Single Malt Weihnacht

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Irish Wedding Wish

Marylin Lonsdale

Die Müdigkeit eines Langstreckenfluges inklusive Umsteigens in den Knochen, der ungewohnte Linksverkehr rund um Dublin und keine Ahnung, was er im Shop einer Whiskey-Destillerie kurz vor Ladenschluss kaufen sollte, lies Ryan Wilson den Kopf schwirren, als hätte er einen Hieb von einem gegnerischen Eishockeyspieler abbekommen. Unter seinen Füßen knarzte der dunkle Holzboden und es war ihm unangenehm, dass seine derben Boots kleine Pfützen hinterließen. Schnell wischte er mit dem Fuß darüber und hoffte, dass es niemand bemerkte. Der Laden war so übertrieben weihnachtlich geschmückt, dass er sich wie in einem Bostoner Einkaufszentrum fühlte. Lediglich die ohrenbetäubende Beschallung mit kitschiger Weihnachtsmusik fehlte.

Ziellos griff Ryan nach einer Flasche mit bernsteinfarbenem Inhalt. Er überflog das Etikett und stellte sie wieder zurück. Ziemlich ratlos rieb er sich den Nacken. Was war besser: Einen möglichst teuren Whiskey oder lieber der Bestseller? Was würde Cathys Eltern imponieren? Ryan war überfordert mit der Auswahl eines passenden Geschenks für Professor Hurley und seiner Frau. Nicht das er noch nie Whiskey getrunken hätte. Nur eben nicht oft, und bei den wenigen Malen hatte er es am nächsten Tag bitter bereut, während er die Toilettenschüssel umarmt hatte. Schon bei dem Gedanken an die Nachwirkungen der gewonnenen Meisterschaft im letzten Jahr musste er schlucken. Es war widerlich gewesen und dazu noch schrecklich peinlich. Cathy hatte das ganze Badezimmer putzen müssen und ihn liebevoll mit Brühe und viel Wasser wieder aufgepäppelt, während er jammernd wie ein Baby auf der Couch gelegen hatte.

Langsam ging Ryan an dem hohen Holzregal entlang und betrachtete die farbenfrohen Etiketten. Dabei erregte eine Flasche seine Aufmerksamkeit. Sanft strich er mit einem Finger über das Gefäß, dessen Inhalt die gleiche Farbe wie Cathys Haare hatte. Dieses sanfte Rotgold, das in der Sonne zu schimmern schien. Wenn ihre wilden Locken im Wind tanzten oder sich auf dem Kopfkissen neben ihm kringelten, gefiel es ihm noch besser. Leider hasste Catherine ihre Locken und benutzte oft ein Glätteisen oder steckte die Haare in einem strengen Knoten nach oben. Außerdem versteckte sie ihre Sommersprossen gerne unter einer Schicht Puder. Er liebte es, wie die kleinen Punkte auf ihrer Nase zu tanzen schienen und machte sich oft einen Spaß daraus sie zu zählen, was Cathy wahnsinnig machte.

»Darf ich mal vorbei?«, erklang eine freundliche Stimme. Ryan, der in seinen Tagtraum abgedriftet war, fuhr zusammen, als ein Mann ihn ansprach und trat zur Seite. Er fühlte sich ertappt, weil er gerade an nicht jugendfreie Dinge gedacht hatte. Immerhin hatten sie sich seit drei Wochen nicht gesehen. Peinlich.

Er hatte gestern das letzte Training geschwänzt, nur um von Boston nach Dublin zu seiner Freundin zu fliegen und sie damit zu überraschen, dass er mit ihr und ihrer Familie Weihnachten feiern und um mit ihrem Vater dieses eine lebensentscheidende Gespräch führen zu können. Eines über das er seit Wochen nachgrübelte. Zum Üben hatte er sich sogar im Anzug mit seinem eigenen Spiegelbild unterhalten.

Was würde Professor Hurley wohl über ihn denken?

»Ach sieh mal einer an, da stiefelt ein ungehobelter Eishockeyspieler aus einem verpennten kanadischen Nest in mein Haus. Der Typ hat keinen Uniabschluss und weiß vermutlich nicht einmal, wie man das Wort Defibrillator schreibt. Und dann ist er auch noch so dreist, mich um die Hand meiner Tochter zu bitten. Dr. Catherine Hurley, Assistenzärztin in der sportchirurgischen Abteilung am Harvad MGH am House of Gods! Was denkt der sich? Ist der einmal zu oft mit dem Kopf an die Bande geknallt?«

Ryan schluckte. Wahrscheinlich sah er auch noch aus wie ein armer Irrer oder man hielt ihn für einen Ladendieb. Mit dem dunklen Parker, der roten Santa Mütze und seinem Rauschebart.

