Aufgeben ist keine Option

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Eine Achterbahnfahrt ist gar nichts dagegen!

Collectmoments

Ich habe vor sehr kurzer Zeit Parkinson diagnostiziert bekommen. Der Neurologe meinte: Nur keine Panik jetzt, das bekommen wir schon für die nächsten 20 Jahre hin. Der hat (muss) leicht reden. Hat mich dann erst mal losgeschickt.

Ich habe zwar etwas geahnt, dennoch war das ein Gefühl wie ein K.O. beim Boxkampf. Wobei ich weder mal geboxt habe und deshalb auch noch nicht K.O. gegangen bin. Vielleicht passt deshalb besser der Vergleich einer Karussellfahrt in einem atemberaubenden Tempo in schwindelnder Höhe, wo jeden Moment der Sicherungsbügel vom Sitz aufgehen kann. Oder doch besser eine Fahrt durch die Geisterbahn mit lauter grässlichen Gestalten.

Ich versuche, nicht immer darüber zu grübeln. Aber meine Gedanken machen sich einfach selbstständig. Blöd, dass es da keinen Schalter gibt – ein – aus – ein. Das wäre eine Wohltat. Die düsteren Gedanken schleichen sich einfach von hinten an. Das Niederschreiben der Zeilen hilft etwas. Macht es nicht leichter, aber ein klein bisschen erträglicher. Möchte nur nicht in Depressionen verfallen. Wobei die sicher irgendwie immer mal wieder über mich herfallen wie tausend Mücken an einem Tümpel. Macht es gut bis zum nächsten Mal.

Erinnert ihr euch noch, wie die Welt riecht?

Kotti

Wo seid ihr nur geblieben,

ihr Gerüche dieser Welt?

Wie riechst du Rose, Tulpe oder all ihr Blüten weit und breit?

Wie riechst du wilde Blumenwiese oder gar du Tannenwald?

Wie riecht ihr Tiere, sei es Hund, Pferd oder Schwein?

Wie riechst du Frühlingswind, Sommerbrise, Herbststurm oder Winterhauch?

Wie rieche ich, ihr Menschen, oder gar du, meine liebe Frau?

All das ist schon so weit weg, dass ich mich kaum entsinnen mag.

Wo seid ihr nur geblieben, ihr Gerüche dieser Welt?

Genetisch oder nicht?

Dini

Die Diagnose steht. Parkinson oder doch etwas anderes?

Ein Gentest wird es klären. Die Entscheidung war nicht einfach, möchte man doch wissen, ob man ein genetisches Problem hat oder nicht. Und was ist dann mit dem eigenen Kind? Hat man etwas weitergegeben, was man niemandem wünscht?

So viele Zweifel waren auf einmal da.

„Warum habe ich ein Kind bekommen?”, das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf ging, als die Ärzte mir sagten, dass es ein genetisches Problem sein könnte. Was, wenn es tatsächlich so sein sollte? Das wollte ich doch nicht für mein Kind. Jeder von uns möchte doch nur das Beste für sein Kind, da gehören Krankheiten mit Bewegungsstörungen doch nicht hin.

Dann kamen die anderen Gedanken. Mein Parkinson ist anders, und vielleicht steckt auch noch was anderes dahinter, den Weg zur Klärung kann hoffentlich ein Gentest bringen.

Und was mein Kind anbelangt, konnte ich vorher nicht wissen, wohin mich mein gesundheitlicher Weg mal führen würde.

Auch war mir im Vorfeld nicht klar, dass Parkinson möglicherweise erblich ist. Und dass es noch so viele andere genetisch bedingte Krankheiten gibt, die man auch in Betracht ziehen muss.

Je länger ich über den Gentest nachdenke, umso mehr wird mir bewusst, dass er letztendlich uns allen dient.

