Harmless - Arglos

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Aus der Reihe: Pier 70 #4
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Harmless - Arglos
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Deutsche Erstausgabe (ePub) August 2020





Für die Originalausgabe:



Copyright © 2017 by Nicole Edwards



Titel der amerikanischen Originalausgabe:



»Harmless«



Published by Arrangement with Nicole Edwards





Für die deutschsprachige Ausgabe:



© 2020 by Cursed Verlag



Inh. Julia Schwenk





Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,



des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung



durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,



Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit



Genehmigung des Verlages.





Bildrechte Umschlagillustration



vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock



Satz & Layout: Cursed Verlag



Covergestaltung: Hannelore Nistor



Druckerei: CPI Deutschland





ISBN-13: 978-3-95823-836-7





Besuchen Sie uns im Internet:



www.cursed-verlag.de












Aus dem Englischen von Jilan Greyfould





Liebe Lesende,





vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die Autorin des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.





Vielen Dank!



Euer Cursed-Team





Klappentext:





Es sollte eigentlich nur ein harmloser One-Night-Stand sein. Doch diese eine Nacht mit Colton „Seg“ Seguine lässt Roan Gregory einfach nicht mehr los. Und als wäre das nicht genug, wird sein Leben auch noch durch den tragischen Tod seiner Schwester ins Chaos gestürzt. Plötzlich ist Roan für seinen kleinen Neffen verantwortlich und muss sich als alleinerziehender Vater durchschlagen. Ein heißer Sportler ist eine Ablenkung, die er jetzt überhaupt nicht gebrauchen kann. Doch auch für Seg war ihre kurze gemeinsame Zeit unvergesslich und er bleibt hartnäckig, obwohl er nicht öffentlich geoutet ist. Roan hat das Gefühl, sich zwischen seinem Glück und dem seines Kindes entscheiden zu müssen – oder ist vielleicht nicht doch beides miteinander vereinbar?





Widmung





Chancy Powley





Für die endlosen Stunden, die du am Telefon mit mir verbringst. Vor allem die Momente, wenn du mir schreibst und sagst: »Hey, kann ich dich ganz kurz anrufen?«, und wir am Ende drei Stunden miteinander telefonieren. Die habe ich am liebsten. Also, danke dafür.







Prolog



Vor 14 Monaten



August





»Darf ich dir noch einen Drink spendieren?«



Roan Gregory hoffte, dass er nicht seinen typischen Wer, ich?-Blick zur Schau trug, als er den Blick hob und flüchtig nach links sah, überrascht von dem Angebot von…



Ähm. Okay.



Damit hatte er nicht gerechnet.



Vor ihm stand der attraktive Kerl, der Roan schon abcheckte, seit er durch die Tür gekommen war. Unauffällig, natürlich. Obwohl Roan unkonzentriert war, war es ihm aufgefallen. Und ja, es war derselbe Kerl, bei dem Roan in der vergangenen Stunde sehr zu kämpfen gehabt hatte, um nicht mal einen Blick zu riskieren.



Damals, als er noch einen Typ gehabt hatte, hätte der Kerl total in sein Beuteschema gepasst. Zumindest, was die Äußerlichkeiten betraf.



Blonde Haare, blaue Augen, hochgewachsen und schlank, mit der perfekten Menge an Muskeln.



Doch da lag der Knackpunkt: Roan hatte keinen Typ mehr. Ihm war mehr daran gelegen, Männer eine Weile lang zu ignorieren.



Der sexy Kerl deutete mit einem Nicken auf die leere Bierflasche vor Roan. »Noch eins?«



Obwohl der Typ offensichtlich mit ihm redete, starrte Roan ihn weiterhin nur an. Doch diesmal zog ihn das verführerische Grinsen auf den weichen Lippen des sexy Kerls in seinen Bann. Schöne Lippen. Volle, perfekte… Lippen.



Während er den Gedanken aus seinem untervögelten Hirn verdrängte, ließ Roan den Blick zu seinem Bier sinken. Jepp, das war definitiv leer. Er musste es ausgetrunken haben, als er sich in seinen eigenen verdammten Gedanken verloren hatte. Leider war er – ganz egal, was sein kleiner Freund ihm einredete – nicht an Gesellschaft interessiert, ob sie nun sexy war oder nicht. Deshalb wollte er, dass sich der heiße Kerl einfach wieder an den Tisch an der Wand setzte, wo er hergekommen war.



