlinie 2004/109/EG“ (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 MAR)[432] zu übermitteln (Art. 17 Abs. 8 Satz 1 MAR). Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Empfänger der Insiderinformation rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist (Art. 17 Abs. 8 Satz 2 MAR). Die Veröffentlichungspflicht gilt auch für Personen, die im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handeln. Die Veröffentlichung muss gleichzeitig mit der Weitergabe der Insiderinformation an den Dritten erfolgen. Bei unwissentlicher Offenlegung ist die Ad-hoc-Mitteilung unverzüglich nachzuholen (Art. 17 Abs. 8 Satz 1 MAR).

564

Voraussetzung ist damit zunächst, dass der Emittent bzw die in seinem Auftrag oder für dessen Rechnung Handelnde einem Dritten iS des Art. 17 Abs. 8 Satz 1 MAR Informationen offenlegt.

Beispiele:

Rechtsanwälte, Steuerberater des Emittenten, die Druckerei, welche die Unternehmensbroschüren herstellt[433].

565

Weitere Voraussetzung ist die (ausdrückliche) Mitteilung oder das Zugänglichmachen von Insiderinformationen. Ein Wille zur Weitergabe ist dabei nicht erforderlich (arg. ex Art. 17 Abs. 8 Satz 1 MAR). Damit erfüllt auch ein versehentliches oder unbewusstes Weitergeben den Tatbestand[434].

Beispiele:

Der Emittent bzw eine im Auftrag oder für dessen Rechnung handelnde Person lassen versehentlich Unterlagen mit Insiderinformationen liegen, die ein Dritter zur Kenntnis nimmt. Es genügt, wenn die Person die Unterlagen verliert oder ein Gespräch bzgl Insiderinformationen gewollt oder ungewollt von einem Dritten mitgehört wird.

566

Die spezielle Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 8 MAR unterscheidet sich von der allgemeinen Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR dadurch, dass bei Ersterer auch solche an einen Dritten weitergegebenen Insiderinformationen zu veröffentlichen sind, die den Emittenten nur mittelbar betreffen[435]. Der Unterschied ist jedoch faktisch deshalb gering, weil Insiderinformationen, die den Emittenten lediglich mittelbar betreffen und dennoch nicht öffentlich bekannt sind, selten vorliegen werden.

567

Außerdem muss die Offenlegung (Mitteilung oder Zugänglichmachen) der Insiderinformation „im Zuge der normalen Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder der normalen Erfüllung ihrer Aufgaben“ (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 MAR), dh im Rahmen ihrer Befugnis erfolgt sein. Das ist das „Gegenstück“ zur unrechtmäßigen Offenlegung iS des Art. 14 lit. c MAR. Die spezielle Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 8 MAR besteht also nicht, sofern ein Verbot nach Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 MAR für die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen existiert. Hier braucht die weitergegebene Information gerade nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben zu werden und umgekehrt. Damit greift die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 8 MAR nur dort ein, wo kein Insiderverstoß iS des Art. 14 MAR vorliegt[436].

568

Weitere Voraussetzung des Art. 17 Abs. 8 MAR ist, dass der Empfänger der Insiderinformation nicht aus rechtlichen Gründen zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, und zwar weder aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften noch aus Satzung oder Vertrag (Art. 17 Abs. 8 Satz 2 MAR). Ansonsten greift die spezielle Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht. Die genannten Tatbestandsvoraussetzungen führen zu der praktischen Konsequenz, dass kaum ein Anwendungsfall für diese spezielle Ad-hoc-Publizität vorstellbar ist. Voraussetzung ist letztendlich ja, dass eine befugte Informationsweitergabe vorliegt, bei welcher den Empfänger keine Pflicht zur Vertraulichkeit trifft.

6. Mitteilungspflicht nach Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 MAR

569

Über den Aufschub der Offenlegung hat der Emittent erst unmittelbar nach der Offenlegung der Insiderinformation die zuständige Behörde (in Deutschland: die BaFin) zu informieren („ex-post-notification“) und schriftlich zu erläutern, inwieweit die Bedingungen für einen solchen Aufschub erfüllt waren (Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 Satz 1 MAR, Art. 4 DurchfVO 2016/1055). Die Formulierung „unmittelbar“ ist iS einer Unverzüglichkeit zu verstehen. Von der Verpflichtung, die Gründe für den Aufschub der Behörde ohne Aufforderung schriftlich nachzuweisen, können die Mitgliedstaaten die Emittenten befreien und stattdessen festlegen, dass der Emittent lediglich die Gründe für sich aufzeichnet und erst auf Ersuchen der Behörde übermittelt (Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 Satz 2 MAR).

