Nachhaltigkeit für Deutschland? Frag doch einfach!

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Warum muss der Begriff nachhaltige Entwicklung inhaltlich konkretisiert werden?

Die alltägliche Verwendung des Begriffs nachhaltiger Entwicklung weist oft keine klaren Konturen auf. Das wird durch Formulierungen deutlich wie: Wir wollen mehr Nachhaltigkeit und UmweltschutzUmweltschutz. Dabei ist Umweltschutz die zentrale Dimension von Nachhaltigkeit. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Was bedeutet mehr Nachhaltigkeit, in welchen Bereichen und in welchem Maße? Welche Ziele von Nachhaltigkeit sollen, bis zu welchem Zeitpunkt erreicht werden? Nur eine Konkretisierung führt zu einer messbaren Weiterentwicklung und vermeidet den Missbrauch des Begriffs Nachhaltigkeit.

Daraus wird deutlich, dass bisher überwiegend Expertinnen und Experten die Zusammenhänge der drei Dimensionen und Möglichkeiten der Umsetzung erkennen und aufzeigen. Daher besteht gerade im Bildungsbereich noch ein großes Potential die Bedeutung aber auch die Chancen, die nachhaltige Entwicklung bietet, aufzuzeigen und die Umsetzung durch „best pratice Beispiele“ zu verdeutlichen. Das große Potenzial, das noch brachliegt, ist jedoch nach den empirischen Untersuchungen zum Bekanntheitsgrad nachhaltiger Entwicklung nicht verwunderlich.

Weshalb ist der Begriff heute in aller Munde?

Nachhaltige Entwicklung ist ein globales Leitbild, das einen normativen Charakter aufweist. Die Frage ist: was sollte sich wie verändern. Ein nachhaltiges Verhalten muss daher assoziiert sein mit VerantwortungsbewusstseinVerantwortungsbewusstsein im Sinne „tue Gutes für die Umwelt, für eine gerechte Wirtschaft und für die Gesellschaft damit sich die Lebensbedingungen aller verbessern.“ Das wird in zunehmendem Maße von allen Akteuren der Gesellschaft wie Unternehmen, d.h. produzierenden Unternehmen und Dienstleistungsunternehmen, wie Unternehmen des Finanzsektors, Konsumenten, Verbänden, kirchlichen Einrichtungen und politischen Parteien erwartet bzw. sogar eingefordert. Aber auch jeder einzelne Bürger trägt Verantwortung im Sinne nachhaltiger Entwicklung indem er/sie zur Verbesserung der ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen beiträgt.

Gibt es bereits Vorreiter für auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Branchen?

Teilweise sind einzelne Branchen wie die TextilindustrieTextilindustrie um mehr Nachhaltigkeit bemüht. So war beispielsweise die Sportartikelmesse Ispo in München im Januar 2020 auf das Thema Nachhaltigkeit ausgerichtet. Einige Textilunternehmen sind auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit schon Vorreiter und wurden dafür ausgezeichnet wie die Firma Vaude. Natürlich gibt es auch in vielen anderen Branchen schon vorbildliche Unternehmen die mehrfach ausgezeichnet wurden, da sie sich an der Nachhaltigkeit orientieren. Exemplarisch können die Brauerei Härle und das Unternehmen Lebensbaum genannt werden.

Grundsätzlich geht es bei nachhaltigen Textilunternehmen beispielsweise um die Verwendung von Bio-Baumwolle und bessere Arbeitsbedingungen. Dabei stellt der Verbrauch von Wasser, Energie und Chemikalien ein nachhaltigkeitsorientiertes Textilunternehmen auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette oft vor große Herausforderungen. Gleichzeitig gibt es aber noch viele Handelsunternehmen in der Textilindustrie, die unter unmenschlichen Bedingungen in Entwicklungsländern aus dem Grund der Profitmaximierung Kleidung herstellen lassen und somit eine nicht-nachhaltige Geschäftspolitik betreiben. Daran sind Konsumenten nicht unbeteiligt.

Welche Rolle spielen bei der Nachhaltigkeit die Medien?

Auch die FilmindustrieFilmindustrie und die Medien fühlen sich in zunehmendem Maße herausgefordert bzw. in der Verantwortung. So wird bisher bei Dreharbeiten von Filmen primär auf die Zeit, jedoch weniger auf negative Umwelteinflüsse geachtet. Daher wollen sich Film- und Fernsehproduzenten bei ihrer Arbeit zu mehr Umweltschutz verpflichten. Sie wollen für eine „noch stärkere Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Film- und Serienproduktion, die für ein ökologisch, wie auch ökonomisch und sozial verantwortliches Handeln steht“ eintreten. So heißt es in einem Entwurf für eine gemeinsame Erklärung.

