Buch lesen: «Feines Halsringreiten»

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Gestaltung und Satz: Crystal Verlag, Wentorf

Titelfoto: Marianne Lins

Fotos im Innenteil: Marianne Lins, wenn nicht anders angegeben

Lektorat: Alessandra Kreibaum

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

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ISBN: 978-3-95847-010-1

INHALT
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Voraussetzungen
Beim Reiter
Beim Pferd
Die Verständigung
Positive Verstärkung
Clickertraining
Lobwort
Druck nachlassen
Die Ausrüstung
Halsring
Sattel
Fellsattel
Clicker
Leckerlis
Gerte
Der Sitz
Gewichtsverlagerung
Körperhaltung
Schenkel
Handhaltung
Bahnfiguren
Gebogene Linien
Handwechsel
Freie Geraden
Seitengänge
Schulterherein
Travers
Traversale
Renvers
Versammlung
Pirouette
Piaffe
Fliegender Galoppwechsel
Zirzensische Lektionen
Spanischer Schritt
Kompliment
Podest
Schlusswort
Register



EINLEITUNG

Reiten und nur ein Halsring als Zäumung: Es ist eine schöne Vorstellung, so mit dem Pferd einig zu sein − und ein tolles Ziel. Ziel ist die richtige Bezeichnung, denn ich wünsche mir, jede sonst mögliche Lektion statt mit einer anderen Zäumung auch nur mit Halsring reiten zu können. Es geht nicht darum, mit einem Halsring von A nach B zu gelangen, sondern darum, wie man von A nach B gelangt. Die Hilfen werden immer mehr verfeinert und reduziert, sodass auch komplizierte Lektionen, nur mit einem Halsring geritten, möglich werden. In diesem Buch habe ich die Gelegenheit genutzt, viele Lektionen, die Hilfengebung und die verschiedenen Herangehensweisen genau zu beschreiben. Es geht inhaltlich nicht nur um das Reiten mit dem Halsring, sondern auch um das Erlernen einer Lektion. Damit möchte ich die Grundlagen schaffen, um die Lektionen später auch mit Halsring reiten zu können. Der Halsring zeigt, wie gut alle anderen Hilfen ankommen, wie präzise sie gegeben werden. Es ist ein guter Beweis für zügelunabhängiges Reiten. Bei den Zirkuslektionen wird deutlich, ob das Pferd gern mitarbeiten möchte. Wäre das nicht der Fall, wäre schon das Erlernen sehr schwierig oder unmöglich. Es kommt also auf eine sehr stabile Grundlage an, bevor eine Lektion mit Halsring abrufbar wird – egal, ob es sich um eine gerittene oder zirzensische Lektion handelt. Darum habe ich hier viel Wert auf die detaillierte Anleitung zu den einzelnen Übungen gelegt. Erst wenn eine Lektion sicher erlernt wurde, kommt der Halsring ins Spiel. Wenn alles gut vorbereitet wurde, ist das die kleinste Hürde. Das Buch soll eine wirkliche Hilfestellung für das feine Reiten mit dem Halsring bieten.

Auch wenn man jetzt vielleicht Lust bekommen hat, mit dem Halsring ins Gelände zu reiten, sollte das Pferd immer auch eine Zäumung tragen. Man kann nie wissen …

EIN SCHEMA FÜR DIE HILFEN

Wenn ich später auf die einzelnen Lektionen genau eingehe, werde ich sie, wenn möglich, nach einem gleichbleibenden Schema beschreiben. So möchte ich erreichen, dass alles gut nachvollziehbar ist und zum Nachmachen einlädt. Dieses Schema taucht immer am Ende jeder Lektion auf und soll diese nochmals in Stichworten kurz zusammenfassen:

• Sinn und Zweck

• Gewichtshilfen

• Körperhaltung

• Schenkelhilfen

• Zügelhilfen

• Halsringhaltung

• Der beste Moment


DIE VORAUSSETZUNGEN
Beim Reiter

Der Reiter braucht den sogenannten zügelunabhängigen Sitz. Auch beim Reiten mit einer Zäumung sollte er schon in der Lage sein, dem Pferd die meisten Hilfen durch seinen Sitz zu vermitteln. Ein gutes Gleichgewicht und ein ausbalancierter Sitz ermöglichen eine präzise, dem Pferd verständliche Hilfengebung. Je genauer der Reiter die Hilfen gibt, desto feiner können sie sein. Die Bewegungen des Reiters haben eine Bedeutung für das Pferd, wobei es je nach Kontext sehr gut zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden kann. Jede Bewegung des Reiters wird zu einer Hilfe für das Pferd. Die Schenkel sollen ruhig liegen, der Körper soll in der Balance sein, die Hände werden ruhig getragen.


