Buch lesen: «Geologie der Alpen»

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O. Adrian Pfiffner

Geologie der Alpen

3., aktualisierte und erweiterte Auflage

Haupt Verlag

Prof. Dr. em. O. Adrian Pfiffner studierte und doktorierte an der ETH-Zürich. Nach Aufenthalten in Vancouver (Kanada) und Neuenburg wurde er 1987 als Professor an die Universität Bern berufen. In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit dem Bau und der Entstehung von Gebirgen. Hierzu analysierte er Gesteinsproben im mikroskopischen Bereich wie auch ganze Gebirge mittels seismischer Tiefenerkundung.

3. Auflage: 2015

2. Auflage: 2010

1. Auflage: 2009

Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

2015 © by Haupt, Berne

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Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Grafiken: O. Adrian Pfiffner, Andreas Baumeler

Umschlagabbildung vorne: Tschingelhoren mit Glarner Hauptüberschiebung und

Martinsloch (Foto: O. Adrian Pfiffner)

ISBN 978-3-8463-8610-1

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Die Alpen im plattentektonischen Rahmen

1.1 Die älteren Gebirge in Europa

1.2 Das Zerbrechen von Pangäa und die Öffnung der alpinen Tethys

1.3 Das alpine System

1.4 Geologische Gliederung der Alpen

2 Bausteine der Alpen: Das prä-triadische Grundgebirge

2.1 Das prä-triadische Grundgebirge von Schwarzwald-Vogesen

2.2 Das prä-triadische Grundgebirge der Externmassive

Externmassive der Westalpen

Externmassive der Zentralalpen

Externmassive der Ostalpen

2.3 Das prä-triadische Grundgebirge der Decken des Penninikums

2.4 Das prä-triadische Grundgebirge des Ostalpins

2.5 Das prä-triadische Grundgebirge des Südalpins

2.6 Paläozoische Sedimente in den Ost- und Südalpen

Paläozoikum der Karnischen Alpen

Paläozoikum der Grauwacken-Zone

Paläozoikum der Innsbruck-Quarzphyllite

2.7 Das variszische Gebirge im ausklingenden Paläozoikum

2.8 Post-variszische Sedimente und Vulkanite des Perms

Der Nordschweizer Permokarbon-Trog

Das Permokarbon im Helvetikum

Das Permokarbon im Penninikum

Das Permokarbon im Ostalpin

Das Permokarbon im Südalpin

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3 Bausteine der Alpen: Die mesozoischen Sedimente