Ich erfahre vielleicht, was mein Problem ist, und habe somit die Möglichkeit, Medikamente zu erhalten, die mir auch tatsächlich helfen. Des Weiteren kann man dann eventuell auch sagen, wo und wie der Weg weiter geht.

Das Wichtigste aber ist das Kind, denn eigentlich ist der Gentest auch für das Kind eine Hilfestellung für das weitere Leben.

Wenn ich daran denke, dass ich jahrelang von Arzt zu Arzt bin, nur um immer wieder die falschen Diagnosen zu bekommen…

Das ist etwas, was ich meinem Kind ersparen kann, denn die Ärzte wissen die Richtung und brauchen nicht lange zu suchen. Im Zweifelsfall kann man frühzeitig eingreifen und verliert nicht unnötig Zeit.

Denn jeder, der die Diagnose hat, weiß, dass die Probleme schon Jahre vorher da waren, sie hatten nur zu lange den falschen Namen.

Was mich anbelangt, bin ich froh, diesen Schritt gemacht zu haben und hoffe so, Antworten zu bekommen.

Und was meine Schuldgefühle gegenüber meinem Kind anbelangen, die sind weg.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Parkinson weitergegeben wird, liegt bei 50 %.

Es ist Ansichtssache, ob das Glas halb leer oder halb voll ist.

Und nun das Wichtigste. Wer will schon auf all die Glücksmomente verzichten? „Nur“ wegen eines höheren Krankheitsrisikos?

Also habe ich mich für die Aufklärung durch einen Gentest entschieden.

Und nun?

Nachdem ich nun drei Monate gewartet habe, ist das erste Ergebnis des Gentests da: keines der untersuchten Gene schließt auf MP. Trotz alledem hatte ich gehofft, dass sie etwas finden würden.

Scheinbar muss ich wieder einmal Geduld haben, mittlerweile bin ich ja darin geübt. Ob die Ärzte überhaupt etwas finden werden, steht auch noch in den Sternen. Das Wichtigste für mich ist allerdings, dass sie mich nicht so schnell aufgeben. Diese andauernden Wirkungsschwankungen sind schon eine Herausforderung. Aber aufgeben ist auch jetzt keine Option.

Nach 22 Jahren, mit Tremor als Begleiter, sieht man die Dinge durchaus gelassener. Und es gibt ja noch genug Optionen, die in Frage kommen. Eine der wichtigsten ist da natürlich die THS, ein sehr umstrittenes Thema, das die Gemeinschaft in zwei Lager spaltet. Was mich anbelangt, kann ich nur sagen: Es ist eine Option. Seltsamerweise – sobald ich über THS nachdenke, gilt der erste Gedanke meinen Haaren. Solange ich mir also noch Sorgen mache um den kurzzeitigen Verlust meiner Haare, kann die THS so wichtig für mich ja noch nicht sein. Und ja, sie würde meinem Tremor bestimmt helfen, aber der Tremor ist gar nicht mein Problem. Es wäre nach so viel Jahren wahrscheinlich sogar ungewohnt für mich, wenn er weg wäre. Ich müsste ja alle automatisierten Dinge im Alltag wieder neu erlernen. Vielmehr ist mein Tremor seltsamerweise ein Problem der Anderen. Ich kann damit leben, die Gesellschaft hat da eher ihre Probleme mit meinem Tremor.

Stellt euch mal vor, wie schön es wäre, unserem Gegenüber die Chance zu geben, sich so zu geben wie er ist und alle würden das in vollem Maße akzeptieren.

Das schwarze Loch

Dini

Immer positiv denken, glücklich sein trotz Parkinson, das war der Plan.

Das gelingt aber auch nicht immer. Es gibt Tage wie heute, an denen einfach alles nicht mehr auszuhalten ist. Die Schmerzen, die Krämpfe, der Tremor und die gefühlten 1000 Nebenwirkungen. Es ist, als ob man in ein schwarzes Loch fällt. Man versucht, sich mit aller Kraft festzuhalten, aber dann kommt wieder ein Tag wie heute, an dem der Absturz unaufhaltsam ist.