»Nein, danke.« Kopfschüttelnd wich Roan dem Blick des Mannes aus und hoffte, dass er den Wink verstand.



»Ich dachte mir, wenn du deine Sorgen ertränken willst, solltest du es vielleicht ordentlich tun.«



Wenn der sexy Kerl nur wüsste.



Erneut hob Roan den Kopf und begegnete dem Blick aus stahlblauen Augen, die ihn immer noch musterten. Er verkniff sich eine bissige Erwiderung. Bekam der Typ nicht mit, dass er allein sein wollte? Ernsthaft, was sollte er denn noch tun? Ein Schild hochhalten, auf dem Private Selbstmitleidsparty, keine Gäste erwünscht stand?



Was zum…?



Offenbar musste Roan an seiner Fähigkeit, Leute abzuwimmeln, arbeiten. Der sexy Kerl fasste sein Nein, danke fälschlicherweise als Klar, setz dich und leiste mir Gesellschaft auf, denn jetzt saß er – natürlich – an seinem Tisch. Ohne sich vorher damit aufgehalten zu haben, ihn zu fragen.



»Ich bin harmlos, versprochen.« Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, hielt der sexy Kerl kapitulierend die Hände in die Höhe.



Große Hände. Schöne Hände. Perfekte Hände.



Heilige Scheiße.



Jetzt, da Roan darüber nachdachte, sah der Typ überhaupt nicht harmlos aus. Er sah aus wie… tja, zum Teufel, er sah aus wie die pure Versuchung.



Gut, dass er Versuchung vor langer Zeit von seinem Speiseplan gestrichen hatte.



Roan lehnte sich zurück und versuchte, lässig zu wirken, da er nicht zeigen wollte, dass die Direktheit des anderen ihn auf dem falschen Fuß erwischte. Außerdem wollte er nicht, dass der blonde Schönling mitbekam, wie Roan unauffällig versuchte ihn abzuchecken. Vor allem, wie sich das bequeme dunkelgraue T-Shirt an seine beeindruckende Brust schmiegte und wie sich die Muskelstränge in seinem Hals kaum wahrnehmbar verschoben, als er den Arm hob.



Wie unauffällig er dabei tatsächlich war, konnte er nur vermuten, denn sie saßen nur knapp einen Meter voneinander entfernt.



Nicht nur, dass der sexy Kerl eine glatte Elf war, er kam Roan auch irgendwie bekannt vor. Auf ziemlich unheimliche Weise. Roan konnte ihn bloß nicht einordnen.



Er schüttelte den Gedanken ab und fuhr damit fort, den Typen niederzustarren.



Während der vergangenen halben Stunde hatte sich Roan an einem Bier festgehalten und so getan, als würde er das Baseballspiel schauen, das auf dem Fernseher in seiner Nähe lief. Eigentlich achtete er überhaupt nicht darauf, denn sein Kopf war voll und ganz mit der Frage beschäftigt, wie er nur hatte zulassen können, dass sein Leben so beschissen geworden war. Genau genommen hatte er dem Spiel so wenig Aufmerksamkeit geschenkt, dass ihm durchaus aufgefallen war, dass der gut aussehende Mann, der ihm jetzt gegenübersaß, ab und zu in seine Richtung geschaut hatte.



Nachdem der Kerl der Kellnerin per Handzeichen signalisiert hatte, ihnen zwei weitere Bierflaschen zu bringen, wandte er sich wieder an Roan.



Was ziemlich verwegen war, wenn man bedachte, dass Roan ihm schon zu verstehen gegeben hatte, nicht interessiert zu sein. Zumindest hatten seine Worte genau das ausdrücken sollen.



»Colton Seguine«, sagte der sexy Kerl lässig und streckte ihm die Hand hin.



Roan bemerkte einen Akzent, konnte ihn jedoch nicht genau zuordnen. Kanadier vielleicht?



»Nicht interessiert«, grollte Roan und ignorierte die Vorstellung. So würde der Typ es hoffentlich endlich in seinen Dickschädel bekommen, dass Roan nicht…



Moment mal.



Hatte er gesagt…?



Erst jetzt erfasste er den Namen vollständig und Roans Blick ruckte zu dem großen Typen zurück.



