Die heilende Liebesbeziehung

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Die heilende Liebesbeziehung
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Paul Stefan Wolff

Die heilende Liebesbeziehung

Ein Weg zu mehr Liebe und Wachstum im zwischenmenschlichen Bereich

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1 Aufbauen & Projektionen

2. Gott und die Welt

3. Langsame Wiederholung

4. Systemisches freilegen

5. Management des Unaussprechlichen

6. Szenische Aufarbeitung

7. Das Zirkuszelt-System

8. Sex, das Körperliche, Wahrheit

Impressum neobooks

1 Aufbauen & Projektionen

Die heilende Liebesbeziehung

Sheryl Crow – Good is good / Coldplay – Fix you

„Ich bin Sven“, der Mann setzte sich im Cafe hin, zur Bedienung: „Das gleiche wie sie.“

„Ich bin Tina. Ich habe Sie kontaktiert, weil ich verzweifelt bin. Sie sind ein Geschenk meiner besten Freundin. Sie sind doch der Vergessen-macher?“

„Ich bevorzuge die Bezeichnung Überwinder.“, Sven lächelte. „Ich habe das gleiche bestellt, weil ich will gleich etwas klarstellen“, er kam gleich zur Sache. „Ich werde auf Ihrer Seite sein. Die ganze Zeit über. Je eher Sie das verstehen, desto besser.“

„Das will ich hoffen.“

„Wechseln wir gleich zum Du? Das wäre hilfreich.“

„Ok.“

„Die wirksamste Methode, eine Beziehung vergessen zu machen, ist die, über sie zu reden, wie sie hätte sein sollen. Aber es geht nicht wirklich, ohne intensiv zu sein. Ich will, dass wir uns oft sehen. Wie hieß er gleich, Christian…?“

„Chris, ja.“

„Zwei Wochen, Vollkontakt. Dir wird auffallen, dass er nicht wirklich gut war, dieser Chris. Dir wird klar werden, dass er dich nicht wirklich geliebt hat. Dir werden die Beweise auffallen, dass Chris weder viel von Liebe versteht, noch von dir. Dir wird aufgehen, dass er seine Arbeit nicht gemacht hat.“

„Arbeit?“

„Beziehung ist Arbeit. Wir tragen unsere Verletzungen, unsere Vergangenheit als Projektionen auf andere wie eine frische Wunde mit uns herum und zeigen sie jedem, dem wir begegnen. Weil wir nicht wissen, wer ein Arzt, wer ein Heiler dessen sein könnte. Einige gehen davon aus, am Anfang der Liebe – ja sogar des Kennenlernens - soll man möglichst viele Projektionen zeigen und abarbeiten, weil ja Projektionen haben eine Art Magie: die Falschen werden abgeschreckt, da hat man sich eh Stress erspart. Die Guten werden aber davon angezogen. Weil die Passenden, sagen die, empfinden aus Zufall und Passgenauigkeit GENAU diese Wunden als leicht zu heilen. Und trauen es sich zu. So in der Art, zeige mir deine Wunden und ich sage dir, wer zu dir passt. Das ist natürlich eine Art, an die Sache ranzugehen, aber mein Konstrukt geht davon aus, man kann auf längerer Sicht auch die vordergründig unpassenden Dinge ausgleichen, ausmerzen, heilen. Diese unserer aller mehr oder weniger frischen Wunden. Frisch, weil sie wabern noch, manchmal kochen sie hoch, brechen hoch wie Vulkane.“

„Ich habe keine frischen Wunden – von Chris abgesehen.“

„Tu das nicht. Du fängst damit schon an.“

„Was?“

„So zu tun, als hättest du die anderen Menschen und deren Mitfühlen nicht nötig. Das ist nicht ganz richtig. Wahr ist, wir suchen. Wahr ist, wir projizieren auf die anderen – ständig. Wir zeigen ihnen, und zwar allen, was Sache ist. Je klarer du dir dessen bist, desto besser.“

„Wenn ich dich richtig verstehe, dann hätte Chris mich und meine Vergangenheit heilen sollen?“, sie war verwundert. „Das ist nicht Aufgabe einer Liebesbeziehung!“

„Aber WAS wäre das für eine wahnsinnig wundervolle Beziehung, wenn er das eben doch täte?! Stimmt‘s?“

Sie sagte nichts.

