Buch lesen: «Dunkles Spiel im Elderreich»

Schriftart:

Meghan Maslow

Dunkles Spiel im Elderreich
Starfig Investigations 2

Aus dem Englischen von Florentina Hellmas

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe: Be Fairy Game

Übersetzung: Florentina Hellmas

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Kerem Gogus – shutterstock.com

© Peter Polak – shutterstock.com

© Refluo – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-437-7

ISBN 978-3-96089-438-4 (epub)

Inhalt

Sie sind zurück!

Wenn ein einfacher Fall von „Finden und zurückbringen“ des Privatdetektiv-Duos Twig Starfig und Quinn Broomsparkle zu einer Ermittlung des EBI Morddezernats wird, ist das wohl ein ganz normaler Tag im Elderreich.

Doch der Mord ist nicht das einzige Problem des Halbdrachen Twig Starfig. Mit Mord kann er umgehen. Schwieriger ist das Versprechen, das er seinem machthungrigen Feenvater gegeben hat.

Dazu kommt noch die nicht immer einfache Beziehung zu seinem Zauberer Quinn, den er eigentlich nur beschützen will. Und beißen natürlich.

Dieses Buch ist Teil der Starfig Investigation Serie, kann aber auch als Einzeltitel gelesen werden.

KAPITEL 1

„Es ist eine Faaalle!“ Quinn packte meinen Arm mit eisernem Griff und riss mich zurück, als eine Steinsäule herunterfiel und mit Getöse dort aufschlug, wo ich gerade gestanden hatte.

Wir Drachen – oder Halbdrachen, Halbfeen oder wie auch immer – rollen nicht mit den Augen. Nicht würdevoll genug. Selbst dann nicht, wenn eine Situation danach verlangt.

„Hör auf, mit den Augen zu rollen, Twig. Ich meine es ernst“, zischte Quinn und umklammerte mich fester. „Du könntest jetzt platt wie ein Pfannkuchen sein.“

Okay, manchmal lässt sich das Augenrollen nicht vermeiden. Ich schüttelte Quinn ab.

„Ich habe das schon von Weitem gesehen.“ Mehr oder weniger. Vielleicht war da ein klein wenig Angeberei meinerseits dabei.

„Und trotzdem hattest du vor, hineinzutappen.“ Quinn schüttelte den Kopf, wodurch ihm sein goldblondes Haar in die Stirn fiel. Das verlieh ihm ein zerzaustes Aussehen, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen, was mich total scharf machte. „Ich hätte meinen Vertrauten gerne noch ein bisschen länger, wenn es genehm ist. Es wäre so mühevoll, wenn ich mir einen neuen Drachen suchen müsste.“

Ich sah, wie seine Mundwinkel zuckten, obwohl er versuchte, mich streng anzusehen. Mein Quinn war ein Softie.

„Bleib hier“, sagte ich und stieg über das Geröll in den engen Zugang, der zum zentralen Raum führte.

„Twig …“

„Ich komme zurecht!“, rief ich über meine Schulter. Was konnte in einer dreitausend Jahre alten Pyramide schon schiefgehen? Abgesehen von einer Handvoll Mumien, ein paar nervigen Vampiren, ein paar Dutzend Zombie-Orcs, den zwölf … ähm nein, dreizehn Fallen und den verdammten Harpyien, die wir ausgeschaltet hatten.

Es handelte sich also um einen ganz alltäglichen Fall im Elderreich.

Da ich keine Lust hatte, in die vierzehnte versteckte Falle zu stolpern, hielt ich inne und sah mich in dem Raum um. Ich wartete, bis Quinn mir seine Fackel reichte. Ich brauchte sie nicht, aber mir war klar, dass mein Zauberer nicht lange in dem Korridor warten würde. Ich wollte sicherstellen, dass wir beide keine weiteren Fallen auslösten. In meiner Drachenform hinderten blaue und schwarze Schuppen nahezu alles daran, meine Haut zu durchdringen, aber in meiner menschlichen Form musste ich etwas vorsichtiger sein.