»Einen schönen guten Tag. Kommen Sie zurecht oder schauen Sie sich nur um, Mr. Santa?«

»Meinen Sie mich?«, fragte er verwirrt und sah auf die kleine Frau neben ihm herab.

»Ja, sehen Sie hier sonst einen bärtigen Mann mit einer roten Mütze?«, bemerkte sie lächelnd und rückte ihre dicke Hornbrille zurecht. Gegenüber ihr kam er sich vor wie ein Riese.

»Ach so, ja entschuldigen Sie«, verlegen zog er sich die Mütze vom Kopf und stopfte sie in seine Jackentasche. Er hatte sie eben am Flughafen gekauft, um Cathy, die ein absoluter Weihachsfreak war, damit zu überraschen. Nun sah er sicher total dämlich damit aus.

»Wegen mir müssen Sie die nicht ausziehen. Die Mütze ist sehr hübsch. Wir sind hier nicht im Restaurant oder der Kirche, mein Junge. Es ist ja bald Weihnachten.« Sie zwinkerte, dann stemmte sie die Hände in die Hüften und räusperte sich. »Also, was darf es denn sein? Sind Sie Whiskey Trinker? Haben Sie schon eine Vorstellung?«

Ryan rieb sich wieder den Nacken »Na ja, ich suche ein Geschenk für einen Arzt«, sagte er und hätte sich am liebsten mit der Hand vor die Stirn geschlagen. Er kam sich wie ein Elefant im Porzellanladen vor: völlig fehl am Platz.

Die alte Dame lächelte und zog ihre grüne Strickjacke zurecht, an der ein Namensschild ihren Namen verriet: Margret. Ein grauer Haarzopf wand sich um ihren Kopf wie ein Heiligenschein.

»Ich nehme an, es soll zum Genuss sein und kein Desinfektionsmittel?«, fragte sie verschwörerisch grinsend. »Ach, Ihre Mütze ist aus Ihrer Tasche gefallen!«

Ryan fluchte leise, hob die Mütze vom Boden auf und knete sie zwischen seinen großen Händen. »Vielen Dank, Ma´am«.

Sie lächelte und rückte sich erneut die Brille zurecht »Ah Kanadier. Was treibt Sie auf unsere schöne Insel?«.

»Das haben Sie gesehen?«, fragte er und wich erstaunt einen halben Schritt zurück.

»Nein, gehört! In meinen jungen Jahren war ich Flugbegleiterin. Ich war auf der ganzen Welt unterwegs. Und hatte auch den ein oder anderen netten Abend mit Männern aus Kanada. Tja, aber nun bin ich zu alt für diese Arbeit. Ich helfe meinen Freunden hier im Laden aus, wenn Not am Mann ist. Ich hab ja sonst nichts zu tun, seit mein Patrick nicht mehr ist«, erklärte sie und sah zu ihm auf. »Sie erinnern mich ein wenig an ihn.«

»Wirklich?« Wieder kam er sich doof vor. Heute redete er nur Schwachsinn. Das lag sicher am Jetlag.

»Was sind Sie denn so hibbelig? Müssen Sie zur Toilette oder noch weit fahren ?«, erkundigte sie sich.

»Ich weiß gar nicht, wie weit ich noch fahren muss. Ich möchte meine Freundin und ihre Familie zu weihnachten überraschen. Ist Bantry in der Nähe?«, fragte er unsicher.