Gewelltes, blondes Haar, eine dünne Narbe, die durch eine seiner dichten Augenbrauen verlief, blassblaue, von einem perfekten Grauanteil durchzogene Augen, eine leicht gekrümmte Nase und ein Kiefer, der aussah, als wäre er aus Stein gemeißelt, ganz zu schweigen von den definierten Wangenknochen und diesen Lippen…



Heilige Scheiße.



Die harmlose Versuchung, die ihm hier gegenübersaß, war kein anderer als ein verfluchter Hockey-Spieler.



Harmlos. Klar doch.



»Du bist Colton Seguine«, murmelte Roan und kam sich wie ein Idiot vor.



Das schiefe Grinsen des Kerls verwandelte sein Gesicht von sexy zu… höllisch heiß. »So sagt man, aber alle nennen mich Seg. Dich kenne ich allerdings leider nicht, also…«



Roan streckte die Hand aus, wobei er entdeckte, dass Segs auf dem Tisch lag, als hätte er auf diesen Moment gewartet. »Roan Gregory.«



»Schön, dich kennenzulernen, Roan Gregory.«



Ja, das war es in der Tat.



Segs Hand war stark, sein Griff fest. Und verdammte Scheiße. Das hier war Colton Seguine. Seg. Roan vergaß für den Moment all seine Probleme, während er den Verteidiger des Hockeyteams Austin Arrows anstarrte. Er hatte gewusst, dass der Mann groß war – schließlich hatte er seine Statistiken mehrere Dutzend Mal durchgelesen –, aber aus nächster Nähe und leibhaftig war er gigantisch. Eins dreiundneunzig, knapp einhundert Kilo, wenn Roan sich recht erinnerte.

 



Die Kellnerin unterbrach ihren Starrwettbewerb, als sie ihnen ihr Bier brachte, und ein paar Sekunden lang verlor sich Roan in den dunstig blauen Augen, ohne den Blick abwenden zu können.



Plötzlich spielte es keine Rolle mehr, dass er sich in Selbstmitleid gesuhlt hatte, während er versuchte, die Tatsache zu verwinden, seinem besten Freund vor fast vier Monaten seine Liebe gestanden zu haben. Er spürte den Schmerz nicht mehr, der sich wie eine Fessel um seine Brust gelegt hatte, als er erkannt hatte, dass sich Cam in jemanden verliebt hatte und sie einander sehr glücklich machten. Der Schmerz rührte nicht daher, dass Cam und Gannon glücklich waren. Seiner Meinung nach war das eine gute Sache. Ausschlaggebend für seine Verunsicherung war die Furcht gewesen, die Freundschaft zu der wichtigsten Person in seinem Leben zu verlieren.



Aber jetzt in diesem Moment erschien die Tatsache, dass er vor seinem besten Freund mit einer Liebeserklärung herausgeplatzt war, unwichtig – ganz zu schweigen davon, dass es überhaupt nicht stimmte.



Nope. Nichts davon spielte mehr eine Rolle, denn seine Synapsen hatten einen Kurzchluss; das Einzige, woran er denken konnte, war Sex. Sex mit diesem unfassbar attraktiven Hockeyspieler. Schmutzigen, harten, hocherotischen Sex.



Wenn das mal kein Tritt in die Eier war. Plötzlich aufwallende Lust sah Roan nicht ähnlich. Normalerweise brauchte er eine Weile, um mit einem Mann warm zu werden. Jedenfalls um einiges länger als diese kurze Vorstellung.



Roan trank einen großen Schluck Bier, womit er den Blickkontakt unterbrach.



Das war verrückt.



Warum zum Teufel war dieser Kerl überhaupt hier? Es war ja nicht so, als wäre er…



Nee. Dieser Kerl war auf keinen Fall schwul.



Und selbst wenn er es wäre – was er nicht war –, konnte Seg doch überhaupt nicht wissen, ob Roan schwul war. Ernsthaft. Woher sollte er das wissen? Sie waren hier nicht in einer Schwulenbar. Und es war nicht so, als würde Roan heute sein Ich bin schwul und stolz darauf-T-Shirt tragen.



Der Gedanke brachte Roan dazu, Seg aufmerksam zu mustern.



Wusste er, dass Roan schwul war? Strahlte er das etwa aus, ohne es zu merken?



Nachdem er seinen Blick unauffällig durch den Raum hatte schweifen lassen, beugte sich Seg vor und senkte die Stimme. »Was hältst du davon, wenn wir nach diesem Bier zu mir fahren und uns da noch einen Drink genehmigen?«



Okay, vielleicht besaß Seg einen besonders fein abgestimmten Gaydar… und war schwul.