Ich hatte von der Pyramide von Duume gehört, aber den Erzählungen nicht allzu viel Glauben geschenkt. Bis mein Kunde, ein Irrwisch namens Jippaa Icegem, Starfig Investigations damit beauftragt hatte, den Kriegshammer von Scrodbun, dem Pflichtvergessenen, zu finden.

Auf die bescheuerten Namen will ich gar nicht erst eingehen, das würde zu weit führen.

Meine Augen tränten von der dicken Staubschicht und meine Haut juckte, weil die abgestandene Luft so trocken war. Je schneller wir das hinter uns brachten, desto eher konnten wir zurück ins Sonnenlicht und an die frische Luft. Mit diesem Ziel im Hinterkopf suchte ich den höhlenartigen Raum ab. Er musste sich an der Spitze der Pyramide befinden und natürlich stand dort eine goldene Truhe auf einem großen Podest. Ehrlich, es fehlte den Leuten an Kreativität. Ich näherte mich vorsichtig und bückte mich, um den Steinboden besser sehen zu können. Dann suchte ich nach Stolperdrähten und anderen unangenehmen Überraschungen. Ich umrundete das Podest und kehrte zu meinem Ausgangspunkt zurück. Nichts, rein gar nichts.

Außer, dass ich fühlen konnte, dass das Gold der Truhe nicht echt war. Die meisten Wesen würden das nicht auf den ersten Blick wahrnehmen, aber ich konnte es. Der Vorteil meiner Drachenanteile und einer der Gründe, warum Starfig Investigations so erfolgreich war. Wir fanden immer alle wertvollen Artefakte.

Es kam mir allerdings seltsam vor, etwas so Kostbares in etwas so Gewöhnlichem aufzubewahren. Ich durchquerte den Raum noch einmal und tastete sogar die Wände ab. Es gab keinen anderen Platz, an dem der Hammer sich befinden konnte. Das musste es sein. Wir hatten uns bereits über neun Treppen nach oben gekämpft, nachdem wir jede Ebene abgesucht hatten. Ich war so erledigt.

„Es scheint in Ordnung zu sein“, rief ich Quinn zu. „Aber bleib doch lieber hier, nur zur Sicherheit.“

Mein Zauberer konnte nicht gut mit Anweisungen umgehen und noch weniger mit Befehlen. Ich war deshalb nicht überrascht, als er zu mir schlurfte und nach oben deutete.

„Die Decke wird uns auf den Kopf fallen.“

Okay, ich gebe zu, dass ich diesmal wirklich mit den Augen rollte. Ich richtete mich zu meiner vollen Größe von rund 2,20m auf und sah auf Quinn herab. Der zuckte mit keiner Wimper.

„Die Decke wird uns nicht auf den Kopf fallen“, schnaubte ich. „Dazu müsste das Fundament der Pyramide rund um uns herum einstürzen. Nachdem ich die Steinblöcke bewegen musste, um den Eingang freizulegen, kann ich dir versichern, dass sie sehr stabil sind.“

Hörte ich mich übellaunig an? Das musste daran liegen, dass ich müde und hungrig war, endlich den blöden Hammer finden und nach Hause gehen wollte. Es war drei Tage her, dass Quinn und ich ein wenig Zeit füreinander gehabt hatten, und mein Drache wurde unruhig.

Und geil.

„Ich sage nur, dass alle Pyramiden über den Abenteurern zusammenbrechen, die es wagen, ihre Schätze zu rauben. Denk an den Gebirgskessel des Lichts, die Pizzanty-Pyramide und natürlich die Felsnadel vom Silbermoor. Sie sind alle zusammengebrochen.“ Quinn verschränkte die Arme und nickte, als gäbe es dem nichts hinzuzufügen.

