Kopftuch

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Nazmi Kavasoglu

Kopftuch

Imprint

Kopftuch

Nazmi Kavasoglu

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2012 Nazmi Kavasoglu

ISBN 978-3-8442-3963-8

Herausgegeben von der Deutsch-Türkischen Agentur: http://www.dt-a.de/

Lektorat: Erik Kinting / www.buchlektorat.net

Titelgestaltung: Erik Kinting

Inhaltsverzeichnis

Imprint

Inhaltsverzeichnis

Begleitwort des Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln

Vorwort

Laudatio der Senatorin Dr. Knake-Werner

Kopftuch

Dürre

Neukölln hat Sorgen

Nach 4.000 Jahren

Der schöne Kindertraum

Gesucht wird …

Die Suche geht weiter ...

Er spielt Rummikub selbst im Traum

Hier sind neue Indizien

Letzter Aufruf

Ich werde ihn auf jeden Fall finden!

Das Leid des Polizeipräsidenten

Auf der Europastraße 5

Wie kapert man einen Abgeordneten?

Der Prügel-Star

Scheuklappen

Feiern nur Christen Geburtstag?

In der Kneipe

Ehrenmord-Killer

Es lebe der Opa

Eine schrecklich gute ...

Die Knochen habe ich ihr gebrochen!

Bauernfänger und Tourist

Helmuth nennt seinen Vater ‚Kanaken-Deutscher’

Wo ist denn der Lehrer wieder hingegangen?

Ein großer Hundefreund

Aufruf zum Fußballspiel! Hallo Türke!

Elf Gebote

Begleitwort des Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln

Sehr geehrte Leser und Leserinnen,

mit diesem Werk liegt nunmehr das vierte Buch von Nazmi Kavasoglu vor. Der renommierte Autor, dessen Texte in mehreren Bundesländern als Unterrichtsmaterial verwendet werden, gehört zu den Pionieren der deutsch-türkischen Verständigung in Berlin. Für seine Bemühungen, Brücken der Anerkennung und der Verständigung zwischen den Kulturen zu schlagen, ist er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden.

Nazmi Kavasoglu bringt uns seine interkulturellen Erlebnisse und Erkenntnisse aus der erfrischenden Perspektive eines Menschen nahe, der die Welt nicht nur in Schwarz und Weiß, sondern in vielerlei Schattierungen wahrnimmt. Und es ist die Authentizität der mit feiner Ironie erzählten Geschichten und Essays, die oftmals eine spontane Identifikation mit dem lyrischen Ich erlaubt. Denken Sie nur an die zauberhafte Geschichte des Kopftuchs, die diesem Buch auch den Namen gab.

Mit seinem literarischen und journalistischen Schaffen tritt Nazmi Kavasoglu auf beeindruckende und leidenschaftliche Art und Weise für mehr Toleranz und Verständigung ein. Er ist vor allem kein weltfremder Theoretiker, sondern einer, der Kulturen mit ganzer Tatkraft zu verknüpfen und damit neue Dimensionen des gegenseitigen Respekts und Verstehens zu eröffnen versucht. Seine Werke lassen den Leser am Ende erkennen: hier schreibt ein Mensch, der etwas zu sagen hat.

Heinz Buschkowsky

Vorwort

Nazmi Kavasoglu legt mir ein Buch aus seiner Feder vor. Ein Buch eines nun wahrlich in Deutschland und Berlin engagierten und integrierten Türken, dessen scharfsinnige Beobachtungen zu Geburtstagsfeiern der Christen und der Türken, dem Kneipenleben und den Scheuklappen, glänzend den Spot auf das mal mehr mal weniger gut funktionierende Multi-Kulti-Leben richtet, und dies in einer funkelnden sprachlichen Brillanz formuliert, dabei aber auch schwierigste Themen (Ehrenmord, bürokratische Hemmnisse, Übergriffe der Polizei) nicht ausspart.

Seit knapp 40 Jahren kenne ich Nazmi Kavasoglu, den ich als blutjunger Rechtsanwalt vertreten durfte, um seine Einbürgerung durchzusetzen. Seitdem verfolge ich, mit welch ungebrochenem Optimismus Nazmi Kavasoglu glaubt, hofft und dafür arbeitet, dass Deutsche und Türken nicht nur (was ja manchmal leider auch nicht der Fall ist) friedlich nebeneinander, sondern heiter miteinander leben. Dass dieses Ziel zu erreichen ist, davon ist Nazmi Kavasoglu zutiefst überzeugt, das ist sein Optimismus. Aber er weiß auch, dass nicht nur Stolpersteine, sondern manchmal auch Felsbrocken auf dem Wege zu diesem Ziel liegen. Das ist sein Realismus. Auf diesem Boden des Realismus fliegen die optimistisch gestimmten Intentionen, Aktivitäten und literarischen Äußerungen nicht wie Ballons in den Himmel, um dort zu zerplatzen und zu verschwinden, sondern bleiben im Wortsinne bodenständig: auf dem Boden stehen. Gerade deshalb sind die Überlegungen und Beobachtungen, die man durchaus ohne Übertreibung als „Reflexionen“ bezeichnen kann, ebenso wichtig wie richtig. Sie verdienen eine große Leserschar, denn mit jeder Geschichte lernen wir, ein bisschen besser zu verstehen, wo die Probleme der Integration liegen und dass sie nicht unlösbar sind.