3.1 Die mesozoischen Schichtreihen

Der europäische Kontinentalrand

Die Meeresarme zwischen Baltica und Afrika

Der adriatische Kontinentalrand

3.2 Die plattentektonische Entwicklung

Trias: Epikontinentale Plattformen

Jura: Öffnung von Meeresarmen

Kreide: Öffnung und Schließung von Meeresarmen

4 Bausteine der Alpen: Die känozoischen Gesteinsabfolgen

4.1 Die känozoischen Sedimentabfolgen

4.2 Spätkretazische und paläogene Flysche

4.3 Eozän-oligozäne Flysche

4.4 Oligozän-miozäne Molasse im nordalpinen Vorlandbecken

4.5 Oligozän-pliozäne Sedimente im Po-Becken

4.6 Juragebirge

4.7 Intramontane Senken

4.8 Intrusivgesteine und Vulkanite

4.9 Paläogeografische und tektonische Entwicklung

5 Der tektonische Bau der Alpen

5.1 Die Westalpen

Das Juragebirge

Die Chaînes subalpines des Dauphinois

Die penninischen Decken und ihr Kontakt zum adriatischen Kontinentalrand

5.2 Die Zentralalpen

Das Juragebirge

Das Molassebecken

Das Helvetikum

Das Penninikum

Das Ostalpin

Das Südalpin

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5.3 Die Ostalpen

Das Molassebecken

Das Helvetikum

Das Penninikum

Das Ostalpin

Das Südalpin/Dolomiten

5.4 Tiefenstruktur der Alpen

6 Die tektonische Entwicklung der Alpen

6.1 Die alpine Metamorphose

Regionale Verteilung der Metamorphose

Hochdruckmetamorphose

Temperaturdominierte Metamorphose

Kontaktmetamorphose

6.2 Die Kreideorogenese

6.3 Die känozoische Orogenese

6.4 Gebirgsbildung: Hebung und Abtrag

7 Die jüngste geologische Geschichte der Alpen

7.1 Miozäne und pliozäne Flusssysteme

7.2 Pleistozäne Vereisungen

7.3 Rezente Bewegungen und Seismizität

7.4 Bergstürze und Hangkriechen

Literaturverzeichnis

Register

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Vorwort

für Anne-Marie

Seit 1987 lehre ich am Institut für Geologie der Universität Bern „Geologie der Schweiz“. Die Vorlesung für die Studierenden mit Haupt- oder Nebenfach Erdwissenschaften im zweiten Jahr dient als Grundlage für Exkursionen, Praktika, Vertiefungskurse in Regionalgeologie und Geodynamik, aber auch für Master- und Doktorarbeiten in alpiner Geologie. Bei der Vorbereitung der Vorlesung wurde mir bald klar, dass als Kursmaterial neben Abbildungen auch ein erklärender Text notwendig ist. Das resultierende Vorlesungsskript unterwarf ich jährlich Korrekturen und Ergänzungen, zwei Mal unternahm ich eine grundsätzliche Überarbeitung. In den letzten Jahren entstand allmählich der Wunsch, eine Neufassung in Buchform zu produzieren. Dabei sollte der Fokus geöffnet und die angrenzenden Gebiete der Westalpen und Ostalpen vollständiger dargestellt werden. Ein Freisemester im Frühjahr 2008 verschaffte mir den Freiraum für die Literaturrecherchen, die Niederschrift des Textes und die Gestaltung der vielen Abbildungen. Diese Arbeiten erstreckten sich schließlich auch über das folgende Herbstsemester, gestückelt und in der „Frei“zeit.

Die Geologie der Alpen birgt viele Facetten. Es sind einmal die verschiedenen Gesteinstypen, Sedimente, Magmatika und Metamorphite, alle mit unterschiedlichem Alter und mannigfaltigen Prozessen der Entstehung. Daneben sind plattentektonische Prozesse, die Entstehung von Sedimentbecken, Gebirgsbildung beziehungsweise Heraushebung der Alpen zum Hochgebirge und dessen Abtrag von Bedeutung. Aber gesteinsbildende Prozesse und Plattentektonik sind eng verknüpft, was die Gliederung des Materials nicht einfach macht. Eine chronologische Grobunterteilung schien die beste Lösung zu sein. Aus diesem Grund wird – nach einer Einbettung der Alpen in den europäischen Rahmen – zuerst das prä-triadische Grundgebirge diskutiert. In den folgenden Kapiteln werden die mesozoischen und dann die känozoischen Bauteile behandelt. In jedem dieser drei Kapitel werden zuerst die Gesteinsformationen vorgestellt. Dann folgt eine Diskussion über die Entstehung dieser Gesteinsformationen im plattentektonischen Rahmen. Die Auswahl des Materials war jeweils eine echte Herausforderung, denn jedes dieser Kapitel wäre ein eigenes Buch wert. Das letzte Kapitel über die jüngsten Vorgänge in den Alpen macht den Übergang zur aktuo-geologischen Situation. Auch hier war die Auswahl schwierig, auf viele interessante Aspekte musste verzichtet werden.

Bei der Verwirklichung dieses Buchprojektes konnte ich auf die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen zählen. Allen voran möchte ich Andreas Baumeler danken. Er half mir bei der Erstellung der Grafiken, brachte viele Ideen zur Gestaltung der Abbildungen ein, beriet mich in der Verwendung von Farben und Symbolen und verschönerte meine Entwürfe. Viele der Abbildungen pendelten mehrfach zwischen uns hin und her, bis wir schließlich beide damit zufrieden waren. Ein Buch über die Geologie der Alpen setzt viel Anschauungsmaterial voraus. Die Bereitschaft des Verlages, sämtliche Abbildungen farbig zu drucken, kam diesem Anliegen sehr entgegen. Mein Dank geht auch an die Lektorin des Verlags, Claudia |Seite 10| Huber, sowie an Marco Herwegh, der für mich die Figuren und Textlegenden auf Konsistenz und Tippfehler hin prüfte. Für unzählige Diskussionen und Beantwortung von Fragen danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut, in der Schweiz und im Ausland, die ich hier nicht namentlich aufführen kann. Schließlich geht mein Dank auch an meine Frau, die im letzten Jahr auf vieles verzichten musste, meiner Arbeit aber immer viel Verständnis entgegenbrachte. Ihr sei dieses Buch gewidmet.