Nicht geoutet natürlich, da Roan sich vage an einen aktuelleren Artikel über Seg und irgend so eine Modeltussi erinnerte, mit der er seit Kurzem ausging. Ja, falls es noch nicht ganz klar geworden war: Roan war ein Fan der Austin Arrows. Ein Riesenfan.



Vielleicht war Seg bi?



Roan ließ sich diesen Gedanken ein paar Sekunden lang durch den Kopf gehen. Er fing nichts mit jemandem an, der bisexuell war. Er hatte ganz sicher nicht die Absicht, mit einem Typen in die Kiste zu springen, der am nächsten Morgen heulte und jammerte, weil sein Leben ihn so verflucht verwirrte. Pussy oder Schwanz, es war doch nicht so schwer herauszufinden, was man bevorzugte.



Ganz abgesehen davon konnte Roan diesen Mist zusätzlich zu allem anderen, womit er sich gerade herumschlagen musste, überhaupt nicht gebrauchen.



Roan ahmte Segs Pose nach, indem er sich vorbeugte, und schüttelte den Kopf. »Ich bin mir ziemlich sicher…« Er deutete mit einer verstohlenen Kopfbewegung auf die Kellnerin. »… dass sie eher dein Typ ist.«



Seg lehnte sich noch weiter vor. »Ich bin mir ziemlich sicher… dass du komplett falschliegst.«



Roan richtete sich auf und trank einen weiteren Schluck, während er den anderen Mann betrachtete.



Da war ein Kerl, dem Roan jahrelang beim Spielen zugesehen hatte. Ein Kerl, der so maskulin war, wie man nur sein konnte. Ein Kerl, der jetzt hier in dieser Sportbar saß und ihn anbaggerte.



Er baggerte ihn doch an, oder? Roan hatte sich schon lange nicht mehr an diesem Spiel beteiligt; vielleicht bildete er sich das auch nur ein.



Sofort kam ihm Cam in den Sinn. Und wie Roan wegen eines kurzzeitigen Aussetzers seines Urteilsvermögens beinahe ihre Freundschaft ruiniert hatte. Sein dämlicher Ausraster hatte ihn fast die wichtigste Person in seinem Leben gekostet.



Dann wanderten seine Gedanken zu seiner Schwester und ihrem verdammten Drogenproblem.



Und zu seinem Vater, der sich mit ihr einfach nicht mehr zu helfen wusste.



Zu seiner Stiefmutter, die gedroht hatte, seinen Vater zu verlassen, wenn sie keine Möglichkeit fanden, um Cassie zu helfen.



Sein Leben war mittlerweile nur noch ein verfluchtes Durcheinander.



Auf gar keinen Fall sollte Roan dieser Liste aus verkorkstem Müll einen verdammten Hockeyspieler hinzufügen.



Offenbar spürte Seg, dass Roan die Idee in Erwägung zog. »Eine Nacht. Ohne weitere Verpflichtungen.«



Nope, diese Anmache konnte man nun wirklich nicht falsch verstehen.



Roan dachte darüber nach.



Sex ohne Verpflichtungen. Gab es das überhaupt?



Er verlagerte sein Gewicht von einer Seite auf die andere und versuchte, diese Idee nicht überzubewerten, doch er konnte einfach nicht anders.



Ein One-Night-Stand mit einem heißen Hockeyspieler.



Wer konnte da schon wirklich ablehnen? Und viel wichtiger: Wer würde da ablehnen?



Seine Welt brach um ihn herum zusammen und dieser Mann bot ihm eine Gelegenheit, das alles für eine kurze Weile zu vergessen. Er wäre dämlich, wenn er dieses Angebot nicht annehmen würde.



»Eine Nacht?«, hakte Roan nach.



Seg nickte.



»Morgen tun wir so, als wäre nichts passiert?«



Ein weiteres Nicken.



Roan stürzte den Rest seines Biers hinunter, griff nach seinem Geldbeutel, zog ein paar Zwanziger heraus und klatschte sie auf den Tisch, bevor er aufstand.



»Geh voraus«, wies er Seg an.



Das Grinsen auf Segs Gesicht erweckte Roans Schwanz schlagartig zum Leben.



Oh ja. Das war definitiv eine gute Entscheidung.