Mehrfach am Tag diese OFF–Situation ist kaum zu ertragen. Ich hatte mich immer wieder gefragt, wie sich ein OFF wohl anfühlen würde? Mittlerweile weiß ich es. Es ist etwas, worauf ich gerne verzichten könnte.

Wenn ich heute gefragt werde, wie mein OFF so ist, dann ist meine Antwort: so stelle ich mir einen Entzug vor, die innere Unruhe und mein Tremor, der sich nicht nur nach außen zeigt, fängt nun auch in mir an zu zittern. Ich bin nicht mehr richtig in der Lage, Herr über meinen Körper zu sein.

Das ist mein OFF.

Und ich bin wirklich froh, dass die Pillen mich da wieder rausholen. Dann liege ich schlaflos im Bett bis drei Uhr morgens, und um sechs beginnt der Tag wieder von vorne. Was soll ich sagen, schlaflos durch die Nacht.

Auch das ist ein Teil von Parkinson, er gehört scheinbar dazu. Diese Tage, an denen ich mich frage, wie ein Mensch das alles ertragen soll. Mit der Diagnose verändert sich halt so Einiges.

Parkinson nimmt auch Einiges, mein Auto ist wohl ein Tribut. Oft bin ich nicht in der Lage, zu fahren und wenn, dann nur sehr kurze Strecken. Die Nebenwirkungen der Medikamente lassen bei mir auch nicht mehr zu.

Man sollte positiv bleiben, die Hoffnung nicht aufgeben und schon gar nicht aufhören zu kämpfen, aber man darf auch mal sagen, heute ist ein Sch….Tag.

Ich denke, jeder hat das Recht auch mal Schwäche zu zeigen, aber es erfordert viel Stärke und Mut.

Ich bleibe heute einfach mal im Keller und morgen komm ich wieder rauf…….

Einmal noch, bitte!

Bika

Manchmal denke ich zurück, wann fing es an mit den Einschränkungen?

Wann war es, als die Welt noch in Ordnung war?

Wann war es, als ich noch schnell dem Bus hinterher lief?

Wann war es, als ich ausgeschlafen morgens aus dem Bett sprang?

Wann war es, als ich noch spontan meine Freizeit gestalten konnte?

Wann war es, als ich meine Inliner herausholte und versuchte, den Frühling zu fangen?

Wann war es, als eine Aktivität die andere jagte, damals als Reiseleiterin den Frühsport organisierte….

Als ich mit meinen Kindern auf der Erde herumkroch,

als ich den Ball beim Squash an die Wände knallte,

als ich tanzte, bis der Saal sich leerte und als vieles mehr noch in meinem Alltag passierte,

wann war das?

Es erscheint mir wie aus einem anderen Leben, so lange her.

Einmal noch bitte, ja nur einmal würde ich gern eine Nacht durchtanzen oder mich mit meinen Enkeln auf der Erde rumrangeln, in meinem Gärtchen auf die Knie fallen oder stundenlang an der Elbe spazieren gehen, wo die Schiffe, die Boote, die Menschen Groß und Klein, sowie die Hunde an einem vorüberziehen.

 

Ja, jetzt werde ich sentimental, seht es mir nach, manchmal habt ihr sicher auch einen solchen Tag.

Manche Wünsche gehen halt nicht in Erfüllung und so versuche ich dankbar zu sein für jede Kleinigkeit, die ich noch kann und da kommt glücklicherweise noch Einiges zusammen!

