John Wesley Hardin

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John Wesley Hardin
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Michael Franzen

John Wesley Hardin

Outlaw und Revolvermann

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Kindheit und Jugend

Eine Spur der Gewalt

Abilene

Die Taylor-Sutton-Fehde

Verhaftung und Tod

Nachwort

Bibliografie

Bereits erschienen

Impressum neobooks

Vorwort

Unter den rund 250 Revolvermännern, die der Wilde Westen des 19. Jahrhunderts aufzubieten gehabt hatte, ragten einige, auch dank der Legendenschreibung, durch Leistungen hervor, die so niemals stattgefunden hatten. So soll Billy the Kid 21 Menschen erschossen haben, für jedes seiner Lebensjahre einen - eine bei weitem übertriebene Anzahl. Doc Holliday galt zu Unrecht als der schnellste und tödlichste Revolverschütze seiner Zeit und selbst der berühmte Marshal Wyatt Earp hatte weit weniger Gegner erschossen, als man ihn gemeinhin andichten wollte.

Der texanische Süden brachte ebenfalls eine ganze Reihe dieser Spezies Mensch hervor, die ihren Revolver etwas besser zu handhaben vermochten, als ihre in dieser Hinsicht minderbemittelten Mitmenschen. Man denke dabei nur an Benjamin „Ben” Thompson, William „Bill” Longley, Clay Allison und natürlich nicht zu vergessen - John Wesley Hardin, der tatsächlich keiner großen Legendenschreibung bedurfte, um aus ihm den wohl tödlichsten Revolverhelden zu machen, den der Wilde Westen Amerikas jemals gesehen hatte. Denn dafür sorgte Hardin am Ende auch dank seiner eigenen, schöngefärbten Autobiografie schon ganz von alleine. In ihr will er am Ende rund 44 Menschen bei seinen zahlreichen Revolverkämpfen „unter die Erde gebracht haben.” Ob zu Recht oder zu Unrecht, werden wir in diesem Buch noch näher untersuchen und dabei zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen, wie ich sie bereits in meinen vorangegangenen Büchern über Wild Bill Hickok, Billy the Kid, Doc Holliday und Wyatt Earp hinlänglich analysiert habe. Wie hoch die Anzahl seiner Opfer am Ende aber auch gewesen sein mag, John Wesley Hardin gehört mit Sicherheit zu den tödlichsten Gunfightern, die der Wilde Westen je gesehen hatte.

Doch wie wurde aus dem Sohn eines Predigers das „schwarze Schaf” der Familie, der Texas über die Jahre hinweg mit seinen (Un)taten in Atem hielt? Diese Frage zu beantworten und Hardins Lebensweg nachzuverfolgen, hat sich der Autor in diesem Buch zum Ziel gesetzt. Folgen wie daher gemeinsam dessen längst verwehten Spuren, die entgegen der allgemeinen Geschichtsschreibung nicht in dem Ort Bonham ihren Anfang, jedoch Jahre später im texanischen El Paso ihr jähes Ende nahmen.

Neumünster, im April 2019,

- der Autor -

Kindheit und Jugend

Der Stammbaum der Hardins lässt sich bis in das Jahr 1520 zurückverfolgen, als ein gewisser Pierre Hardewyn im alten Europa, genauer gesagt in Frankreich, das Licht der Welt erblickte. Später heiratete er seine Frau Marie Jeanee, geborene Dupois und gemeinsam hatten sie einen Sohn namens Pierre, der im Jahre 1540 geboren wurde. Dieser heiratete ebenfalls und zog zusammen mit seiner Frau Maria Victoria nach Rouen, Seine-Maritime, Haute-Normandie, wo weitere Generationen von Hardewyns geboren wurden. Die Begründung der amerikanischen Hardewyns (Hardins) erfolgte um das Jahr 1670 herum, als Martin Hardewyn zusammen mit seiner Frau Madeline, geborene du Sauchoy, von Frankreich aus in die Vereinigten Staaten einwanderten, wo sie sich zunächst in Staten Island, New York niederließen, bevor sie später weiter nach Virginia zogen.