Es ist ein Glücksfall, dass es Nazmi Kavasoglu gibt und dass er aufgeschrieben hat, was er denkt. Mögen viele Leser ihm durch dieses Büchlein folgen!

Peter Raue

Laudatio der Senatorin Dr. Knake-Werner

anlässlich der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Nazmi Kavasoglu

Sehr geehrter Herr Kavasoglu,

Sehr geehrter Herr Botschafter,

Sehr geehrter Herr Generalkonsul,

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bundespräsident hat Ihnen, Herr Kavasoglu, in Anerkennung Ihres Engagements für die deutsch-türkische Verständigung, das Verdienstkreuz am Bande verliehen, und ich freue mich, dass ich es Ihnen heute aushändigen darf.

Aber zuvor möchte ich einige Worte zur Würdigung Ihrer Arbeit sagen.

Sie wurden 1945 in der kleinen Region Babaesky in der Türkei geboren. Bevor Sie nach Deutschland gingen, arbeiteten Sie zunächst als Lehrer.

Im Alter von 25 Jahren zogen Sie nach Berlin — in die Stadt, die Sie in einem Interview als „die Traumstadt seit ihren Kindertagen“ bezeichneten.

Als Sie 1970 in West-Berlin ankamen, lebten hier schon viele Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, aber von multikultureller Gesellschaft wurde damals genauso wenig geredet wie von Integration.

Sie, lieber Herr Kavasoglu, waren nicht bereit diese Verhältnisse zu akzeptieren und machten sich zum Ziel, Brücken der Verständigung zwischen Türken und Deutschen aufzubauen.

Schon drei Jahre, nachdem Sie nach Berlin gezogen waren, brachten Sie ein Informationsblatt für Ihre türkischen Landsleute heraus, das Sie später zu der Zeitung „Gazete Merhaba“ weiterentwickelten. Neben den Informationen und der praktischen Lebenshilfe, war ein Anliegen dieser Zeitung, die Probleme im Verhältnis zwischen Deutschen und Türken aufzugreifen und für das gegenseitige Verständnis zu werben.

Ihr Ziel, Brücken der Verständigung zu bauen, haben sie auch mit Ihren Veröffentlichungen von Kommentaren und Glossen in mehreren deutschsprachigen Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten verfolgt.

Und auch Ihre Bemühungen bezüglich der Durchsetzung eines deutsch-türkischen Fernsehprojektes möchte ich hier erwähnen.

Sehr geehrter Herr Kavasoglu, Sie haben sich nicht nur als deutsch/türkischer Journalist, sondern auch als Schriftsteller einen Namen gemacht.

 

Ihre Bücher wurden in deutscher und türkischer Sprache verfasst und gehören in mehreren Bundesländern zum Unterrichtsmaterial an den Schulen.

In Ihren Essays und Geschichten, z. B. „Mein Großvater heißt Mustafa“, werden die Probleme und Schwierigkeiten türkischer Menschen mit sich selbst oder in den Familien dargestellt. Sie setzen sich aber ebenso mit den Bedingungen und den Menschen des Gastgeberlandes auseinander.

In Ihrem journalistisches und schriftstellerisches Schaffen, sehr geehrter Herr Kavasoglu, gelingt es Ihnen immer wieder Probleme so zu vermitteln, dass emanzipatorische Umdenkungsprozesse möglich werden.

Über Ihr Wirken lässt sich einiges lesen und auch zwei Abschlussarbeiten an Universitäten über ihr Leben und ihre Arbeit wurden verfasst.

Für die Beschreibung Ihrer Bücher und Artikel wurden immer wieder Worte wie Empfindsamkeit, Humanität, Toleranz und Gerechtigkeit verwendet.

Bei all Ihren Aktivitäten — ob als Publizist, Schriftsteller oder als Mentor der „Berlin Botschafter“ — war es Ihnen wichtig parteiunabhängig zu agieren und trotzdem haben Sie immer Partei ergriffen — für die Toleranz und das menschliche Miteinander.

Dies haben Sie auch mit Ihren Äußerungen und Forderungen bezüglich der Gettoisierung der zweiten Ausländergeneration oder dem Anwachsen des Rechtsextremismus in Deutschland deutlich gemacht.

Sie, sehr geehrter Herr Kavasoglu, haben immer versucht ein Mittler zwischen der türkischen und deutschen Bevölkerung zu sein. Seit über drei Jahrzehnten gehören Sie zu den Pionieren der deutsch-türkischen Verständigung in Berlin.

