Im Schatten der Schwarzen Sonne

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Tatsächlich fanden sich ein paar Unentwegte, die Jordans Gedanken aufgriffen und in seinem Sinne tätig werden wollten. Sie wurden der harte Kern des BNSM. Zuerst ging man daran, systematisch frühere NSM- und BM-Mitglieder zu mobilisieren, die sich resigniert zurückgezogen hatten. Qualifiziertes Waffentraining war für die wieder- oder neu gewonnenen BNSM-Kämpfer unerlässlich, weshalb man sie landauf, landab in Schießsportclubs oder in Freiwilligenverbände der British Army steckte. Einige Waffenliebhaber aus den Reihen des BNSM beteiligten sich an der Initiative Defence Begins At Home (»Verteidigung beginnt zu Hause«), einer rechtsgerichteten, aber bürgerlich-seriös auftretenden Pressure Group, auch bekannt unter dem Namen Hedgehogs (»Stachelschweine«), die 1983-86 für privaten Waffenbesitz eintrat und Bürgerwehren forderte, der öffentlichen Sicherheit zuliebe. Selbstverständlich warb der BNSM auch um junge Leute, etwa im rechtsextremen Netzwerk Blood and Honour (»Blut und Ehre«), das sich der Verbreitung neonazistischen Rocks, sog. white power music, widmete und ca. 800 Skinheads umfasste – ein Pool für die Rekruteure des BNSM. Dann ein herber Rückschlag: das Massaker von Hungerford. Am 19. August 1987 lief der 27-jährige Waffennarr Michael Ryan in seiner südmittelenglischen Heimatstadt Hungerford/Berkshire Amok und erschoss sechzehn Menschen, darunter seine Mutter sowie mehrere Nachbarn und Polizeibeamte, bevor er schließlich Selbstmord beging. Das tragische Ereignis brachte offenbar sogar einige BNSM-Mitglieder ins Grübeln. Dies wurde kurze Zeit später den drei seinerzeitigen »Meisterschützen« des BNSM zum Verhängnis, dem Ex-Pfadfinderführer Jeff Carson und seinen Kameraden David Philips und John Sullivan, alle drei aus London und Umgebung. Als diese in den Wäldern von Hertfordshire (Südengland) mit Pumpguns Schießübungen veranstalteten, wurden sie aufgrund eines anonymen Hinweises verhaftet.20

Etwa um diese Zeit meinte die extreme Rechte ein neues Betätigungsfeld zu entdecken: den Nordirland-Konflikt. Mitte der 80er-Jahre schien es nicht sehr gut um die Sache der nordirischen Protestanten zu stehen – jedenfalls aus der Sicht ihrer eher radikalen Vertreter: der Unionisten, der Loyalisten, der Oranier. Was sollte aus ihrem »Ulster« werden, wie sie vergangenheitsverklärend ihre Heimat nannten (nach der alten königlich-britischen Provinz, mit der Nordirland territorial weitgehend identisch ist)? Man sah sich bedrängt. Auf der einen Seite terrorisierte der alte Erbfeind wie eh und je das Land: die Irish Republican Army, kurz IRA, der bewaffnete Arm der irischen Republikaner, jener radikalen Katholiken, die eine Vereinigung des bei der britischen Krone verbliebenen Nordirland mit der Republik Irland erzwingen wollten. Auf der anderen Seite machte die Regierung in London den Katholiken weitreichende Zugeständnisse. Im sog. Anglo-Irischen Abkommen von November 1985 akzeptierte die Republik Irland zwar (bedingt) die Zugehörigkeit Nordirlands zum United Kingdom; dafür sprach London Dublin das Recht zu, die Interessen der katholischen Nordiren mit zu vertreten. Die Frustration der nordirischen Protestanten wollten die britischen Neonazis nutzen. Die NF verstärkte ihre Propaganda vor Ort, aber auch auf dem sog. mainland, der großbritannischen Insel, tat sie einiges. Im November 1986 kam es in Bridgwater/Somerset (Südwestengland), dem Wahlkreis des Staatssekretärs der britischen Regierung für Nordirland, Tom King, zu einer bemerkenswerten Kooperation: NF und Oranierorden demonstrierten Schulter an Schulter in einem riesigen Protestmarsch gegen das Anglo-Irische Abkommen.21 Das BNSM formierte gar eigene Kampfgemeinschaften mit militanten Loyalistengruppen. Ihr Hauptpartner: die Ulster Defence Association (»Verteidigungsliga für Ulster«), kurz UDA, einschließlich ihrer terroristischen Einheiten, der Ulster Freedom Fighters (»Ulster-Freiheitskämpfer«), kurz UFF, und der Ulster Volunteer Force (»Freiwilligentruppe für Ulster«), kurz UVF. Sie alle operierten sowohl in Nordirland als auch im britischen mainland, wo sie Manöver abhielten und tatsächliche wie vermeintliche Unterstützer und Sympathisanten der Republikaner unter Beschuss nahmen. BNSM-Leute schmuggelten Waffen für die Terrorbrigaden und beteiligten sich an den Feuerattacken auf republikanische Ziele. Das Blood-and-Honour-Netzwerk vermittelte BNSM-Kämpfer an die mainland-Zellen der Ulster-Truppen. John Nicholson, ein protestantischer Laienpriester und UDA-Offizier in London, arrangierte für Dutzende junger Freiwilliger Wehrsporttraining in Südengland.