„Wäre das nicht die wundervollste Geschichte?“, er schwärmte. „Zu viele Beziehungen sind Sex plus Eis essen gehen, also plus Freizeit verbringen.“ er lehnte sich zurück. „Meine Aufgabe ist, wir spüren dem nach, was er hätte tun können, wenn er denn gewollt hätte! Wenn er wirklich ein Teil von deinem wahren Leben hätte sein wollen. Zwei Wochen. Und danach hast du etwas, wofür du wieder aufstehen kannst. Von dort tief unten wo du bist. Aufstehen, jeden Morgen. Danach kennst du den Unterschied, wonach du wieder bei allen neuen Männern suchen kannst. Ein Grund, wieder auf Partnersuche zu gehen.“

„Und das soll funktionieren? Das heißt, du sagst mir Gründe, und dann macht es bei mir Klick! Und ich sehe ihn als Arschloch?“

„Mein Ziel ist es nicht, jemanden zum Arschloch zu machen. War er ja vielleicht nicht. Mein einziges Ziel ist, du siehst die Sache mit Abstand und kommst zu dem Schluss, es war eine Stufe des Weges. Der Weg ist aber noch nicht zu Ende. Es kommt noch was nach. Du verstehst, wir sterben morgen wahrscheinlich nicht. Und das Leben ist also lang – und es ist geduldig. Es keimt in dir die Hoffnung auf, es kommt was Besseres nach. Es wird nicht einfach werden, die neue Sache. Aber es wird eine neue Geschichte möglich.“

„Und deine Methode – sie hilft nur Frauen?“

„Nein“, sagte Sven. „Sie funktioniert genauso bei allen Männern, die ihre frühen Verletzungen zugeben können. Frauen gestehen sich halt eher ein, dass sie Verletzungen mit sich herumtragen. Männer gehen mehr als Frauen davon aus, das gehört so dazu. Dazu zum Leben. Dazu zur Liebe. Männer sind weniger bereit, was rechtzeitig zu ändern. Männer neigen dazu, Frauen in einen Topf zu werfen. Die wären begeistert, wenn sie erfahren, WAS für Frauen ich hatte. Männer erachten nach einer Zeit, bis so Anfang 20, die Sache mit Beziehungen mit immer den gleichen Attributen zu belegen. Männer haben stärker als Frauen ein festgelegtes Schema einer Beziehung mit einer Frau, dieses „in einer Beziehung muss MAN(N) – dies oder jenes, tun oder lassen“. Die Männer gehen nicht davon, dass sich das ändern lässt. Sehr viele Männer wären und sind überrascht, wie zu ihren Gunsten wandelbar die Frauen sein können. Und zwar sehr viele Frauen! Männer haben im Gegensatz zu Frauen den Ansatz nicht, das Verhalten einer Frau kann man ändern. Dieser Gedanke liegt den Frauen näher. Vorherige Heilung von den alten Wunden vorausgesetzt.“

„Und was verstehst du unter Heilung generell? Ist dann die Wunde weg?“

„So lange eine Wunde noch frisch ist, tut sie weh und lenkt den Blick darauf. Das hat seinen Sinn, wenn z. B. man als Kind gemobbt wurde, weil man anders war. Dann tut die Wunde so lange weh, bis der Grund weg ist, man also gelernt hat, mit dem Anderssein zu leben – auch Vorteile darin zu sehen. Heilung heißt dann folglich, man muss den Blick nicht ständig darauf legen. Einige neigen auch dazu, ihre alten Wunden, auch körperliche, immer wieder aufzukratzen. Heilung heißt also, die Aufmerksamkeit weg zu lenken, nicht durch Flucht, sondern dadurch, dass sie verarbeitet ist. Dieses Bild des nicht-mehr-Hinschauens beinhaltet auch die Erkenntnis, dass auch ein anderer Mensch diese Wunde heilen kann. Nicht nur die, die sie einem zugefügt hat.“

„Ich werde also nicht mehr an Chris denken müssen – jeden Tag öfters.“

„Anfangs noch, ja. Dann vielleicht denkst du nur noch einmal am Tag an ihn. Dann nur alle paar Tage, schließlich siehst du ihn mit anderen Augen – mit einem Trost im Blick. Dein Blick, das ist das Alpha und Omega. Dein Blick ist es, den wir bearbeiten müssen.“

„Verstehe“, Tina war überzeugt. „Ich bin einverstanden. Wie geht es los?“

„Mit dem Anfang. Der Beziehung. Die meisten Fehler passieren am Anfang.“

Vor einiger Zeit. Tina erzählt. (Zum besseren Verständnis wird die reale Situation wiedergegeben.)