570

Als Rechtsfolge stellt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 120 Abs. 15 Nr. 10 WpHG) und kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Nach Art. 30 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a MAR ist nicht nur eine unterlassene, sondern auch eine fehlerhafte Mitteilung an die zuständige Behörde eine Ordnungswidrigkeit. Dort ist pauschal von Verstößen gegen Art. 17 Abs. 4 MAR die Rede, wobei auch eine fehlerhafte Mitteilung ein Verstoß ist.

571

Einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nach Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 MAR kann die Behörde in gleicher Weise ahnden wie die Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht (siehe § 120 Abs. 18 Satz 1 WpHG)[437]. Vor allem kann das Bußgeld gegenüber natürlichen Personen ebenfalls bis zu 1 Mio. Euro und gegenüber einer juristischen Person bis zu 2,5 Mio. Euro oder 2 % des jährlichen Gesamtumsatzes betragen (Art. 30 Abs. 2 UAbs. 1 lit. i Ziff. ii bzw UAbs. 2 lit. j Ziff. ii MAR sowie § 120 Abs. 18 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 WpHG).

IV. Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von Führungskräften (Art. 19 MAR)

572

Ausgewählte Literatur:

Commandeur, Das Handelsverbot für Führungskräfte nach Art. 19 Abs. 11 MMVO – ausgewählte Anwendungsprobleme und rechtspolitische Bewertung, ZBB 2018, 114; Graßl, Die neue Marktmissbrauchsverordnung der EU – Neuregelung des gesamten europäischen Marktmissbrauchsrechts, DB 2015, 2066; Helm, Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in der Finanzportfolioverwaltung bei Directors’ Dealings nach der Marktmissbrauchsverordnung, ZIP 2016, 2201; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung, CCZ 2014, 248; Kumpan, Die neuen Regelungen zu Directors’ Dealings in der Marktmissbrauchsverordnung, AG 2016, 446; Maume/Kellner, Directors’ Dealings unter der EU-Missbrauchsverordnung, ZGR 2017, 273; Mohamed, Leitfaden zur Fristbestimmung bei Closed Periods nach Art. 19 XI MAR, NZG 2018, 1376; Poelzig, Die Neuregelung der Offenlegungsvorschriften durch die Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 761; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Veil, Europäisches Insiderrecht 2.0 – Konzeption und Grundsatzfragen der Reform durch MAR und CRIM-MAD, ZBB 2014, 85; Zöllter-Petzoldt/Höhling, Die Annahme von Aktienoptionen als Directors’ Dealings, NZG 2018, 687.

573

Wesentliche Rechtsgrundlagen:


Art. 19 MAR
DelVO 2016/522 vom 17. Dezember 2015
DurchfVO 2016/523 vom 10. März 2016
§ 26 Abs. 2 WpHG
WpAV
ESMA, Questions and Answers, On the Market Abuse Regulation (MAR), Version 14, Last updated on 29 March 2019, ESMA70-145-111
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, Stand: 25. März 2020

Fall 10:

Der Vorstandsvorsitzende V der X-AG kauft im Januar 2018 Aktien seines Unternehmens im Wert von 50 000 Euro und verkauft diese drei Monate später wieder. Da er von einer Pflicht zur Offenlegung noch nie etwas gehört hat, meldet er diese Transaktionen auch nicht. Anleger A meint, durch dieses Vorgehen des V einen Schaden erlitten zu haben. Hat A gegen V einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch? Rn 601

 

1. Hintergrund

574

Art. 19 MAR enthält eine Regelung der sog. Directors’ Dealings (Eigengeschäfte von Führungskräften“, bzw „Managers’ transactions“[438])[439]. Danach müssen die Führungskräfte eines Unternehmens und ihnen nahestehende Personen alle Eigengeschäfte mit Anteilen des Emittenten melden. Diese Norm verfolgt verschiedene Ziele[440]: Die Förderung der Kapitalmarkttransparenz sowie der informierten Transaktionsentscheidungen der Anleger (Indikatorwirkung), die Anlegergleichbehandlung (kein Informationsvorsprung bestimmter Gruppen) und die Marktintegrität (Bildung „realistischer“ Wertpapierpreise) bzw die Insiderhandelsprävention. Ergänzt wird Art. 19 MAR durch technische Standards der Kommission (Art. 19 Abs. 15 MAR)[441].

2. Sachlicher Anwendungsbereich

575

Art. 19 MAR gilt für Emittenten, deren Finanzinstrumente entweder an einem geregelten (dh regulierten) Markt gehandelt werden oder auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem (MTF, OTF)[442] zugelassen sind bzw bei denen die Zulassung zum Handel zumindest beantragt ist (Art. 19 Abs. 4 MAR). Damit ist jetzt auch der Freiverkehr erfasst[443].