Bern, im Januar 2009

Bemerkungen zur 2. Auflage

Nach dem Erscheinen der „Geologie der Alpen“ sind mir zahlreiche Kommentare zugestellt worden. Ein vielseitig geäußerter Wunsch betraf das Einfügen eines Registers. Diesem Wunsch bin ich in dieser 2. Auflage gerne nachgekommen. Bei der Überarbeitung bot sich auch Gelegenheit, den Nachsatz mit einer erdgeschichtlichen Zeittabelle zu erweitern. Die eingegangenen Kommentare legten aber auch Schwachstellen offen, die mit der 2. Auflage behoben werden konnten. Ich möchte hier insbesondere Hanspeter Funk für die Hilfe zum korrekten Gebrauch der stratigrafischen Bezeichnungen, Marino Maggetti für die Hinweise auf fehlerhafte Profilspuren, Christoph Spötl für die Anregungen betreffend Eiszeitstratigrafie, Wolfgang Frisch für die Bemerkung zur relativen Position der Tauern zu den Flyschbecken und Henry Naef für den Denkanstoß zur Tiefenstruktur in Vorarlberg danken. Insgesamt sind über fünfzig Abbildungen in kleinerem und größerem Umfang umgestaltet worden.

Bern, im Januar 2010

Bemerkungen zur 3. Auflage

Vor dem Hintergrund, dass sich nach dem Erscheinen der 2. Auflage vermehrt auch Leser aus der nicht deutschsprachigen Welt für die „Geologie der Alpen“ zu interessieren begannen, wurde mir von vielen Seiten empfohlen, auch eine englische Fassung des Buches auszuarbeiten. Diese erschien im Frühjahr 2014 im Verlag WILEY Blackwell. WILEY Blackwell äußerte dabei auch den Wunsch, mehr Fotos einzubauen und gewisse Teile des Textes auszubauen. Insbesondere wurde angeregt, den Teil über die alpine Metamorphose zu vertiefen. Da mir gleichzeitig auch mehr Platz zur Verfügung gestellt wurde, kam ich diesen Anliegen gerne nach.

Gleichzeitig mit der Übersetzung brachte ich auch die meisten der Abbildungen auf den neuesten Stand. Insbesondere die paläogeografischen Karten mit den Plattenkonfigurationen wurden grafisch von Grund auf neu konzipiert. Zusätzlich wurden die Querschnitte durch die Gesamtalpen harmonisiert und enthalten nun eine verfeinerte Krustenstruktur welche mittels Erdbebentomografie erarbeitet wurde. An dieser Stelle möchte ich Edi Kissling danken für seine große Hilfe bei der Einarbeitung der geophysikalischen Daten und deren Interpretation. Mehrere neue Fotos ergänzen die Profilschnitte, andere beleuchten den Zusammenhang zwischen Falten und Überschiebungen. Die alpine Metamorphose wird durch |Seite 11| eine Reihe von p-t-T-Pfaden und Metamorphosekarten des Lepontin, und der Bregaglia-Intrusion illustriert. Die Profilschnitte, welche die kinematische Entwicklung der Alpen zeigen, wurden gründlich überarbeitet, und eine neue Serie von Querschnitten zeigt die klassische, bereits von Argand im 19. Jahrhundert bearbeitete Region der westlichen Zentralalpen. Im Kapitel über die jüngste geologische Geschichte der Alpen ergab der Einbezug von Hebungsraten aus Italien und Frankreich ein besseres globales Bild. Eckhart Villiger wies mich auf Daten aus dem nordalpinen Vorland hin, welche das Bild der ehemaligen Flusssysteme verfeinerten.

