Professor Klapperzahn

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Professor Klapperzahn
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Mattia Berend

Professor Klapperzahn

...und wie alles begann. -Abenteuer zum Vorlesen-

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Kinder

Der Einzug

Der Professor

Die Einladung

Das Auto

Der erste Flug

Unsichtbar

Die Insel

Das Team

Bunte Hunde

Impressum neobooks

Die Kinder

Es war ein sonniger Spätnachmittag im Frühling. Die Schule war längst zu Ende, die Hausaufgaben waren erledigt. Thadeus und seine etwas jüngere Schwester Antonia spielten auf der Zufahrt der Garage. Sie wohnten in einem Haus an einer ruhigen Seitenstraße einer kleinen Stadt am Meer irgendwo im Süden eines wunderschönen Landes. Thadeus drehte ein paar Runden auf seinem neuen Fahrrad, das ihre Eltern ihm zu Weihnachten geschenkt hatten. „Darf ich mal?“, fragte Antonia, während sie Zahlen in ihren neuen Taschenrechner eintippte. Der war auch ein Weihnachtsgeschenk. „Nein“, sagte Thadeus, „dafür bist du noch zu klein.“ „Blödmann, ich kann doch schon Fahrrad fahren!“ „Trotzdem will ich das nicht. Du machst nur Schrammen rein. Schau dir doch mal dein eigenes Fahrrad an. Wie das aussieht!“ Antonia legte ihren Taschenrechner beiseite, stand auf und sagte: „Mir ist langweilig.“ Sie überlegte und fragte Thadeus: „Wollen wir mal zum Flugplatz radeln?“

Etwas außerhalb der Stadt gab es nämlich einen Flugplatz für kleinere Flugzeuge, deren Starts und Landungen sich prima beobachten ließen. „Ich habe eine bessere Idee“, meinte Thadeus, „wir könnten ja mal wieder in den Dschungel gehen.“

Der Dschungel war natürlich kein richtiger Dschungel, sondern der verwilderte Garten hinter einem leer stehenden Haus auf der anderen Straßenseite. Dort spielten die Kinder gelegentlich. In diesem Garten befand sich ein halb verfallener Geräteschuppen, überwuchert von Kletterpflanzen, perfekt, um darin die verschiedensten Sachen zu machen und sich die tollsten Spiele auszudenken. „Gute Idee“, sagte Antonia. Thadeus stellte sein Fahrrad vor der Garage ab, und sie gingen über die Straße zu diesem Haus schräg gegenüber. Neben dem Haus führte ein schmaler Fußweg zu einigen anderen Häusern in der Nachbarschaft. Von diesem Weg aus gelangten sie durch eine Lücke im Zaun in den Dschungel, ohne dass sie dabei beobachtet werden konnten. Antonia drückte ein paar Büsche und Zweige beiseite und ging voraus zum Geräteschuppen. „Warum wohnt hier eigentlich niemand?“ Thadeus wusste es auch nicht so genau. „Ist doch toll. So haben wir unseren eigenen Spiel-Dschungel“, antwortete er.