Ich danke Ihnen für Ihr Engagement, Ihren Einsatz und freue mich, dass ich Ihnen jetzt die Verdienstmedaille aushändigen darf.

Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Kopftuch

Hallo, ich bin das Kopftuch. Sie haben mich doch sofort erkannt? Was, nicht? Erstaunlich … Welche Ignoranz, mich, das bekannteste Stück Stoff der Welt, nicht zu kennen!

Mein Name ist Kopftuch. Mein Ruhm reicht in alle Länder der Welt. In Berlin bedecke ich den Kopf eines achtjährigen Mädchens mit heller Haut und schönen Augen. In Indien schütze ich die Ehre einer Mutter mit neun Kindern. Auf den berühmtesten Straßen der europäischen Metropolen kann man jederzeit Frauen begegnen, die mich um den Kopf gebunden haben.

So viel Ehre zieht natürlich auch Neider und Feinde an. In manchen Ländern wurde an höchsten Gerichten beschlossen, mich zu verbieten. Offiziere putschen, Intrigen werden gesponnen — nur, damit ich keinen Zugang zu Schulen finde, denn sie können meinen Erfolg nicht ertragen.

Ich habe auch Konkurrenten: Handtuch, Tischtuch, Taschentuch, Halstuch und natürlich auch das Betttuch. Schon das Wort Betttuch auszusprechen, treibt mir die Schamesröte ins Gesicht. Also das Betttuch, unter dem die Heiden Schamlosigkeiten begehen. Dagegen zu putschen, fällt keiner Armee ein, aber wenn es um mich geht, schreckt niemand vor einer Missetat zurück. Warum? Weil ich überaus erfolgreich bin! Seit Tausenden von Jahren ist es niemandem gelungen, mich abzuschaffen — allen Listigkeiten zum Trotz.

Auf Fernsehschirmen und in Zeitungen bewege ich mich unter den wichtigsten Meldungen. Schriftsteller schreiben Bücher über mich. An Hochschulen werden Versammlungen wegen mir abgehalten — immer sind alle gegen mich. Noch nie hat jemand die Idee gehabt mich zu fragen, warum die Frauen mich so sehr lieben. Ich hätte es ihm erzählt.

Wie bitte? Sie fragen?

Also, gut. Ich will es erzählen. Aber sehr vertraulich:

Eigentlich lieben mich nicht die Frauen, sondern die Männer. Warum lieben sie mich? Weil ich die Frauen in ihre Häuser einschließe. Ich hindere sie am Denken. Ich bedecke ihre Gehirne. Ich schütze sie vor schlechten Gedanken …

Wo ich gerade vom Bedecken der Gehirne spreche, fällt mir etwas ein: Wie viele meinesgleichen sind schon da gewesen? Kommunismus, Faschismus — auch sie wollten den Menschen helfen. Sie versuchten, alles in Formen zu pressen und zu verhindern, dass die Gehirne funktionierten. Wie lange haben sie sich denn halten können? Alle sind verschwunden. Aber ich? Ich habe immer überlebt! Ich lebe ... Es gibt Frauen, die nennen sich Feministinnen. Wissen Sie, was die behaupten? Dass die Frauen Menschen seien. Ha, ha, ha! Das können sie ihrer Großmutter erzählen. Die Frau ist der Teufel! Ich helfe den Männern nur. Wenn die Frau zu denken anfängt, geht die Welt unter! Es gibt auch Frauen, die mich ablehnen wollen. Sie werden ihre Strafe bekommen. Auf welche Weise, fragen Sie?

Eines Tages ging ein Mädchen mit mir in die Sauna, in einem entlegenen Bezirk ihrer Stadt, wo sie nicht erkannt würde. Oh Gott! Ich bin vor Scham fast gestorben. Das Mädchen nahm mich von ihrem Kopf herunter und zog sich nackt aus — wie die anderen. Das musste die Hölle gewesen sein. Sie hätten es sehen sollen, wie glücklich das Mädchen war. Rosen erblühten in ihrem Gesicht. Sie stieg ins Becken, sie sprach mit nackten Männern in der Sauna ... Wissen Sie, was geschah? Plötzlich sah das Mädchen in der anderen Kabine der Sauna ihren Vater. Wie eine Wahnsinnige stürmte sie hinaus. Ihr sprang fast das Herz aus der Brust, sie glaubte sterben zu müssen. Sie zog sich eilig an, setzte mich auf ihrem Kopf zurecht und begab sich rasch nach Hause. Ein Glück, dass ihr Vater sie nicht gesehen hatte, sonst hätte er sie umgebracht! Von dem Tag an beging das Mädchen nie wieder einen solchen Fehler ...

Sehen Sie? Sie haben gefragt, und ich habe erzählt. Sie wollen mich nicht kennen? Wie Sie wollen. Sie verziehen das Gesicht, wenn Sie mich sehen? Es berührt mich überhaupt nicht.

Haben Sie mich jetzt erkannt?

Mein Name ist Kopftuch.

Die berühmteste Hirnbedeckung der Welt: KOPFTUCH!

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