Daher haben sich Vertreter der ARD, des ZDF, des MDR, der Deutschen Welle aber auch Vertreter der Filmindustrie im Februar 2020 in Berlin zur Unterschrift im Kanzleramt zusammengefunden, um ihr Vorhaben mit ihrer Unterschrift zu besiegeln. Aber auch Sportvereine und Eventmanager haben das Thema für sich entdeckt. So haben z. B. erste Fußballvereine gemeldet, dass sie ein Nachhaltigkeitskonzept entwickeln. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie anspruchsvoll diese Vorhaben sein werden und in welchem Maße sie umgesetzt werden.

Wie sieht es mit weiteren Branchen aus?

Als weiteres Beispiel lässt sich die NatursteineindustrieNatursteineindustrie aufführen. Deutschland gehört heute zu den Ländern, die Natursteine z. B. in Form von Grabsteinen zu einem großen Teil aus asiatischen Ländern importieren. In vielen Medienberichten wurde jedoch immer wieder aufgezeigt, wie die Natursteine in asiatischen Ländern wie in China, Indien und Vietnam unter Missachtung von ökologischen und sozialen Standards in Steinbrüchen abgebaut und dann unter teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen verarbeitet werden. So sind in der Natursteinindustrie schon tausende von Arbeitern unter Qualen an Staublunge gestorben.

Dabei wird besonders Indien angeprangert, da in der Natursteineindustrie auch Kinderarbeit stattgefunden hat bzw. noch stattfindet. Dies hat zu vielfältigen Protestaktionen geführt. Daher wurde von den Produzenten vor Ort aber auch von den Handelsunternehmen in Deutschland gefordert, dass die Natursteine nach bestimmten ökologischen und sozialen Kriterien zertifiziert werden bevor sie nach Deutschland eingeführt werden.

Es besteht kein Zweifel: es wird auch in Zukunft in vielen Entwicklungsländern Kinderarbeit unter schlimmsten Bedingungen stattfinden. Aber auch in Indien gibt es Steinbrüche und Naturstein verarbeitende Unternehmen, die auf Grund der Bestrebung Zertifizierungen einzuführen und umzusetzen, Kinderarbeit vermeiden. Sie schaffen verbesserte Arbeitsbedingungen entsprechend der eingeführten Zertifizierungsstandards. So ist zu hoffen, dass Kinderarbeit, zumindest in der Form wie sie in der Abbildung zu sehen ist, zur Ausnahme wird.

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Kinderarbeit in einem indischen Steinbruch

Werden die Beispiele der Branchen die Konsumenten erreichen können?

Die wenigen Beispiele verdeutlichen, dass sich auf der Grundlage des normativen Leitbildes nachhaltiger Entwicklung das geforderte Verantwortungsbewusstsein im Sinne der Zusammenführung von Ökologie, Ökonomie und sozialen Belangen zunehmend im Bewusstsein reflektierter Bürger und auch bei verantwortungsvollen Unternehmen festsetzt.

Dabei ist jedoch zwischen jenen Konsumenten zu unterscheiden, die sich bei ihren Kaufentscheidungen aus Nachlässigkeit oder mangelnder Information noch nicht nachhaltig verhalten und der Minderheit der Bevölkerung, die Verantwortungsbewusstsein für sich beanspruchen können indem sie nachhaltig konsumieren. Insgesamt sollte jedoch den Konsumenten durch eine transparentere Informationspolitik die Entscheidung für einen nachhaltigen Konsum erleichtert werden. In diesem Zusammenhang sollte in Zukunft auch noch viel stärker geprüft werden, was im Rahmen der Nachhaltigkeitsbroschüren von Unternehmen schon dem Anspruch nachhaltiger Entwicklung wirklich entspricht und was unter die Kategorie „green washinggreen washing“ einzuordnen ist. Hier muss die Politik dafür sorgen, dass einheitliche Labels eingefordert werden, die dem Konsumenten eine Entscheidungshilfe bieten. Aber auch der Bildungssektor kann für eine bessere Aufklärung noch viel leisten.