3. Melde- und Veröffentlichungspflicht

a) Meldepflichtige Personen

576

Meldepflichtig sind Personen, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben wahrnehmen, und Personen, die mit einer solchen (Führungs-)Person in einer engen Beziehung stehen (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 MAR). Insofern ist die gebräuchliche Bezeichnung als „Directors’ Dealings“ bzw „Managers’ Transactions“[444] missverständlich. Die Geschäfte der Führungskräfte eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans (siehe Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 MAR) sind für das Anlegerpublikum von besonderem Interesse, da diese regelmäßig über einen Informationsvorsprung verfügen[445]. Aus diesem Grund können deren eigene Geschäfte mit Aktien oder Schuldtiteln des Emittenten geeignet sein, Rückschlüsse auf die Markteinschätzung der Unternehmensgeschäftslage durch die Führungskräfte der Gesellschaft zuzulassen. Abgesehen davon kann sich dieser Personenkreis bei Geschäften mit Aktien des Emittenten mit dem Vorwurf des Insiderhandels konfrontiert sehen[446].

577

Darüber hinaus besteht eine Meldepflicht für Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind (Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b MAR, höhere Führungskraft). Wie der Personenkreis der „höhere(n) Führungskraft“ einzugrenzen ist, ist unklar. Dabei ist eine Beschränkung der Mitteilungspflicht auf Personen der ersten Führungsebene anzunehmen[447]. Neben der Entscheidungsbefugnis ist auch der regelmäßige Zugang der betreffenden Person zu Insiderinformationen zu berücksichtigen. Ein solcher wird zumeist allein für Mitglieder der ersten Führungsebene zu bejahen sein.

Beispiel:

Der Emittentenleitfaden der BaFin verweist außer auf den Vorstand und den Aufsichtsrat noch auf Generalbevollmächtigte oder Mitglieder eines sog. erweiterten Vorstands[448].

578

Um die Vorgänge für das Anlegerpublikum transparent zu gestalten, aber dennoch den Führungspersonen Geschäfte in Wertpapieren der eigenen Gesellschaft nicht untersagen zu müssen[449], haben die genannten Personen den Erwerb und die Veräußerung von Aktien oder Anteilen des Emittenten (bzw Schuldtiteln) dem Emittenten und der BaFin unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Geschäftstagen nach dem Geschäft mitzuteilen (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a, UAbs. 2 MAR). Der Emittent wiederum hat die Information unverzüglich (präzisiert in Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1 MAR: spätestens drei Geschäftstage nach dem Geschäft) zu veröffentlichen und an das Unternehmensregister (§ 8b HGB) zu übermitteln (Art. 19 Abs. 3 UAbs. 2 MAR)[450]. Das darf jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung geschehen (§ 26 Abs. 2 WpHG).

579

Eine Meldepflicht besteht auch für solche Personen, die in einer engen Beziehung zu einer meldepflichtigen Person stehen.

Beispiele:

Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die seit mindestens einem Jahr in demselben Haushalt leben (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 MAR)[451].

Auch juristische Personen gelten als Personen, die in einer engen Beziehung zur Person mit Führungsaufgaben stehen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 MAR). Erweitert wird das noch auf die Treuhand und die Personengesellschaft.

580

Außerdem sind auch diejenigen juristischen Personen, Gesellschaften oder Einrichtungen erfasst, die direkt oder indirekt von einer in einer engen Beziehung stehenden Person kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden, oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 MAR). Dadurch sollen Umgehungsversuche so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Eine Ausnahme gilt dagegen für alle Organe und persönlich haftenden Gesellschafter von Mutterunternehmen. Diese sind nicht veröffentlichungs- bzw mitteilungspflichtig.

b) Meldepflichtige Geschäfte

581

Mitteilungspflichtig sind alle eigenen Geschäfte in Aktien oder Schuldtiteln (zB Anleihen) des Emittenten oder in sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten, insbesondere Derivate (Art. 19 Abs. 1 lit. a MAR)[452]. Der bei Übernahme einer Führungsposition gehaltene Bestand braucht nicht mitgeteilt zu werden. Eine Erleichterung bzgl der Meldepflichten trat 2016 durch die BenchmarkVO ein[453], da nach Art. 19 Abs. 1a MAR nunmehr Geschäfte mit Anteilen von Investmentvermögen der Mitteilungspflicht nur dann unterliegen, wenn Wertpapiere des Emittenten bei Geschäftsabschluss mehr als 20 % der vom Investmentvermögen gehaltenen Vermögenswerte ausmachen (Art. 19 Abs. 1a MAR, Art. 10 Abs. 2 lit. m DelVO 2016/522)[454].