Ebenso pflegte das BNSM enge Kontakte mit neonazistischen Gruppen auf dem Kontinent. Zum internationalen Verbindungsoffizier bestimmte man den Holländer Gerrit »Et« Wolsink (1924-1995). Der hatte, was das Bemühen rechtsextremer Bestrebungen um Internationalität betrifft, tatsächlich einige Erfahrungen. Als junger Mann trat er 1943 der SS-Legion Niederlande bei, später sogar der gefürchteten Terror-Einheit Division Brandenburg. Deswegen wurde er 1946 daheim zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der Entlassung betätigte er sich weiter am rechten Rand des politischen Spektrums und bekleidete hohe Posten in neonazistischen Gruppen und Grüppchen, so der Northern League (der »Nordischen Liga«), einer antisemitisch-eugenischen Politsekte mit Hauptsitz London und Verbindungen nach Deutschland und den USA, die u.a. ehemalige NS-Rassentheoretiker und führende SS-Leute in ihren Reihen hatte. Überwiegend präsidierte er jedoch holländischen Ablegern deutscher Rechtsaußenbünde, unter ihnen: die Nederlandse Volks-Unie («Niederländische Volksunion”), kurz NVU, die niederländische Schwesterpartei der Deutschen Volksunion, kurz DVU; die Viking-Jeugd, der niederländische «Gau” der deutschen Wiking-Jugend; die Aktiefront Nationale Socialisten, kurz ANS, die niederländische Sektion der deutschen Aktionsfront Nationaler Sozialisten, einer Gründung des zeitweiligen Stars der rechtsradikalen Szene dazulande, Michael Kühnen. Enge Freundschaft pflegte er auch zur »grande dame« des niederländischen Nazismus, der in rechten Kreisen weltweit geachteten Florentine Rost van Tonningen, der Witwe des Hitlerianers und Kollaborateurs Meinoud Rost van Tonningen. Nicht zuletzt dank ihrer Fürsprache konnte Wolsink im April 1989 zu Adolf Hitlers hundertstem Geburtstag über hundert Getreue – BNSM-Mitglieder und diverse Sympathisanten vom Kontinent und aus Übersee – an einem geheimen Ort in der bergreichen Grafschaft Derbyshire (Ostmittelengland) versammeln.22 Die Anhängerschaft der BNSM – etwa zwei- bis dreihundert Leute – konzentrierte sich zu Beginn der 90er-Jahre in London und in bestimmten Regionen Mittel- und Nordenglands, namentlich in Yorkshire. Vorsichtig operierten die damaligen BNSM-Führer, Stephen Frost und Glyn Fordham, von Postfachadressen in Slaithwaite (bei Huddersfield) und Heckmondwike aus, beide West Yorkshire. Ganz in der Nähe hatte Colin Jordan seinen Bauernhof, so dass er darüber, was sich bei der militanten Rechten tat, immer auf dem Laufenden war.

Jordan belieferte weiter die neonazistische Presse Amerikas mit Artikeln über die Aktualität des Nationalsozialismus und die Großartigkeit des Führers Adolf Hitler. 1981 erschien seine Schrift National Socialism: World Creed for the 1980s (»Nationalsozialismus. Ein Weltglaube für die 80er-Jahre«), der Nachdruck eines zuerst in der WUNS-Hauszeitschrift veröffentlichten Textes. Darin brandmarkte er Nationalisten, Populisten, Nazi-Fetischisten (die er »Hollywood-Nazis« nennt) und Skinheads (die wilden street fighters, die ihm zu British-Movement-Zeiten sehr willkommen waren, jetzt aber durch ihre undisziplinierten Randale viel Ärger verursachten, weshalb er auch ihnen böse Worte hinterherschickt) als Verräter am Na­tio­nal­sozialismus. Den lobte Jordan empor zur einer Lebens- und Naturreligion, mit dem Christentum nicht zu vergleichen und nicht zu vereinbaren. Nationalsozialisten, so schloss er, seien weder Nationalisten noch Konservative, sondern rassenkämpferische Revolutionäre für die Sache der Weißen aller Welt. Diese sollen sich im Bewusstsein ihrer Überlegenheit, aber auch ihrer Bedrohtheit zusammenschließen und den Fortbestand ihrer Art sichern. Dies zu befördern, habe sich der Nationalsozialismus als Ziel gesetzt. Als Strategie empfahl er gezielte Sabotageakte gegen die bestehende Ordnung und das systematische Heranbilden einer nazistischen Elite; die hierfür Tauglichen würden in eigenen Schulen erzogen, durch besondere Ausbildungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramme gefördert und bekämen einen Lebensraum in separaten ländlichen Kleingemeinschaften zugewiesen.23