Gibt es Umfragen oder Studien zum Entwicklungsstand oder wie die Bevölkerung zu Nachhaltigkeit steht?

Eine Orientierung zum Entwicklungsstand der nachhaltigen Entwicklung in einem Land bietet die nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Beispielhaft wird die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie unten noch ausführlich behandelt. Die nationale NachhaltigkeitsstrategieNachhaltigkeitsstrategie basiert für alle Länder auf den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals / SDGs) der →Agenda 2030. Dadurch wird eine gewisse Vergleichbarkeit des Entwicklungstands in den verschiedenen Ländern möglich. Dabei gilt natürlich zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Länder ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie bzw. einer nachhaltigkeitsorientierten Politik aufweisen: Viele Entwicklungsländer werden einen geringeren Entwicklungsstand hinsichtlich der Ausgestaltung und Umsetzung ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie aufweisen als Industrieländer.

Es gibt aber auch zwischen Industrieländern Unterschiede. Im Prinzip lassen sich hier drei Gruppen unterscheiden. Am weitesten entwickelt ist die europäische Staatengemeinschaft. Außerhalb Europas gibt es ein gemischtes Bild. So haben Neuseeland und Australien frühzeitig nationale Nachhaltigkeitsstrategien ausgearbeitet und vorgelegt. Dagegen fehlt es in Kanada an einer übergreifenden nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Strategieprozess in den USA fand bereits Ende der 1990er Jahre ein frühes Ende und wurde danach nicht weiter fortgesetzt. (Bornemann 2014, S. 315)

 

Wurden die Nachhaltigkeitsziele noch konkretisiert?

Die 17 Nachhaltigkeitsziele sind noch einmal in Unterziele gegliedert. Deutschland weist in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von 2017 insgesamt 63 Unterziele auf. Die Entwicklung der Ziele wird in Deutschland alle zwei Jahre fortgeschrieben, wodurch der aktuelle Zielerreichungsgrad stets vorliegt. Die Auswahl bzw. Festlegung der Ziele und der Grad der Zielerreichung wird in Deutschland durch eine Reihe von Fachpublikationen kritisch analysiert und kommentiert.

Die Mehrzahl der BundesländerBundesländer hat ebenfalls eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Daraus lassen sich Informationen zum Entwicklungsstand auch auf Landesebene entnehmen. Weiterhin lässt sich feststellen, dass erste KommunenKommunen in Deutschland eine kommunale Agenda 2030 entwickeln, die einer kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie entsprechen. Und schließlich gibt es eine Reihe von Organisationen und Verbände, die eine Förderung aber auch einen höheren Bekanntheitsgrad des Leitbildes anstreben. So ist beispielsweise der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewusstes Management e.V. (B.A.U.M.) seit 1984 darum bemüht, nachhaltige Entwicklung besonders im Unternehmensbereich aber auch in Kommunen und anderen Organisationen zu fördern. B.A.U.M ist mit über 500 Mitgliedern in Europa das größte Unternehmensnetzwerk für nachhaltiges Wirtschaften.

Warum kam es zu nachhaltiger Entwicklung und wo stehen wir heute?

Seit den 1950er Jahren hatte das marktwirtschaftliche System und damit die Ökonomie in vielen Lebensbereichen der westlichen Welt eine eindeutige Dominanz. In diesem Zusammenhang spricht man auch von dem Primat der ÖkonomiePrimat der Ökonomie. Einige Ökonomen wie Kenneth Boulding, John Galbraith und auch Edward Mishan haben jedoch schon ab den 1960er Jahren auf die wachsenden Umweltprobleme aufmerksam gemacht. So kam es zu den „ersten Vorläufern“ nachhaltiger Entwicklung. Besondere Beachtung fand in diesem Zusammenhang das Buch von Mishan mit dem Titel „The Costs of Economic Growth“. (Mishan 1967) Darin kritisiert er besonders das Sozialprodukt als Indikator für “human welfare“. Damit machte er deutlich, dass nicht nur materielle Güter das Wohlbefinden der Menschen bestimmen.

