Nachwuchsprobleme

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Nachwuchsprobleme
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Michael Siemers

Nachwuchsprobleme

Hausgemacht

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Kapitel 1 Startschuss

Kapitel 2 Schwangerschaft

Kapitel 3 Die Geburt

Kapitel 4 Vom Windelfüller zum Klugscheißer

Kapitel 5 Schule

Kapitel 6 Der kleine Fratz als Revoluzzer

Kapitel 7 Kind auf Lebenszeit

Kapitel 8 Nachsatz und ein paar einfache Tipps

Impressum neobooks

Vorwort

Es liegt in der Natur des Menschen, sich der Steigerung hinzugeben. Immer höher, immer weiter, immer mehr und immer moderner. Die Herstellungsart eines Kindes ist, bis auf ein paar medizinische Nachhilfeeingriffe, geblieben. Die milliardenfach stattfindende Schwangerschaft und Geburt aber werden plötzlich zum Weltwunder. Hinzu kommt der Wille, alles besser zu machen als die eigenen, bornierten und konservativen Eltern. Dem Kind das geben, was man selbst nicht bekam. Ihm Dinge zu ermöglichen, die sie selbst aus Faulheit, Desinteresse oder Dummheit nicht erreichten. Da werden altbewährte Erziehungsregeln über Bord geworfen und selbstüberschätzend die Erziehungsordnung neu geschrieben. Heraus kommt ein verzogenes, egoistisches und respektloses Individuum, dessen Berufswunsch Sohn oder Tochter ist.

Der Autor stellt den, nicht immer ernsthaft gemeinten, Familienplanungs- und Erziehungsauftrag dar, wie er sein kann, aber nicht muss.

Das wohl Schönste auf der Welt ist das zahnlose Lächeln eines Babys, was einem mit seinen großen klaren Augen ansieht. Das lässt jedes Herz dahinschmelzen. Zum Wohl des Kindes aber sollte sich dieses Herz auch wieder festigen, damit klar wird, wer hier wen erzieht.

Denn:

"Kinder sind wertvoll wie die Rosen.

Werden sie nicht regelmäßig beschnitten,

verwildern sie."

(Verfasser unbekannt)

Kapitel 1 Startschuss

Während Frau mit der Befruchtung zeitlich begrenzt ist, hat Mann den Vorteil, immer zu können. Wenn sich dann mal ein Querschläger verirrt, kommt es zum Treppenhausunfall. Sie die Qualen, er darf zahlen. Das ist nun mal das Leid des Mannes. Wenn es unten juckt, ist der Verstand im Arsch. Schlimmer noch, das Mädchen darf entscheiden, das Kind zu gebären. Der Vater hat es zu bezahlen, ob er will oder nicht. Lukrativ für eine Frau, wenn es sich um einen Prominenten handelt. Für den Mann ein Kostenfaktor seines Genitaldenkens. Allem geht das Übliche voraus: romantisches Feeling bei Wein und Kerzenlicht. Steife Anbaggerkonversationen. Es kommt zum Du, mit anschließenden Schmutzigkeiten, die sich ins Ohr geflüstert werden. Ausgenommen des One-Night-Stand, bei dem man sich ein Kind oder Aids einhandelt, beschließt Mann und Frau für immer zusammenzubleiben. Verlobt, verheiratet und zum Familienspektakel noch das passende Kind. Kondom und Pille landen in der Mülltonne und der erste Akt kann beginnen. Die neuen Partner wünschen sich ein Kind. Die Eltern ersehnen und der Rest der Sippschaft fragt, ob und wann. Das Paar gerät in Verzugszwang. Nichts klappt, wenn man es will. Die fragenden Vermutungen der Freunde gehen schon unter die Gürtellinie. Bekommt sie keine Kinder? Oder ist er eventuell nicht …?