Sie hatten sich gerade im Schuppen auf den Boden gesetzt, als sie das Geräusch eines Lasters hörten. Genau vor dem leer stehenden Haus verstummte der Motor. ‚Nanu’, dachte sich Thadeus, ‚wird hier jemand beliefert?’ Er zuckte mit den Schultern, schnappte sich eine alte Leiste und fing an, damit auf dem trockenen Sandboden des Schuppens herumzukratzen. Plötzlich hörten sie ein Geräusch. Als sie durch das kleine Fenster des Schuppens zum Haus guckten, sahen sie, wie sich die Hintertür langsam und knarrend öffnete. Schnell duckten sie sich, um nicht gesehen zu werden. „Aber…“ sagte Antonia. „Pssst!“, machte Thadeus und hielt sich den Zeigefinger vor den Mund. Antonia verstummte. Das Knarren der Tür hörte auf. Sie hörten einige Schritte, und dann sagte eine Männerstimme: „Was ist denn hier los? Hier ist ja alles zugewuchert! Das muss dringend mal gemacht werden. Tststs, es sieht ja hier aus wie in einem Dschungel.“ Dann entfernten sich die Schritte in Richtung Haus, die Hintertür knarrte wieder und knallte dann zu. Danach hörten die Kinder nichts mehr. „Schnell weg hier“, flüsterte Antonia. Thadeus antwortet ebenfalls flüsternd: „Ja, nix wie weg. Aber gaaanz ruhig.“ Sie verließen den Schuppen, schlichen durch das Gestrüpp zur Zaunlücke, schlüpften hindurch und rannten dann so schnell sie konnten nach Hause. Heftig atmend kamen sie vor ihrer Garage an. Antonia schnappte sich ihren Taschenrechner und tat so, als ob sie wieder Zahlen eintippen würde. Thadeus schwang sich auf sein Fahrrad und fingerte an der Fahrradklingel herum, so als würde er sie untersuchen. In Wirklichkeit aber beobachteten sie das gegenüberliegende Haus. Davor parkte ein kleiner Laster. ‚Valentino Umzüge und Autoverleih’ stand darauf. Die hinteren Türen standen offen, und sie sahen, wie jemand etwas auslud. Man konnte aber nur die Beine und Füße sehen, da eine der hinteren Türen den Rest der Sicht versperrte. „Da zieht wohl jemand ein“, meinte Thadeus. Antonia nickte: „Dann können wir wohl bald nicht mehr im Dschungel spielen.“ In diesem Augenblick hörten sie die Stimme ihrer Mutter: „Kinder! Kommt rein! Das Abendessen ist fertig!“