„Das ist ein Klischee. Das wird hier nicht passieren.“

„Und was denkst du, was hier passieren wird?“

„Eine weitere Falle oder vielleicht ein Wächter, würde ich vermuten.“

„Ein Wächter?“ Quinn schnaubte. „Wer denkt hier in Klischees?“ Der Blick, den er mir zuwarf, hätte Glas schmelzen können. Mein Schwanz bemerkte es auch und regte sich. Quinn war offenbar ebenso sexuell frustriert wie ich und das sagte eine Menge. Wir starrten einander an und ich hätte schwören können, dass es in dem Raum um einige Grade wärmer wurde.

Das konnte aber auch an dem Feuer liegen, das aus Quinns Hand schoss und eine kleine Fellkugel wie eine Fackel in Flammen aufgehen ließ. Die Fellkugel knurrte kurz und zerfiel zu Asche.

„Was zum Teufel war das?“ Es sah aus wie eine haarige Staubflocke.

„Ich weiß es nicht, aber es ist schnell auf uns zugerollt.“

„Dir ist schon klar, dass es winzig war, oder?“

„Dein Dad ist auch winzig und soweit ich weiß, bricht dir jedes Mal der kalte Schweiß aus, wenn er bei uns zu Hause auftaucht.“

Das war ein gutes Argument.

„Außerdem hat es mich erschreckt.“

„Erinnere mich daran, dich nie zu überraschen.“

„Sehr witzig.“ Quinn boxte gegen meinen Arm. „Ich weiß nicht, was es vorhatte, aber ich konnte fühlen, dass es nichts Gutes war. Es hat etwas Bösartiges ausgestrahlt.“

„Vielleicht war es ja das Einzige.“

„Ja, klar.“ Jetzt war es Quinn, der mit den Augen rollte.

„Es darf ja auch mal was einfach gehen, nicht wahr?“

„Mhm.“ Er wirkte nicht überzeugt.

Wir sahen uns beide noch einmal in der Kammer um, ehe wir uns der Truhe näherten.

Quinn umrundete die Kiste mit der Eleganz eine Nymphe. Er hatte seine üppige Unterlippe zwischen die Zähne gesaugt und seine Kleidung saß perfekt an seinem großen, schlanken Körper. Zu perfekt.

Ich schluckte und sah zur Seite. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Lust. Wir mussten einen Kriegshammer bergen.

„Siehst du etwas?“ Meine Stimme klang selbst in meinen eigenen Ohren atemlos.

Quinn antwortete nicht. Ich drehte mich zu ihm um. Seine Augen glühten vor Verlangen. Er war extrem empfänglich für meine Stimmungen und mein eigenes Begehren spiegelte sich in seinem Blick.

„Quinn?“ Meine Stimme klang plötzlich ganz unpassend hoch für einen Drachen.

„Hm?“ Seine Augen tasteten weiter meinen Körper ab und es fühlte sich an, als würden flüssige Flammen über meine Haut tanzen.

„Hast du irgendwelche … Fallen gefunden? Objekte … um die wir uns kümmern müssen?

Er starrte mir auf den Schritt. „Ich habe ein Objekt gefunden und würde mich sehr gerne darum kümmern.“

„Quinn! Konzentrier dich.“

Verdammt, hatte ich das wirklich gerade gesagt? Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ein tiefes Knurren formte sich in meiner Kehle, wir prallten aufeinander und unsere Lippen verschmolzen zu einem glühenden Kuss. Der Kriegshammer konnte warten. Wäre es unverschämt, die große Truhe als improvisiertes Bett zu nutzen?

Als Quinn sich in meine Arme schmiegte, seine Schenkel meine Taille umklammerten und unsere Lenden sich aneinander pressten, war alles andere unwichtig. Mein Zauberer wollte mich und ich wollte ihn verdammt nochmal auch. Und zwar jetzt.

Quinn unterbrach unseren Kuss und ich knurrte.

„Twig …“

Ich presste unsere hungrigen Lippen wieder aufeinander und meine Zunge tastete nach Quinns einzigartigem Geschmack. Seine Hand zog an meinem Haar und ich schnurrte geradezu. Ich liebte es, wenn er mich härter anfasste. Ein weiterer scharfer Ruck trennte unsere Münder wieder.