Urgroßvater Joseph A. „Oberst” Hardin wurde dort am 18. April 1734 in Henrico County geboren. Er war u. a. Abgeordneter der englischen Kolonie North Carolina und einer der Unterzeichner der sogenannten „Tyron Resolves”, vom 14. August 1775, die von den Bürgern des Tyron Countys in den frühen Tagen der Revolution angenommen wurde. Sie wandte sich gegen die Zwangsmaßnahmen der englischen Regierung gegen ihre amerikanischen Kolonien nach den ersten Gefechten des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges von Lexington, Concord, Lincoln Menotomy und Cambridge in Massachusetts, am 19. April 1775.

Zusammen mit seiner Frau Jane, geb. Gibson, hatte der Oberst und Bürgerkriegsheld 19 Kinder, unter ihnen John Wesley Hardins Großvater Benjamin Hardin II, der am 28. Dezember 1780 in Henrico County, Virginia das Licht der Welt erblickte.

John Wesleys Vater James Gibson Hardin wurde am 02. März 1823 in Wayne County, Tennessee geboren. Er war ein methodistischer Prediger, Familienvater und Indianerkämpfer. Im Jahre 1847 heiratete er die am 07. Dezember 1826 in Sullivan, Indiana geborene Mary Elizabeth Dixon in Navarro County, Texas. Anschließend zogen die beiden nach Fannin County, wo ihr erster gemeinsamer Sohn Joseph Gibson am 05. Januar 1850 geboren wurde.

Der zweite Sohn und Hauptfigur dieses Buches, John Wesley Hardin, wurde am 26. Mai 1853 geboren. Nach neuesten Forschungsergebnissen jedoch nicht, wie allgemein behauptet wurde, bei Bonham, Texas, sondern wahrscheinlich in der Nähe von Blair Spring Creek in der Nähe von Orangeville, Texas. Forschungen ergeben dabei, dass Reverend Hardin am 07. August 1852 rund 129 Hektar Land, etwas mehr als zwei Meilen östlich des heutigen Whitewright erworben hatte, runde zehn Meilen westlich von Bonham entfernt. Auf dem südwestlichen Teil seiner Farm baute er eine methodistische Kirche. Das Gebäude, das auch als Schule und Wohnhaus diente, befand sich in der Mitte von vier großen Pekannussbäumen. Diese befinden sich noch heute auf dem ehemaligen Grundstück der Hardins, welches ursprünglich auch als Handelsplatz für Indianer, Siedler, Büffeljäger und Texas Rangers gedient hatte. So soll u. a. auch der berühmte Held der Schlacht von Fort Alamo, Davy Crockett (1786-1836), dort sein abendliches Lagerfeuer entzündet haben. Reverend John W. Connelly, der im amerikanischen Bürgerkrieg als Captain gedient und danach die Choctaw-Indianer im Indianer-Territorium unterrichtet hatte, schrieb seinerzeit:

James G. Hardin war einer der frühen methodistischen Prediger in dem Land gewesen, der mit Inbrunst das Wort Gottes verkündete, während seine Ehefrau Elizabeth eine äußerst elegante, christliche Frau gewesen war. Doch leider müssen fromme Eltern manchmal sehr böse Söhne großziehen. Der erste methodistische Prediger, den ich jemals in dem Staat Texas gehört habe, war Reverend Hardin, Vater des berüchtigten John Wesley Hardin gewesen. Zu dieser Zeit lebte er in diesem alten Schulhaus und sein Sohn John Wesley erblickte dort das Licht der Welt.”

