Sky-Navy 21 - Raumpatrouille

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Aus der Reihe: Sky-Navy #21
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4. Kommunikationshalt






D.S. Aberdeen, Kreuzer APS-B-Klasse, Registernummer145






Es gab drei grundsätzliche Möglichkeiten der interstellaren Kommunikation. Der nur lichtschnelle Funk war ausschließlich für planetare oder interplanetare Verbindungen geeignet, da zwischen einer Frage und deren Beantwortung jene Zeitspanne verging, welche die Gesprächspartner in der Entfernung der Lichtgeschwindigkeit trennte. Der Cherkov-Funk arbeitete immerhin mit zwanzigfacher Lichtgeschwindigkeit, benötigte zwischen den Sonnensystemen jedoch ebenfalls einen entsprechenden Zeitraum. Obwohl beide Funkwellen sich kugelförmig ausbreiteten und Bild und Ton übermittelten, spielten sie in der interstellaren Verständigung kaum noch eine Rolle. Die einzige Möglichkeit, Nachrichten ohne Zeitverlust und über eine beliebige Distanz zu senden und zu empfangen, bot daher der Hiromata-Nullzeitfunk, dessen Nachteil jedoch in der extrem engen, „nadelscharfen“ Bündelung und der ausschließlichen Möglichkeit, kurze oder lange Impulse zu verwenden, bestand. Aufgrund dieser engen Bündelung konnte man nur Verbindung mit jenen Objekten herstellen, deren Position exakt bekannt war und die sich während der Kommunikation nicht veränderte, beziehungsweise deren Positionsveränderung exakt berechnet und mitverfolgt werden konnte. Ein Schiff konnte daher jederzeit Verbindung mit einer festen Funkstation aufnehmen, umgekehrt war es jedoch kaum möglich, dieses Schiff während seines Fluges zu erreichen, wenn Position, Kurs und Geschwindigkeit nicht genau bekannt waren. Einheiten der Sky-Navy legten daher zu festgesetzten Zeiten einen sogenannten Kommunikationshalt ein, um neue Order abzufragen oder ihrerseits Bericht zu erstatten.




Für die

D.S. Aberdeen

 war es an der Zeit, diesen routinemäßigen Kontakt herzustellen. Captain Sean McIntosh war vor drei Stunden in seine Freischicht gegangen und so gehörte die Brücke Commander Francine Dykes. Die vergangenen Stunden waren ohne Ereignis verstrichen und der Kreuzer näherte sich mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit dem nächsten Ziel, dem Colween-System mit seinem besiedelten Planeten Fairchild.



„RO, es ist Zeit für den Kommunikationshalt.“ Francine lehnte entspannt in ihrem Sessel und legte die tetronische Fassung von „Jane´s Fighting Ships“ zur Seite, einem privaten Magazin, welches seit Jahrhunderten alle bekannten Militärschiffe auflistete und deren Spezifikationen nannte. In der neuen Auflage war erstmals die neue B-Klasse der APS-Kreuzer aufgeführt und Francine war überrascht, wie nahe die Leistungsangaben in „Jane´s“ den tatsächlichen Werten der

Aberdeen

 kamen. „Ruder, Kurs und Geschwindigkeit einfrieren. Kommunikationshalt. Daten mit Nav und RO synchronisieren.“



„Aye, Ma´am, Einfrieren für Kommunikationshalt“, bestätigte Lieutenant Coleen Preston. Für sie bedeutete dies, dass sie keinerlei Manöver mehr durchführen durfte, es sei denn, das Schiff befand sich in unmittelbarer Gefahr. „Flugdaten werden mit Nav und RO synchronisiert.“



„Nav?“



„Bestätige Synchronisation. Permanenter Datenlink zu RO ist aktiviert“, meldete Petty Officer Chialvo prompt.



„RO, Verbindung zur Arcturus Sky-Base herstellen.“



„Aye, Ma´am, Verbindung wird hergestellt. Datenlink zu Nav ist aktiv. Übertrage Daten an Antennenanlage. Antenne ist ausgerichtet, Echo-Impuls wird abgestrahlt.“ Chief Donald Brady musste einige Sekunden warten. „Echo-Impuls wird erwidert. Kontakt zu Sky-Base Arcturus ist hergestellt. Kanal offen. Sie können sprechen, Ma´am.“



Jeder Navy-Angehörige musste den Morse-Code der Streitkräfte beherrschen, aber es war nicht notwendig, eine Nachricht in diesem aufzugeben. Francine konnte ihren Bericht ganz normal mündlich diktieren und die Tetronik setzte diesen in kurze und lange Hiromata-Impulse um. Ebenso einfach wurde die Antwort von Impulsen in Klartext umgesetzt.