Letztere Idee stand in engem Zusammenhang mit einer Art »Zurück-aufs-Land-Bewegung«, die Mitte der 80er-Jahre innerhalb der radikalen Rechten Platz griff. Besonders Einzelströmungen wie Political Soldiers (»Politische Soldaten«) und Third Way (»Dritter Weg«), die sich aus den Überresten der zersplitterten National Front formiert hatten, schwärmten für das Landleben. Nick Griffin etwa, ein ehemaliger Führungskader der NF, nun einer der obersten »Politischen Soldaten«, trainierte Freiwillige auf dem familieneigenen Bauernhof in Suffolk (Ostmittelengland). Der antizivilisatorische Affekt trieb die Gruppe in neue Allianzen, etwa mit islamischen Diktaturen, so Gaddafis Libyen, dem Iran und dem Irak. Natürlich pries man auch inländische Extremisten, wenn sie nur irgendwie völkisch daherkamen, etwa den walisischen Nationalistentrupp Sons of Glyndwr (»Söhne des Glyndwr«, benannt nach einem walisischen Unabhängigkeitskämpfer des Mittelalters aus fürstlichem Geblüt), berüchtigt für seine Bombenattentate und Brandstiftungen. Griffins Farm lag in den Waliser Marken (dem englisch-walisischen Grenzgebiet). Von dort aus führte er die Kampagne »Smash the Cities« (»Zerschlagt die Großstädte«), der zu entnehmen war, dass die europäischen Neonazis imitieren sollten, was Pol Pot in Kambodscha vormachte.24 David Myatt, zu Zeiten des alten BM einer der ergebensten Gefolgsleute Jordans, später Leiter einer eigenen Gruppe, dem Reichsfolk, versuchte den Aufbau einer Nazi-Landkommune in Shropshire (Westmittelengland). Ähnliches unternahmen während der 90er-Jahre diverse neovölkische Bünde wie die National Socialist Alliance und der sich namentlich auf einen germanischen Gott beziehende Order of the Jarls of Baelder (etwa: »Orden der Fürsten von Gnaden Baldurs«). Ziel war stets, jene wenigen Auserwählten heranzuzüchten, die, wenn die etablierte soziale und wirtschaftliche Ordnung endgültig zusammenbräche, die Massen führen sollten (vgl. Kapitel 11).

 

Anfang der 80er-Jahre gründete Jordan Gothic Ripples, die Zeitschrift seines Mentors Leese, neu. Er nutzte sie hauptsächlich zur Verbreitung seiner äußerst wohlwollenden Ansichten über das Dritte Reich und seine Vertreter einschließlich des 1987 im Spandauer Gefängnis verstorbenen, nach neonazistischer Lesart »ermordeten« Rudolf Heß. Doch auch das aktuelle Zeitgeschehen wurde ins Visier genommen und von rassistischer, namentlich antisemitischer und schwarzenfeindlicher Warte her kommentiert. Die Lobeshymnen auf Hitler erlangten ihren Höhepunkt zu dessen hundertstem Geburtstag 1989. »Hitler hatte recht!« stand über Jordans einschlägigem Text in Gothic Ripples, den ein gleich gesinntes amerikanisches Blatt, George Dietz’ Liberty Bell, in einer Führers-Geburstag-Sondernummer flugs nachdruckte. Und womit hatte Hitler recht, laut Jordan? Nun, mit der Ablehnung der Demokratie etwa. Mit dem Schutz und der Verteidigung der Volksgemeinschaft. Mit dem »Präventivschlag« gegen die Sowjetunion. Mit dem Anstreben einer britisch-deutschen Allianz (es war, so Jordan, Schuld und Pech der Briten, dass sie nicht zustande kam). Mit der Prophezeiung, seiner Niederlage werde eine dunkle Zeit folgen.25 Für das NS Bulletin, die Hauspostille von New Order, der »nationalsozialistischen Kirche« des amerikanischen Rechsextremistenchefs Matt Koehl, schrieb Jordan einen ähnlichen Gedenkartikel. Die metaphysische Erhöhung aufgreifend, die Savitri Devi dem Braunauer hatte angedeihen lassen, präsentierte Jordan Hitler als »Menschen gegen die Zeit« (vgl. Kapitel 5), als Supermann, der allein durch die Kraft des eigenen Willens versucht habe, den Untergang des Ariertums im Zyklus der Zeitalter zu verhindern. Eine weitere Hitler-Eloge publizierte Jordan im Magazin der wohl prominentesten rechtsradikalen Gesellschaft Englands, der League of Saint George.26