***





Colton Seguine – der während seiner frühen Hockey-Jahre den Spitznamen Seg erhalten hatte – würde sein Handeln morgen wahrscheinlich bitter bereuen, aber jetzt gerade, als er vor seinem Haus hielt, fiel ihm kein einziger Grund zur Reue ein.



Na ja, abgesehen davon, dass er innig hoffte, niemand hatte gesehen, wie er den heißen Typen anbaggerte, der ausgesehen hatte, als bräuchte er etwas, das ihn von seinen persönlichen Problemen ablenkte.



Genau. Weil das der Grund gewesen war, warum Seg ihn angegraben hatte.



Das hatte er zum ersten Mal gemacht.



Einen Mann in der Öffentlichkeit angeflirtet.



Einen Mann, bei dem er noch nicht einmal sicher gewesen war, ob er schwul war. Er war ein gewaltiges Risiko eingegangen, aber der Mann hatte etwas an sich gehabt, das ihn gelockt hatte. Seg hatte fast eine Stunde versucht, das Verlangen nach einem Gespräch mit ihm zu ignorieren, doch letztendlich war er nicht imstande gewesen, ihm zu widerstehen.



Von der Sekunde an, als er von seinem Tisch aufgestanden war, um auf ihn zuzugehen, hatte er gewusst, dass sein Handeln das Potenzial hatte, den restlichen Verlauf seines Lebens zu verändern. Doch er hatte es trotzdem getan.



Sah so aus, als hätte sich das Risiko gelohnt.



In seinem Rückspiegel beobachtete er den großen blauen Chevrolet mit dem verflucht heißen Typen am Steuer, der hinter ihm zum Stehen kam.



Nope. Keine Reue.



Noch nicht.



Von dem Moment an, als er Roan Gregory in der Sportbar entdeckt hatte – mit seinem dunkelblonden Haar, den dazu passenden bernsteinfarbenen Augen und dem klassisch attraktiven Gesicht –, war Seg fasziniert gewesen. Und damit meinte er Ich schleiche mich zur Toilette und werde erst mal diese verrückte Lust los-fasziniert. Fasziniert genug, um Roan eine Stunde lang zu beobachten, bevor er all seinen Mut zusammengenommen hatte, um ihn anzusprechen. Das allein hatte schon unfassbar viel Überwindung gekostet, da er auf das Bekanntwerden seines Interesses gern verzichten konnte. Zumindest bei jedem anderen als Roan Gregory.



So zu tun, als wäre man nicht interessiert, erforderte Raffinesse. Seg hatte das vor langer Zeit perfektioniert.



Obwohl er wusste, was passieren konnte, wenn er seinem sexuellen Verlangen nachgab, hatte Seg nicht widerstehen können. Dieser Mann hatte etwas Dunkles und Faszinierendes an sich. Etwas, das den Wunsch in ihm weckte, die grüblerische äußere Hülle zu entfernen und den sexy Kerl darunter freizulegen.



Zum Glück hatte Seg sich nicht in seinem Stammlokal aufgehalten. Wären sie im Penalty Box gewesen, hätte Seg sich ihm überhaupt nicht nähern können, denn dort hätte man ihn sicher erkannt.



So war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.



Und jetzt standen sie vor Segs Haus.



Besserer Ort, perfekte Zeit.



Nachdem er aus seinem Range Rover gestiegen war, umrundete Seg seinen Wagen, um Roan zwischen den beiden Autos zu begegnen. Er war fassungslos, dass Roan ihm gefolgt war. Während der zehnminütigen Fahrt zurück zu seinem Haus hatte er erwartet, er würde irgendwann abbiegen und verschwinden. Doch das hatte er nicht getan, was bedeutete, dass Eine Nacht, keine Verpflichtungen für Roan genauso gut klang wie für ihn.



Seg ging voraus und stieg die breite Betontreppe zur Vordertür hinauf. Er tippte den Code ein, um den Riegel zu öffnen, dann drehte er den Knauf und wartete, bis Roan an ihm vorbeigegangen war. Dabei gelang es ihm, so zu tun, als wäre das normal, als würde er das jeden Tag tun. In Wahrheit hatte er noch nie einen Kerl in einer Bar abgeschleppt. Tatsächlich hatte er in seinem Leben erst mit zwei Männern geschlafen und in beiden Fällen war viel zu viel Alkohol im Spiel gewesen – und zwar bei beiden Parteien. An die tatsächlichen Ereignisse erinnerte er sich kaum noch.