Ein Zeugungsplan muss her. Die Zeit wird errechnet und der finale und hoffentlich erfolgreiche Akt wird festgelegt. Dann der Tag X. Sie hat ihren Eisprung und bei ihm hebt sich, nach zwei Wochen abstinenter Enthaltsamkeit langsam die Schädeldecke. Romantik wird hergestellt. Kerzen, gewagte Dessous, Duftschälchen und etwas Schmusemusik. Ein Glas Wein enthemmt, eine ganze Flasche lässt sie wie Tiere übereinander herfallen. Der Countdown läuft: Fünf, vier, drei, zwei, eins, Schuss und - Treffer! 15 Millionen Spermien wurden gerade zu einem Himmelfahrtskommando in das vaginale Schlachtfeld geschickt. Denn nur einer wird dafür sorgen, die erhoffte Trophäe in Form eines Babys im Bauch der Frau wachsen zu lassen.

Benebelt, euphorisch und voller Erwartung ist es vollbracht. Eine Zigarette wird geraucht und abgewartet. Man bedenke, dass 14.999.999 Spermien ihr Leben verloren und ihre letzte Ruhe in den Annalen der Kanalisation finden. Unberührt dessen Schicksal vergehen ein paar Tage der Sorglosigkeit und des Wartens. Wie jeder Heeresführer, der seine Armee in die Schlacht schickt, erwartet auch der Mann Erfolgsmeldungen. Rührend, doch eher egoistisch der Vorschlag, dass er noch einige Reservekompanien in Bereitschaft hat. Diese loszuschicken wäre das kleinste Übel.

Das Ausbleiben der Regel deutet auf einen erfolgreichen Treffer hin. Ab in die nächste Apotheke und sich einen Schwangerschaftstester gekauft. Ein bisschen Pipi und das Beta-HCG zeigt an: schwanger. Mehr passt auf das kleine Display nicht drauf. Was sollte auch sonst noch darauf stehen? "Du kleine notgeile Schlampe wirst Mutti?" Egal, Operation "Nachwuchs" erfolgreich ausgeführt.

Abends dann die frohe Botschaft und der Sekt wird aufgemacht. Voller Vorfreude ziehen sich beide die Flasche rein und ab in die Kiste. Wenn schon denn schon. So ein Ereignis muss gefeiert werden. Eingeladen sind natürlich wieder ca. 15.000.000 Gäste, die anschließend den anderen Opfern folgen.

Die ersten Veränderungen läuten den sonst so durchstrukturierten Alltag ein. Morgendliche Kotzattacken, Frauenarztbesuch und Bestätigung des Nachwuchspupsers. Mama und Schwiegermutter rollen Tränen der Rührung heraus. Der Großvater hingegen wird fragen: "Was ist in Dich gefahren?" Ein kleiner Schenkelklopfer, der immer gut ankommt. Der Schwiegervater stellt süffisant fest: "Wer zu Ostern mit den Eiern spielt, hat zu Weihnachten die Bescherung!"

Hier genügt es die Beine anzuheben, weil, es ein flacher Witz. Wie auch immer, Vater und Schwiegervater müssen sich mit der Tatsache abfinden, Großvater zu werden. Grau, gebeugt und tattergreisig durch die Gegend schlurfend. Mit Rollator und Pisspott am Bett möchten sie ihre Oparolle auf keinem Fall beginnen. Ab ins nächste Fitnessstudio und auf Teufel komm raus den Alterungsprozess entgegen wirken. Es geht nun darum, die Welt aus den Angeln zu heben. Es diesen Grünschnäbeln zu zeigen, dass sie längst nicht zum alten Eisen gehören. Da wird gelaufen, bis die Sohlen qualmen. Gestemmt und gedrückt, bis die Halsschlagader pocht. Dazu noch ein paar Aufbaudrinks und anschließend Sauna. Mit dem Erfolg, den nächsten Tag mit Fangopackungen und Massagen ihren Muskelkater entgegen zu wirken.

Frauen, besser gesagt die werdenden Großmütter dagegen, sehen es wesentlich entspannter, äußerlich jedenfalls. Heimlich inspizieren sie ihr Gesicht vor dem Spiegel. Ziehen die Fältchen weg, pusten die Bäckchen rund und streichen noch einmal mit den Fingern den Hals hinunter. Nein, wie ihre eigenen Großmütter, mit Kopftuch und Faltenrock, wollen sie nicht aussehen. Da geht es erst mal zum Friseur. Ein burschikoser Haarschnitt mit entsprechender Färbung. Anschließend eine Einkleidung bei H&M in der Young-Fashion-Abteilung.