Ein zügelunabhängiger Sitz ist sehr wichtig.

In dieser Ruhe liegt auch ein Grundsatz meiner Reitweise. Die Hilfen werden als Signale gegeben. Jede Veränderung bedeutet etwas und erfordert eine Reaktion des Pferdes. Dabei sind die Hilfen immer so schwach wie möglich, aber so stark wie nötig. Keine Hilfe wird prophylaktisch immer weitergegeben, wenn nichts verändert werden soll. So lernt das Pferd, möglichst selbstständig mitzuarbeiten. Der Reiter muss diese Bereitschaft des Pferdes nur noch in die richtigen Bahnen lenken. Das kann zu einer sehr harmonischen Zusammenarbeit führen.


Wenn die Hilfen fein genug sind …

Übrigens sind alle Arbeitsreitweisen Signalreitweisen. Das spricht dafür, dass es sich um schonende Reitweisen für Pferd und Reiter handelt.

Außerdem sollte sich der Reiter wohlfühlen, wenn das Pferd irgendwann nur den Halsring trägt. Auch dieser Aspekt ist zu beachten. Es kann zunächst etwas Überwindung kosten, nur mit einem Halsring loszureiten. Wahrscheinlich wird aber nur derjenige Reiter auf diese Idee kommen, der bereits das entsprechende Gefühl für sein Pferd hat.

Beim Pferd

Jede Lektion, die ich mit meinem Pferd mit Halsring reiten möchte, sollte es bereits mit einer anderen Zäumung erlernt haben. Je mehr das Pferd bereits kann, desto mehr kann ich auch mit Halsring abrufen.


… ist die Piaffe auch ohne Zäumung möglich.

Außerdem ist es sehr hilfreich, wenn sich das Pferd immer am losen Zügel reiten lassen würde, ohne wegrennen zu wollen

Wenn das Pferd leicht nervös ist, kann aber ein Halsring auch dabei helfen, das Pferd ein wenig zu entspannen.

Ein ähnliches Prinzip wendet Linda Tellington-Jones bei der Verwendung eines Balancezügels an. Auch dieser Zügel wird um den Hals des Pferdes gelegt und wirkt dort mit leichtem Druck wie der Halsring. Pferde fühlen sich oft umso wohler, je weniger man auf ihren Kopf einwirkt.

Sicherheit geht trotzdem immer vor. Auf eine Zäumung sollte erst verzichtet werden, wenn man sich den Reaktionen des Pferdes schon sehr sicher ist.

Ein zusätzliches Paar Zügel, die schnell aufgenommen werden könnten, lassen den Reiter häufig doch entspannter und dadurch besser mit der Situation umgehen. Das ist die sichere Variante.


DIE VERSTÄNDIGUNG

Für das Reiten mit Halsring ist die Kooperationsbereitschaft des Pferdes sehr wichtig. Entscheidend dafür sind die Möglichkeiten des Reiters, sich verständlich zu machen. Das Pferd muss verstehen können, was von ihm erwartet wird. Ich will es nicht zu einer Lektion zwingen − was mit dem Halsring auch nicht möglich ist. Es handelt sich vielmehr um eine freiwillige Mitarbeit.




Die Trensenzügel bleiben locker und werden nur im Zweifelsfall benutzt: im Schritt (1), Trab (2) oder Galopp (3).


Ein kleiner Impuls mit dem Zügel unterstützt den Halsring.

Jetzt erfährt der Reiter, wie klar seine Hilfen sind und wie gut das Pferd ihn versteht. Die positive Verstärkung ist das Mittel der Wahl, um sich mit dem Pferd freundlich verständigen zu können. Da dieses Prinzip für mich sehr große Bedeutung hat, möchte ich an dieser Stelle genauer darauf eingehen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, reite ich anfangs mit einer zusätzlichen Zäumung, deren Zügel ich locker in der Hand habe. Damit könnte ich die Bedeutung der Hilfen unterstützen, falls sie nicht sofort klar und verständlich sein sollten.

Die Trensenzügel bleiben locker und werden nur im Zweifelsfall benutzt: im Schritt, Trab oder Galopp.

Positive Verstärkung

Es ist für das Pferd immer sehr gut verständlich, das jeweils Richtige zu loben und dadurch zu verstärken. Dieses Prinzip wird positive Verstärkung genannt. So bekommt das Pferd Informationen, wie es sich verhalten soll. Das Gegenteil dazu wäre, ungewolltes Verhalten zu verhindern. Dann fehlt allerdings die Information, was richtig ist. Die Motivation, etwas zu versuchen, wird sehr gering, wenn das Lob ausbleibt.

