DIE LETZTE KUGEL

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poetischer prolog




lernziel:

 wie eine philosophische schule entsteht



womit und wie sie die (alt europäische) welt in ein einheitsdenken nimmt



das kugeldenken als philosophie wird die vorschule der theologie



warum man etwas absolut rundem, umgreifenden, attraktiven, tragendes, die gefolgschaft nicht verweigern kann (konnte)



wir lernen außerdem, das die entropie auch vor dieser kugel-macht nicht still steht




ideen über das ganze



über eine kugel



machen vor 2500 jahren



die runde




philosophische theoriespiele



spalten die nachfolgenden



gesellschaften endogen




ein anfall von unvermeidlicher



dringlichkeit



eine weltergreifende idee



startet ihren flug




ein ausnahmezustand des denkens



etwas noch nie gedachtes gesagtes



ein fruchtbarer augenblick



kühne gedanken



umkreisen



eine allmächtige kugel



ein heiligenbild



ein denkaltar



ein totalitätssymbol



verehrende forschung



vor dem emblem



des göttlich seienden



symbol des alles



physisch und geistig



umgreifenden




eine die den nachdenklich sterblichen



kein entrinnen lässt



die kugel ein götterbild der denkenden



eines das zu denken gibt



noch nicht zum beten



aber zur analyse



messung



und beweis



präzise erwägungen



wurden sein kult





ihr innenraum



fordert kongeniale geister



die beleben sollen



intelligenz wird sphärenspannkraft




einsicht verschafft umsicht



im nahen und im ungeheuren



logischer enthusiasmus



kommunitarischer enthusiasmus



ein pfingstereignis



der denkgeschichte



staunen



aber bitte mit trockener seele



von überwältigendem



sprechen




sieben eigenschaften riefen sie der



kugel hinterher:



sie sei gott



sie sei das schönste



sie sei die größte



sie sei das weiseste



sie sei erfüllt vom schnellen geist



sie sei mit kraft als stärkstes



sie sei ohne anfang ohne ende




wir sind umgriffen gerettet



obschon wir uns dem



mangel ausgeliefert fühlen



der philosoph ist



zum optimismus verpflichtet



den alten europäern



bleibt weisheit:



sich in kontemplativer dankbarkeit



in diese ur-fülle



einzugliedern



sich den besten gründen auszuliefern



während es uns moderne



zu ursprungsflüchtigen macht



vorwärtslaufend denkend



gegen das heimweh



nach dem unveränderlichen noch-nie-dagewesenen



von-ferne-versprochenem




sie scheint uns zuzurufen:



spielt weiter mit dieser kugel



die königen legitimation



und dichterfürsten



zu denken gaben



der mensch



das ekstatische tier



dem ein weltapfel



in die hand gelegt wurde




angesichts riesiger



fragen und aufgaben



schien es nicht wunder



das wir mängelwesen



zu sein schienen



wer kann als mängelwesen



der fülle schon standhalten



was soll aus der kugel



werden



in zeiten ohne könige



was aus den königen



in zeiten ohne kugel






Prolog: Intensive Idylle




Die Szene spielt im 1. Jhrd. vor Christus. Sieben bärtige Männer sitzen zusammen. Es hat den Anschein, als mache eine Idee die Runde und durchfahre sie wie ein Anfall. Weltergreifende Ideen beginnen ihren Flug.




So wie die Offizianten religiöser Kulte Statuen zu Ehren der von ihnen bevorzugten Gottheiten errichten, so haben die Gelehrten hier das Bild der Seins- und Kosmoskugel vor sich aufgestellt, um sie mit angemessenen Erörterungen zu verehren.




Die Kugel ist das Götterbild der Denkenden. Kästchen, Podium sind ihr tragbarer Altar, der Hain vor den Toren der Stadt ist ihr Tempelbezirk. Die

sphaira

ist der Gott der zu denken gibt. Aber es sind nicht Gebete und Anrufungen, sondern Analysen, Messungen und Beweise. Verehrende Forschung über ein Symbol für jenes Umgreifende oder Um-Sein,

periéchon

, das alle physischen und geistigen Gattungen des Seienden in sich fasst und das somit auch die Intelligenzen durchwirkt, die sich hier über die Kugel beugen.