Für Großeltern ist das erste Enkelkind immer das Größte und Liebste. Es wird verwöhnt und der Puderzucker wird ihnen gleich kiloweise in den Hintern geblasen, bis es aus den Ohren rieselt. Das legt sich nach dem zweiten, dritten, spätestens aber dem vierten Enkelkind. Teils entfernungstechnisch, teils aber auch aus zeitlichen und finanziellen Gründen ist der Zuneigungswunsch nicht mehr möglich. Dabei ist den Neugroßeltern mit Sicherheit nicht klar, was da auf sie zukommen wird. Ein Enkelkind ist immer süß, im Rudel aber kann es zur Katastrophe führen. Eine große Familienfeier zum Beispiel, mit einem halben Dutzend Enkelkindern im Vorschulalter, kann das Chaos perfekt machen. Besonders dann, wenn der Großvater zwei Scheiben Leberwurstbrote aus seinem Aquarium fischen muss, er seine Briefmarkensammlung neu einsortiert und seine Frau die rasierten Kakteen in den Müll befördert. Beiden liegen die nutzlosen Ermahnungen ihrer Töchter und Schwiegertöchter noch in den Ohren, wie: "Nein Jan Lukas! Nicht die Katze in den Backofen stecken!" oder, "Chantal, nicht mit dem Eding auf die Tapete malen!" und, "Henry, nicht den Fußball gegen die Glasvitrine schießen! Du weißt doch, wie Oma sich mit ihren Porzellanfiguren anstellt!"

Wenn dann auch noch die kleine Melanie ihren Großvater nach viermaliger Zurechtweisung ins Gesicht rotzt, überlegen sich die zukünftigen Großeltern zu Recht, ob sie lieber Urlaub auf Teneriffa machen, als sich diesen hausgemachten Stress antun sollen.

Die ersten Wochen sieht Mann, bzw. Frau noch ganz entspannt. Brustspannen, Einnistungsschmerz, Bauchrumoren, Essensgelüste wechseln mit Abneigung, Geruchsempfindlichkeit, Müdigkeit und morgendlichen Kotzeinlagen. Egal, Hauptsache schwanger. Vorsichtig beginnt man, sich Gedanken über den zukünftigen Nachwuchs zu machen.

 

Was wünscht man sich denn da? Egal, Hauptsache gesund, wäre die Standardantwort. Würde eine Studie ergeben, dass 90 % der Knaben auf dem Wohnzimmertisch gezeugt werden, würde eine Nackenrolle statt einer Vase, den Tisch zieren. Jungen, so glaubt man, sind unkomplizierter und würden als Stammhalter dafür sorgen, dass der Name weiter getragen wird. Wenn er nicht gerade schwul ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass Väter sich endlich mal das Spielzeug kaufen können, was sie sich immer gewünscht haben. Mädchen hingegen, so der Volksmund, kosten vom ersten Schrei an Geld und Nerven. Sie sind zickig, eigenwillig und können, wenn sie unvorsichtig sind, schwanger werden. Letzteres könnte sich daher in der weiteren Schul- und Berufsentwicklung negativ auswirken. Väter von Töchtern haben nur zwei Wünsche: Sie muss hübsch sein und die Jungen sollen gefälligst ihre Hände von ihr lassen.