Benannt wurde John Wesley Hardin nach dem Begründer der methodistischen Kirche John Wesley (1703-1891) und als Teil einer Großfamilie begleitete er seinen Vater auf dessen Reisen als Wanderprediger durch Texas, bis der sich im Jahre 1859 zusammen mit seiner Familie schließlich in Sumpter, Trinity County, Texas niederließ. Dort gründete er eine Schule, die auch von John Wesley und seinen Geschwistern besucht wurde.

John Wesley bereitete seinen Eltern bereits in jungen Jahren einige Sorgen und er sollte sich auch recht bald zum berühmten „schwarzen Schaf” der Familie entwickeln. So wurde er von einem Mitschüler seiner Klasse namens Charles Sloter beschuldigt, dass er ein Graffiti an der Wand des Schulhauses gepinselt hatte, was ein Mädchen in seiner Klasse beleidigt hatte. Der junge Wes bestritt dieses jedoch getan zu haben und beschuldigte im Gegenzug Sloter, dass er der Urheber dieses Schriftzuges gewesen sei. Schließlich kam es, wie es kommen musste und es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Jugendlichen, bei der Sloter schließlich ein Messer zog. Hardin zückte daraufhin sein eigenes Taschenmesser und stach Sloter die Klinge zweimal in die Brust und einmal in den Hals. Sloter sollte zwar überleben, doch dieser Vorfall zeigte eindrucksvoll, dass Hardin schon früh über ein gewisses Gewaltpotential verfügt hatte und dass er notfalls auch bereit gewesen war, den Tod seines Gegenübers billigend in Kauf zu nehmen.

Ein Jahr später, im November 1868 gab es dann tatsächlich einen ersten Toten, den Hardin auf seinem Weg zu Ruhm und Unsterblichkeit in Texas zurückließ. Im Alter von 15 Jahren forderte er einen Ex-Sklaven seines Onkels namens Major „Maje” Holshousen, auch „Mage” genannt, zu einem Ringkampf heraus, den er auch gewann, wobei er Mages Gesicht einige üble Blessuren zugefügt hatte. Am nächsten Tag lauerte der wütende Mage Hardin entlang eines Pfades auf und bedrohte ihn mit einem langen Knüppel. Hardin zog daraufhin seinen Revolver und forderte Mage auf, sich zurückzuziehen, doch dieser packte die Zügel seines Pferdes und drohte, ihn zu töten. Hardin schoss eine Kugel über seinen Kopf hinweg, woraufhin Mage die Zügel wieder losließ und einige Schritte zurückwich. Diese Prozedur wiederholte sich noch ein- oder zweimal, bis es Hardin schließlich zu bunt wurde und Mage drei Kugeln in den Körper schoss, sodass der die Zügel am Ende endgültig losließ und schwer verwundet zu Boden sank. Danach ritt er davon, um Hilfe für Mage zu holen, der jedoch drei Tage später an den Wunden verstarb, die Hardin ihm zugefügt hatte.

 

Nach der Niederlage der Konföderierten Staaten im Amerikanischen Bürgerkrieg und der Besetzung von Texas durch die Unionssoldaten war die Tötung eines Farbigen nunmehr keine leichte Sache mehr gewesen, die man so ohne Weiteres auf die leichte Schulter hätte nehmen können und selbst Vater Hardin glaubte nicht, dass sein Sohn, was diese Sache anbelangte, einen fairen Prozess zu erwarten gehabt hatte. Er riet seinem Sohn, sich eine Weile zu verstecken, bis Gras über die Sache gewachsen war, was Wes am Ende auch tat. Er fand zunächst Unterschlupf auf der Farm seines Bruders, doch am Ende fanden die Behörden seinen Aufenthaltsort heraus und schickten drei Unionssoldaten aus, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Wes wurde zwar von seinem Bruder Joseph gewarnt, dass Soldaten in Anmarsch waren, doch der beschloss kaltblütig, die Sache gleich vor Ort auszukämpfen. Mit einer Schrotflinte sowie einem 44er Revolver bewaffnet, legte er sich an einem Bachübergang in der Nähe von Sumpter in einen Hinterhalt und als die Soldaten an ihm vorbeiritten, feuerte er beide Läufe seiner Schrotflinte ab und tötete zwei der Soldaten. Der dritte fand noch die Zeit, seine Waffe zu ziehen und Wes mit einem Streifschuss am linken Arm zu treffen, bevor ihn eine Kugel, abgefeuert aus Hardins Revolver tötete. Einige „hilfsbereite” ehemalige Soldaten der Konföderierten Armee ließen anschließend die Leichen der drei Soldaten verschwinden und Reverend Hardin brachte seinen Sohn nunmehr ins Navarro County von Texas, wo zahlreiche Verwandte und Freunde der Familie lebten.