„Autsch“, grunzte ich.

„Twig!“

Ich stürzte mich wieder auf ihn. Er war so verdammt heiß.

Eine Faust an meiner Schulter brachte mich dazu, mich zurückzuziehen.

„Hä?“

„Ich habe versucht, es dir zu sagen. Schau!“

KAPITEL 2

Quinn deutete über meine Schulter.

Ich fuhr herum. Ein Berg von diesen niedlichen, winzigen Fellknäulen rollte langsam auf uns zu.

„Sie sind überall.“ Quinns Atem kitzelte an meinem Ohr und mir wurde bewusst, dass ich ihn noch immer festhielt. Ich drehte uns langsam, um einen besseren Überblick über die Situation zu bekommen. Zu sagen, dass die Geschöpfe uns umzingelt hatten, war ein klein wenig untertrieben. Sie quollen aus vielen kleinen Öffnungen am oberen Rand der Wände hervor, was aussah wie mehrere pelzige Wasserfälle. Wenn wir nichts unternahmen, würden sie in kürzester Zeit zwei Reihen um uns bilden.

Ich sah mich im Raum um und entschied, mich nicht in meine Drachenform zu verwandeln. Ich könnte dann zwar kurzen Prozess mit ihnen machen, ich würde dabei aber auch die strukturelle Integrität der Pyramide gefährden. Solange es nicht unbedingt nötig war, stellte das ein zu großes Risiko dar. Bisher hatten wir keinen Hinweis, dass die Dinger überhaupt gefährlich waren.

Quinn stöhnte. „Hör gefälligst auf, dich zu drehen, und lass mich runter. Du machst mich schwindelig. Meine Magie ist nicht sehr hilfreich, wenn ich mich übergeben muss.“

„Tut mir leid.“ Ich blieb stehen uns stellte ihn auf die Füße.

„Bei dem Letzten war Feuer wirksam. Ich kann sie verbrennen. Dann wird es aber ziemlich heiß hier drin. Ich schätze, dich wird das nicht weiter stören, aber ich muss mich dagegen abschirmen.“

„Wir brauchen kein Feuer.“ Ich knurrte die Tierchen an und sie hielten zitternd inne.

„Siehst du, sie erkennen einen dominanten Jäger, wenn sie einen sehen.“

Eines der kleinen Wesen begann zu quietschen und dann noch eines. Bald stimmten alle Fellknäule in ein extrem hohes Zwitschern ein. Es dröhnte in meinen Ohren und bohrte sich in meinen Schädel. Ich bedeckte wimmernd meine Ohren. Verdammt, das tat weh. Quinn schien der Lärm nichts auszumachen. Vielleicht, weil Menschen kein so feines Gehör hatten wie Drachen.

„Hat anscheinend nicht funktioniert.“

Quinn konnte so ein Klugscheißer sein. Ich öffnete den Mund, um es noch einmal zu versuchen.

Quinn deutete auf eine Ecke, wo die kleinen Fellkugeln sich auftürmten. Höher und höher. Immer mehr von ihnen rollten auf den Berg zu, der anwuchs, bis er größer war als wir.

„Was glaubst du, was die vorhaben?“, schrie Quinn, um das Quietschen zu übertönen. Ich sank vor Schmerz auf die Knie und wagte es nicht, die Hände von den Ohren zu nehmen. Ich fühlte mich schwach, aber das war unmöglich. Ein Halbdrache kippte doch von ein bisschen Lärm nicht um.

„Ich bin nicht sicher, aber es kann nicht gut sein“, wimmerte ich. Obwohl sie bisher nichts getan hatten als zu quietschen. Aber was mich anging, war das genug.

Natürlich war ich voreilig gewesen. Als alle Wesen zu einem großen Berg zusammengekommen waren, begannen sie zu schimmern und formierten sich zu einer Art beweglicher Fellwolke.