Aus irgendeinem merkwürdigen Grund wollte Seg die Erinnerung an diese Nacht behalten. Er wollte sich so lange daran zu erinnern können, wie es nur möglich war. Vielleicht wurde er einfach alt und hatte den gleichen alten Mist langsam satt. Oder – und das war die wahrscheinlichere Antwort – er hatte es satt, jemand zu sein, der er nicht war.



Der anhaltende Signalton seiner Alarmanlage brachte Seg dazu, zu dem Tastenfeld neben der Tür zu eilen. Hastig tippte er die Zahlenfolge ein, um das System zu deaktivieren. Als er sich wieder umdrehte, ließ Roan seinen Blick durchs Zimmer schweifen.



Seg betrachtete Roan, während dieser alles auf sich wirken ließ. Das kurze Haar des Mannes war völlig zerzaust, als wäre er häufig mit den Fingern hindurchgefahren. Was Segs Beobachtungen im Rückspiegel nach auch der Fall war. Er hatte keine Ahnung, was den Kerl so beschäftigte, aber was auch immer es war, musste schwer auf ihm lasten, denn er wirkte verzweifelt.



Daher hatte Seg sich auch so dreist an Roans Tisch gesetzt.



Und jetzt, hier, sah Roan irgendwie etwas entspannter aus, außerdem unfassbar lässig in seinem marineblauen Polohemd, das sich an einen gut definierten Oberkörper schmiegte, und der dunklen Jeans, die einen sehr beeindruckenden Hintern betonte.



Was tat dieser Kerl beruflich?



Moment. Das spielte keine Rolle. Das hier war eine einmalige Sache. Es sollte nicht durch persönlichen Mist ruiniert werden.



Seg musste nicht wissen, ob der Mann verheiratet oder geschieden war oder sich gerade von einer schlimmen Trennung erholte. Er musste nicht wissen, wo Roan wohnte und arbeitete, ob er viel Zeit mit seinen Freunden verbrachte oder sich gut mit seinen Eltern verstand. Er wusste, dass der Kerl alt genug war, um zu trinken, dass er keinen Ehering trug und höllisch sexy war. Außerdem schien er recht überzeugt davon zu sein, dass diese Sache zwischen ihnen in ein paar Stunden ihren Reiz verlieren würde.



Oh ja, sie würden heute Nacht viel Spaß haben.



»Lust auf ein Bier?«, schlug Seg vor, da er die Anspannung in Roan spürte.



Ja, das hier war ein Aufriss. Daran gab es keinen Zweifel. Er würde nicht so tun, als wäre es etwas anderes. Roans Reaktion nach zu urteilen hatte, er nichts gegen einen One-Night-Stand, was Seg hervorragend in den Kram passte.



Und er wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, als Roan ihn erkannt und trotzdem einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Oftmals, wenn er Gespräche mit Männern führte – hetero, homo, was auch immer –, wäre er zu diesem Zeitpunkt bereits in eine Fachsimpelei über Hockey verwickelt worden, obwohl er nicht wirklich auf Reden aus war.

 



Groß, goldblond und grüblerisch war genau nach seinem Geschmack.



Apropos Geschmack…



Bevor er sich in Richtung Küche umdrehen konnte, schlenderte Roan zu ihm hinüber und blieb kaum einen Meter von ihm entfernt stehen. Er war ein paar Zentimeter kleiner und wahrscheinlich gute 15 Kilo leichter, was Seg extrem gut gefiel. Obwohl Roan eine intensive Alpha-Aura ausstrahlte, wusste Seg, dass er hier die Oberhand haben würde. Ganze zehn Sekunden lang musterte Roan ihn mit diesen goldenen Augen und Seg wartete ab, was er zu sagen hatte.



Hatte er seine Meinung geändert? Würde er anfangen, über Hockey zu reden?



»Ich will nichts mehr trinken«, murmelte Roan und Seg erahnte plötzlich einen Hauch von Unsicherheit.



Während er sich darauf vorbereitete, ihm etwas anderes anzubieten – Weintrauben, Käse, Eis… fuck, irgendetwas –, ließ Seg Roan nicht aus den Augen. Ihm fiel einfach nichts ein, was er sagen wollte, doch das war auch nicht länger wichtig, denn das Nächste, was er spürte, waren Roans Lippen auf seinen und sie waren…



Verdammt.



