Der Kater

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Mirko Krumbach

Der Kater

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Kater

Impressum neobooks

Der Kater

Ein großes Ärgernis!

Frau K. war aufgebracht, und nichts vermochte sie im Augenblick milde zu stimmen. Der Groll saß fest und musste, sollte er alsbald weichen, angemessen bedient werden - wenn nötig mit ein paar deftigen Ausdrücken.

Dabei mochte die Endfünfzigerin Katzen, ja doch. Überhaupt liebte sie die Tiere, alle eigentlich, mit Ausnahme von Schlangen, die ließen ihr regelmäßig einen Schauder über den Rücken laufen. Aber sonst konnte sie sich mit fast jeder bekannten animalischen Kreatur auf Gottes Erdboden anfreunden. Hunde liebte sie besonders; Cocker Spaniel zumal. Vor Jahrzehnten besaß sie zwei; nacheinander wohl gemerkt. Doch die Geschichten gingen leider nicht gut aus. Beide Tiere starben lange vor ihrem natürlichen Ende. Ohne ihr Zutun freilich; einfach so - durch unglückliche Umstände. Insofern lässt sich denken, dass sie die bitteren Verluste längst wieder durch einen neuen Stubenfreund ersetzt hätte, wenn es allein nach ihrem Willen gegangen wäre. Doch da gab´s noch ihren Mann, und Herr K. war entschieden dagegen. Nicht etwa, weil er Haustiere rundweg ablehnte, nein, das nicht. Auch er war Tieren wohlgesinnt; nur legte er bei der Erkenntnis, dass sie zwar Freude ins Heim bringen, aber auch Arbeit und bei ihrem Ende eine Menge Leid, größeres Gewicht auf den zweiten Teil.

Folglich blieb der gemeinsame Haushalt ohne Tier, was Frau K. natürlich besonders bedrückte. Linden Ausgleich verschaffte sie sich durch die Gartenfütterung der heimischen Vogelschar im Winter sowie die gelegentliche Beobachtung der futtergierigen Piepmätze. Ferner fand sie Gefallen am regelmäßigen Verfolgen von TV-Sendungen, in denen meist Hunde und Katzen aus Tierheimen vorgestellt wurden, die auf diesem Wege an neue Herrchen oder Frauchen vermittelt werden sollten.

Wie gesagt, Frau K. war eine in der Wolle gefärbte Hundefreundin, und nur Gott allein wusste, wie gern sie so einen Fifi ihr Eigen genannt hätte. In ihrer Haustier-Not wäre selbst ein Kätzchen willkommen gewesen.

So sehr sie sich dergleichen auch wünschte, Nachbarskatzen waren ihr ein Gräuel, eine Last, ein wahres Ärgernis. Wenn diese sich heimlich, besonders des Nachts, in ihren Garten schlichen und dort auf Wegen und Beeten ihre Därme entleerten, konnte sie sich, sofern sie bei Begehungen auf die perfide Hinterlassenschaft stieß, rasch wild ereifern. Und dabei waren der oder die Übeltäter flugs benannt: Nachbars Katze zur linken beispielsweise, die grau gefleckte mit den weißen Pfötchen, die sich tagsüber so unnahbar gab, es aber faustdick hinter den Ohren zu haben schien, stand im dringenden Verdacht; Ebenso der Stubentiger zwei Häuser weiter befand sich ohnehin stets unter den Beschuldigten; obenan auf der Liste der Meistgesuchten rangierte jedoch der rotweiße Kater von gegenüber. Ein Schlitzohr ohnegleichen, dem alles zuzutrauen war. Man gucke ihn sich nur genau an, mit seinem kessen Flecken ums Ganovenschnäuzchen, wie er so gleichmütig auf Nachbars Fensterbank kauert und um morgendlichen Einlass bittet - dieser Pharisäer, der ist´s, ganz klar, da gibt´s kein Vertun.

Und so hörte man Frau K. abermals klagen: „Wenn ich die Mistviecher erwische, die können was erleben! Wenn ich nur wüsste, womit man die Biester vertreiben kann?“

„Was is´ denn bloß?“, tat ihr Mann ahnungslos, obgleich er längst wusste, was seine Gattin neuerlich beschwerte.

„Siehste das denn nicht? Haben mir doch schon wieder in den Garten geschissen, diese verdammten Katzen. Wenn ich die kriege! ... Ekelhaft das Ganze, bah!“, stieß sie angewidert aus, griff sich von irgendwo eine Zeitung und entsorgte die kätzische Hinterlassenschaft in der Kompostecke.