Eine ganz normale Theaterveranstaltung. Tina war alleine da, schnappte etwas frische Luft in der Pause.

„Hallo. Ich würde Sie – dich - gerne kennen lernen“, der gut aussehende Mann stellte sich zu ihr hin.

„Warum?“ die durchaus direkte Tina wollte gleich mal die Motivation testen.

„Kennst du das, es gibt langweiligere Momente im Stück. Und da ist mein Blick abgeschweift. Und fiel auf dich. Vielleicht Fügung. Und du hast dich genauso gelangweilt – in diesem Augenblick. Da wollte ich herausfinden… vielleicht ticken wir ähnlich.“

„Ja, das Stück hat Längen.“

„Aber die Pointen dazwischen sind es wert, finde ich.“

„Ja“, lachte sie. „Die haben es in sich. Insbesondere bei dem Spruch: Frauen sagen: abwarten und Tee trinken. Und dann essen sie dazu zu viel Kuchen und hinterher sagen sie, warum bin ich so dick. Ich sollte aktiver werden. - Der hat mich voll erwischt.“

„Ja, so seid ihr“, sagte Chris. „Wenn du einen Sportpartner suchst, ich habe gehört, zu zweit ist die Strecke, die man joggen geht, etwas länger. Alleine gibt man eher auf.“

Wieder im Jetzt.

„Einspruch“, sagte Sven. „Du, Tina, hast etwas gesagt, was persönlich ist. Sehr gut. Du zeigst ihm deine Wunde, die des Abwarten und Tee trinken, die mangelnde Aktivität. Und er reagiert genauso mit einer Projektion, er wirft dir seine Erfahrungen mit den anderen Frauen an den Kopf. Nicht?“

 

„Wenn ich es recht überlege...“

„Warum sagte er nicht so etwas wie: ich bin sicher, du bist schon ab und zu aktiv. Man muss sich auch Ruhepausen gönnen. Er hätte drauflegen können mit: wir alle sind ab und an faul. Damit hätte er Menschlichkeit zugegeben. Oder auch: Es kommt darauf an, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Dann die Sache mit dem Joggen.“ Er lächelte. „Stattdessen drückt er dich runter zu dem Niveau, dass seiner Meinung nach alle Frauen dies und jenes.“

„Ok. Du hast recht“, Tina nickte. „Aber das Ansprechen, war das nicht etwas forsch? Ich habe hinterher oft gedacht, wenn er das so mutig macht, dann macht er das öfter.“

„Naja“, Sven zuckte mit den Achseln. „Ansprechen muss sein. Eine Bekannte von mir hat mal gesagt, die Ausländer sind zu forsch. Die Deutschen zu zurückhaltend. Die Mitte wäre es. Ich denke, sie hat damit recht.“

„Und das mit dem gleich das Joggen anbieten?“

„Er muss etwas sagen, was dazu führt, dass er an deine Telefonnummer kommt. Da ab und an direkt zu sein ist Sache des Naturells. Das kann passen oder auch nicht. Er muss den nächsten Schritt wagen. Zumindest hat er nicht gesagt, lass uns Sex machen, das verbrennt auch Kalorien.“

„Sie reden ihn mir schön.“

„Es ist nicht meine Aufgabe, die Exen schlecht zu reden. Es ist meine Aufgabe aufzuzeigen, dass er seine Arbeit unvollständig gemacht hat. Wer auf den perfekten Partner wartet, wartet bis zum Tod. Irgendwen MUSS man ja nehmen. Keiner macht NUR Fehler, sonst wäre es keine Beziehung geworden. Meine Aufgabe besteht darin, aufzuzeigen, SO VIEL Trauer hat er nicht verdient. Aber etwas Trauer schon. Jede Sache, die anfängt, birgt die Hoffnung auf Potenzial. Es war vielleicht eine unglückliche Geschichte. Aber es ist ein Teil deiner Liebesgeschichte – und wird es bleiben. DIE Geschichte gab es, das lässt sich nicht leugnen.“

„Verstehe. Du willst, ich soll das wegrasieren, was falsch war. Und es soll zurückbleiben, was real da war. Und deine Theorie sagt dann, der reale Rest wird schon nicht so schlimm sein.“

„So in etwa“, antwortete Sven.