Der Einzug

Am nächsten Tag, als Antonia und Thadeus aus der Schule kamen, war der Laster verschwunden. Das leere Haus gegenüber sah aus wie immer. Nach dem Mittagessen spielten sie wieder vor ihrer Garage. Ihre Mutter schaute aus dem Küchenfenster und fragte: „Kinder, warum spielt ihr nicht hinten im Garten?“ „Nee, keine Lust“, antwortete Antonia, und Thadeus schüttelte den Kopf. „Hier ist es sonniger.“ In Wirklichkeit wollten sie nur beobachten, ob gegenüber noch irgendetwas passierte. Und tatsächlich, ein kleiner Lieferwagen rollte heran und hielt vor dem Haus an. „Was ist das für ein Auto? Daran steht etwas geschrieben.“ Antonia zeigte darauf. „Luises Reinigungsservice“, las Thadeus vor. Aus dem Auto stiegen ein Mann und eine Frau aus, und dann holten sie Eimer, Besen und Schrubber heraus und schleppten alles ins Haus. Thadeus’ und Antonias Mutter schaute aus dem Küchenfenster, sah einen Augenblick zu und fragte dann: „Wer hat Lust auf Kekse und Kakao?“ „Ich! Ich!“, riefen beide Kinder und rannten hinein. Als sie am Küchentisch saßen und mit vollen Backen ihre Kekse verputzen, fragte Thadeus mit halbvollem Mund, wobei einige Kekskrümel aus seinem Mund auf den Tisch flogen: „Mama, weiw uh…“ „Thadeus, erst schlucken, dann fragen!“, ermahnte ihn seine Mutter. Antonia kicherte leise. Thadeus schluckte seinen Keks herunter und begann noch einmal: „Mama, weißt du, was mit dem leeren Haus gegenüber los ist?“ „In der Nachbarschaft munkelt man, dass jemand das Haus gekauft hat. Irgend so ein alter Professor, der in Rente gegangen ist. Aber so genau weiß das niemand.“ Sie schaute aus dem Küchenfenster. „Sieh an, da kommt ja schon der Umzugswagen.“ „Dürfen wir raus? Zusehen?“, fragten beide Kinder fast gleichzeitig. „Ja, aber stört die Männer nicht beim Möbelschleppen!“ „Geht klar!“ Sie rannten hinaus auf die Garagenauffahrt und beobachteten, was gegenüber geschah. Ein großer Möbelwagen parkte direkt hinter dem Lieferwagen. ‚Valentino Umzüge und Autoverleih’ las Thadeus wieder vom Laster ab. Vier Männer in blauen Arbeitssachen stiegen aus, gingen um den Laster herum und öffneten die hinteren Türen. Zwei Männer kletterten hinein. „Bin gespannt, was für Möbel dieser Professor hat“, murmelte Thadeus leise vor sich hin. Man hörte ein wenig Gerumpel, und dann wurden Sachen an die beiden Männer, die draußen warteten, herausgereicht. „Das sollen Möbel sein?“, wunderte sich Antonia. Und tatsächlich: Zum Vorschein kamen die seltsamsten Gegenstände, die man sich vorstellen kann. Zuerst trugen die Männer einen schweren und grauen Kasten, aus dem ziemlich viele Schläuche und Kabel hingen, ins Haus. Danach holten sie einen Gegenstand aus dem Laster, der aussah wie ein kleines Klavier, nur das daran ganz viele bunte Lämpchen waren, die auch noch leuchteten, funkelten und blinkten. Außerdem wurde ein seltsam glänzender Tisch ins Haus getragen. Er bestand komplett aus Metall, und an ihm hing ein langes Stromkabel mit Stecker, welches die Männer einfach hinter sich herzogen. Zum Schluß folgten noch einige Gegenstände, die die Kinder nicht erkennen konnten, und einige normale Möbel. Als die Männer fertig waren und der Umzugswagen abfuhr, war es bereits früher Abend geworden. Der Reinigungsservice verschwand ebenfalls kurz darauf. „Thadeus, was meinst du? Wollen wir uns nachher noch mal in den Dschungel schleichen?“ „Antonia!“, antwortete Thadeus entrüstet. „Das dürfen wir doch nicht! Jetzt, wo dort wieder jemand wohnt.“ Aber ein wenig reizte ihn Antonias Idee schon. „Ach, was soll’s. Wir können uns ja im Schuppen verstecken.“ Sie gingen ins Haus zurück, weil das Abendessen fertig war und ihre Mutter sie gerufen hatte. Nach dem Essen, das sie ziemlich hastig verschlungen hatten, fragten sie, ob sie noch eine Runde durch die Siedlung drehen dürften. „Aber bleibt nicht zu lange“, entgegnete Mutter, die gerade an der Spüle stand. „Morgen ist wieder Schule, und ihr müsst früh...“ Weiter kam sie nicht. Sie hörte nur noch Stühle scharren und die Haustür knallen, und schon waren die Kinder verschwunden. Sie wunderte sich, zuckte mit den Schultern und begann, den Tisch abzuräumen.

 