Unzählige Male wohl wiederholte sich dieses Schauspiel in etlichen Jahren - und niemals war den Nachbarskatzen auch nur das Geringste nachzuweisen. Keine wurde je bei ihrem schändlichen Treiben gesehen, geschweige denn in flagranti ertappt. Frau K. hielt, so sehr sie sich auch beinah detektivisch um Aufklärung bemühte, nach all der Zeit kein einziges belastbares Indiz in den Händen. Die kätzischen Westen blieben blütenweiß, erst recht die des besagten Nachbarkaters Balou, der nicht nur im bildhaften Sinne, sondern tatsächlich bei rotem Rückenfell ein weißes Bauchwestlein trug.

Die Jahre verflossen - an dem ungleichen Wettstreit zwischen Mensch und Tier, Weib und Katzen änderte sich indes nichts. Bisweilen knallte ein Händeklappen durch die Siedlung, wenn beispielsweise eines der Tiere beim taghellen Versuch erwischt wurde, ungefragt übers Grundstück zu marschieren. Der Anblick einer hurtig flüchtenden Katze, blieb auch schon der einzige Triumph, den Frau K. aus dem zähen Kampf mit dem Nachbarsviechern auf der Habenseite verbuchen konnte. Angesichts dessen musste selbst sie, die Tierfreundin, einsehen, dass auf diesem Wege wohl keine Genugtuung und schon gar kein endgültiger Sieg zu erringen war. Einer zufrieden stellenden Lösung war man in dieser Angelegenheit ferner denn je.

Es ändert sich etwas!

Doch nichts im Leben ist wirklich von Bestand. Alles wandelt und verändert sich. Uns Menschen ist diese Tatsache meist nicht bewusst, weil wir uns zu gern mit allerlei Gewohnheiten umgeben und dann daraus den Schluss ziehen, Unveränderlichkeit überwiege auf Erden. Mitnichten, das Leben ist ein immerwährender Prozess und sein innerer Antrieb die stete Wandlung ...

Im Nachbarhaus vis á vis, dem weiß verputzten, dem mit dem straßenseitigen Lattenzaun, dort also wo die Eheleute Z. und ihre zwei halbwüchsige Kinder ,Marc und Lea logierten, wo Kater Balou ein und aus ging, wo er, sofern man ihn hätte fragen können, quasi zu Hause war - just dorten gingen irgendwelche Veränderungen vor. Als Nachbarn spürte man das; hatten sozusagen einen sechsten Sinn dafür. Konkretes war indes schwer auszumachen. Ob es eine dauerhafte Trennung werden würde, oder nur mal eben der Haussegen schief hing, war nicht zu erkennen. Dafür reichte die Indizienlage einfach nicht aus. Insofern behalf man sich einstweilen mit Mutmaßungen oder Kombinationssinn.

Vaters Fahrzeug, ein Geländewagen, mit dem er seiner täglichen Arbeit als Vertreter für Hygieneartikel nachging, parkte des Nachts nicht mehr regelmäßig in der zum Haus gehörenden Einfahrt. Was durchaus ungewöhnlich war, doch auch einen harmlosen Anlass hätte haben können. Andererseits häuften sich seine Abwesenheiten, was wiederum misstrauisch machte. So blieb die Lage für Außenstehende eine kurze Spanne undurchsichtig.

Dann eine Beobachtung, die kaum noch Raum zur Deutung ließ: Er verlässt eilig das Haus, strebt seinem Fahrzeug zu, wirft zwei volle Reisetaschen in den Kofferraum, besteigt es darauf, sie folgt ihm, stellt ihn an der geöffneten Fahrertür zur Rede . Ein heftiger Wortwechsel folgt, ohne erkennbares Ergebnis, oder Einigung - gut zu beobachten das Ganze wegen der hellen Nachmittagsstunde und der räumlichen Nähe. Schließlich wird sie zur Seite gestoßen, der Schlag rumst ins Schloss und der Wagen braust davon...

Donnerlittchen, das sah wahrhaftig nicht gut aus, gab allen Anlass zur Beunruhigung, jedenfalls für Nachbarn, die einiges Interesse am Wohlergehen der jungen Familie hatten! So viel stand nun immerhin fest: Die Krise der Eheleute schien ernsthafter Natur zu sein ...