Doch hatte Hardin, wie er in seiner Autobiografie später behaupten sollte, die drei Unionssoldaten der 4. US-Kavallerie an dem Bachübergang bei Logallis Prairie in Trinity County, Texas wirklich erschossen? Tatsache bleibt, dass keine der damaligen militärischen Aufzeichnungen Hardin als Verdächtigen oder Täter nennen, noch stimmen die Tatsachen mit dessen späteren „Erinnerungen” an diese Tat überein. Es gab lediglich Indizien dafür, dass zwar ein Mord geschehen war, doch die Namen und die Anzahl der Opfer bleiben dabei unbekannt.

Hardin jedenfalls fand Unterschlupf bei seiner Tante Susannah Dixon Anderson in dem Örtchen Piscah, in Navarro County. Sie war Lehrerin von Beruf und dank ihrer Hilfe fand er vom Januar, bis in den Sommer 1869 hinein, eine Anstellung als Lehrkraft in der Nash Schule Später musste er den Ort jedoch rasch wieder verlassen und die Legende will wissen, dass er während seines Aufenthaltes dort einen Mann ins Auge geschossen hatte, um bei einer Wette eine Flasche Whiskey zu gewinnen. Des Weiteren behauptete Hardin, dass er und sein Cousin Simpson „Simp” Dixon 1869 in Richland Bottom auf eine Gruppe Soldaten gestoßen waren und dass jeder von ihnen dabei einen Mann getötet hatte. Armeeberichte aus jener Zeit zeigen jedoch an, dass ein Sergeant J. F. Leonard von der Kompanie B der 6. US-Kavallerie am 07. Mai 1869 in Livingston, Texas verwundet und ein „Simp“ Dixson bzw. Dickson im Februar 1870 von US-Soldaten getötet wurde. Einen weiteren Farbigen soll Hardin laut der Legende in Leon County, Texas getötet haben.

Nach seinem „überstürzten” Auszug aus Piscah, fand der nunmehr 16-jährige Wes eine Arbeit als Cowboy auf der Ranch seines Onkels Alec Dixon, in der Nähe von Corsicana, wo er einen anderen jungen Outlaw namens William Preston „Bill” Longley (1851-1878) kennenlernte, der später, anders als Hardin, am Galgen enden sollte. In seiner Freizeit wandte er sich nun auch verstärkt dem Glücksspiel zu und lernte dabei einen weiteren Outlaw namens Frank Polk kennen. Auch Polk hatte bereits seinen ersten Mann namens Tom Brady getötet und eine Gruppe Soldaten aus Corsicana, Texas hatte sich bald darauf auf die Fährte der beiden Outlaws gesetzt. Während Hardin die Flucht gelang, wurde Polk gefangen genommen und genoss eine Zeitlang die „Gastfreundschaft” einer kargen Gefängniszelle.

Will man den „Erinnerungen” Wes Hardins Glauben schenken, so hatte er um diese Zeit herum bereits sieben Kerben in den Griff seines Revolvers geschnitzt. Wahrscheinlich jedoch war es wohl „nur” eine einzige gewesen, nämlich die, die für die Tötung des ehemaligen Sklaven Mage stand.

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