Für die 3. Auflage wurden die ergänzten Texte der englischen Version übernommen. Zudem wurden die Abbildungen zu den Permokarbon-Trögen dem neuesten Kenntnisstand angepasst und mit einer neuen paläogeografischen Karte des Variszischen Gebirges ergänzt. Bei den Flyschen erfolgte eine Uminterpretation der für südpenninisch gehaltenen Flysche zu einer mehr nordpenninischen Herkunft. Damit konnten auch die schwierig verständlichen „Überholmanöver“ im Bereich der penninischen Decken eliminiert werden. Die Dent-Blanche-Decke und die Sesia-Zone werden neu dem südalpinen Bereich zugeordnet. An dieser Stelle möchte ich auch Peter Nievergelt für die vielen Anregungen sowie Peter Brack für die Hinweise zum südalpinen Perm danken. Ebenso trug das sehr sorgfältige Korrektorat durch Frau Claudia Bislin zur Verbesserung von Text und Abbildungen bei.

Bern, im November 2014

Hinweis:

Die Abbildungen dieses Buches sind als Powerpointfolien erhältlich. Sie eignen sich für die Projektion per Beamer in der Lehre. Der Foliensatz kann online erworben werden unter www.utb.de/foliensatz-geologie-der-alpen.html

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1-0: Physiografie Europas

1 Die Alpen im plattentektonischen Rahmen

1.1 Die älteren Gebirge in Europa

1.2 Das Zerbrechen von Pangäa und die Öffnung der alpinen Tethys

1.3 Das alpine System

1.4 Geologische Gliederung der Alpen

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In den Alpen sind Gesteine anzutreffen, deren Alter von einer Milliarde Jahren bis zu rezenten Gesteinen reichen. Die Gesteine selbst, Sedimente, Magmatika, Metamorphika und Lockergesteine, umfassen das gesamte überhaupt denkbare Spektrum. Viele dieser Gesteine und deren Entstehung können nur im Zusammenhang mit dem geologischen Bau von Europa und den damit assoziierten plattentektonischen Prozessen verstanden werden. Im Folgenden wird deshalb der plattentektonische Rahmen von Europa, der älteren Gebirge sowie der jungen alpinen Gebirgsstränge in Europa etwas beleuchtet.

1.1 Die älteren Gebirge in Europa

Der europäische Kontinent besitzt geologisch gesehen eine sehr wechselvolle Geschichte. Die Alpen als Bestandteil dieses Kontinentes sind zwar an und für sich ein spektakuläres Gebirge, sind aber erst in der jüngsten geologischen Geschichte des Kontinents entstanden. Für eine geologische Gliederung Europas drängt sich eine Einteilung aufgrund des Alters der Konsolidierung der einzelnen Regionen auf. Unter Konsolidierung versteht man dabei das Zusammenschweißen von Kontinenten im Gefolge von Plattenbewegungen. Die allermeisten der Gebirge innerhalb Europas sind durch Plattenbewegungen entstanden, bei denen ein ehemaliger Ozean in einer Subduktionszone verschluckt wurde und anschließend die Kontinentalblöcke miteinander kollidierten. Da kontinentale Kruste eine relativ geringe Dichte besitzt, wirkt bei ihrer Ankunft in einer Subduktionszone der Auftrieb einer Versenkung in größere Tiefe entgegen. Als Folge bleibt die kontinentale Kruste nahe der Oberfläche und wird zusammengestaucht. Dabei entweichen die obersten Teile der Kruste nach oben und bauen sukzessive ein Gebirge auf. Dieser Prozess wird als Orogenese (Gebirgsbildung) bezeichnet.