1972 erschien dann der erste Bericht an den Club of Rome mit dem Titel „Grenzen des Wachstums“ (Originaltitel: „The Limits of Growth“), der mit Unterstützung verschiedener Mitautoren ganz wesentlich von Dennis Meadows und seiner Frau Donella Meadows verfasst wurde. Der Bericht, der in 28 Sprachen übersetzt wurde, hat bis heute eine außergewöhnliche Popularität. Eine wesentliche Botschaft des Berichtes, die auch heute noch Relevanz hat, war, dass sich die Menschheit auf einem „Boom-and-Burst“ Pfad befindet. Danach führt ein exponentielles WachstumWachstumexponentielles zur Überschreitung der natürlichen Grenzen der Natur. Weiterhin kommt es zu einer Knappheit von nicht regenerativen Ressourcen wie Erdöl was sich negativ auf das →Wirtschaftswachstum auswirkt und zu Grenzen des Wachstums führt.

Entsprechend der Prognose treten bis zum Jahr 2100 Krisenphänomene auf wie eine De-Industrialisierung und eine massive Einschränkung der bisher üblichen Lebensverhältnisse. Selbst unter Berücksichtigung einiger konzeptioneller und methodischer Unzulänglichkeiten des Berichts, die sich primär aus dem damaligen Stand der Forschungsmethoden erklären, kann man feststellen, dass dieser Bericht eine heftige Diskussion über den Zusammenhang von Produktionsformen und Lebensstilen, aber auch über das exponentielle →Wirtschaftswachstum und die nicht erneuerbaren Ressourcen auslöste, die sich teilweise bis in die Gegenwart fortsetzten.

Gibt es weitere wichtige Schritte zur nachhaltigen Entwicklung?

Ein weiterer Meilenstein zur nachhaltigen Entwicklung war die erste große Umweltkonferenz der UN 1972 in Stockholm auf der das United Nations Environment Programme (UNEP) gegründet wurde. Das war der Anstoß dafür, dass in der Folge in vielen Ländern erste UmweltprogrammeUmweltprogramme und später Umweltministerien gegründet bzw. aufgebaut wurden. In Deutschland wurde am 14. Oktober 1971 unter Federführung von Willi Brandt das erste Umweltprogramm vorgelegt und am 6. Juni 1986 wurde das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegründet.

Die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) hat 1980 in Kooperation mit verschiedenen UN-Organisationen die „World Conservation Strategy“ erarbeitet. (Grunwald, Kopfmüller 2012, S. 21) Dabei wurde der Begriff „Sustainable Development“ in einem größeren wissenschaftlichen und politischen Kreis verwendet. Inhaltlich zielte der Begriff noch wesentlich darauf ab, dass eine ökonomische Entwicklung ohne die Erhaltung und Funktionsweise der ÖkosystemeÖkosysteme nicht möglich ist.

Die soziale Dimension, die später in das Leitbild nachhaltiger Entwicklung als dritte Dimension mit einging, wurde zu diesem Zeitpunkt noch vernachlässigt. In dem Brundtland-Bericht wurde der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ erstmals als globales Leitbild der Entwicklung einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht. Das Ziel in dem Bericht ist, eine dauerhafte Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse unter Berücksichtigung der TragekapazitätTragekapazität der natürlichen Umwelt zu erfüllen.

Entsprechend geht es um das Bestreben, die Konfliktlinien zwischen Umwelt, Naturschutz, Armutsbekämpfung und →Wirtschaftswachstum zu überwinden. Es ging ganz konkret um die Verringerung bzw. Beseitigung der sich verschärfenden Krisenphänomene wie Dürren besonders in afrikanischen Ländern, die Vernichtung tropischer Wälder, die Verringerung der Ozonschicht, die Finanzkrisen und Verschuldungsprobleme vieler Entwicklungsländer und die Folgen schwacher und →korrupter Regierungen. Ein positiver Effekt des Reports ist, dass Wirtschafts- und Umweltpolitik nicht länger als getrennte Politikbereiche gesehen wurden, wobei eine kohärente Zusammenführung in vielen Ländern bis heute noch nicht stattgefunden hat. Damit kann zu dem nächsten Kapitel übergeleitet werden: Es geht um den Beitrag bzw. das Engagement der UNO zur nachhaltigen Entwicklung.

Literatur- und Videotipps:

Eine vertiefende Beantwortung der Fragen ist zu finden im Lehrbuch „Nachhaltige Entwicklung“ von Michael von Hauff, das in 2. Auflage im Jahr 2014 bei De Gruyter erschienen ist.

YouTube-Erklärvideos zu Umweltthemen und Nachhaltigkeit findest du zum Beispiel

 bei Schlaumal – Umwelt, Mensch und Tier,

 bei Sustainability Illustrated,

 bei Global Weirding with Katharine Hayhoe,

 bei The Story of Stuff Project und

 bei Hot Mess.