Der Professor

Es dämmerte bereits. Antonia und Thadeus rannten über die Straße (natürlich achteten sie auf Autos, wie ihre Eltern ihnen das immer wieder gesagt hatten, obwohl hier eigentlich selten Autos vorbeifuhren), gelangten auf den Fußweg und schlüpften durch die Zaunlücke in den Dschungel. Leise schlichen sie in den Geräteschuppen. Langsam erhob sich Thadeus zum kleinen, fast überwucherten Schuppenfenster, und sah auf die Rückseite des Hauses. Die Hintertür des Hauses war geschlossen. Durch ein halb geöffnetes Fenster drang ein wenig Lichtschein. „Und? Kannst du etwas erkennen?“, fragte Antonia. „Nein, nichts. Nur ein wenig Licht. Wir sollten wieder verschwinden.“ Aber das wollte Antonia noch nicht. „Lass mich auch mal gucken!“ Sie erhob sich ebenfalls und schaute heraus. „Wirklich nichts zu sehen. Langweilig. Wir sollten wieder verschwinden.“ Thadeus sah sie etwas irritiert an. „Habe ich doch gerade gesagt!“ Er drehte den Kopf gerade wieder zum Haus, als auf einmal etwas geschah: Hinter dem schwach beleuchteten Fenster sah er einen roten Blitz, darauf folgte ein dumpfer Knall. Dann passierte für einen kurzen Augenblick nichts weiter. Plötzlich öffnete sich die Hintertür heftig, Rauch quoll heraus und stieg zum Himmel. Und dann stürzte eine Gestalt heraus, wild röchelnd und hustend. Zuerst war sie im Rauch kaum zu erkennen, aber als sie sich dem Geräteschuppen näherte, erkannten sie einen stoppelbärtigen Mann. Er hatte nur eine Schlabberhose und ein Unterhemd an, und er war barfuß. Er hatte lange graue Haare, die wie die Stacheln eines Igels abstanden. Bei jedem Husten kam ein kleines Rauchwölkchen aus seinem Mund. Beim letzten Husten, es war der heftigste, flog ihm sein künstliches Gebiss im hohen Bogen aus dem Mund und landete im Gras. Er hob es auf, betrachtete es, pustete es ab und - steckte es sich wieder in den Mund. Als er wieder etwas besser atmen konnte, sagte er mit einer komisch rasselnden Stimme: „Verflixt und zugenäht. Was habe ich bloß falsch gemacht? Ich muß das dringend noch mal prüfen. Verflixt und zugenäht!“ Aus dem Hintereingang kam kaum noch Rauch. Der Mann schaute kurz zum Geräteschuppen, drehte sich um und ging zurück ins Haus. Knarrend schloss sich die Tür, und es wurde ganz still. Thadeus und Antonia standen da. Mit riesengroßen Augen und weit aufgerissenen Mündern. Als sie endlich begriffen, was sie da gerade gesehen hatten, meinte Thadeus: „Bestimmt kommt gleich die Feuerwehr. Ich würde sagen…“ Antonia unterbrach ihn: „Ja, nichts wie weg!“ Leise schlichen sie aus dem Schuppen und durch den Dschungel zum Zaun. Dann rannten sie mit fliegenden Beinen so schnell, wie sie konnten, nach Hause. Sie stellten sich vor die Garage und warteten mit pochenden Herzen auf das, was wohl jetzt geschehen müsste. Aber es passierte - nichts. Aus dem Haus gegenüber schlugen keine Flammen. Auch Rauch war nicht zu sehen. Und auf die Feuerwehrsirene warteten sie vergeblich. „Sollen wir das Mama erzählen?“, fragte Antonia. Thadeus überlegte. „Besser nicht. Es ist ja nichts passiert.“ „Was ist dem Mann aus dem Mund geflogen?“ „Das waren künstliche Zähne“, sagte Thadeus. „Ein Gebiss. Ich kenne das von der Oma von einem aus meiner Klasse. Ihr ist vor der Schule auch mal das Gebiss rausgefallen. Hattest du Angst?“ „Ein wenig“, antwortete Antonia, „aber ein bisschen lustig fand ich es schon.“ „Ich auch. Wollen wir morgen nach dem Abendessen wieder rüber?“ „Na klar!“, rief Antonia begeistert. Dann gingen sie ins Haus. Ihre Mutter sah sie an. „Ist etwas passiert?“, fragte sie. „Ihr seht so aufgeregt aus.“ „Nee nee, alles in Ordnung“, antworteten die Kinder, liefen in ihr gemeinsames Zimmer und machten sich bettfertig.