Innerhalb der geologischen Entwicklung Europas sind nun eine ganze Anzahl von solchen Kontinent-Kontinent-Kollisionen bzw. Orogenesen geschehen. Man unterscheidet entsprechend kaledonische, variszische und alpine Gebirgsgürtel. Die daran beteiligten Kontinentalplatten Nordamerika, Sibiria, Baltica/Europa und Afrika werden auch als Terrane bezeichnet. Die tektonische Karte in Abb. 1-1 trägt dieser Einteilung Rechnung. Aufgrund des relativen Alters dieser Orogenesen wurde Europa auch schon in Eo-, Paläo-, Meso- und Neo-Europa eingeteilt. Es ist zu beachten, dass die erwähnten Terrane Gesteinseinheiten enthalten, die Überbleibsel von noch viel älteren, völlig abgetragenen Gebirgsgürteln darstellen.

Eo-Europa ist eine geologische Großstruktur, die seit dem Präkambrium als zusammengeschweißter Block keine Gebirgsbildung mehr erfuhr. Zwei geologische Provinzen sind in Eo-Europa zu unterscheiden: der baltische Schild und die russische Platte.

Der baltische (oder fennoskandische) Schild ist eine großräumige, buckelförmige Aufwölbung bzw. ein Schild von hochmetamorphem kristallinem Grundgebirge (Baltica in 1-1). Innerhalb dieser Gesteinsserien können mehrere uralte, völlig abgetragene Gebirge unterschieden werden. Die ältesten Gesteine des baltischen Schildes sind drei bis dreieinhalb Milliarden Jahre alt und stammen aus einer Tiefbohrung in der Gegend von Kola südlich des Weißen Meers und aus Lappland.

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Die russische Platte ist die Sedimentbedeckung des baltischen Schildes und besteht aus nicht metamorphen Sedimenten des oberen Proterozoikums, überlagert von datiertem Kambrium und einer Serie, die bis ins Känozoikum reicht. Die Platte taucht nach Südosten unter die Senke im Vorland des Kaukasus nördlich des Kaspischen Meers, nach Osten und Westen unter die Vorlandtröge des Urals und der Karpaten. Die Platte ist intern strukturiert mit örtlichen Senken bzw. Becken mit mächtigeren Sedimentserien und Hochzonen geringerer Sedimentmächtigkeit Die Sedimente der russischen Platte spiegeln die späteren Gebirgsbildungen wider, die an ihrem Rand stattfanden. Beispiele sind der berühmte Old-Red-Sandstein, kontinentale fluviatile Sedimente des mittleren bis späteren Devons, die den Abtragungsschutt der (kaledonischen) Gebirge in Norwegen und Schottland darstellen, die permo-triadischen lagunär-kontinentalen Sedimente im Vorland des (variszischen) Urals sowie die känozoischen kontinentalen Bildungen im Vorland des Kaukasus und der Karpaten. Im Inneren der russischen Platte sind die Sedimente meist marin, (mit Ausnahme etwa der Kohlesümpfe des frühen Karbons von Moskau), aber ab der frühen Kreide zog sich das Meer nach Süden zurück, und die russische Platte entwickelte sich zum Festland.

Unter Paläo-Europa versteht man das kaledonische Gebirge, welches sich über Skandinavien und Schottland erstreckt. Weitere Teile finden sich in Grönland und in den Appalachen. Diese geografische Verteilung deutet schon an, dass spätere Plattenbewegungen dieses im frühen Paläozoikum entstandene Gebirge in Stücke zerlegten. Verantwortlich dafür waren etwa die Öffnung der Nordsee ab dem Perm und die Öffnung des Nordatlantiks ab dem Jura.

Zu Meso-Europa zählen die variszischen Gebirge, die im späten Paläozoikum entstanden sind. Mit Ausnahme des Urals, der als durchgehender Gebirgsstrang verfolgt werden kann, sind die variszischen Gebirge in Deutschland und Frankreich weitgehend abgetragen und von jüngeren Sedimenten bedeckt. Dies zeigt sich in der inselartigen Verteilung der Gebirgsreste in Abb. 1-1.