Francine konzentrierte sich auf das Wesentliche. „

DS145

 auf Patrouille. Stopp. An High-Command Sky-Navy. Stopp. Wanderer entdeckt. Stopp. Wird an NCC gemeldet. Stopp. Frachtschiff

ITS Summer of 69

 durch Bordkommando überprüft. Stopp. Verstoß der Stufe Eins gegen Invasiv-Direktive festgestellt. Stopp. Schiff unterliegt Handelsbann. Stopp. Beweismittel werden im nächsten Hafen an die Behörden übergeben. Stopp. Nächster regulärer Halt Colween-System, Planet Fairchild. Stopp. Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Stopp. Gezeichnet Commander Dykes, Eins-O,

DS Aberdeen

. Stopp. Warten auf Orders. Stopp.“



Während die Impulse aus der Antenne jagten, holte sich Francine einen weiteren Kaffee. Die Zweier-Schicht mit McIntosh war auch dann eine Belastung, wenn sich nichts ereignete, denn obwohl man auch einmal „mit einem Auge dösen“ konnte, blieb man doch stets angespannt und wachsam. Im Weltraum konnte sich stets etwas Unerwartetes ereignen. Es mochte die Begegnung mit einem Schiff sein, ein eingehender Notruf, ein astrophysikalisches Phänomen, ein Strahlungssturm oder auch ein Meteorit, der eine sofortige Reaktion erforderte.



Die Antwort traf nach wenigen Minuten ein und war denkbar knapp.



„High-Command Arcturus an

DS145

. Stopp. Patrouille fortsetzen. Stopp. Keine weiteren Befehle. Stopp. Gezeichnet Faso, Commodore, Diensthabender High-Command. Stopp“, las Francine ab. Sie nippte an ihrem Heißgetränk und langte wieder nach ihrem Magazin. „Eins-O an Brücke, Kommunikationshalt ist aufgehoben. Ruder, Sie haben wieder freien Flug. Ziel Colween.“



„Aye, Ma´am, Einfrieren aufgehoben. Setze Flug fort“, kam es von Preston. Sie hatte den Pilotenhelm abgenommen und steuerte per Joystick. Im Halbdunkel der Brücke und dem Licht der Sterne, welches durch die Panoramascheiben hereinfiel, schimmerte ihr Stoppelhaar in dunklem Braun.



Francine unterdrückte einen Seufzer. Der metallische Schimmer in ihrem blauvioletten Haar ließ zunehmend nach. Sie würde mit Crewmember Harrigan sprechen. Der war ein passabler Friseur und ein netter Bursche. Vielleicht ergab sich etwas mehr als nur eine aufgefrischte Haartracht.



Sie suchte nach der richtigen Seite in „Jane´s“ und setzte ihre Lektüre fort. Noch knappe zwei Tage bis zum Colween-System und dem nächsten Routinehalt auf Raumpatrouille.






5. Routinebesuch






Police Department, Fairchild



, Colween-System






Vor einem Tag war die

D.S. Aberdeen

 auf dem Raumhafen von Fairchild gelandet. Während die Hälfte der Besatzung Landgang erhielt, absolvierte Captain Sean McIntosh das, was er als „Knutsch-Runde“ bezeichnete. Die üblichen Besuche bei den Oberen der Siedlungswelt, in voller Paradeuniform und mit stets freundlichem Gesicht, um das Direktorat und die Sky-Navy im besten Licht erscheinen zu lassen. „Flagge zu zeigen“ gewann in diesen Zeiten, wie Hoch-Admiral John Redfeather bei einer Fortbildung unlängst gesagt hatte, immer mehr an Bedeutung und es sei wichtig, den besiedelten Welten zu zeigen, dass die Navy des Direktorats eigentlich keine Polizeifunktion ausübe, sondern lediglich um die Sicherheit im Raum besorgt sei und man stets ein offenes Ohr für die Nöte der Bürgerinnen und Bürger habe.



Sean McIntosh absolvierte seine „Knutsch-Runde“ mit großer Freundlichkeit und ohne wirkliche Sympathie. Zur Zeit des Krieges waren solche „Goodwill-Touren“ nicht erforderlich gewesen. Da waren die meisten Siedler einfach nur froh, ein Navy-Schiff überhaupt zu sehen. Doch die Zeiten änderten sich und allmählich erschien McIntosh kaum mehr etwas selbstverständlich.