„Bleib zurück.“ Quinn hob die Hände und Flammen stiegen aus seinen Handflächen. Eindrucksvoll, aber unnötig. Es gab keinen Grund, seine Magie zu nutzen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Außerdem war ich inzwischen wirklich sauer. Niemand zwang mich in die Knie. Nun, außer ich wollte dort sein … Richtig, konzentrieren.

„Warte, lass mich erst etwas anderes versuchen.“

Bevor Quinn antworten konnte, stürzte ich mich auf die Ansammlung von Fellbällen. Was auch immer sie waren, sie schienen keine Zähne zu haben. Wie gefährlich konnten sie schon sein?

Als ich auf das seltsame Gebilde traf, bildete sich an der Stelle ein Loch. Ich sauste hindurch und landete mit einem Knall an der gegenüberliegenden Wand. Verdammt, das tat weh!

Ehe ich mich aufrappeln konnte, schossen pelzige Tentakel aus dem Gebilde, schlangen sich um meine Knöchel und schon war ich wieder in der Luft.

Die verfluchten Viecher ließen mich immer wieder gegen den Boden krachen. Ich strampelte und trat um mich, aber da war nichts, wogegen ich kämpfen konnte. Rutschiges Fell und sich dauernd verändernde Gliedmaßen. Igitt.

„Twig, wenn du aufhören würdest, könnte ich mich um sie kümmern“, sagte Quinn. Er klang tatsächlich verärgert. Das war mein Zauberer.

Als sie mich das nächste Mal zu Boden schleuderten, schossen meine Krallen aus den Fingern und ich durchschnitt die Tentakel, die mich festhielten. Es war zwar nicht so, als würde ich Muskeln oder Knochen durchtrennen, aber das Wesen ließ mich fallen. Auf den Kopf.

Ich kam auf die Füße, bevor mich das Gebilde wieder umschlingen konnte, und das Quietschen erschwerte mir das Denken.

„Geh aus dem Weg!“, rief Quinn.

Ich ignorierte ihn. Ich konnte damit fertig werden. Ich fauchte und schlug nach dem Wesen. Ich würde es in Streifen schneiden!

Ein schrilles, lautes Kreischen hallte durch den Raum. Ich sank schreiend auf die Knie und bedeckte meine Ohren. Das Geräusch war unerträglich. Sofort stand Quinn vor mir und das Feuer in seinen Händen loderte. Er schleuderte einen Feuerball auf die Kreatur, die sich wieder in der Mitte öffnete, um das Feuer durchzulassen, aber es genügte ein einziger Funke und das Wesen brannte wie ein Scheiterhaufen.

Es schlug um sich, Tentakel schossen hervor und stießen Quinn zurück, wo er über mich stolperte. Wir lagen auf dem Boden und brennende Fellstücke regneten auf uns herab, während das Geschöpf weiter so ohrenbetäubend kreischte, dass ich befürchtete, meine Trommelfelle würden platzen. Trotzdem schaffte ich es, mich umzudrehen, Quinn mit meinem Körper zu bedecken und ihn so gut wie möglich vor der sengenden Hitze und dem Feuer zu schützen, während ich mir immer noch die Ohren zuhielt.

Quinn schlang die Arme um mich und plötzlich verschwand die Hitze und es war wunderbar still. Ich nahm die Hände von den Ohren und starrte auf die Blase, die Quinn um uns gebildet hatte. Quinn grinste überheblich

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich damit umgehen kann.“

Ich grunzte. Ja, ich wusste, dass ich dankbar sein sollte. Das war aber nicht meine starke Seite. Ich liebte es, den Helden zu spielen, und Quinn wusste das. Aber manchmal wollte er wohl auch ein Held sein. Diese Partnersache war schwierig.

Gemeinsam sahen wir zu, wie das Wesen verbrannte. Es war beinahe ein schöner Anblick, wie die Flammen das seltsame Gebilde verschlangen. Da ich es nun nicht mehr hörte, konnte ich zugeben, dass es interessant war.

„Hast du irgendeine Vorstellung, was das war?“, fragte ich.