Neo-Europa schließlich umfasst eine Reihe von Gebirgen, die im Jura (Türkei), in der Kreide (Teile der Alpen, Pyrenäen), aber hauptsächlich im Känozoikum entstanden sind. Diese Gebirgsstränge weisen oftmals gewundene Bogenformen auf. Exemplarisch dafür sind neben den Alpen die Karpaten und das System Betische Kordillere–Rif– Tell-Atlas. Diese Bogenform beruht im Wesentlichen auf der Geometrie der Plattengrenzen der verschiedenen beteiligten Mikroplatten, ein Punkt, der später eingehender diskutiert wird. Den geradlinigen Gebirgen Pyrenäen und Hoher und Mittlerer Atlas ist gemeinsam, dass die Gebirgsbildung wesentlich durch eine Seitenverschiebung längs geradliniger Bruchzonen geprägt ist. Neben dieser Seitenverschiebung verursachte eine kompressive Komponente eine Verkürzung der Ränder der Bruchzonen, die für die eigentliche „Auffaltung“ der Gebirge verantwortlich war.

Die plattentektonische Entwicklung Europas und die Entstehung der kaledonischen und variszischen Gebirge ist in Abb. 1-2 vereinfacht dargestellt. Die Abbildung zeigt, wie mehrere Kontinente innert 300 Millionen Jahren zu einem Großkontinent, Pangäa, zusammengeschweißt werden.

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1-1 Tektonische Karte von Europa.

Ausgeschieden sind die Gebirgsgürtel unterschiedlichen Alters sowie die daran beteiligten Terrane bzw. Kontinente.

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Im späten Kambrium (vor 500 Millionen Jahren) sind im Südkontinent Gondwana die heutigen Landmassen von Südamerika, Afrika und Teilen von Asien vereinigt. Die Kontinente von Baltica (etwa das heutige Schweden, Finnland und Russland), Sibiria und Nordamerika sind von Meeren umgeben, in denen sich mächtige Sedimentablagerungen sammelten. Am nördlichen Kontinentalrand von Baltica wurden im untiefen Teil des Iapetus-Ozeans während des Proterozoikums (vor etwa 600 Millionen Jahren) 1400 Meter graue und rötliche Arkosen, Konglomerate, Kalke und Tonschiefer abgelagert. Die Arkosen enthalten auch Diamiktite, also fossile Grundmoränen, die auf eine uralte Vereisung deuten. Das Kambrium setzt mit einem Basalkonglomerat ein und enthält sogenannte Alaunschiefer, d. h. dunkle eisensulfidreiche Pelite. Die marine Sedimentation setzte sich im Ordovizium-Silur fort, wovon Ton-, Kalk-, und Turbiditablagerungen zeugen. Im eigentlichen Iapetus-Ozean entstanden Grüngesteine mit Gabbros und Peridotiten, typische Gesteinsassoziationen einer neu entstehenden ozeanischen Kruste. Am nordamerikanischen Kontinentalrand schließlich wurden im Proterozoikum 6000 Meter Arkosen, Konglomerate, Sandsteine, Grauwacken und Pelite des sogenannten Torridonian abgelagert. Im Kambrium folgten dann Quarzite und schließlich mächtige Dolomite, deren Ablagerung sich bis ins Ordovizium fortsetzte.

Durch Subduktion wurde der Iapetus-Ozean sukzessive geschlossen, und mit der Kollision von Baltica mit Nordamerika wurde ein großer Gebirgsstrang gebildet: die Appalachen in Nordamerika und das kaledonische Gebirge in Europa (Skandinavien und Schottland).


1-2 Die plattentektonische Entwicklung von Europa, dargestellt anhand von vier Momentaufnahmen. Position der Platten nach Blakey (2008) und Scotese & Sager (1988). A: Appalachen, K: Kaledonische Gebirge, E: Ellesmere-Gebirge, V: Variszische Gebirge, U: Ural, NAm: Nordamerika, SAm: Südamerika.