Ihr Innenraum verlangt nach einem kongenialen Geist, der ihn beleben soll, das meint erzeugen und ermessen. Intelligenz ist Sphärenspannkraft; aus Einsicht wird Umsicht im Ungeheuren. In den Evidenzerlebnissen gibt sich der Gott, der Eine, Einstimmige, den Denkenden zu sehen. Logischer Enthusiasmus bestätigt seinen Verehrern, dass er in ihnen gegenwärtig ist.




Im bewährungsmächtigen Begriff und im seinsfähigen Bild kommt der göttliche Geist - der hier unterstellt werden darf - auf den menschlichen zu. Es ist das Pfingstereignis der Denkgeschichte, der Ausguss logischer Feuerzungen.




Jeder der sieben bezieht sich als singuläres, wissendes Leben auf das Eine und setzt sich so in eine ursprüngliche Individualität. Er lässt das Umfassende durch sich selbst, das diskrete Gefäß des Ungeheuren, sprechen.




Hier entsteht eine neue Form der Vergesellschaftung: durch die geteilte Erfahrung des Einheits- und Ganzheitsgedankens entsteht eine Gemeinsamkeit, für die es in der völkischen und familiaren Geschichte kein Vorbild gibt.




Aber schon diese sieben lernen nicht fürs Leben sondern für die Schule.




Durch das Theoriespiel Philosophie werden die folgenden Gesellschaften endogen gespalten: in solche die sich und ihr Wissen selbst zum Ernstfall erklären und in die, die sich entweder als Bewunderer dessen zeigten, was sie nicht verstanden oder die, die ein Leben in Ahnungslosigkeit führten, ohne sich unsouverän zu fühlen.




Im Bild der Sieben liegt Glück und Ungeheure still ineinander.



Zukünftig wird ohne den Willen zu dieser Idylle, keine Theorie zustande kommen.



Ohne Muße keine Schule, ohne Entwurzelung aus der Vulgarität, nichts von alledem, was alteuropäisch Freiheit der Forschung hieß.




Von nun an reicht das Ungeheure in der Ordnung weiter, als das Ungeheure in der Tragödie. Die Kugel bestellt die Betrachter mit zwei unbedingten Imperativen zu sich:




Komm, denke mich!



Und:



Geh in mir auf!




Im Hintergrund eine Sonnenuhr. Philosoph ist, wer eine Uhr im Rücken und eine Kugel vor sich hat.




Wir stehen am Beginn eines messenden, feststellenden, vergegenständlichenden „Zeitalters der Vernunft“. Von einem wortreich dunklen Gewerbe wird die Konstellation von SEIN und ZEIT durchleuchtet.




Einer, der der Zeit den Rücken zukehrt um in den absoluten Raum, die göttliche Immanenz, die sphärische Fülle einzutreten. Hier tut sich das Paradies der Ontologen (Lehrende des Seins) auf.




Auch Hegel und Heidegger waren nur Kommentatoren dieses Mosaiks. Auch Nach- und Anti-Hegelianer kämpften um den Kugelnachlass, von der es heißt, sie sei zersprengt, die ihr ent-stürzenden Menschen würden nur noch im freien Fall existieren.




Die Kugel vor Augen lässt die Sieben zu einer lokalen Funktion des globalen Optimums werden. Sie gab ihnen den stärksten Grund Optimist zu sein, wenn die Sphäre wirklich das Inbild und den Inbegriff des Ganzen geben soll.




Liegt im modernen Fortschritts-Optimismus noch ihr Nachhall?




Der thetische (zu beweisende) Funke springt im Augenblick über: Alles ist Gnade, alles ist im Kreis.

Eíso panta

 - alles ist innen-. Der Intellekt ist nun unheilbar krank von einer Sphären- idee, einem Pathos, von dem sich nicht sagen lässt, ob er hell oder dunkel ist:

dem Staunen.



Wer staunt über was?



Die Raumfigur bleibt in jeder Agonie (Qual, Kampf) und Überspannung um sie, wie ein geometrischer Schutzengel, eine unverletzlich exakte Alliierte. Angesichts dieser Kugel ist der Denkende zum Optimismus verdammt: einem exakten Optimismus.




Optimist – das war nun keine Charakter- oder Stimmungsfrage mehr.




Das Eine Sein ist reich, d.h. reich an Differenzen die zu einer Hermeneutik (erklären, auslegen‚ übersetzen) der Fülle zwingt. Nicht das Ressentiment (Neid, Groll) gehört an den Anfang, wie es die Psychoanalyse mit Kastration und Mangel tut. Die Fülle gehört dorthin und schaltet ein aristokratisches Licht auf sie. Das Zufiel erklärt das Seiende im Ganzen.