„Eine ganz andere Frage. Wie groß ist das Potenzial des perfekten Verhaltens?“

„Nicht „perfekt“, sondern „heilend“. Das Potenzial des heilenden Verhaltens kann so groß sein, es kann unter geeigneten Umständen dazu führen, dass ein zweifelnder potenzieller Partner sich verliebt. Geeignete Umstände sind Alter etc. Das heilende Verhalten hat eine starke Anziehungskraft, wir wollen alle mehr davon.“

„Ich kann damit also Männer kriegen, die am Zweifeln sind?“

„Möglich.“ Er lächelte. „Seine Fehler sind außerdem aus der Verzweiflung geboren. Kirkegaard sagt ja – und er hat Recht – Sünde entsteht aus Verzweiflung. Seine Projektionen sind tatsächlich Ausdruck seiner Verzweiflung. Weil er es nicht besser weiß. Weil er eben das Konzept der Heilenden Beziehung nicht kennt. Aber du wirst es kennen.“ Er atmete durch. „War es das mit dem Gespräch?“

„Er hat mich danach zum Auto gebracht.“

Vor einiger Zeit.

Tina geht mit Chris zu ihrem Auto. Das steht etwas weit ab vom Bordstein.

„Ich habe in Eile geparkt“, entschuldigt sich Tina.

„Das Taxi vom Bordstein zum Auto zahle ich“, lacht Chris.

„Den Film habe ich gesehen. Woody Allen, 70er. Weiß nicht mehr, wie er heißt.“

„Annie Hall im Original. Ich habe ihn auf DVD.“

„Also tust du nicht die ganze Zeit joggen?!“

„Ich jogge alleine. Das heißt nach meiner Regel, ich breche zu früh ab.“

„Und das willst du ändern, indem du wild Frauen im Theater ansprichst?“

„Theater, weil ich stehe nun mal auf Frauen, die wissen, wie man eine Szene macht...“

„Also hältst du dich von Anwältinnen fern? Weil die wissen, wie man eine Scheidung macht.“

„Meine Ex war im Außendienst. Die wusste, wie man einen übern Tisch zieht, wie man die Nachteile im Verkaufsgespräch kaschiert, damit man die Rostlaube teuer kauft...“

„Mein Ex war Erzieher. Ich nahm ihn, damit er unsere Kinder erzieht. Er wollte dann mich zuerst erziehen.“

„Hast du das öfter, dass du in Männern das Bedürfnis weckst, dich zu erziehen?“

„Aber nur, wenn ein Mann mir wirklich fesselt.“

„Puh! Dich rufe ich mit SICHERHEIT an...“

Wieder im Jetzt.

„Gab es daran was auszusetzen?“

„Einiges“, Sven nickte.

„Es war ein wunderbares humorvolles Gespräch.“

„Das zu großen Teilen auf dein Kosten ging. Alleine schon der Satz, der anfängt mit Hast du das öfter… Daraus spricht seine Unsicherheit am Anfang, sein Sicherheitsbedürfnis. Er reißt die Pointe voll und ganz auf deine Kosten. Fragen, die anfangen mit „Hast du das öfter“ sind immer Niedermachphrasen. Und du versuchst noch verzweifelt, das Ganze sexuell einzufärben. Warum hat er nicht einfach gesagt: Ich glaube nicht, dass du erzogen werden musst. Oder er hätte sagen können: Ich will dich nicht erziehen. Nur mit dir joggen gehen.“ Er machte eine Pause. „Nichts gegen Humor. Und gegen irgendwen geht Witz immer. Aber es sollte ausgewogen sein. Er fängt ja schon an mit einem Taxi-Parken-Witz gegen dich. Warum sagt er da nicht einfach: Ich parke selber auch ab und zu blöd. Oder: Das Stück hat die Eile gelohnt. Die Witze in der Mitte waren ok. Etwas Persönliches preisgegeben, von der Ex hat er erzählt, von seiner Angst, über den Tisch gezogen zu werden. Projektion erster Güteklasse. Generell drückt er dich in die Enge, bis dir nur der Ausweg ins Sexuelle bleibt. Weil er verkleidet das Ganze als Humor. Er hält dich klein. Fast die ganze Zeit über.“

Sven machte eine Pause.

„Passierte das öfter in der Beziehung?“ fragte er schließlich.