Parkinson, wie es sich anfühlt

Josie

Nein, man kann nicht beschreiben, wie es sich anfühlt mit Parkinson… mit den Schmerzen, den körperlichen und den seelischen… mit dem schleichenden Kontrollverlust über den eigenen Körper und die motorischen Fähigkeiten… mit dem Gefühl, der Krankheit ausgeliefert und von den Medikamenten abhängig zu sein… mit der Unsicherheit, sich in Gesellschaft zu bewegen… mit dem Wissen, dass man sich verändert hat. Elf Jahre nach der Diagnose fällt es mir immer noch schwer, die Krankheit zu akzeptieren. Manchmal bin ich wütend und ungeduldig mit mir, wenn mir einfachste Handgriffe nicht gelingen wollen, wenn ich völlig energielos bin und nicht schaffe, was ich mir vorgenommen habe. Oder wenn ich wie aus heiterem Himmel einfach stürze, was abgesehen von den schmerzhaften blauen Flecken auch ziemlich am Ego nagt.

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich es einigermaßen geschafft habe, mich tagsüber einfach mal ohne schlechtes Gewissen auf die Couch zu legen und auszuruhen vom vermeintlich doch noch gar nichts getan zu haben… aber irgendwie ist der Körper ja die ganze Zeit in Bewegung und es ist so wahnsinnig anstrengend, wenn jeder Muskel und jede Faser fast ständig unter Spannung stehen – gerade so, als würde man sich um sich selber wickeln. Wie unbeschreiblich schön sind diese seltenen Momente, wenn man ganz und gar entspannt ist.

Manchmal versuche ich mich zu erinnern, wie es war, bevor Alf (diesen Namen habe ich meinem Parkinson gegeben, weil er wie ein Außerirdischer einfach Besitz von meinem Körper genommen hat) in mein Leben kam, aber ich weiß nicht mehr, wie es sich angefühlt hat, „normal” zu sein und manchmal bedauere ich es, dass ich dieses Normalsein als so selbstverständlich angesehen habe.

Das Leben mit Parkinson kostet unglaublich viel Kraft und manchmal geht sie mir auch aus – aber wir haben gar keine andere Wahl als zu kämpfen, jeden Tag auf’s Neue, denn die Alternative wäre, sich aufzugeben und dazu bin ich noch nicht bereit.

Schuhe machen glücklich! Es gibt wohl kaum eine Frau, die dem widersprechen würde und schon ganz kleine Mädchen wissen das, wenn sie in den Schuhen ihrer Mamis herumstolzieren. Schuhe machen glücklich! Und sie betonen unsere Weiblichkeit, senden Signale, machen sexy.

Parkinson ändert vieles, auch das. Wir taumeln und stolpern und stürzen und tauschen schließlich schweren Herzens unsere High Heels gegen Schuhe, die bequem und praktisch sind, die uns ein wenig sichereren Halt, aber auch gleichzeitig die schmerzhafte Gewissheit geben, dass nichts mehr so ist, wie es war und auch nie mehr so sein wird.

Von meinen High Heels habe ich mich nach zähem innerem Ringen inzwischen getrennt und sie in die Kleiderspende gegeben. Vielleicht machen sie ja jetzt jemand anderen glücklich!

Ich bin leise geworden. Bis Alf in mein Leben kam, hatte ich eine wohlklingende Stimme.

Parkinson hat 1000 Gesichter

Dini

1000 Gesichter. das ist wohl Parkinson. Keiner ist wie der andere und kaum einer kann sich vorstellen, was alles dazu gehört. Um ehrlich zu sein, das hat auch bei mir etwas länger gebraucht, bis ich das verstanden habe. Dann erkläre ich euch doch mal gerne, was mich so alles plagt, beziehungsweise neu dazu gekommen ist.

Rückwirkend betrachtet, hat es bei mir vor acht Jahren angefangen, das mit den Ängsten. In meinem Fall die „Autobahn”. Es gab keinen Vorfall, nix dergleichen, ich hatte einfach nur Angst, von jetzt auf gleich. Ich bin von dem Tag an als Autofahrerin nicht mehr auf der Autobahn gefahren.