Sieben exakte Prahlereien verschafften ihr den Rang einer „Kugel des Seienden im Ganzen und brachte sie so in die

Vorlage einer theologie- ermöglichenden Funktion.




Es waren die sieben Rühmungen über:



die Kugel sei nichts anderes als der Gott



sie sei deshalb das Schönste



sie sei die Größte, kein Staubkorn sei außerhalb



sie sei das weiseste



sie sei erfüllt vom Schnellsten: dem Geist



sie sei das Stärkste, durch die Kraft der Notwendigkeit



sie sei das Göttliche das weder Anfang noch Ende hat




Das Hinzukommen des Menschen ist überflüssig, macht sie nicht mehr runder, trägt zu dieser ursprünglichen Rundheit nicht bei. Ihm bleibt nur, sich in kontemplativer Dankbarkeit in dieses Optimum einzuordnen.

 




Aber auch das Optimum unterlag der

Entropie, dem "eingebauten" Wandel"

Das An- und Eingebundensein Aller in Allem hielt zwar immerhin ein Weltalter lang das alte Europa mit göttlich- Beauftragten, die die Kugel in Händen oder im Wappen trugen in Atem. Aber auch die Zeit brach in die Kugel eine und rief nun den Seinen zu: Spielt weiter.




Es muss doch auch Neues zum Guten geben, wenn die bisherigen Kugelhalter ihren Pflichten zur Pflege des Runden nicht mehr nachkamen?




Wie zum letzten Mal erstellt 1777 ein Dichter in seinem Garten in Weimar einen „Altar des guten Glücks“. Wie? Natürlich als Kugel, die ein Rätsel für die Nachkommenden aufgibt: Was wird aus einer Welt ohne Könige, was aus Königen ohne Kugel?




Gewidmet ist dieses Denkmal der Tyche Agathe. Tyche ist die antike Göttin des guten oder bösen Schicksals, des Zufalls, des Launischen.




Die Kugel ruht auf dem Quader. Er steht für Ruhe, Beständigkeit, Verlässlichkeit, Ausgeglichenheit, die Kugel für das Unbeständige, die rast- und ruhelose Bewegung, das Wechselhafte. Wer wird diese Kombination balanciert in die Zukunft tragen?






poetische einleitung geometrie im ungeheuren





lernziel:

wie die globalisierung vor 2500 Jahren metaphysisch startet



wie philosophen für „menschen in der welt“ ein „sicherungs-gerüst“ denkend-bauen



wie die gezügelte vernunft eine affäre mit dem weltganzen eingeht



und theologen ihre göttliche kugel sprengen die immerhin fast zweitausend Jahre hält




das projekt der metaphysischen globalisierung




globalisierung das herrschende motiv



frühen europäischen denkens



metaphysiker mathematiker kosmologen



definierten



den menschen als



kugelnschaffendes kugelnbewohnendes tier



globalisierung wird geometrisierung



des unermesslichen




mensch und natur eine technische kooperation



globalisierung oder sphäropoiese



ist kernstück des denkens



mathematische globalisierung



geht seit 2500 jahren



der terrestrischen voraus



sein ist nicht die zeit zum tode



sondern die zeit die es braucht



zu begreifen was der raum ist:



die allerwirklichste kugel



sie ist der repräsentant



des weltganzen



das wurde die entscheidende



erkenntnistat früher aufklärer




jede intelligenz ist gezwungen



ihre lage zum mittelpunkt



zu überprüfen



bloße umgebung soll kugel werden



geometrie läuft ins ethische



das runde wird der befreundete raum



die sphaira hieroglyphe des weltganzen



inlusive himmel



so werden macht und rund



ein herrschersignal



setzt man das kreuz



auf der kugel



läuft das bild



in sakramentale überhöhung





römische münzen



liefen um die welt



wurden zu globalisierungsboten



sobald die kugel stand



stand die frage nach



ihrem herrn und regenten



wahlweise waren es



siegesgöttinnen fortunen imperatoren



gerne missionare



mit christus als kosmokreator




danach gruppierten wissenschaftler



ihr besteck für wendekreise



meriane und äquator



später wird der globus



vom logos und reklame umzogen



wird spitzensymbol von macht und geist



doch auf welchem fundament



steht sie



wo wäre sie einzubetten



wer oder was soll sie tragen



oder hält das umfassende sich selbst



schwebt ohne anhalt



im äußeren im leeren



so entstanden trägerideen



und lastübernahmebereite figuren



wie atlas



von zeus bestellte olympier



wahlweise auch säulen



berggipfel



prometheus tantalos sysyphos philoktet



alle unlösbar



an leidvolle überanstregung gefesselt



ihr können ist ihr leiden



es wächst die pflicht stark zu sein



in rom zeugen gladiatoren



wie es für die mächtigen



keine erleichterung



für die schwachen



keine nachsicht gibt







parmenideischer augenblick




die kopernikanische wende kränkte nicht



sie beflügelte die europäer



sie macht die erde



zum stern unter sterne



zum ort andere sterne zu beobachten




weltganzheit löst sich



in nüchternes wissen



lässt den himmel verlieren




kugelkonstrukteure



und globenbildhauer



schaffen ein medium



zur nachahmung gottes



menschliche gottessicht



durch mathematische kosmosbilder



der mensch verschafft sich



eine außensicht der welt



die bis dato nur gott hatte




die spaira lockt sterbliche in ein spiel



anfangs joviale herrschaftliche



dann polytechnische verfügungsträume



bis in die gewaltherrschaft des wissens



über dinglich ausgelegtes leben



im ganzen




atlas schwere last wird leichte theorie



das prinzip entlastung kommt zur macht



vorstellen und versuch wird bahnbrechende



verlockung



gewöhnlich sterbliche haften von nun



am alltäglichen verstricken sich



in besorgungen geschichten



meinungen werden inmitten der kugel



kugelblind




es muss ein neu-alter-halt her



denn die menschen sind



nicht nur die sterblichen



sondern die aus dem zentrum gerückten



zum dasein im halbblinden



epizentrum verurteilten




verschlagene randwesen



situativ benommene



marginale gottes



halbsichtig halbklar



das epizentrum des absoluten angehaucht



in mitleidenschaft gezogen



ohne sich mit diesem



verwechseln zu dürfen






gott tragen




ein verhältnis



das mikrosphärische intimbeziehung



auf makrosphärisches niveau hebt:



die in starker beziehung vereinten zwei



jetzt aber auf höhe des logischen



praktisch reifen weltverständnisses




metaphysich denken bedeutet diesen zauber zu meditieren



menschen sollen wie maria denken



nicht mein wille geschehe



sondern so wie du gesagt hast




die makrosphäre nutzt die mikrosphäre ganz für sich



höchste übertragung geglückt




was er will wird nur von



bevollmächtigten vertretern offengelegt



großwelten erlangen so ihr koopertionsmodell



- methaphysik der bevollmächtigten



und



- dienst am zentrum



arbeiter im weinberg der mitte



nicht als ein erleiden



sondern in intelligenter ko-spontanität



auch aktiver ergebung



maria und christophorus:



zwei musterexemplare



die schwere der welt



ist teil der liebesgeschichte



der exemplarische diener trägt den träger



der alles trägt



kolumbus wird der chistophorus der neuzeit



ein exemplar neuzeitlich manischer risikokultur



später zeigen die jesuiten



wie beugung unter größtem gewicht



von gewißheit beflügelt



das nur deren übernahme



reale macht verleiht



gegenwärtige krisen der solidarität



sind vielleicht sinnbild



für den untergang der



mitarbeiter-metaphysik



den klassischen denkern



ging es nicht um letztumfassung



sondern letztimmunität



ein theorie-ritual



zu ehren ihrer majestät



der runden form



jeder noch so weit entfernte



wird vom strahl aus der mitte



ermöglicht und erreicht



alles gute hat immunkraft



ist meine bergung im letztimmunisierenden ganzen



eine beruhigend erheiternde fesselnde botschaft




trost und zwang waren ununterscheidbar



unser herz war unruhig bis es ruhe fand in ihm



doch christus rettet weil die kugel rettet



der gott der morphologen



ist älter als der gott der basiliken



christliche geistesgeschichte:



die ausarbeitung kryptischer identität



von christologie und kugelmetaphysik



theologen werden agenten



eines epochalen immunisierungsprojektes



christus rettet wie schon die kugel rettet



doch die seele ist nur zuhause



wenn sie auf dem strahl aus dem zentrum lebt



außerhalb nichts als hölle



gerade als müsse der mensch



zum bleiben im runden mit gefahren gelockt werden





das morphologische evangelium und sein schicksal




doch das schicksal



des göttlich runden treiben



theologen ins abseits



sie deskreditieren<