Am zweiten Tag wechselten die Landgänger und der Captain hatte seine Pflichtbesuche hinter sich. Mit Ausnahme von zweien, die ihm bei dieser Patrouille persönlich am Herzen lagen: dem Besuch beim Chief-Constabler von Fairchild und dem in der Area Control des Raumhafens, wo er auch die Daten des Wanderers übergeben musste.



Es gab kleinere Notfallzentren, die über den Stadtbereich verteilt waren, doch Sean musste die Hauptzentrale in der Verwaltung aufsuchen. Er nahm eines der zweirädrigen Gyroskop-Taxis und nutzte die Fahrt, um einen Blick auf die Entwicklung der Stadt zu nehmen. Es wurde gebaut und es war belebt. Nicht übermäßig lebhaft, sondern gerade in dem Umfang, der ein natürliches und gesundes Wachstum verhieß. Die Geschäfte waren auf das praktische Leben der Siedler ausgerichtet und boten erst wenig von der Dekadenz, die auf dem Mars oder den großen industrialisierten Welten längst um sich gegriffen hatte. Hier fand man eher sachdienliche Informationen als marktschreierische Anpreisungen.



Die Häuser folgten individuellen Baustilen, waren aber allesamt nicht höher als maximal zwei Stockwerke, mit Ausnahme der öffentlichen Gebäude. Fußgängerwege und grüne Bepflanzung herrschten vor und vermittelten auf Sean einen fast gemütlichen Eindruck.



Das „Fairchild Emergency Management Center“ war ein vierstöckiges Gebäude, dessen Erdgeschoss man besonders weitläufig angelegt hatte, da hier ein beachtlicher Fuhrpark an Einsatzfahrzeugen untergebracht werden musste. Auch vor dem Gebäude parkten mehrere der typischen blau-weißen schweren Turbinenwagen mit den roten und blauen Rundum-Pulsleuchten des Polizeidienstes. Sean erschienen es ungewöhnlich viele Fahrzeuge, aber vielleicht gab es im Center gerade eine Besprechung oder Fortbildung, an der viele der Constables teilnahmen.



An diesem Tag verzichtete der Captain auf die Paradeuniform und trug den leichten Dienstanzug, der dem Bordoverall entsprach, aber zu dem man zusätzlich eine Jacke trug. Am rechten Oberarm war das Logo der

Aberdeen

 zu sehen, auf den schmalen Schulterabzeichen die drei Streifen eines Captains.

 



Der junge Mann am Empfang lächelte freundlich, als er die Uniform sah. „Tag, Captain. Wieder auf Patrouille? Zufrieden mit Ihrem neuen Schiff?“



„Sehr. Ich hoffe nur wir bekommen bald mehr davon.“



„Soweit man hört, sollen dieses Jahr noch fünf weitere in Dienst gestellt werden.“



Sean nickte. „Ja, das habe ich auch in einem Bericht gesehen.“ Hier war Vorsicht geboten. So nett der junge Mann auch sein mochte, als Captain galt man stets als offizieller Vertreter der Navy und es konnte schnell passieren, dass eine persönliche Aussage in den Medien landete. „Ich wollte den Chief-Constabler sprechen.“



„Ein Zwischenfall auf Patrouille?“



„Eher die übliche Routine“, wich Sean aus. „Gegenseitige Kontakte und Informationen sind wichtig. Gelegentlich wichtiger als die offiziellen Kanäle, wenn es einmal schnell gehen muss.“



„Der Chief-Constabler ist in seinem Büro. Dritte Ebene. Soll ich …?“



„Danke, ich kenne den Weg noch. Aber Sie können mich anmelden.“



„So gut wie erledigt, Sir.“ Der junge Mann zögerte. „Äh, Captain, wäre es möglich, Ihr neues Schiff mal zu besichtigen? Man hört ja so einiges über die neue B-Klasse.“



„Würde ich verdammt gerne zustimmen“, antwortete Sean mit aufrichtigem Bedauern, „aber diesmal fehlt uns die Zeit. Aber ich werde es für unseren nächsten Aufenthalt einrichten, versprochen.“




Minuten später erreichte der Captain die dritte Ebene und ging den langen Flur entlang zum Büro des Chief-Constablers. Der erwartete ihn schon, denn kaum hatte Sean McIntosh den Summer betätigt, da glitt die Tür auch schon zur Seite. Zu seiner Überraschung war der Chief nicht alleine.