Meist geschmückt mit Fotos von Arbeiten des Nazi-Bildhauers Arno Breker, muskulösen Menschenfiguren aus dunkler Bronze, richteten sich Jordans Artikel und Flugschriften über den Nationalsozialismus an eine gebildete Leserschaft. Neben den pompösen und pathetischen Darbringungen seiner amerikanischen Sinnesbrüder vom New Order wirken die Bekenntnisse des Briten echt und ehrlich. In A Train of Thought (»Gedankengänge«), erschienen 1989, formuliert Jordan seine frühere Idee neu, die soziale Ordnung mithilfe einer »Task force« zu zerstören – eine Idee, deren Verwirklichung er nun vom Untergrund-BNSM erhoffte. 1993 versuchte er gar etwas Fiktionales: Merrie England 2000, eine Satire. »Das gute alte England 2000« – so könnte man den Titel verdeutschen. »Merry England« – wörtlich: »fröhliches England« – ist eine stereotype Redensart, mit der die Briten die eigene Nation halb stolz, halb selbstironisch charakterisieren. In letzterem Falle wird oft die altertümliche Schreibweise merrie verwendet. Jordans Titel beinhaltet freilich krassen Sarkasmus: Was er für die nähere Zukunft, die Jahrtausendwende, imaginiert, hat wenig Fröhliches, jedenfalls vom Standpunkt eines national denkenden und rassenbewussten weißen Briten her gesehen. Es geht nicht um das gute Alte, sondern um das schlechte Neue. Dies macht seine Erzählung zu einer sog. Dystopie, einer negativen Utopie, ähnlich wie Orwells 1984. Düster und bizarr geht es Ende des 20. Jahrhunderts in Großbritannien zu, fabuliert Jordan. Eine fanatische Gutmenschenregierung benachteiligt systematisch die Einheimischen. Über allem herrscht die Antidiskriminierungspolizei. Die Mächtigen beschließen: Umerziehung für die älteren »Bigotten«, jene also, die sich dem Zeitgeist nicht fügen mögen; Steuererleichterungen für gemischtrassige Paare; Zwang zur Teilnahme an Demutsritualen für die a priori für schuldig befundene weiße Bevölkerung. Der Londoner Trafalgarplatz heißt jetzt Harmonieplatz, und auf der Säule steht nicht mehr Admiral Horatio Nelson in Granit, sondern Nelson Mandela. Neben dieser Satire erschien 1993 auch noch ein Sammelband der Schriften Jordans. Die europäische Sektion der WUNS hatte die Edition publiziert: Eine Art Dankesgeschenk für sein Wirken als »Pate« der internationalen Nazi-Bewegung über drei Jahrzehnte hinweg – veröffentlicht vorsichtshalber in Dänemark.

Ein anderer Versuch, Jordans Visionen eines militanten Nazi-Untergrunds in die Tat umzusetzen, war die Guerillagruppe Combat 18, kurz C 18 genannt. Gegründet in den frühen 90er-Jahren, ist sie bis heute aktiv. Vom BNSM hat sie teilweise das Personal, gänzlich aber die Methoden übernommen, die sie sogar noch verschärfte. Der C 18 versammelt Rowdys, Skinheads und Hooligans, um politische Gegner und »Rassenfeinde« mit körperlicher Gewalt, Bomben und Brandstiftung zu bekämpfen. Die Ziffern 1 und 8 im Namen stehen für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets, sind also eine Kodierung der Initialen Adolf Hitlers. Die Hauptstrategie des C 18 besteht darin, den Gegner durch wiederholte brutale Angriffe einzuschüchtern und zu zermürben. Nach den Attacken empfangen die Opfer gewöhnlich hämische Telefonanrufe, in denen der C 18 seine Urheberschaft bekennt. Plumpe Aufkleber mit dem Symbol der Gruppe, einem schwarzen Totenkopf, und der Schriftzeile »Combat 18 ist nicht weit« sollen Furcht einflößen. Dem gleichen Ziel dienen Flugblätter, die einen finsteren Krieger zeigen, der eine Gasmaske trägt und eine moderne großkalibrige Pistole hochhält; darunter, in ausgeschnittenen Buchstaben, die Worte: »C 18 bereit zur ethnischen Säuberung«. Der konspirative und bewaffnete Trupp sammelt sorgfältig Erkenntnisse über die Zielpersonen, bevor er seine bewaffneten Kommandos gegen sie lossendet. Meist werden Politiker der Labour Party aufs Korn genommen, Abgeordnete zumal, ferner Ökologie-Aktivisten und Mitglieder jüdischer Organisationen. Der C 18 lässt offen Listen mit den Privatadressen und den Telefonnummern seiner Feinde kursieren, um ihnen Angst zu machen: Er will ihnen bedeuten, dass jederzeit ein Überraschungsangriff erfolgen kann.