Ich bin der tremordominante Typ, das Zittern ist also mein Hauptsymptom. Aber leider war das noch lange nicht alles. Was dazu gekommen ist, macht mich stellenweise schon sehr mürbe. Ich habe Schlafprobleme. Sehr oft schaffe ich es nur drei Stunden in der Nacht zu schlafen. Tagsüber hat das natürlich zur Folge, dass ich mit Müdigkeit, Sekundenschlaf und Konzentrationsschwächen zu kämpfen habe.

Die Medikamente lösen bei mir oft Übelkeit aus. Seit der Diagnose sind somit schon einige Kilos runter. Dann die Krämpfe in beiden Händen und die Schmerzen. Meine Hände sind oft einfach nur steif. Mit der Steifigkeit kämpfe ich linksseitig. Beim Autofahren zum Beispiel, was mittlerweile kaum noch möglich ist. Ich fahre maximal eine Strecke von 15 Minuten. Mehr geht nicht und wäre auch unverantwortlich. Ich habe mit der Kupplung Probleme und bekomme den Fuß zu langsam hoch oder gar nicht. Das Anfahren sieht bei mir aus wie bei einem Fahranfänger. Eigentlich wäre es am sinnvollsten, das Auto abzugeben. Das ist aber für mich wie das letzte bisschen Freiheit herzugeben. Soweit bin ich noch nicht.

Mein Blutdruck ist -wahrscheinlich durch die Medikamente- sehr niedrig. Das hat den Vorteil, dass ich mittlerweile sehr entspannt bin. Früher war ich definitiv gestresster! Der Nachteil ist, dass ich mit Schwindel zu kämpfen habe.

Dann sind da noch meine Augen. Mit 30 Jahren habe ich eine Brille erhalten, mit 36 Jahren dann die Lesebrille. Aber leider ist es auch dabei nicht geblieben. Ich habe nun Prisma Folien zum Testen erhalten, da ich Doppelbilder habe und Augenlidkrämpfe. Die Lichtempfindlichkeit wird auch nicht weniger.

Nun kommen noch Konzentration und Merkfähigkeit dazu. Ohne meinen Terminplaner geht inzwischen nix mehr. Dazu kommt, dass ich immer öfter Dinge vergesse, z.B Telefonnummern, PINs oder Passwörter. Zum Schluss kommt dann noch die OFF-Situationen hinzu, mein persönlicher Albtraum. Aber dazu hatte ich ja bereits geschrieben.

So, und warum schreibe ich euch das? Ich möchte darauf aufmerksam machen, was Parkinson alles mit sich bringt. Kaum jemand weiß, dass man da nicht nur zittert. Die Symptome sind vielfältiger. Die Medikamente helfen, wenn sie gut und richtig eingestellt sind. Allerdings ist es ein Tauschgeschäft. Man tauscht Symptom gegen Nebenwirkung, man entscheidet sich einfach für das ertragbarere Übel. Oft gehen die Leute davon aus, dass nur das Zittern mein Parkinson ist. Hiermit will ich einfach sagen: „Nein, das ist nicht so.”

Und glaubt mir, die anderen können noch viel mehr aufzählen. Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit versteht, was Parkinson alles mit sich bringen kann!

Das zeigt, wie stark jede*r von uns ist. Jede*r ist ein Kämpfer, denn das alles Tag ein, Tag aus mitzumachen und trotzdem mit einem Lächeln durch die Welt zu gehen, schafft leider nicht jede*r. Ich bekomme das sehr gut hin, denn ich mache immer aus allem das Beste. Das war schon immer so und das wird auch so bleiben.

Und nein, Parkinson ist aktuell noch nicht heilbar, aber es gibt ja genug Wissenschaftler, die daran arbeiten. Da setze ich jetzt einfach mal all meine Hoffnungen rein.

Und ja, es gibt Medikamente, die sollen die Symptome lindern und ich sag euch was, ich wüsste nicht, was ich ohne die Pillen machen würde.