„Hallo, Sean“, grüßte Maurice Margon seinen Freund herzlich und reichte ihm die Hand. „Das trifft sich ausgezeichnet, denn Mister Punjabi hat mir gerade von etwas Merkwürdigem erzählt. Du kennst Mister Punjabi?“



„Selbstverständlich. Wir hatten ja schon einige Male miteinander zu tun.“ Sean reichte auch dem Chief-Controller des Raumhafens die Hand und setzte sich dann in einen der bequemen Polstersessel. „Etwas Merkwürdiges? Hört sich interessant an. Nehmen Sie es mir aber nicht übel, Mister Punjabi, doch ich muss zuerst noch eine Kleinigkeit mit dem Chief-Constabler besprechen. Wenn ich es recht überlege, sollten Sie dabei durchaus zugegen sein.“ Sean sah den Chief-Controller forschend an. „Es geht um die

Summer of 69

. Sagt Ihnen der Name etwas?“



Die Weise, in der sich die Augen von Ranjid Punjabi kurz weiteten, verriet Sean genug. Natürlich, die Be- und Entladung der Schiffe erfolgte über die Area Controls. Der Captain lächelte versonnen und sah dann seinen Freund Maurice an. „Ich spreche jetzt mit dir als Chief-Constabler und Vertreter des Gesetzes, alter Freund. Es geht um einen neu zu katalogisierenden kosmischen Wanderer, dessen Daten ich gleich an Mister Punjabi übergeben werde, und es geht um einen Frachter von Waldron Galactic Enterprises, die

Summer of 69

 und ihre höchst illegale Fracht.“



Sean berichtete kurz von der Überprüfung des Frachters und deren Ergebnis. Ein Seitenblick zeigte ihm, dass die dunklere Haut von Punjabi eine ungesunde Farbe angenommen hatte.



„Gut, Sean, ich werde alle deine getroffenen Maßnahmen natürlich unterstützen. Die Behörden kümmern sich ja bereits um den Vorgang, aber ich verspreche dir, ich werde künftig ein besonders wachsames Auge auf die Schiffe von Waldron halten. Wird nicht leicht werden. Waldron ist ein beträchtlicher Förderer unserer Kolonie und investiert hier eine Menge. Entsprechend ist auch seine Unterstützung bei unseren Bossen.“



Ranjid nickte eifrig. „Mister Waldron ist ein wahrhaft großer Unterstützer, Captain McIntosh. Sehen Sie, wir haben hier keinen der üblichen Scanner für die Raumüberwachung, sondern eines dieser ganz neuen Teile. Ein Hiromata-Scanner mit einer Reichweite von dreißig Lichtjahren, der ohne jeden Zeitverlust arbeitet. Ein fantastisches Gerät.“



„Und fantastisch teuer“, stimmte Sean zu. „Ich kenne die Geräte und habe es selbst an Bord. Ich bin ein wenig überrascht, Mister Ranjid, dass Ihre Welt so schnell an solch ein Gerät herangekommen ist. Die Geräte funktionieren ja nur mit Hiromata-Kristall und davon haben wir wenig genug. Derzeit genießt die Navy absoluten Vorrang bei der Ausstattung mit dem neuen Scanner. Ich frage mich, wie Mister Waldron an ein solches Gerät kommt und warum er es so großzügig an Ihre Welt übergeben hat.“



„Mister Waldron hat Verbindungen und er ist ein großer Freund von Fairchild“, antwortete der Chief-Controller im Brustton der Überzeugung.



„Und kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft“, fügte Maurice Margon auflachend hinzu.



„Ein teures Geschenk.“ Sean dachte kurz nach. „Kennen Sie die Geschichte vom ‚Win-win‘, Maurice?“



„Eine Geschichte von der alten Erde?“



„In der Tat.“



Der Chief-Constable zuckte mit den Schultern. „Offen gesagt interessiert mich alte Erdgeschichte nicht besonders.“