C 18 formierte sich 1991 aus den Resten des BNSM, Skinheads der Blood-and-Honour-Bewegung und bestimmten bekanntermaßen rassistischen Fußballclubs; solche waren seinerzeit vor allem im mittelenglischen Leeds zu finden, daneben in den Londoner Bezirken West Ham, Charlton, Millwall und Chelsea (Heimat der einschlägig besonders profilierten Chelsea Headhunters, der »Kopfjäger von Chelsea«). Ein amerikanischer Obernazi, der sich Winter 1991/92 in London aufhielt, scheint Starthilfe geleistet zu haben: Harold A. Covington. Er reiste gerade durch Europa; um die nationalsozialistische Weltbewegung zu fördern, betreute er in mehreren Staaten neue rechtsradikale Projekte, so in Schweden, in Deutschland und eben in Großbritannien, wo das Projekt bald den Namen Combat 18 erhielt. Bei dieser Aufbauarbeit benutzte er moderne Kommunikationstechnologie. Im Strategischen empfahl er den frisch gegründeten Gruppen die terroristischen Kampfmethoden der US-Nazis.27 Ferner kam dem Combat 18 zugute, dass die extreme Rechte gerade dringend eine Schutztruppe brauchte; so schirmte er denn sowohl die Parteitreffen der BNP als auch – im November 1991 – die Vortragstournee des revisionistischen Historikers David Irving ab. Getreu seinem Image hatte der C 18 keine Hemmungen, Gewalt anzuwenden; so vollführte er im Februar 1992 im vorwiegend von Farbigen bewohnten Londoner Stadtteil Tower Hamlets eine brutale, ja blutige Attacke gegen antinazistische Flugblattverteiler. Alte BNSM-Leute und wohlbekannte Fußball-Hooligans bewachten die BNP, als sie vor den Präsidentschaftswahlen im April 1992 in den Straßen Londons mit diversen Propagandaveranstaltungen um Stimmen warb. Wegen ihrer Illegalität wäre für den Combat 18 eine Adresse in Großbritannien zu riskant gewesen; deshalb nannte sie eine exterritoriale, nämlich die von Covingtons Firma Dixie Press in Raleigh/North Carolina. Covington sandte die eintreffende Post dann weiter an das C-18-Mitglied Steve Sargent in Barnet/Hertfordshire (nördlich von London). Sargent, schon zu Blood-and-Honour-Zeiten eifrig dabei, besaß inzwischen selbst einen Verlag, Resurgam Books. Als Geschäftsmann übrigens kannte Sargent keine Parteien; wenn gute Verkaufszahlen winkten, veröffentlichte er sogar Antifaschistisches, so den Sonderdruck eines Artikels aus dem antifaschistischen Magazin Searchlight über Covingtons subversive Tätigkeit in England.28