„Keine Ahnung. Ich habe in meinen Büchern nie etwas Derartiges gesehen.“

„Was auch immer es war, ich bin froh, dass ich es nicht mehr hören kann.“

Quinn zuckte mit den Schultern. „Es hat sich für mich einfach nach Quietschen angehört.“

Wir beobachteten, wie auch die letzten Stückchen zu Asche verbrannten. Quinn löste die Blase um uns auf. Stille. Meine Ohren dröhnten immer noch, aber zumindest hatte der Schmerz aufgehört.

„Danke.“

Quinn lächelte. Sanft und voller Zuneigung. „Gern geschehen, du sturer Drache.“

Ich brummte, verstummte aber, als er seine Hand auf meine Wange legte. Nichts fühlte sich so gut an, wie von Quinn berührt zu werden. Ich schloss für einen Moment die Augen und genoss die Wärme, die uns beide durchströmte.

„Oh, hallo aber auch.“

Ich riss die Augen auf. Was war jetzt los? Ich folgte Quinns Blick zu einer einzelnen, winzigen Fellkugel, kaum größer als eine Zaubermurmel. Sie zitterte, aber sie rollte langsam näher. Ich holte aus, um sie zu erledigen, aber Quinn legte sanft eine Hand auf meinen Arm, um mich aufzuhalten.

„Das ist ein Baby.“

Ich blinzelte erst ihn an und dann das Fellknäul.“

„Und?“

Er stieß mich mit dem Ellbogen an. „Wir können es doch nicht einfach töten.“

„Warum nicht?“

„Twig, benimm dich.“ Er streckte die Hand aus und machte kleine Kussgeräusche.

Hatte er völlig den Verstand verloren?

„Ähm, du erinnerst dich aber schon, dass die Großen versucht haben, uns umzubringen, nicht wahr?“

„Ja, ich weiß. Sie waren die Wächter, die du so zuversichtlich prophezeit hattest.“

„Ich hatte recht.“

Quinn schnaubte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fellbällchen zu. Er machte lächerliche, gurrende Geräusche und das kleine Ding begann zurück zu trillern.

„Nein.“

Quinn hörte auf zu gurren. „Was?“

„Nein, du kannst es nicht mit zu uns nach Hause nehmen. Wir haben bereits einen Red Fury und einen Geister-Piraten-Papagei. Wir brauchen kein … was auch immer das Ding ist.“

„Wir können es nicht hier lassen.“

„Warum nicht? Es lebt hier.“

„Sei nett, Twig.“

„Drachen sind nicht nett.“ Ich sagte ihm das dauernd, aber er glaubte mir nicht.

„Doch, du schon.“ Der Blick, den Quinn mir zuwarf, bewirkte, dass sich Wärme in meiner Brust ausbreitete und mir heiß wurde. „Darum liebe ich dich.“

„Ich liebe dich auch, Zauberer.“

Er grinste.

Verdammt. Er hatte mich drangekriegt.

„Du weißt nicht mal, ob es hier überhaupt weg will“, protestierte ich lahm.

Quinn gurrte wieder und das kleine Wesen kam direkt auf ihn zu. Er streckte die Hand aus und die Fellkugel rollte in seine Handfläche. Natürlich.

Er hob sie zu seinem Gesicht. „Bist du aber süß. Und ob du das bist“, gurrte er und streichelte sie. Die verdammte Kreatur gurrte prompt zurück und rieb sich an seinem Kinn.

„Oh, sie mag mich.“

„Du bist bezaubernd. Jedes Wesen mag dich.“

Er grinste. „Bist du eifersüchtig?“

„Ha! Das hättest du wohl gerne.“

„Im Ernst, Twig.“ Sein Lächeln verblasste. „Wir sollten sie mit nach Hause nehmen. So etwas wie Cookie habe ich noch nie gesehen und ich würde sie gerne studieren.“

„Sag mir nicht, dass du der Fellkugel einen Namen gegeben hast. Nein, nein …“

Quinn schob die Unterlippe vor und sah mich bittend an.