„Nun, diese hier sollte Sie interessieren, mein Freund. Sie und alle Bewohner von Fairchild, sonst könnte es ein böses Erwachen geben.“ Sean McIntosh lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Vor einigen Jahrhunderten existierte auf der Erde ein riesiges altes Reich. Innovative Philosophie, innovatives Wissen … Führend gegenüber allen anderen Ländern auf der Erde. Dieses mächtige Reich zerfiel aufgrund von Korruption und Bürgerkriegen und wurde in deren Folge von den anderen Ländern überholt. Irgendwann besann man sich im alten Reich, nannte sich fortan Republik und wollte zu alter Größe zurückfinden. Da man inzwischen weit hinter den anderen Ländern zurückhing, stahl man einfach das Wissen dieser Länder oder bot ihnen an, sehr billig für sie zu produzieren. So kam man sehr bequem an die Produktionsverfahren. Schon bald produzierte die Republik sehr viel mehr und sehr viel billiger, als die ursprünglichen Herstellungsländer, deren Firmen in Folge Pleite gingen oder von der Republik übernommen wurden. Die damaligen hohen Räte waren ziemlich machtlos und die Hoch-Manager der Länder unternahmen nichts gegen die feindliche Übernahme, da sie sehr großzügig von der Republik bedacht wurden. Bald war eine enorme wirtschaftliche Abhängigkeit entstanden.“



„Werter Freund, bitte langweilen Sie uns nicht“, bat Maurice. „Ich sehe keinen Zusammenhang mit unserem neuen Scanner und Ihrer Geschichte.“



„Ja, da kommen wir zu den netten Geschenken. Diese Republik unterstützte kleinere und auch größere Länder sehr großzügig mit Geschenken. Man baute Verkehrswege, Häfen, Flughäfen, Krankenhäuser … Natürlich alles uneigennützig und im Namen der Freundschaft. Man machte den Leuten Geschmack auf mehr, bis die Republik irgendwann sagte, man könne seinen Freunden nicht alles schenken. Aber es sei kein Problem, wenn der Freund kein Geld habe, man könne ihm großzügig Kredit gewähren und dieser dann später bezahlen. Also kauften die kleinen Länder bereitwillig auf Kredit, bis sie irgendwann bemerkten, dass sie die Kredite niemals würden zurückzahlen können. Glücklicherweise sagte der große Freund, das sei doch kein Problem. Man könne die Schulden erlassen und sogar noch ein paar schöne Geschenke für die Räte der Länder obenauf legen, wenn das betreffende Land dafür ein paar unwichtige Rechte an den großen Freund abtrete. Das sei doch eine echte ‚Win-win-Situation‘ für beide Seiten. Tja und dann bemerkten die kleineren und auch größeren Länder plötzlich, dass ihnen ihre Verkehrswege und die Häfen und die Flughäfen überhaupt nicht mehr gehörten und selbst ihre Arbeiter nicht mehr dort beschäftigt wurden. Das gab Unmut und so schickte der große Freund erst seinen Werkschutz, dann die Polizei und schließlich sein Militär, um seinen Besitz und die Freundschaft zu schützen.“



Das Gesicht von Maurice hatte sich verfinstert. „Du glaubst doch nicht, dass Waldron uns schlucken will, oder?“



„Ich meine nur, ihr solltet vorsichtig sein, wenn ihr großzügige Geschenke erhaltet. Dieser Fleischtransport zeigt auf, dass der Bursche es mit dem Gesetz ja nicht unbedingt sehr genau nimmt.“



Ranjid schien verunsichert. „Mister Waldron hat viele mächtige Freunde auf Fairchild.“



„Aber bei einem derartigen Verstoß gegen die Direktiven bleibt ihnen keine Wahl, als zu reagieren.“ Maurice Margon war schon lange Polizist und hatte ein Gespür für seinen Beruf. Auch ihm fiel das Verhalten von Ranjid auf. Der Blick des Chief-Constablers wurde drohend. „Jeder von uns weiß, wie das Entladen eines Frachters im Orbit abläuft. Da geht nichts ohne die Hilfe der Area Control, nicht wahr, Mister Ranjid?“



Der Angesprochene schien einem Schlaganfall nahe. Offensichtlich fühlte er sich schuldig oder doch zumindest mitschuldig. Das würde Sean eventuell zu seinem Vorteil verwenden können. Kleine Gesten konnten sich in der Zukunft auszahlen.