Noch extremer wäre es, ungewünschtes Verhalten zu bestrafen. Das tötet den letzten Funken Motivation beim Suchen nach der richtigen Lösung. Beim Reiten mit Halsring brauche ich ein motiviertes Pferd, das gern mitmacht und versucht, die richtigen Lösungen zu finden. Aus meiner Sicht ist das ein sehr schöner Ansatz, der das Reiten mit Halsring so attraktiv und auch wertvoll macht.


Amber verwirft sich nicht, beide Ohren sind auf gleicher Höhe. Sie biegt sich gut nach links …


… und nach rechts. Amber reagiert gut beim Anlegen des Halsrings und wird gelobt …


… und belohnt.

Damit das Pferd gut auf den Halsring reagiert und sich selbstständig bei den kleinsten Hilfen biegt, lobe ich in dem Moment, wenn das Pferd dem leichten Druck nachgibt und mit dem Hals in die gewünschte Biegung schwenkt. Dabei reicht es bei diesem Prinzip nicht, nur den Druck wegzulassen, sondern das Pferd wird gelobt und belohnt.

Die Belohnung dient nicht dazu, das Pferd herumzulocken. Sie kommt erst ins Spiel, wenn sich das Pferd bereits gebogen hat. Die beiden Pferdeohren bleiben dabei auf gleicher Höhe zueinander. Andernfalls spricht man davon, dass das Pferd sich verwirft. Um sich dem Pferd gut verständlich zu machen, helfen ein paar wichtige Spielregeln weiter.

Clickertraining

Clickertraining basiert auf positiver Verstärkung. Über dieses Training könnte ich ein ganzes Buch schreiben und möchte hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Elemente geben: Clickertraining arbeitet mit einem sogenannten Sekundärverstärker, der den Primärverstärker, in den meisten Fällen Futter, ankündigt. Damit das Pferd das versteht, muss die Funktion des Clickers zunächst konditioniert werden, das heißt, das Pferd lernt:


Hier clickt der Reitlehrer das Pferd für die schöne Haltung.

Jeder Click kündigt eine Belohnung an. Bei dieser sogenannten klassischen Konditionierung muss das Pferd noch keine Bedingung erfüllen. Ist die positive Bedeutung des Clickergeräuschs etabliert – meist schon nach wenigen Minuten −, kann damit begonnen werden, ein bestimmtes Verhalten mit dem Clicker zu markieren, also zu loben, und danach zu belohnen.

Wird von dem Pferd ein bestimmtes Verhalten erwartet, bevor der Clicker ertönt, spricht man von operanter Konditionierung. Anfangs wählt man ein möglichst simples Verhalten aus, zum Beispiel das Senken des Kopfes. Jeder Ansatz zum Kopfsenken wird geclickt und belohnt. Die Anforderungen werden immer weiter gesteigert, sprich, der Kopf soll immer tiefer gesenkt werden, bevor es clickt. Hat man zu viel verlangt und das Pferd macht nicht mehr eifrig mit, sollte man die Anforderungen etwas zurücknehmen und wieder etwas früher loben. Die Übung kann dann mit einem guten Abschluss beendet werden.

Um den Clicker beim Reiten zu benutzen, würde ich immer zuerst vom Boden aus damit üben. Von dort können die meisten schneller reagieren als vom Pferd aus, und das Pferd merkt leichter, dass es belohnt werden soll. Sobald das Prinzip klar ist, kann man sein Pferd damit vertraut machen, genauso „von oben“ wie „von unten“ gelobt zu werden.

Der Clicker hat den Vorteil, dass man sehr punktgenau loben kann. Der Click erfolgt genau in dem Moment, in dem das richtige Verhalten gezeigt wird. Man spricht auch von dem Überbrückungssignal. Die Belohnung wird zwar im entscheidenden Moment angekündigt, aber dann bleibt noch kurz Zeit, bis sie erfolgen muss. Das Pferd weiß so genau, welches Verhalten gelobt wird, und hält inne, um die Belohnung zu empfangen. Das ist völlig in Ordnung, zu diesem Punkt wird es immer wieder gern kommen. Möchte man die Bewegung nicht unterbrechen, kann auch ein sogenanntes Keepgoing-Wort eingeführt werden. Das bedeutet, das Pferd ist auf dem richtigen Weg und soll mit dem fortfahren, was es gerade tut.

Daran sollte man sich aber erst herantrauen, wenn das Pferd das Prinzip Clickertraining verstanden hat und sicher weiß, dass es für jede gut bewältigte Anforderung am Ende gelobt und belohnt wird.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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