„Ich seufzte. „Cookie, ernsthaft?“

„Was ist verkehrt an Cookie? Sie ist zauberhaft und verdient einen niedlichen Namen.“

„Wann ist aus dem Ding eine sie geworden?“ Ich hob die Hand, um seinen Kommentar abzuwehren. „Und Cookie ist kein niedlicher Name. Das klingt eher nach einem Snack.“

Cookie … Ich meine, die Fellkugel zischte tatsächlich in meine Richtung. Quinn kicherte, als ich zurück zischte.

„Ach komm schon, mein Großer. Findest du sie nicht niedlich? Soweit wir wissen, könnte sie ein erstaunliches neues Lebewesen sein.“

Ich sah ein, dass ich mich geschlagen geben musste. Trotzdem … „Wenn du sie mit nach Hause nimmst, wird Bill sie vielleicht fressen.“

„Er ist Vegetarier. Ich glaube, sie ist bei uns sicher. Nicht wahr, Cookie-Wookie? Ja, das bist du.“ Er rieb sein Kinn an ihr. Sie gurrte und trillerte.

„Nein, keine Kosenamen. Da hört meine Geduld auf.“ Okay, sie war irgendwie niedlich. Aber das würde ich niemals zugeben.

Er ignorierte mich weiter und flötete die ekelhaft süßesten Zärtlichkeiten. Ich stand auf und überließ die beiden den Bekundungen ihrer Zuneigung. Ich hatte zu arbeiten. Je eher wir den Hammer in unseren Besitz brachten, desto schneller konnten wir nach Hause zurückkehren – und ich konnte Quinn dazu bringen, seine Kleider abzulegen. Falls er damit aufhören würde, mit Cookie zu gurren.

Nicht, dass ich auf die Fellkugel eifersüchtig war. Hörte ich da Kussgeräusche hinter mir? Ich würde mich einfach nicht umdrehen und hinsehen.

Ich umrundete die Truhe und suchte ein letztes Mal nach verborgenen Stolperdrähten und anderen lästigen Überraschungen. Nichts. Das bedeutete aber nicht, dass es keine dunkle Magie gab, die all jene erwartete, die versuchten, die Truhe zu öffnen.

Zum Glück verdankte ich meiner Drachennatur, dass ich gegen die meisten Formen schwarzer Magie immun war. Deshalb konnte trotzdem ein Speer meine Eingeweide durchbohren, aber Flüche prallten gewöhnlich von mir ab. Ich fuhr mit der Hand über den Deckel und ließ sie eine Weile dort liegen. Ich fühlte kein Kribbeln.

Ein besserer Zeitpunkt würde nicht kommen. Ich griff nach dem Deckel und …

„Twig, warte!“ Quinn stürzte zu mir, Cookie noch immer in der Hand. „Ich möchte es mir zuerst ansehen.“

„Warum? Es ist nicht so, als ob dunkle Magie mir etwas anhaben könnte. Aber du solltest Abstand halten.“

„Du hast vergessen, dass die Pyramide einstürzen wird, sobald du den Deckel öffnest, nicht wahr?“

Ich schnaubte. „Das behauptest du. Ich sage, sie ist stabil und wird es auch bleiben. Nicht einmal eine Explosion würde diese Wände zum Einsturz bringen.“ Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Du machst dir zu viele Sorgen.“

Er schüttelte meine Hand ab, als wollte er ein Insekt abstreifen.

„Dir muss klar sein, dass ich dich daran erinnern werde, dich gewarnt zu haben, wenn sie uns auf den Kopf fällt.“

Dass Cookie scheinbar ihre Zustimmung trillerte, half auch nicht.