Bevor Ranjid reagieren konnte, sprach der Captain in freundlichem Ton. „Nun, Maurice, wir waren noch gute zwei Tage von Fairchild entfernt. Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass der brave Mister Punjabi zu dem Zeitpunkt schon etwas von der Art der Fracht wusste. Er hat sich sicherlich auf die offizielle Deklaration der Fleischlieferung verlassen und an legales Gefrierfleisch gedacht. War doch so, Mister Punjabi, nicht wahr?“



Der Blick des Chief-Controllers verriet pure Dankbarkeit. Wobei ihm bewusst war, dass Margon nur auf die Vorbereitung der drei Shuttles aufmerksam werden musste, um zu erkennen, wie der wahre Sachverhalt war. Gefrierfleisch benötigte keine gepolsterten Einzelboxen. „Äh, ja, Captain, natürlich. Genau so verhält es sich.“



Maurice sah Sean fragend an, der ihm verstohlen zuzwinkerte. Er begriff, unterdrückte ein Grinsen und zuckte mit den Schultern. „Ja, das halte ich für nachvollziehbar. Schön, damit wäre unser Mister Punjabi aus der Sache draußen. Natürlich ebenfalls davon abgesehen, dass auch er künftig bei Waldron genauestens hinsehen wird, c´est ca?“



„Darauf können Sie sich verlassen, Chief-Constabler“, versicherte Punjabi eifrig.



„Erzählen Sie dem Captain von Ihrer seltsamen Beobachtung, Mister Punjabi“, forderte Maurice den Besucher auf.



Der Chief-Controller war sichtlich erleichtert, das Thema wechseln zu können. So berichtete er hastig von dem, was er und seine Kollegen beobachtet hatten und überspielte die Daten von seinem tragbaren Mini-Comp am Handgelenk auf die kleine Tetronik, die in den Arbeitstisch des Chief-Constable eingebaut war. Über der Schreibfläche baute sich ein holografisches Feld auf, welches die Dateien wiedergab.



Sean strich sich nachdenklich durch den Bart. „In der Tat recht ungewöhnlich. Wie oft haben Sie diese ‚Verzerrung‘ beobachtet?“



„Acht Mal, Captain. Zu verschiedenen Zeiten im vergangenen halben Jahr und immer an anderen Positionen, aber alle liegen auf einer Linie. Sie tangiert unseren Sektor und führt in den benachbarten.“



„Ein Eiskomet könnte eine Erklärung sein“, meinte Maurice.



Sean schüttelte den Kopf. „Es gibt Kometen, die eine enorm lange Umlaufbahn einnehmen und deshalb nur alle Jahrzehnte oder noch länger in Erscheinung treten. So hat der Halley’sche Komet, der im solaren System beobachtet werden kann, eine Umlaufzeit von fünfundsiebzig Jahren. Aber für einen Umlauf sind Kometen an ein Gravitationszentrum gebunden, welches sie in einer meist stark elliptischen Bahn umkreisen. Da draußen, wo diese merkwürdige Erscheinung auftritt, gibt es eine ganze Reihe von Gravitationszentren und Sonnensystemen. Ein Komet könnte dort niemals einem derart gradlinigen Kurs folgen.“



„Was du da sagst, das gefällt mit nicht, alter Freund“, gestand Maurice. „Also gehst du von einem künstlichen Objekt aus?“



„Leider lässt sich von den wenigen Beobachtungen keine relative Geschwindigkeit berechnen, aber entweder haben wir es mit etwas zu tun, dass sich mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit bewegt oder mit mehreren Objekten“, meinte Sean McIntosh. „Jedenfalls ist das eine Sache, der ich lieber auf den Grund gehen möchte.“



„Du gehst also von einem Schiff aus? Einem, welches sich tarnen kann und dem Hiromata-Scan entzieht? So wie eure

Blackwing

, dieser Tarnkreuzer?“ Maurice stockte kurz. „Oder diese verdammten Schleichschiffe der Negaruyen? Meinst du, es könnte eines die Vernichtung seiner Heimatwelt überlebt haben?“



Die Gesichtszüge des Captains wurden hart. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass damals wirklich alle Schiffe der verborgenen Welt vernichtet wurden oder freiwillig in den Tod gingen. Es ist durchaus möglich, dass eines oder sogar mehrere überlebt haben.“



„Mon Dieu“, verfiel Maurice in seine Heimatsprache, „die würden natürlich auf Rache sinnen. In unserem Sektor sind mir aber keinerlei Zwischenfälle bekannt.“

 



„Ist auch nur eine Möglichkeit. Jedenfalls werde ich das High-Command bitten, meine Patrouillenroute ändern zu dürfen und mir die Sache einmal näher anzusehen.“ Sean sah Ranjid freundlich an. „Sie lassen die Daten des von uns entdeckten Wanderers an die Bibliothek auf dem Mars übermitteln und halten mich ansonsten auf dem Laufenden, wenn Sie nochmals eine solche ‚Verzerru

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