Am nächsten Abend schlichen sie sich wieder in den Geräteschuppen und beobachteten durch das kleine Fenster das Haus des Mannes mit den Igelhaaren. Nachdem einige Zeit vergangen war, wurde ihnen langweilig. Sie setzten sich auf den Sandboden. Thadeus kratzte gerade wieder mit der Leiste irgendetwas in den Sand, als sie das Knarren der Hintertür hörten. Langsam erhoben sie sich und sahen heraus. In der Hintertür des Hauses stand der Mann von gestern. In den Händen hielt er ein Tablett mit drei dampfenden Bechern. „Der kriegt bestimmt Besuch“, murmelte Thadeus leise. Der Mann ging los und näherte sich langsam dem Geräteschuppen. „Oh oh“, flüsterte Antonia. Dann konnten sie ihn nicht mehr sehen, weil er um den Schuppen herumging. Aber sie hörten seine Schritte. Schnell setzten sich die beiden wieder auf den Boden. Sie zitterten ein wenig. Die Schritte näherten sich dem Eingang zum Schuppen, und dann stand da plötzlich dieser Mann. „Sucht ihr mich? Da bin ich. Ich bin Professor Lehmann, und ich habe Kakao mitgebracht.“ Und dann lachte er mit einer rasselnden Stimme laut los. Antonia und Thadeus schauten ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Ihre Münder waren fest zugekniffen. Sie hatten Angst. „Ihr müsst keine Angst vor mir haben“, sagte der Mann. „Wir sind ja jetzt Nachbarn. Ihr seid doch die beiden Kinder von gegenüber?“ Thadeus, der sich als erster ein wenig von diesem Schreck erholte, stotterte: „Ja, das das sind wir. Wir haben - haben nichts gemacht. Wir - wir spielen nur. Wir müssen jetzt nach Hause.“ „Wollt ihr keinen Kakao?“, fragte der Mann. „Den habe ich extra für euch gemacht. Extra süß. Habt ihr auch Namen?“ „Ich bin Thadeus. Das ist meine Schwester Antonia.“ Thadeus zeigte mit dem Finger auf sie. „Und Kakao wollen wir nicht. Von Fremden sollen wir nichts annehmen.“ „Auch nicht von Nachbarn?“, fragte der Mann. „Ihr könnt ja eure Eltern fragen. Ich warte solange hier.“ Antonia und Thadeus standen auf und rannten los. Diesmal schlichen sie sich nicht aus dem Dschungel, diesmal rannten sie, als ob sie von einem Gespenst verfolgt würden.