Warm, weich, unnachgiebig.



Roan duftete sündhaft gut und schmeckte nach Bier, Mann und sinnlichen Versprechen. Eine Mischung, die Segs Schwanz unablässig pochen und verzweifelt um Aufmerksamkeit betteln ließ.



Mund an Mund hatte sich noch nie so verdammt gut angefühlt. Der Kuss enthielt nicht den kleinsten Hauch eines Zögerns, doch Seg wusste genau, wie viel Kraft er aufbringen musste, um sicherzugehen, dass Roan nicht fälschlicherweise glaubte, er hätte das Sagen. Bevor das passieren konnte, packte Seg Roans Kopf, grub seine Finger in dessen Haare und wirbelte sie beide dann herum. Unter Einsatz seines vollen Gewichts drückte Seg Roan gegen die Tür. Fest.



Ihre Schwänze trafen aufeinander, auch wenn die einzige Reibung von dem Jeansstoff stammte, der sie voneinander trennte. Seg wollte ihn näher. Er wollte die Haut dieses Mannes unter seinen Handflächen spüren. Er wollte jede harte Fläche, jede definierte Kante mit den Fingern erkunden und jeden Zentimeter von ihm küssen, bevor er sich tief in ihm versenkte und…



Gottverdammt, es war so verflucht lange her. Zu lange. Dieser Mann war wie Schokolade, wie eine Süßigkeit, die sich Seg gezwungenermaßen viel zu lange hatte verwehren müssen. Es sah ihm nicht ähnlich, der Versuchung nachzugeben, weil er die Folgen kannte.



»Ich bin kein Bottom«, knurrte Roan an Segs Lippen.



Seg gelang es, sich lange genug von ihm zu lösen, um Roan in die Augen zu sehen. »Wenn du mit mir schlafen willst, wirst du einer sein.«



Da er heftige Gegenwehr erwartete, rührte Seg sich kein Stück. Er wartete geduldig ab, während Roans Blick seinen festhielt, bevor er erneut zu Segs Mund wanderte. Er war sich ziemlich sicher, dass in ihm ein Kampf tobte. Als Roans Augen seine wieder fanden, schien es, als hätte Roan sich entschieden.



»Scheiß drauf«, wisperte Roan und presste dann seine Lippen erneut auf Segs.



Gute Antwort.



Der Kuss erreichte eine vollkommen neue Ebene.



Seg hätte sich damit zufriedengegeben, hier in seinem luxuriösen Vorraum stehen zu bleiben und diesen unfassbar attraktiven Mann gegen die Wand zu ficken, doch er hatte anderes im Sinn. Es war so lange her, dass er diesem Verlangen nachgegeben hatte. Er brauchte etwas mehr als einen schnellen Fick.



Aber nicht allzu viel mehr.



Es gelang ihm, sie beide zu seinem Schlafzimmer zu bugsieren, während ihre Lippen noch miteinander verbunden waren und ihre Hände einander fahrig erkundeten. Als sie ihr Ziel erreichten, hatten sie sich gegenseitig aus ihren Hemden befreit. Seg machte sich bereits an Roans Jeans zu schaffen, während Roan sich die Schuhe von den Füßen trat.



Seg unterbrach den Kuss, ließ die Lippen über Roans stoppeligen Kiefer streichen und glitt weiter nach unten, während er ihm dabei die Jeans herunter schob. Der Kerl roch gut. Nach freier Natur und… etwas Würzigem. Es war berauschend. Er küsste sich über Roans sonnengebräunte Brust, über die sanften Wölbungen seiner Bauchmuskeln und verfolgte die schmale Spur aus kurzen Härchen, die nach unten führte, bis er vor ihm kniete.



Er starrte hinauf in diese goldbraunen Augen und wartete ab, ob Roan irgendetwas sagen würde.



Das tat er nicht.



Seg fasste das als Erlaubnis zum Fortfahren auf.



Es dauerte nur einen Moment, Roans Schwanz aus seiner Jeans zu befreien, und als er es geschafft hatte, atmete Seg tief durch und umschloss die dicke, samtweiche Länge mit der Faust, während er über die angeschwollene Eichel leckte.



Die Gelegenheiten, bei denen er das hier getan hatte, konnte er an einem Finger abzählen. Kein einziges Mal während seiner bisherigen Erfahrungen mit Männern hatte er es gewagt, einen Schwanz in den Mund zu nehmen, und doch sehnte er sich jetzt mit einer nie da gewesenen Dringlichkeit danach.