582

Fraglich ist, ob bereits der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts oder erst der dingliche Erwerb oder die Veräußerung der Wertpapiere die Veröffentlichungs- und Mitteilungspflicht auslöst. Nach hM ist grds auf das schuldrechtliche Geschäft abzustellen[455]. Geschäfte, die unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen werden, sind bei Eintritt der Bedingung meldepflichtig[456]. Die Leihe und die Schenkung[457] sowie Erbschaften sind zu meldende Geschäfte (Art. 10 Abs. 2 lit. k DelVO 2016/522). Als problematisch wird das zum Teil deshalb gesehen, weil weder Schenkungen noch Erbschaften eine entsprechende Indikatorwirkung haben[458]. Allerdings soll mit der Meldepflicht auch das Ziel einer besseren Überwachung der Märkte durch die Aufsichtsbehörde verfolgt werden[459].

583

Zu den mitzuteilenden Eigengeschäften gehören ebenso das Verpfänden und Verleihen von Finanzinstrumenten (Art. 19 Abs. 7 UAbs. 1 lit. a MAR). Das gilt zudem für Geschäfte, die ein Vermögensverwalter nach eigenem Ermessen für die Führungskraft oder für eine ihr nahestehende Person tätigt (Art. 19 Abs. 7 UAbs. 1 lit. b MAR)[460]. Selbst Geschäfte im Rahmen von Lebensversicherungen sind mitteilungspflichtig, wenn die Führungskraft oder eine ihr nahestehende Person das Investitionsrisiko trägt und dabei die Investitionsentscheidungen selbst treffen kann (Art. 19 Abs. 7 UAbs. 1 lit. c MAR). Außerdem fällt auch die Annahme und Ausübung von Aktienoptionen unter die Meldepflicht (vgl Art. 10 Abs. 2 lit. b DelVO 2016/522)[461].

c) Inhalt und Form der Meldung

584

Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 MAR ist das Geschäft unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Geschäftstagen zu melden (Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1 MAR). Damit hat eine Meldung ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen.

585

Den Inhalt der Meldung legt Art. 19 Abs. 6 MAR fest. Enthalten sein muss etwa der Name der Führungskraft oder der ihr nahestehenden Person, die das Eigengeschäft vorgenommen hat, der Grund der Meldung, die Bezeichnung des Emittenten, das Finanzinstrument, welches Gegenstand des Eigengeschäfts ist, die Art des Geschäfts (dh Erwerb, Veräußerung, Verpfänden oder Verleihen), Datum und Ort des Geschäfts sowie dessen Kurs und Volumen[462]. Insofern ist die Verwendung der Vorlage im Anhang der DurchfVO 2016/523 geboten[463]. Die Meldung hat durch den Einsatz elektronischer Mittel zu erfolgen, welche die Vertraulichkeit der Meldung gewährleisten[464]. Zur Veröffentlichung muss auf Medien zurückgegriffen werden, „bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Informationen tatsächlich an die Öffentlichkeit“ in der gesamten EU weiterleiten (Art. 19 Abs. 3 UAbs. 2 MAR).

4. Ausnahme von der Meldepflicht

586

Die Pflicht zur Veröffentlichung und Mitteilung entfällt, wenn die Gesamtsumme der Geschäfte bis zum Ende des Kalenderjahres die Meldeschwelle von insgesamt 5000 Euro nicht überschreitet (Art. 19 Abs. 8 MAR). Im Schrifttum wurde diese Grenze häufig zu Recht als zu niedrig angesehen, weil sich daraus keine Hinweise auf die tatsächliche Markteinschätzung von Führungskräften ergeben[465]. Daher hat die BaFin gemäß der Ermächtigung in Art. 19 Abs. 9 MAR mit Wirkung zum 1.1.2020 den Schwellenwert auf 20 000 Euro angehoben[466].

587

Art. 19 Abs. 8 MAR hebt auf das Gesamtvolumen ab und bezieht sich auf die in Art. 19 Abs. 1 MAR genannten Geschäfte, dh die Geschäfte der Führungspersonen sowie der in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen. Allerdings sollen bei der Berechnung der Schwelle die Geschäfte der Führungspersonen sowie der in enger Beziehung stehenden Personen nicht zusammenzurechnen sein[467]. Die Veröffentlichungspflicht gilt nur für diejenigen Transaktionen, welche die Führungskraft oder die ihr nahestehende Person nach Überschreiten des Schwellenwerts vorgenommen hat. Davor erfolgte Geschäfte müssen nicht gemeldet und veröffentlicht werden[468].