Ungleich prominenter in der rechten Szene war sein Bruder Paul David Sargent, geboren 1960, besser bekannt als Charlie Sargent, Spitzname »Ginger Pig« (etwa: »Rothaarschwein«; wegen der rotblonden Haare und der ungeschlachten Figur). Ein Rowdy aus der Arbeiterklasse, der zu den Nazis fand – nicht eben ein seltener Fall. Von Mitte der 70er- bis Anfang der 80er-Jahre erwarb sich Charlie Sargent in den Reihen des British Movement ein stolzes Strafregister. 1978 wurde er wegen Nötigung und wegen Besitzes und Benutzung verbotener Stich- und Schlagwaffen in Tateinheit mit Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Sein Ziel war der »Rassenkrieg«, den er entfachen wollte, indem er Moslems und Schwarze drangsalierte; deren gewaltsame Gegenreaktion, so seine Hoffnung, würde dann die erwünschte Eskalation bewirken. Hörte er Bedenken, äußerte er: Wenn sie den Rassenkrieg fürchte, dann sei »unsere Rasse zu schwach zum Überleben und verdient es zu sterben«.29 Sein älterer Bruder William engagierte sich in der National Front und organisierte illegal Hundekämpfe; sein jüngerer Bruder Stephen, genannt Steve, betrieb daheim in Barnet den erwähnten Verlag Resurgam Books und gab als Hausmagazin des C 18 die Zeitschrift Thorwould heraus, deren neuheidnische Ausrichtung schon der Titel mit seinem Bezug auf den germanischen Donnergott verrät: Thor walt heißt im Altnordischen »Thor herrscht«. Eine andere profilierte Führungsfigur des C 18 war Eddy Whicker. Ursprünglich Müllmann im Londoner Süden, galt er während der 70er-Jahre als härtester Straßenkämpfer der National Front. Später unterstützte er, wie auch Charlie Sargent, die nordirische UDA; dann organisierte er den Saalschutz für die BNP. Zwei weitere ältere Mitglieder der C-18-Spitze, John Merritt und Paul Ballard, gehörten zuvor lange Jahre dem BNP-Ortsverband im Südlondoner Stadtteil Croydon an, einst eine Hochburg der NF. Aus dem Nordlondoner Bezirk Stamford Hill wiederum kam der leitende C-18-Aktivist Steve Martin; auch er war zunächst eine Weile in der BNP gewesen und pflegte enge Verbindungen nach Ulster. Erst hatte er Waffen für die UVF geschmuggelt; später wurde er Vollmitglied der UDA.30

Die perfideste Publikation des C 18 bildete sein Bulletin Redwatch (»Rotenwacht«), das Kommunisten und ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Helfershelfer individuell zur Zielscheibe machte. Redwatch veröffentlichte Fotos und die persönlichen Daten engagierter Linker, dazu Ranglisten ihrer Feinde. Jede Nummer informierte, gegen wen man einmal losschlagen sollte, und rapportierte, gegen wen man bereits losgeschlagen hatte – eine kaum verhohlene Aufforderung zur Gewalt, ja zum Mord. Die erste Ausgabe, erschienen im März 1992, war untertitelt: »Ein zweimonatlicher Bericht über die rote Front. Zusammengestellt vom Combat 18«. Als Motto hatte man den klassischen lateinischen Spruch gewählt: »Oderint dum metuant« – »Mögen sie [uns] getrost hassen – wenn sie [uns] nur fürchten«. Die Leser, hieß es, sollten nicht zögern, eigene Listen anzulegen. Allen Streitern für die weiße Sache galt der Appell: »Geht in die verfaulten, dreckverseuchten Städte, wo das ZOG bestimmt, mischt euch unter das gesichtslose Heer der Bewohner und schlagt zu«, immer nach der Parole: »UNTERMINIEREN – DEMORALISIEREN – ZERSTÖREN«.31 Nicht weniges von dem, was diese Rechtsguerilleros sagten und taten, eiferte dem Vorbild der amerikanischen Neonazis nach, besonders der Kampfgruppe Aryan Militant. Wie diese attackierten auch sie plötzlich und unerwartet mit Stich- und Schusswaffen, wie diese legten sie Brände und Bomben. Und wie diese entschieden sie selbst, wen sie zu den »Roten« zählten – eben keineswegs nur die CPGB, die Kommunistische Partei Großbritanniens, und ihr Gefolge. Viele der Personen, die man etwa in der zweiten Ausgabe (May 1992) als Kommunisten etikettierte, waren gar keine, sondern Angehörige der Labour Party, Mitarbeiter von Flüchtlingsorganisationen und Anti-Apartheid-Aktivisten. Die Nummer brachte ferner eine Presseerklärung zum Brandanschlag der C 18 auf die Redaktion des Morning Star, des Organs der CPGB. Die letzte Seite enthält die Schriftzüge »Rassenkrieg« und »Bewaffneter Widerstand« durch Mehrfachbelichtung unterlegt mit dem Totenkopflogo des C 18, einem Hitler-Porträt und der gezeichneten Figur eines maskierten Kämpfers, der ein Sturmgewehr trägt. Das Feuer beim Kommunistenblatt ermunterte zur baldigen Nachahmung, etwa in Birmingham: Im August 1992 brannte dort das Parteibüro des kurzlebigen CPGB-Ablegers Democratic Left (»Demokratische Linke«), im November 1992 das Arbeitslosenunterstützungszentrum des Bezirks Sandwell. Auch diese Zündeleien wurden in Redwatch triumphierend gefeiert.32

 