Fassen wir uns in diesem Punkt dennoch kurz, schon weil die nachbarliche Eheproblematik im Rahmen dieser Geschichte wohl eine ursächliche, aber keineswegs eine zentrale Rolle spielt. Um das Bild zu runden soll dennoch gesagt werden, dass sich obige Vermutungen als richtig erwiesen. In einem späteren Gespräch gab Frau Z. offen zu, dass ihr Mann untreu sei. Sie litt erkennbar unter seinem Verhalten, war fassungslos und fand keine vernünftige Erklärung dafür; beklagte indes vor allem, dass die gemeinsamen Kinder besonders verstört seien und das Verhalten ihres Papas überhaupt nicht verstehen könnten. Schulische Schwierigkeiten deuteten sich bereits bei beiden an. Insoweit war klar, dass es unter Nachbars Dachsparren gehörig knisterte.

Haustiere haben für solch atmosphärische Störungen der Menschenwelt einen besonders geschärften Sinn. Hunde beispielsweise klemmen in diesen Fällen ihre Schwänze zwischen die Hinterbeine, gehen aus der Schusslinie, verkriechen sich meist in geschützte Unterstände und üben dorten schon mal ihren speziellen Trauerblick, den nur ihre Art so vortrefflich beherrscht. Oder sie umschwänzeln ihre Herrchen/ Frauchen, als wollten sie um Gutwetter bitten und sie zum Einlenken bewegen.

Katzen hingegen, die sich bekanntlich mehr einem Haus als den darin befindlichen Menschen zugehörig fühlen, spüren die Veränderung nicht minder, reagieren aber völlig anders. Hält die „dicke Luft“ nämlich an, wallt womöglich über Wochen und Monate, beginnen sie sich umzuorientieren. Allmählich kehren sie dem unbequemen Domizil den Rücken und suchen sich eine neue Bleibe. Vorausgesetzt sie sind Draußenkatzen, kennen sich in ihrem Beritt bestens aus und haben bereits mit dem ein oder anderen Menschenkandidaten gelegentlich Fühlung aufgenommen.

Balou, Z.s Rotfell, war so ein Vertreter. Mit der Außenwelt hatte er einen Pakt. Kaum im neuen Zuhause Fuß gefasst, strebte er schon, sobald als möglich, ins Freie. Streunte umher, markierte katertypisch sein Revier, besuchte die darin wohnenden Katzendamen und stellte sich tapfer den fauchenden Händeln mit immer wieder aufkreuzenden Nebenbuhlern - und das, obwohl er nicht einmal ein veritabler Vertreter seines Geschlechts war. Wahrhaftig nicht, Balou ermangelte es deutlich sichtbar an den wesentlichen Merkmalen eines Siegerkaters - wie beispielsweise einem kräftigen Leib, einem mächtigen Kopf oder wenigstens einem grimmigen Blick. Seine Erscheinung flößte wahrlich keinen Respekt ein und einjeder, der um eine Einschätzung gebeten wurde, hielt ihn eher für ein Katzenweib.

 

Ungeachtet dessen beherrschte er in schönster Allgegenwärtigkeit die offenen und einsehbaren Flächen rund um nachbars Häuser, Gärten und Wege. Stets erblickte man ihn tagsüber irgendwo - balancierend auf einem Türpfosten, hockend und hinternwärmend auf der noch betriebswarmen Motorhaube eines abgestellten Fahrzeugs, hingekuschelt auf der Küchenfensterbank seines Heims, scheinbar ziellos umherschnürend oder einfach mal auf den Gehweg hingefläzt und alle viere von sich gestreckt, so als sei jegliches Leben aus ihm gewichen. Er war in gewisser Weise ein Clown, ein kätzischer Lebenskünstler, der nicht nur seinen Beritt sondern auch sein Leben im Griff zu haben schien. Was hätte ihn schon aus der Bahn werfen können?

Na ja, die Veränderungen in seinem Stammhaus gingen auch an ihm nicht spurlos vorüber. Sie einfach wegzustecken, war nicht mehr möglich. Schließlich galt es nicht nur die atmosphärischen Störungen zu ertragen, sondern ebenso die sich häufenden Unzulänglichkeiten der gewohnten Betreuung und Versorgung. Nichts klappte auf diesem Gebiet mehr richtig. Weiß die heilige Bastet weshalb, doch seine Menschen wurden schlampig. Gewohnte Aus- und Einlasstermine wurden nicht mehr ordnungsgemäß eingehalten und von der Qualität des Futters ganz zu schweigen.

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