Roan zischte, schob seine Finger in Segs Haare und hielt ihn fest. Seg hatte nichts gegen die groben Berührungen. Eigentlich mochte er sie sogar lieber.



»Nimm meinen Schwanz in den Mund. Bis zum Anschlag«, stöhnte Roan und die Forderung in seinem Tonfall war nicht zu überhören.



Seg schob die Lippen über die weiche Spitze, dann saugte er Roan in seinen Mund. Die warme Haut glitt über seine Zunge und zwang seine Kiefer auseinander, bis Roans Länge ihn komplett ausfüllte.



Ein weiteres Zischen entkam Roan und sein Griff wurde fester, als er Seg näher heranzog. Seg gab dem Mann, was er brauchte, nahm jeden Zentimeter von Roans dickem Schwanz auf, bis hinein in seine Kehle.



»Fuck, das ist gut«, murmelte Roan und ließ Seg keinerlei Spielraum, als er begann, die Hüften vorzustoßen.



Ihre Blicke begegneten sich flüchtig und Seg fragte sich, ob Roan wusste, dass er das hier zum ersten Mal tat.



Seg erlaubte Roan, ihn zu benutzen, seinen Mund zu ficken. Er hielt sich an Roans Hüften fest, grub die Fingerspitzen in seine Hinterbacken und hieß jeden Zentimeter so tief willkommen, wie er konnte. Ein paarmal musste er würgen, bevor Roan sich zurückzog. Er konnte sich nicht mal daran erinnern, wann er das letzte Mal mit einem Mann rumgemacht hatte. Es war so verdammt lange her und jetzt, wo er hier war – schmeckte, berührte, verschlang –, war er sich nicht sicher, wie es ihm gelungen war, all diese Wünsche die ganze Zeit zu unterdrücken.



Du bist nicht geoutet, du Idiot.



Nun, das war ein Argument.



Auf keinen Fall konnte er riskieren, dass seine Teamkollegen herausfanden, dass er auf Männer stand. Das wäre echt unangenehm und er liebte diesen Job viel zu sehr, als dass er ihn aufs Spiel setzten konnte. Er wollte nicht aus dem Team fliegen, nur weil er schwul war.



Schwule Profi-Sportler hatten immer noch mit dem Stigma zu kämpfen und Seg war nicht daran interessiert, diesen harten Kampf zu führen. Stattdessen spielte er den Hetero, ging mit Frauen aus und schlief sogar ab und zu mit ihnen, um einen Teil des Frusts abzubauen und all die neugierigen Leute zu besänftigen, obwohl es nie funktionierte. Er war niemals befriedigt. Pussys waren einfach nicht sein Ding.



Als Roan ihn drängte, wieder aufzustehen, indem er an seinen Haaren zog, kam Seg auf die Füße und presste seinen Mund auf Roans. Ein paar Minuten lang fummelten sie nur, während sie ihre restliche Kleidung loswurden. Schuhe wurden weggekickt, Jeans und Unterhosen weggeschleudert, Socken folgten.



Und dann waren sie beide nackt. Heiße Haut an heißer Haut.



Seg schob Roan auf das Bett und wühlte dann in seinem Nachttisch nach einem Kondom und Gleitgel. Gut, dass er eine glitschige Hand bevorzugte, wenn er es sich selbst besorgte, sonst hätten sie jetzt echt Pech gehabt.



Ohne ein weiteres Wort zog Seg das Kondom über seinen Schwanz, benetzte ihn mit Gleitgel und kroch dann auf die Matratze, gerade als Roan sich auf den Bauch drehte.



Ein Hauch von Enttäuschung durchzuckte ihn. Er hätte dem Mann gerne ins Gesicht gesehen, während er tief in seinem Arsch vergraben war, aber so war es ihm auch recht.



»Schnell und dreckig? So willst du's also?«



»Das ist alles, was ich will«, bestätigte Roan.



Na dann. Ohne Romantik oder Raffinesse brachte Seg seinen Schwanz vor Roans Hintern in Position und ließ sich langsam in ihn sinken.



Er hielt sich nicht mit Vorspiel auf, neckte ihn nicht mit seinen Fingern, sondern schob sich einfach hinein, wobei er dem engen Muskelring erlaubte, ihn zu umschließen un