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In Abb. 1-3 sind zwei Profilschnitte durch das kaledonische Gebirge wiedergegeben. Das Profil durch das kaledonische Gebirge von Skandinavien zeigt, wie der baltische Schild von großen Decken des kaledonischen Gebirges in östlicher Richtung überfahren wurde. Diese Decken enthalten präkambrisches kristallines Grundgebirge des ehemaligen Kontinentalrands von Baltica, das von den erwähnten proterozoisch-paläozoischen Sedimenten überdeckt ist. Diese Kristallin-Decken wurden über Hunderte von Kilometern auf den baltischen Schild überschoben, wie dies etwa am Beispiel der Jotun-Decke ersichtlich ist. Die dünnen überschobenen Decken von Aurdal und Synfjell bestehen hauptsächlich aus altpaläozoischen Sedimenten. Ganz im Osten erkennt man den Oslo-Graben, ein Rift innerhalb des baltischen Schildes, das zum größten Teil mit permischen Magmatika gefüllt ist. Im Westen, gegen die Nordsee hin, liegen über der Jotun-Decke ophiolithische Gesteine, Überreste des Iapetus-Ozeans. Fragmente dieses Ozeans wurden anlässlich der Kollision von Baltica mit Nordamerika nicht subduziert, sondern in das entstehende Gebirge einverleibt.

Eine gewisse Ähnlichkeit zum Profilschnitt in Skandinavien kann man im Profilschnitt durch Schottland erkennen. Das in Abb. 1-3 abgebildete Profil ist umgezeichnet nach Elliott & Johnson (1980). Auch hier ist das präkambrische kristalline Grundgebirge in den Deckenbau mit einbezogen worden. Dieses Grundgebirge ist in den Äußeren Hebriden im Nordwesten Schottlands aufgeschlossen und wird als „Lewisian“ bezeichnet. Das „Lewisian“ besitzt eine höhere Affinität zum kristallinen Grundgebirge des nordamerikanischen Kratons im Vorland der Appalachen in Kanada und Grönland verglichen mit dem baltischen Schild. Die Äußeren Hebriden sind also geologisch als ein Teil von Nordamerika anzusehen.

Die höchste Einheit, der Moine-Deckenkomplex, ist in diesem Querschnitt schon weitestgehend abgetragen. Der Metamorphosegrad in den Gesteinen darunter lässt aber eindeutig darauf schließen, dass einst ein mächtiger Deckenstapel die heute sichtbaren Gesteine überlagert hat (Strachan et al. 2002). Der Moine-Deckenkomplex zeigt in der Tat einen höheren Metamorphosegrad als die Gesteine darunter.

Am Beispiel der Loch Ailsh-Intrusion kann die Deckenbildung zeitlich eingegrenzt werden: die Glen Oykel-Überschiebung ist von der Intrusion geschnitten (also älter), während die Ben More-Überschiebung die Intrusion versetzt und transportiert (also jünger ist) und die Moine-Überschiebung die Intrusion kappt und somit ebenfalls jünger ist. Die Loch Ailsh-Intrusion ist auf 434 Millionen Jahre datiert (Silur). Da sie sich zeitlich zwischen die Anlage der Glen Oykel- und der Ben More- bzw. Moine-Überschiebung eingrenzt, kann sie als syn-orogen betrachtet werden.

Im großen Unterschied zu Skandinavien fand der Deckentransport in Schottland (und in den Appalachen) in nordwestlicher Richtung statt. Damit zeigt das kaledonische Gebirge insgesamt einen bivergenten Deckenbau, eine Struktur, die typisch ist für Gebirge, die aus einer Kontinent-Kontinent-Kollision hervorgehen.

Nach der Kollision von Baltica und Nordamerika blieb der rheische Ozean (Rhea in Abb. 1-2) noch erhalten. Im Süden von Rhea lag der Kontinent Gondwana, der unter anderem die Landmassen von Südamerika und Afrika umfasste. Gegen Nordosten leitete Rhea in den Ozean der Prototethys über, welche die Kontinentalmassen von Sibiria und China trennte. Durch Abtrag des kaledonischen Gebirges und der Appalachen wurden die sogenannten Old-Red-Sedimente abgelagert. Es handelt sich dabei um deltaische Ablagerungen innerhalb und außerhalb des kaledonischen Gebirges. Auch am Nordrand von Gondwana (im heutigen Atlas) wurden sandig-klastische Serien abgelagert. Innerhalb von Rhea und Prototethys wurden im Devon reine Kalke und Tonschiefer abgelagert, die heute in den Ostalpen aufgeschlossen sind. Im Zentrum von Rhea ist eine Schwelle auszumachen. Hier herrschte nur lückenhafte Sedimentation, die auf geringe Wassertiefe hindeutet. Die Sedimente sind etwa im nordalpinen Vorland, in den Vogesen, im Schwarzwald und im Böhmischen Massiv erhalten geblieben. Diese Schwellenzone wird auch als Moldanubikum bezeichnet. Durch Schließung des rheischen Ozeans und Kollision der Kontinente Nordamerika-Baltica und Südamerika-Afrika kam es zur Bildung der variszischen Gebirge (Abb. 1-1). Die Kollisionsphasen fanden hauptsächlich an der Wende Devon/ Karbon vor 345 Millionen Jahren und dann im jüngeren Karbon vor 320 bis 300 Millionen Jahren statt. In Europa entstanden das Rheinische Schiefergebirge, die Ardennen, das kantabrische Gebirge auf der Iberischen Halbinsel, aber auch die Hochzonen in der Bretagne und im Massif Central. Auf der nordamerikanischen Seite entstanden die (Süd-)Appalachen. Die Appalachen haben also eine kompliziertere Entstehungsgeschichte und sind das Produkt von mehr als einer Kollision.