In diesem Sinne, wenn wir mal nicht so können, wie wir wollen, dann ist das keine Absicht. Wir können nur nicht immer so, wie wir gerne hätten.

Gedanken in einer schlaflosen Nacht

May

Was machen Parkies, wenn die Nacht zum Tag wird? Na tanzen, was sonst?

Ich hätte nie gedacht, dass ich den Walzer und die Grundschritte vom Tango ausgerechnet zwischen ein und drei Uhr nachts lernen würde. Aber so ist das unter Parkies, warum sollten wir Dinge auf den nächsten Tag schieben, wenn es in der Nacht genauso gut geht?

„Bist du auch nicht müde?“

„Nö“

„Dann lasst uns tanzen!“

Mit müden Füßen von der Tulip Gala (und den mörderischen roten Schuhen), stand ich nachts vor der Tür von Ulli und klingelte zaghaft. Schließlich war es ein Uhr in der Früh. „Ich komme“ brüllte es durch das Haus und etwas später machte er mir auf. Er war im OFF, hatte tagsüber die Tabletten falsch genommen und kam deshalb kaum von der Stelle, als er mich ins Wohnzimmer führte. „Moment, ich muss dir was zeigen“ sagte er, stellte laute Marschmusik an und marschierte in einem Affenzahn durch das Zimmer, als wäre er nie im Leben dem Parkinson begegnet, geschweige denn gerade eben im OFF gewesen. Und so kam es, dass mir Ulli in der Nacht ein paar Tanzschritte beibrachte. Sobald die Musik aus war, fiel er sofort wieder ins OFF – als würde sich ein Schalter umlegen.

Wieso reagieren wir sofort auf diese Impulse, fragte ich mich. Und warum ist ausgerechnet Tango so anders als andere Tanz- oder Bewegungsformen? Ich fing an zu recherchieren und wurde tatsächlich relativ schnell fündig:

Es ist schon seit einigen Jahren bekannt, dass Tanzen einen besonders positiven Einfluss auf den Parkinson hat. Inzwischen gibt es verschiedenste Studien, die den therapeutischen Effekt von Musik und Tanz auf Menschen mit Parkinson differenzierter untersucht haben. Der Tango wurde dabei als Königsdisziplin entdeckt, denn die ausgeprägten Unterbrechungen in der Schrittfolge, die schnellen Richtungswechsel und die Verlagerung des Gleichgewichts von einem Bein auf das andere fordern das Gefühl für Rhythmus und Koordination besonders stark heraus. Und an genau diesen beiden Punkten hakt es typischerweise bei den Erkrankten.

Wenn man im OFF ist und sich nicht mehr fortbewegen kann, dann liegt es daran, dass ausgerechnet die Bewegungen, die wir automatisch ausführen, wie zum Beispiel das Laufen, nicht mehr so gut vom Gehirn aus gesteuert werden können. Wir müssen also das Bewegungsmuster des Laufens wieder lernen und das erreichen wir, indem wir die Bewegungen bewusst durchführen. Dabei können Musik und klare Schrittfolgen sehr gut helfen. Denn sie setzen Impulse und geben den Rhythmus vor, die wir brauchen, um in die gleichmäßige Bewegung zu kommen und darin zu bleiben.

Nach dieser durchtanzten Nacht wurde mir einmal mehr wieder bewusst, wie schwer es sein wird, den Parkinson in Schach zu halten, je weiter er fortschreitet. Wie wichtig es jetzt schon ist, konstant in der Bewegung zu bleiben und jede Herausforderung anzunehmen und zu meistern. Umso wichtiger wird es dann in späteren Jahren mit zunehmender Bewegungslosigkeit sein, das Laufen und Tanzen zur obersten Priorität zu machen und damit die Beweglichkeit zu bewahren, so lange es geht. Und einmal mehr bin ich glücklich darüber, heute meine Leidenschaft und Freude beim Tanzen mit anderen teilen zu können.

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