„Es gab auch gute Sachen…“, sie schaute Sven trotzig an. „Was soll der Idealismus? Beziehungen, Menschen sind so nicht.“

„Ich biete Gelegenheiten“, sagte Sven entschlossen. „Ich sage nicht, er oder man muss alles genauso und immer und perfekt umsetzen. Aber Teile davon wären doch ganz schön. Und außerdem, dein Liebeskummer idealisiert die Beziehung im Nachhinein sehr wohl! Wir wollen niemanden an einem Punkt festklopfen, ihn richten und ihn verurteilen. Wir wollen Wege aufzeigen, wie man es besser machen kann, damit vielleicht einige davon Hilfe erhalten, die sie suchen – und nicht finden, bislang.“

„Also pass auf: Das klein machen machst das jetzt auch mit mir!“

„Ich verzweifle an euch normalen Menschen. Erst NACH der Beziehung fällt euch auf, dass ein Detail, ihre schönen Beine, seine sagen wir Hakennase, geht einem nach und man denkt die ganze Zeit daran. Ich sage: zukünftige Trennungs-Erinnerungen ins Jetzt, ins Davor aktualisieren. Euch Deppen fällt immer erst hinterher auf, wie sehr ihr die Details am Partner geliebt habt. Weil sie Teil von etwas damals Wunderbarem waren. Warum sagt ihr das nicht einfach schon vorher, freilich nicht: ich liebe deine Hakennase, sondern: ich mag deine Nase sehr. Dann würde sehr viel schon vorher richtig laufen. Dann kommt das Verhalten vielleicht gar nicht auf, das später zur Trennung führt. Ihr redet zu streng miteinander, ihr normalen!“ Sven machte sich Luft. „Warum könnt ihr die Barmherzigkeit gegenüber den Fehlern des anderen nicht schon vorher transportieren? Schon ganz früh, schon in der Verliebtheitsphase, ganz am Anfang, in den ersten Wochen. Dann würde die Beziehung ja weiter sich entwickeln, sie hätte nicht schon am Anfang die Chance verspielt, länger zu dauern als sie tat!“

„Ja, aber ich habe es auch nicht getan“, gab Tina zurück. „Also Patt.“

„Ja, und damit kannst du nach Hause gehen und alles bleibt so. Und du wurdest nicht von ihm geheilt und er nicht von dir. Alles gut, oder? Nächster Ficker her!“ Er schnaubte. „Alles, was ich will ist: er war nicht so gut, wie es schien. Ja, er hatte Humor. Weiß Gott selten. Ja, er öffnete sich durchaus, noch seltener. Aber noch nutzt er dafür dein Kleinmachen. Vielleicht ändert sich das ja im Laufe deiner Erzählung.“

„Das drehst du doch eh wie du willst, wahrscheinlich“, sie gab sich unerbittlich. „Und es geht am Ende ohnehin nur, ob man vom Aussehen, vom Geld, vom Wasweißich in der selben Liga spielt.“

„Nein, Tina“, er schüttelte den Kopf. „Ich ärgere mich nicht darüber, wenn ich etwas nicht ändern kann. Und das Liga-Denken kann ich nicht ändern! Es gibt genug, was man ändern KANN – zumindest im Kleinen – das unsere ganze Aufmerksamkeit und Energie braucht. Ich LIEEEBE Leute, die auf der einen Hand die Welt ändern wollen retten wollen und im gleichen Moment einer alten Frau mit Rollator die Türe nicht aufhalten, weil sie neben ihnen steht. Weil sie ständig nur das Große sehen, nur die GANZ großen Probleme: verflixte Großmannssucht, Berufungs-Wahn vom Feinsten = Eitelkeit ist das!“

„Du neigst zu Wutausbrüchen, oder?“

„Das heißt: Ich bin Leidenschaftlich! Wir waren beim positiven Ausdruck“, er atmete tief durch. „Genau genommen füge ich ja mit dem Konzept der Heilenden Liebesbeziehung eine neue Klasse in der Liga ein. Wenn Sie Scheiße aussehen, kein Geld haben oder Wasweißich, dann können Sie vielleicht mit guten Komplimenten punkten, vielleicht können Sie jemanden gut aufbauen! Es gab mal eine Frau, die hat im Internet auf einer Partnerbörse geschrieben: „Man sagt, das Herz ist so groß wie der Hintern. Ich habe ein großes Herz.“ Ich habe sie kontaktiert, sie war sehr zu Zugeständnissen bereit. Zwei Wochen später hatte sie gefunden. Sie hat es auf den Punkt gebracht, sie hat ihre Chancen realistisch eingeschätzt. Ich sage: Sie wird glücklich werden!“

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