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1-3 Geologische Profilschnitte durch das kaledonische Gebirge in Skandinavien und in Schottland. In beiden Fällen ist das kristalline Grundgebirge in den Deckenbau mit einbezogen, aber die Transportrichtungen sind einander entgegengesetzt.

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Plattenkonvergenz zwischen Sibiria und Baltica führte zur Bildung des Urals (vgl. Abb. 1-2). Aus der Prototethys wurde ein nahezu geschlossenes Meeresbecken, die Paläotethys. Wie aus Abb. 1-2 ersichtlich, wanderte beispielsweise Baltica im Zeitraum vom späten Kambrium zum späten Karbon von der südlichen Hemisphäre über den Äquator nach Norden in die nördliche Hemisphäre. Ganz im Süden des verschweißten Kontinents kam es im späten Karbon zu einer Vereisung.

Die innere Struktur des variszischen Gebirges in Europa ist in Abb. 1-4 in einem Profilschnitt durch Deutschland illustriert (umgezeichnet nach Matte 1991). Ähnlich wie im Falle der kaledonischen Gebirge wurde bei der Kollision ein bivergenter Deckenstapel gebildet, in den das kristalline Grundgebirge ebenfalls mit einbezogen ist. |Seite 21| Am Kontinentalrand von Gondwana erfolgte der Transport nach Südosten, auf der Seite von Baltica nach Nordwesten. Die mächtigen paläozoischen Sedimente des Rheinischen Schiefergebirges wurden längs eines basalen Abscherhorizonts dachziegelartig übereinandergeschoben und verfaltet. Im Kern des Orogens liegt eine steil stehende Störung vor, die von Portugal bis nach Böhmen verfolgt werden kann und wahrscheinlich eine Seitenverschiebung darstellt. Obschon der Kern des Orogens nur lückenhaft aufgeschlossen und vielfach von jüngeren Sedimenten bedeckt ist, finden sich an verschiedenen Orten Reste des rheischen Ozeans in Form von Ophiolithen.


1-4 Geologischer Profilschnitt durch das variszische Gebirge in Mitteleuropa. Das kristalline Grundgebirge ist in den Deckenbau mit einbezogen, mit entgegengesetzer Überschiebungsrichtung im Norden und Süden.

Im frühen Jura, vor 200 Millionen Jahren, war die verschweißte Kontinentmasse, die man nun als Pangäa bezeichnet, noch weiter nach Norden gewandert und erfuhr eine gewisse Drehung im Gegenuhrzeigersinn (vgl. Abb. 1-2). Der Ozean zwischen Afrika und Asien wird nun als Tethys bezeichnet. Langsam setzten aber Bewegungen ein, die zu einem Aufbrechen von Pangäa führten. Ein Rift etwa trennt den indischen Subkontinent von Afrika, und ein weiteres Rift öffnete sich zwischen Afrika und dem variszischen Gebirge. Diese Riftbildung und die damit assoziierte Ingression des Tethysozeans gegen Westen sind für das Verständnis der Geologie der Alpen von größter Wichtigkeit und wird deshalb weiter unten genauer diskutiert.

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