Als sie zuhause ankamen, erzählten sie ihrer Mutter, die gerade bügelte, ganz aufgeregt, was sie soeben erlebt hatten. Aber Mutter schien kein bisschen verwundert oder böse zu sein. Stattdessen lächelte sie! „Geht ruhig. Den Kakao dürft ihr annehmen. Ich habe den Professor schon kennengelernt, als ihr in der Schule wart. Geht ruhig, bevor der Kakao kalt wird.“ Und dann lachte sie leise und drehte sich zum Bügelbrett um. Thadeus und Antonia schauten sich mit großen Augen an. „Zurück in den Dschungel?“, fragte er. Sie überlegte nur kurz. „Zurück in den Dschungel!“, antwortete sie mutig. Sie rannten los. Als sie im Geräteschuppen ankamen, sahen sie den Professor auf dem Boden sitzen. In den Händen hielt er einen Becher mit Kakao. Die anderen beiden Becher befanden sich noch auf dem Tablett auf dem Boden. „Greift zu! Noch ist er einigermaßen heiß.“ Die Kinder näherten sich. Jedes nahm sich einen Becher und sie setzten sich ebenfalls hin. Sie tranken einen Schluck Kakao und sahen den Professor an. „Na, wie ist er? Also mir ist er ein wenig zu süß.“ „Lecker“, erwiderte Antonia und Thadeus nickte. „Ist ja richtig gemütlich hier“, sagte der Professor, „noch ein Tisch und ein paar Stühle, und man könnte hier wohnen.“ Er stand auf und schaute durch das kleine Fenster zu seinem Haus. „Seid ihr oft hier?“ „Ja“, antwortete Thadeus, „wenn uns langweilig ist, spielen wir im Dschungel und auch hier im Schuppen.“ „Dschungel?“ Der Professor drehte sich zu ihnen um und schaute sie fragend an. Thadeus erklärte: „Ihr Garten. Der ist so verwildert, dass wir ihn so nennen.“ „Hmm“, machte der Mann. „Eigentlich möchte ich den mal richtig aufräumen, und der alte Schuppen soll eigentlich abgerissen werden. Aber dann habt ihr ja hier nichts mehr zum Spielen. Hmm. Ich werde noch mal darüber nachdenken. Gestern Abend wart ihr auch hier, nicht wahr?“ Die Kinder schluckten vor Schreck. Woher wusste er das? „Ich glaubte, dass sich etwas hinterm Schuppenfenster bewegt hat. Also wart ihr das. Dann habt ihr doch sicher die Explosion im Haus gesehen?“ „Ja“, antwortete Antonia, „und deine fliegenden Zähne.“ Thadeus wurde ganz rot im Gesicht. Der Professor schaute Antonia mit großen Augen an, dann warf er den Kopf zurück und lachte lauthals los. Dabei machte er wieder ein irgendwie rasselndes - oder besser - leicht klapperndes Geräusch. So wie vorhin, als er die Kinder im Geräteschuppen überraschte. Er lachte und klapperte, bis er kaum noch Luft bekam. „Ja ja, mein altes Gebiss“, sagte er, als er wieder einigermaßen atmen konnte. „Eigentlich wollte ich mir schon lange ein neues machen lassen, weil einige der Zähne mit der Zeit etwas locker geworden sind. Daher das komische Geräusch. Ihr habt euch bestimmt schon darüber gewundert. Es entsteht immer, wenn ich ganz aufgeregt spreche oder wenn ich mich köstlich amüsiere, so wie gerade eben. Ja ja, mein altes Gebiss. Ich kann mich nicht von ihm trennen, auch weil wir schon so viel zusammen erlebt haben. Und weil wir gemeinsam soviel leckere Sachen gegessen haben.“ Er murmelte gedankenverloren vor sich hin. Thadeus trank noch einen Schluck Kakao. Dann fragte er: „Was für eine Explosion war das denn?“ „Ach ja, die Explosion“, antwortete der Professor. „Ich wollte im Haus noch etwas putzen und dafür schnell ein neues Super-Putzmittel erfinden. Also schüttete ich einige meiner Mittel und Tinkturen in einem Eimer zusammen. Ich muß wohl etwas Falsches hineingetan haben. Jedenfalls begann es in dem Eimer zu brodeln und zu räuchern. Und dann - ich hatte den Raum gerade noch rechtzeitig verlassen - explodierte der Eimer. Wie es danach weiterging, habt ihr ja gestern beobachtet. Zum Glück ist nichts passiert, aber jetzt muß ich noch viel mehr putzen als vorher. Was für eine Sauerei…“ In der Ferne hörten sie Thadeus’ und Antonias Mutter nach ihnen rufen. „Wir müssen los.“ Thadeus stand auf. „Zeit zum Ins-Bett-Gehen. Kommst du, Antonia?“ Antonia stand ebenfalls auf und lächelte. „Tschüß, Professor!“ „Tschüß ihr beiden. Schlaft gut.“ Die Kinder gingen aus dem Schuppen und rannten durch den Dschungel. Sie hörten gerade noch, wie der Professor hinter ihnen herrief: „Und kommt mich mal wieder besuchen!“

Zuhause angekommen, erzählten sie ihrer Mutter von der Begegnung mit dem neuen Nachbarn. „Ja“, meinte Mutter, „der scheint ganz in Ordnung zu sein. So, jetzt aber Zähneputzen und dann ab ins Bett. Morgen müssen wir wieder früh aufstehen.“

Als die Kinder später im Bett lagen und Thadeus fast schon die Augen zugefallen waren, nahm Antonia ihre grüne Plüsch-Krake fest in den Arm, schaute sie an und flüsterte in die Stille hinein: „Nett, wirklich sehr nett.“ „Wen meinst du?“, murmelte Thadeus schlaftrunken, „deine Krake?“ „Ich meine den Professor. Professor Klapperzahn“, antwortete sie und schlief ein.

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