„Wenn sie dir auf den Kopf fällt, kannst du mich im Jenseits verfolgen. Du kannst mich bis in alle Ewigkeit heimsuchen.“

„Sehr witzig.“ Quinn legte seine Hände neben meinen auf den Deckel. Er flüsterte ein paar Worte und ein heller oranger Schimmer umgab die Truhe. Als er verblasst war, schüttelte Quinn den Kopf und trat ein paar Schritte zurück. „Na schön, dann wollen wir uns den mächtigen Kriegshammer mal ansehen.“

Ich hatte immer angenommen, Scrodbuns Kriegshammer sei ein Mythos, ein Märchen für Kinder. Dank des Privatlehrers, den mein Vater angeheuert hatte, um mir die Anpassung an das Leben im Elderreich zu erleichtern, hatte ich die Geschichte oft genug gehört. Im Drachenreich hatten wir uns nicht mit solchen Dingen beschäftigt. Außer es hätte sich um eine wertvolle Bereicherung unseres Schatzes gehandelt. Nach allem, was ich gehört hatte, wäre der Hammer tatsächlich eine sehr nette Bereicherung gewesen. Nur, dass wir ihn eben für einen Kunden sicherstellen sollten.

Als Quinn weit genug entfernt war, um vor allfälligen Verteidigungsmaßnahmen sicher zu sein, bemühte ich mich, den Deckel anzuheben. Die seit langem eingerosteten Scharniere quietschten. Meine Nackenhaare sträubten sich, als Quinn hinter mir seine magische Kraft bündelte. Nur für den Notfall. Ich bereitete mich darauf vor, dass etwas herausspringen oder explodieren würde. Oder etwas in der Art.

Der Deckel sprang auf.

Ich duckte mich und wartete.

Nichts.

Ich warf einen Blick zu Quinn. Er starrte nach wie vor auf die Truhe, zu allem bereit. Ich spähte über den Rand. Aus diesem Winkel wirkte die Truhe eher wie ein Sarg als ein Aufbewahrungsort für einen kostbaren Schatz.

„Und?“, fragte Quinn, als ich einfach nur hinein starrte.

Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf und beugte mich hinein.

Hä? Das konnte nicht stimmen. Ich fuhr mit den Händen über die Innenseiten der Truhe.

„Ist sie leer?“ Quinn schlurfte näher.

„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. Nicht leer. Nicht ganz. Ich griff hinein und zog einen Hammer heraus, der nicht größer war als mein Daumen. Er schien aus versteinerten Knochen gefertigt zu sein. Keine Verzierungen.

„War Scrodbun nicht angeblich ein räuberischer Troll? Du weißt schon, dreieinhalb Meter groß, muskulös, schlechtes Benehmen?“ Quinn schielte auf den Hammer. „Glaubst du, dass er eher ein Feenwesen war? Das Ding sieht nach einer Waffe aus, die dein Vater schwingen könnte.“

„Ich weiß es nicht.“ Ich atmete tief ein. Ich glaube, es ist eine Attrappe.“

„Keine goldene Gravur? Keine Edelsteine?“ Quinn klang enttäuscht, was ich ihm nicht übelnehmen konnte.

Ich atmete wieder ein und schloss die Augen. Ein Hauch von Gold vielleicht. Mit Sicherheit nicht der Hammer, nach dem wir suchten. Ich schloss meine Hand um den Hammer und ließ meine Drachensinne durch die Pyramide wandern. Ich kam wieder auf diesen Raum zurück und fühlte eine gedämpfte Macht. Aber was auch immer das war, es schien an keinem bestimmten Ort zu sein. Das war noch nie zuvor passiert. Als wäre die Macht getarnt. Aber das sollte keine Rolle spielen. Ich müsste jeden wertvollen Stein und jedes edle Metall wahrnehmen können.

„Ähm Twig, ich möchte dein … Schnüffeln ja nicht unterbrechen, aber wir sollte hier verschwinden.“

Ich riss die Augen auf. „Warum glaubst du, dass …“

Quinn deutete zur Decke. Da konnte ich es fühlen. Ein leichtes Vibrieren.

„Ich glaube, das ist die Decke, die demnächst einstürzen wird.“

„Das bezweifle ich.“

Dann fiel der erste Block herunter und zerschmetterte die Truhe.

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