Die letzten vier Videos sind in englischer Sprache.

Nachhaltigkeit international


Agenda 21 und Agenda 2030, 17 SDGs – darum geht es nun. Außerdem um die Rolle der Industrieländer und der UNO im Nachhaltigkeitsprozess. Damit werden die lokale, nationale und internationale Perspektive eingenommen.

Wo können wir Nachhaltigkeit international finden?

Die UN-OrganisationenUN-Organisationen, aber auch einige Forschungseinrichtungen erkannten relativ früh die bereits genannten wirtschaftlichen und ökologischen Probleme, die sich besonders in EntwicklungsländernEntwicklungsländer verschärften. Hervorzuheben ist beispielsweise der Pearson-BerichtPearson-Bericht „Partners in Development“, der schon 1969 die Krise der Entwicklungsländer deutlich aufzeigte. Hervorzuheben ist auch die berühmte Rede des damaligen Weltbankpräsidenten Robert Mc Namara, die für die unbefriedigende Entwicklung ein bedeutender Beleg war (Mc Namara 1973):

„Die absolute Armut ist durch derart katastrophale Lebensumstände gekennzeichnet, dass die Entfaltung der Gene, mit denen die Menschen bei der Geburt ausgestattet sind, unmöglich gemacht und die menschliche Würde beleidigt wird. Und doch sind diese Bedingungen so weit verbreitet, dass sie das Los von etwa 40 Prozent der Menschen in den Entwicklungsländern bestimmen.“

Wie steht es um die Industrieländer?

Auch in Industrieländern haben sich ab den 1970er Jahren Umweltprobleme, Arbeitslosigkeit und auch eine wachsende Verschuldung in zunehmendem Maße verschärft. Die Versuche, die Probleme durch eine Stärkung marktwirtschaftlicher Strukturen im Sinne des Neoliberalismus zu verringern, führten vielfach nicht zu dem erwünschten Erfolg bzw. zur Lösung. Dadurch wurde die Lebenslage vieler Menschen teilweise noch mehr belastet. So kam es auf internationaler Ebene zu dem neuen Paradigma nachhaltiger Entwicklung. Es wurde bereits von der schon erwähnten international zusammen gesetzten Brundtland-KommissionBrundtland-Kommission in dem berühmt gewordenen Brundtland-Bericht inhaltlich konkretisiert. (V. Hauff 1987)

Was hat die UNO mit Nachhaltigkeit zu tun?

Auf der internationalen Konferenz 1992 in Rio de Janeiro (United Nations Conference on Environment and Development/UNCEDUNCED) verpflichteten sich 178 Nationen zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Besondere Beachtung verdient das Aktionsprogramm zur Umsetzung des Leitbildes: die →Agenda 21Agenda 21 als Agenda für das 21. Jahrhundert. Die Agenda 21 besteht aus einer Vielzahl politischer Bekenntnisse, Ziele und Vorhaben bzw. Maßnahmen. Sie umfasst über 350 Seiten und führt unterschiedliche Themen und Anspruchsgruppen auf. (UNCED 1992)

Wird die Agenda 21 „gelebt“?

Die →Agenda 21 bestimmt bis heute ganz wesentlich die inhaltliche Ausgestaltung und die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung nachhaltiger Entwicklung. Obwohl das Leitbild international eine große Popularität erfuhr, ist es bis heute in der Bevölkerung, wie einführend schon empirisch belegt wurde, nur in relativ geringem Maße bekannt. Dabei kann festgestellt werden, dass es auf internationaler Ebene seit 1992 zu einem kontinuierlichen Prozess kam, dem sogenannten Rio-ProzessRio-Prozess, durch den die nachhaltige Entwicklung global gefördert werden sollte.

Was hat es mit dem Rio-Prozess auf sich?

Auf der Rio-Konferenz wurden bereits eine Reihe von Beschlüssen wie die Rio-Deklaration zu Umwelt und Entwicklung, die zur Stabilisierung der Treibhausgasemissionen zur Vermeidung einer Störung des Klimasystems beitragen sollte, die Konvention über biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) und die Waldkonvention zur Bewirtschaftung und Erhaltung der Wälder nach dem Nachhaltigkeitsgrundsatz verabschiedet. Es folgten viele Konferenzen, die sich unter dem Begriff des Rioprozesses subsumieren lassen.

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