In muslimischen Gefilden wird die Geburt eines Mädchen eher mit "Ach du Scheiße" kommentiert. Das heißt nicht, dass man seine Tochter nicht genauso lieb hat. Nur etwas anders. Damit sie nicht gänzlich als wertloser Kostenfaktor endet, wird sie zur Putze heranerzogen. Mit Beginn der Geschlechtsreife verschleiert und von fremden Jungen ferngehalten. Damit behält sie den Restwert eines jungfräulichen Mädchens. Das mag auch der Grund sein, weshalb sie so früh wie möglich verheiratet wird. Damit sie nicht selber an sich herumfummelt und möglicherweise das Qualitätssiegel der Unberührtheit beschädigt. Schlimmer noch, sich für den hübschen Nachbarsjungen interessiert. Da haben es die Jungen leichter. Sie dürfen sich durch die Hütten bumsen, um sich die Hörner abzustoßen und Erfahrungen zu sammeln. Das Heuchlerische daran ist, dass sie die Mädchen zu dem machen, was sie heiratstechnisch ablehnen. All das aber trifft in unseren Breitengraden nicht zu. Denn wir sind modern, aufgeschlossen und tolerant. Unsere männlichen Migranten integrieren sich da besonders gern. Wo bekommt man schon vorehelichen Sex geboten?

Doch kommen wir zu unserem Vorzeigepärchen. Junge oder Mädchen? Blau oder Rosa? Himmelbett oder Wiege? Designerkinderzimmer oder Ikeas Billisammelsurium, von dem man noch vierzehn Sechser Inbusschlüssel hat? Da werden Kataloge gewälzt und man schaut verwundert auf die Vielfalt der Auswahl. Darunter die Preise, die man fälschlicherweise als Datum ansah. Jedes Bild mit einem niedlich lächelnden Baby, was zeigt, wie glücklich es ist. Dahinter die lachenden Elternfratzen mit Blendaxlachen. Heile Welt pur.

Der Erzeuger entwickelt Verantwortung und die werdende Mutti versucht ihre Hormonwallungen in den Griff zu bekommen. Freundinnen, Mama, Schwiegermutter und die restlichen Großmütter, die sich dank zahlreicher vorangegangener Scheidungen und Neuvermählungen angesammelt haben, kennen nur noch ein Thema: Baby, Baby und noch mal Baby. Alle Tipps und Vorsorgewarnungen multipliziert ergeben das Superbaby. Kräftig, gesund, intelligent und vierenresistent soll es sein. Daraus resultieren die nächsten Fragen. Wird es sich zu einem gesunden Kind entwickeln? Wie groß ist das Risiko für eine Chromosomenstörung? Bin ich fit genug für eine Schwangerschaft und bleibe ich es auch? Leidet meine Figur oder gehe ich auseinander wie ein Hefekuchen? Hinzu kommen die Informationen über Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheiten, von denen sie noch nie zuvor gehört haben. Für eine werdende Mutter ergeben sich schwierige Entscheidungen. Denn nicht jede Zusatzuntersuchung, die Gynäkologen anbieten, liefert hilfreiche Antworten. Für Ärzte sind die Tests ehe lukrativ als unbedingt sinnvoll. "Igel" heißt das Stichwort, individuelle Gesundheitsleistungen, über die Deutschland immer wieder kontrovers debattiert. Die privaten Medizinchecks sind umstritten, weil Ärzte damit ihr Honorar aufbessern - ohne dass für jeden Test der Nachweis vorliegt, dass Krankheiten dadurch seltener auftreten oder harmloser verlaufen. Die Zukunftsangst der werdenden Eltern öffnet jede Geldbörse.

Denn in der Schwangerschaft sind Frauen leicht zu verunsichern. Sie wollen das Beste für ihr Kind, die größtmögliche Sicherheit, dass alles gut verläuft. Viele Ärzte empfehlen den Frauen beispielsweise Tests auf Erreger wie Toxoplasmen oder Zytomegalieviren. Diese können ein Kind während oder nach der Schwangerschaft schädigen. Ob allerdings eine frühe Untersuchung auf den jeweiligen Erreger mehr nutzt als schadet, ist umstritten. Zudem sind nicht alle Testergebnisse leicht zu verstehen. Aber wen kümmert es? Wichtig ist die rechtzeitige Überweisung der Rechnung.

Die besten Ratschläge holt man sich von denen, die es hinter sich haben. Ihre Erfahrungen sind oft mehr wert als statistische Hochrechnungen und analysierte Vermutungstheorien.

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