5. Temporäres Handelsverbot (Art. 19 Abs. 11 MAR)

588

Nach Art. 19 Abs. 11 MAR besteht für Führungskräfte ein periodisches[469] bzw temporäres[470] Handelsverbot[471]. Damit soll dem Insiderhandel durch Führungspersonen innerhalb eines besonders „sensiblen“ zeitlichen Rahmens vorgebeugt werden[472]. Führungskräften ist es danach untersagt, Eigengeschäfte im Zusammenhang mit Anteilen und Schuldtiteln des Emittenten oder mit Derivaten für einen Zeitraum von 30 Kalendertagen vor Ankündigung eines Zwischen- oder Jahresabschlussberichts vorzunehmen, zu deren Veröffentlichung der Emittent verpflichtet ist („Closed Period“)[473]. Verboten ist es zudem, in diesem sog. geschlossenen Zeitraum Geschäfte für Dritte vorzunehmen (Art. 19 Abs. 11 MAR).

589

Geschäfte, die die Führungskraft als Organ oder Vertreter für den Emittenten vornimmt, fallen schon vom Sinn und Zweck der Regelung her nicht unter das Handelsverbot[474]. Ansonsten wären etwa Kapitalerhöhungsmaßnahmen im Verbotszeitraum nicht möglich. Kein Handelsverbot lösen auch freiwillige Informationen aus.

590

Zu beachten ist, dass mit dem Bezug auf Zwischen- oder Jahresabschlussberichte nicht nur gesetzliche Berichterstattungspflichten, sondern auch solche eines Handelsplatzes gemeint sind (Art. 19 Abs. 11 lit. a MAR)[475]. Allerdings gilt das Handelsverbot nach Ansicht der BaFin jedenfalls nicht vor Ankündigung einer verpflichtenden Quartalsmitteilung iS des § 53 BörsO Ffm vom 1. April 2020[476].

591

Das Handelsverbot gilt nach dem Wortlaut der Norm nicht für nahestehende Personen der Führungskraft, sodass das Schrifttum hier ein Handelsverbot grds ablehnt[477]. Die BaFin weist aber zutreffend darauf hin, dass das Handelsverbot auch für indirekt getätigte Eigengeschäfte bzw für Dritte getätigte Geschäfte gilt, sodass hierunter ebenso Transaktionen fallen können, die über oder für eine solche eng verbundene Person ausgeführt werden[478].

 

592

Eine Ausnahme gilt nach Art. 19 Abs. 12 MAR[479], wenn der Emittent seinen Führungskräften die Erlaubnis erteilt, bestimmte Eigengeschäfte innerhalb des genannten Zeitraums vorzunehmen. Eine solche Erlaubnis setzt allerdings voraus, dass die betreffenden Geschäfte im Einzelfall durch außergewöhnliche Umstände bedingt sind (zB schwerwiegende finanzielle Probleme), die einen unverzüglichen Verkauf von Anteilen erforderlich machen (Art. 19 Abs. 12 lit. a MAR). Ebenso kann der Emittent unter bestimmten Voraussetzungen Geschäfte im Rahmen von Belegschaftsaktienprogrammen oder Arbeitnehmersparplänen zulassen (Art. 19 Abs. 12 lit. b MAR). Dabei darf sich aber „die nutzbringende Beteiligung an dem einschlägigen Wertpapier“ nicht ändern (Art. 19 Abs. 12 lit. b MAR aE).

593

Art. 7 ff DelVO 2016/522[480] spezifiziert die Voraussetzungen für die Erlaubnis durch den Emittenten (Art. 19 Abs. 13 MAR)[481]. Insbesondere wird festgelegt, welche Umstände als außergewöhnlich anzusehen sind (Art. 8 DelVO 2016/522). Zudem regelt Art. 9 DelVO 2016/522 beispielhaft[482], welche Arten von Geschäften eine Erlaubnis zum Handel in Closed Periods rechtfertigen. Dabei handelt es sich insbesondere um Geschäfte im Zusammenhang mit Arbeitnehmerbeteiligungsprogrammen. Zu beachten ist aber bei einer zulässigen Ausnahme, dass nicht gegen Art. 14 MAR (Insiderhandelsverbot) oder Art. 15 MAR (Marktmanipulationsverbot) verstoßen wird. Ergänzt werden diese Konkretisierungen durch die stetig aktualisierten Q&A (Questions and Answers) der ESMA sowie den Emittentenleitfaden der BaFin.

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