In dem grob gebastelten, sprachlich wenig ambitionierten Bulletin pflegte der C 18 plakativ seine faschistische Gesinnung. Auf der zweiten Redwatch-Ausgabe prangte das Symbol der Afrikaner Weerstandsbeweging, kurz AWB, eines Bundes weißer südafrikanischer Rassisten. Außerdem las man dort die zynischen Zeilen: »Zyklon B: über sechs Millionen zufriedene Kunden. Jetzt wieder erhältlich dank Combat 18«; daneben war ein Foto eines Original-Giftbehälters aus Auschwitz montiert. Die Zielpersonenliste enthält wieder, ganz der Gewohnheit gemäß, Organisatoren der kommunistischen Partei, aber auch z.B. Unterstützer der radikalen südafrikanischen Anti-Apartheid-Bewegung ANC; ein Artikel widmet sich der linksautonomen Gruppe Militant. Die vierte Ausgabe stellt Politiker so unterschiedlicher Provenienz an den Pranger wie den Labour-Linksaußen Ken Livingstone, einst Vorsitzender des Londoner Stadtrates (später Londoner Bürgermeister), den schwarzen Anti-Racist-Alliance-Aktivisten Marc Wadsworth und den konservativen Abgeordneten Sir Ivan Lawrence, Kronanwalt und Mitglied des Board of Deputies of British Jews (»Abgeordnetenkommission der britischen Juden«), der bedeutendsten repräsentativen Körperschaft der Judenheit in Großbritannien, kurz zuvor zum Leiter des Innenausschusses für Rassenbeziehungen ernannt. C 18 hatte noch ein anderes Magazin, schlicht Combat 18 betitelt, in dessen dritter Ausgabe detaillierte Hinweise zum effektiven Bombenbau standen. Gegen wen man die Sprengkörper einsetzen könnte, wurde gleich mitgeliefert; unter den potentiellen Opfern befanden sich: Paddy Ashdown, Vorsitzender der Liberalen; Glenda Jackson, eine bekannte Schauspielerin und prominente Labour-Unterstützerin; Alf Lomas, Mitglied der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament; Paul Condon, Chef der Groß-Londoner Polizeibehörde Metropolitan Police und darin Hauptermittler einer eigens zur Bekämpfung der C 18 gebildeten Spezialeinheit der Abteilung Internationales und Organisiertes Verbrechen.33

Der C 18 hatte in Großbritannien insgesamt etwa zwei- bis dreihundert Mitglieder, die in paramilitärischen Zellen operierten. Hunderte von Straftaten gingen auf ihr Konto, darunter Landfriedensbruch, Brandstiftung und Körperverletzung. Asiatische Geschäfte in London wurden angezündet, Gewerkschaftsquartiere in Durham und Leeds verwüstet; während einer antifaschistischen Versammlung in der südmittelenglischen Stadt Milton Keynes, bei welcher der achtzigjährige Holocaust-Überlebende Leon Greenman sprach, dem der C 18 auch späterhin durch Psychoterror zusetzte. Einer Demonstration in Eltham im November 1992 folgte ein Krawall in Nottingham im Januar 1993. Sozialistische und anarchistische Buchläden in Kilburn, Whitechapel, Nottingham und Durham wurden angegriffen. Am 15. Januar 1994 veranstaltete der C 18 in der britischen Hauptstadt ein großes internationales Skinhead-Treffen, zu dem Neonazi-Gruppen aus Holland, Dänemark und Deutschland geladen waren. Im Gefolge kam es zu Rangeleien der Rechten mit linken Gegendemonstranten und der Polizei; die Lage eskalierte, und eine Welle von Straßenschlachten wälzte sich durch London. Im August 1994 nahm der C 18 Mitglieder der linken Anti-Nazi-League ins Visier, die sie mit Brandbomben und Armbrustschüssen bedachten. Derek Fatchett, Labour-Abgeordneter für Leeds-West, brauchte zweimal Polizeischutz. Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ereigneten sich damals allein in London Dutzende rechter Straftaten, hauptsächlich Brandstiftung und Prügelattacken gegen Farbige. Anschließend wurde in den Hauspostillen gewohnheitsgemäß damit geprahlt, wie viel Verletzungen und Sachschäden man wieder verursacht hatte. Die C-18-eigene Presse war inzwischen weiter gewachsen um die Blätter The Order, Putsch (im Original deutsch!) und Lebensraum (im Original deutsch!).34

Putsch und Lebensraum reflektieren die Frustration und den Zorn der weißen Arbeiterjugend, die sich aus ihren traditionellen Lebensbereichen mehr und mehr durch rassische Minderheiten verdrängt sieht. Dreißig Jahre – praktisch eine Generation – nach den von Colin Jordan und Konsorten initiierten Rassenunruhen gibt es in London und in den Großstädten Nord- und Mittelenglands asiatische und schwarze Gemeinschaften nie gekannter Ausdehnung. Wo einst alte Pubs und Freizeitstätten das Bild bestimmten, dominieren jetzt Moscheen und Hindu-Tempel. Kein Wunder, dass die verbliebenen weißen Bewohner ihre Welt nicht wiedererkennen. Viele von ihnen ballen die Faust in der Tasche, und nicht jeder lässt sie dort. Wo man hinschaut – Zeugnisse der Nicht-Integration; es haben sich Kulturen in der Kultur gebildet; überall exotische Läden, exotische Kinos, exotische Zeitungen, exotische Straßenfeste. Weiße Schüler finden sich in vielen Klassen als winzige Minorität wieder, während die Abkömmlinge ethnischer Minderheiten die Mehrheit stellen. Die Wohnraumzuteilung hat in bestimmten Londoner Bezirken, zum Beispiel Tower Hamlets, dazu geführt, dass die Immigranten die Weißen nummerisch quasi an die Wand drücken. Labour-regierte Stadträte lassen immer öfter in Gebieten mit hohem asiatischen Bevölkerungsanteil moslemische Kandidaten für hohe Posten kandidieren. Behörden kommen den Wünschen schwarzer Interessengruppen nach Sonderförderung aller Art relativ bereitwillig entgegen; man erleichtert ihnen sogar den Weg zum Amt des Bürgermeisters. Der weiße Teil der Arbeiterklasse bekommt es mit dem wachsenden Durchsetzungsvermögen der ethnischen Minoritäten in politischen und kulturellen Fragen zu tun. All dies leitet Wasser auf die Mühlen der Neuvölkischen, etwa der British National Party; sie betreibt seit Jahren eine Kampagne namens »Rights for Whites« – »Rechte für Weiße« (die Doppeldeutigkeit von »rights« ist natürlich beabsichtigt).35

Besonders der Leitartikler des Putsch, John Cato, versteht die soziale Seite des Rassenkonflikts demagogisch zu nutzen. Seine Editorials zielen unmittelbar ab auf die mehr und mehr von Marginalisierung bedrohte arme weiße Arbeiterjugend. Cato geißelt die liberalen Eliten wegen ihrer Beihilfe zur schleichenden Enteignung und Verdrängung der Weißen. Verfolgen wir eine Weile Catos Argumentationslinie: Im Namen der political correctness werden innerhalb der Großstädte Lebensraum und Lebenschancen mehr und mehr zugunsten der Fremden beschnitten. Man hält, schimpft Cato, den eigenen Nachwuchs knapp, weiße Jugendklubs etwa werden geschlossen, weil die klammen öffentlichen Kassen dies angeblich erzwingen; aber alles Anders- und Abartige wird großzügig gefördert: Multikulti-Festivals, Forschungen zu Aids bei Schwarzen oder Kurse für Polizisten, in denen sie Immigrantensprachen und Einfühlsamkeit in fremde Ethnien trainieren. Sicherlich, die Sklaverei war ein hartes Los für die Schwarzen; aber welche Schicht hat diese Unterdrückung denn betrieben? Das Proletariat doch gewiss nicht; dem ging es lange Zeit selbst hundsmiserabel, man denke nur ans viktorianische England. Warum eigentlich, fragt Cato, soll die weiße Arbeiterklasse das schlechte Gewissen der liberalen Mittelklasse hinsichtlich der rassistischen Praktiken ihrer Vorväter abbüßen? Warum sich ein Modell rassischer Koexistenz oktroyieren lassen, das erkennbar nicht funktioniert? Klar, die visuellen Massenmedien, namentlich ihre Unterhaltungsabteilung, zeigen diese Koexistenz als bunt schillerndes Paradies; Negatives wird schlicht eskamotiert; der Pöbel wird es schon schlucken, denken sich die Verantwortlichen. Auch die Presse verschweigt oder bagatellisiert systematisch Verbrechen von Schwarzen an Weißen oder ethnisch bedingten Unfrieden in den Innenstädten. Wenn sich wirklich einmal der seltene Fall ereignet, dass Weiße aus rassistischen Motiven Schwarze attackieren, wird sofort ausführlich berichtet und voller Selbstanklagen extensiv moralisiert. Wenn, was viel öfter geschieht, Schwarze Verbrechen gegen Weiße verüben, wird verständnisinnig beschieden, die Integrationsprogramme hätten wohl noch nicht überall gegriffen. Laut Cato heißt die einzig mögliche Lösung des Problems: ausnahmslose Rückumsiedlung der farbigen Immigranten in die Herkunftsländer und damit Beendigung des multikulturellen Experiments, das eine komplette Katastrophe sei, eine verhängnisvolle Illusion, nur noch aufrechterhalten von humanitätsfrömmelnden liberalen Eliten und den ihnen verbunden manipulativen Medien.36