»Bei dem Wetter noch ungefähr eine Stunde. Ich hoffe, dass Sie nicht so ein komisches Elektroauto haben wie der Sohn von James, dem der Laden hier gehört. Collin musste nämlich an der Haussteckdose laden. Das hat ewig gedauert und dann haben sie sich gestritten, wegen einer Wallbox. Was auch immer das sein soll.«

Ryan musste lachen. In Boston hatte er wirklich einen Tesla. Dort war es allerdings nie ein Problem, zu laden. »Keine Sorge, ich habe mir einen Diesel SUV geliehen. Meine Freundin meinte, damit kommt man hier am besten klar, sie fährt auch einen.«

»Schlaues Ding ihre Freundin. Die sollten sie sich warmhalten. Kennen Sie sich schon lange?«

»Nicht so lange, wie ich es gern hätte. Wir sind jetzt etwas über zwei Jahre zusammen und ich musste echt lange auf sie einreden, damit sie mit mir ausgeht. Und dann musste ich mit ihr ins Museum und in einen riesigen Buchladen«, sprudelte es aus ihm heraus.

Sie schnalzte mit der Zunge. »Oh, sie war nicht hingerissen von Ihnen? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Sie sind doch so ein stattlicher Kerl!«, stellte sie fest und ihre Wangen färbten sich rot.

Ryan lachte und schüttelte den Kopf. Dabei klingelte das Glöckchen am Bommel seiner Mütze, die er wieder aufgesetzt hatte. »Im Gegenteil! Sie war stink sauer auf mich. Eigentlich hätte sie Feierabend gehabt und dann hat ihr Chef verlangt, dass sie mich versorgen soll. Sie hat mir eine fiese Narbe an der Augenbraue genäht. Dabei hat sie keinen Hehl draus gemacht, dass sie es fürchterlich fand, dass ich sie mir bei einer Schlägerei auf dem Eis zugezogenen habe. Sie hat die ganze Zeit vor sich hin gebrummt sowas wie »Rüpel« und »Höhlenmensch«. Dabei musste ich ihr die ganze Zeit in die Augen sehen. Als sie fertig war, musste ich sie einfach fragen, ob sie mit mir ausgehen will. Sie hat mir einen Vogel gezeigt und mir einen Eisbeutel empfohlen, für die Narbe und für meine Eier. Ich stand da wie der größte Depp aller Zeiten aber verdammt, ich hatte noch nie so wundervolle grüne Augen gesehen. Ihre Augen sind wirklich so grün wie das Gras hier, das ist unglaublich«, sprudelte es aus ihm heraus und sein Herz schlug einen Gang schneller.

»Oh ja, hier in Irland gibt es das schönste Grün und die Frauen mit den schönsten Augen«, kicherte sie, dann nickte sie in Richtung des hinteren Verkaufsraumes. »Kommen Sie mal mit, ich glaube, wir sind hier falsch. Sie brauchen was Besonderes für den Vater dieser besonderen Frau.« Gespannt wie ein kleiner Junge folgte Ryan der Frau, die er mit seinen 1,93 um einiges überragte. Dabei musste er aufpassen nicht mit dem Kopf gegen einen Kronleuchter aus Whiskeyflaschen zu laufen.

Dann folgte er ihr eine Treppe hinauf, die zu einer kleinen Empore führte. Hier standen noch mehr Regale mit Flaschen. In der Mitte des Raumes blieb sie schließlich vor einem riesigen, umgedrehten Fass stehen, auf dem drei Flaschen standen.

Er beugte sich vor. Sie sahen sehr edel aus und der Inhalt jeder der aufwendig gestalteten Flaschen hatte eine etwas andere Farbe.

»Wissen Sie, ich treffe ihre Eltern heute zum ersten Mal außerhalb eines Video-Calls«, erklärte er mit heiserer Stimme. Ihm war plötzlich ganz flau im Magen.

 

Vielleicht sollte er sich auch etwas mitnehmen.

Doch er überlegte es sich schnell, denn würde er Cathy mit einem Whiskey in der Hand begegnen, hätte er nichts mehr von dem Abend. Sie wäre mit Sicherheit schneller voll als er und sie würde anfangen, schmutzigen Limericks zu singen, statt schmutzige Sachen mit ihm zu machen. Verdammt wurde ihm die Hose eng. Er sah nach unten und zog seinen dunklen Pullover ein Stück tiefer. Dabei lief er beinahe in Margret hinein, die stehen geblieben war. »Ich verstehe: ein Antrittsbesuch! Denken sie an Blumen für die Mutter.« Sie hob belehrend den Zeigefinger und präsentierte dann die Flaschen vor sich. »Das sind die Kronjuwelen unserer Produktion: der Kronprinz.« Sie deute auf die Flasche zur Linken. »Die Königin.« Die Flasche zur rechten Seite war die Aufwändigste. »Und der König, das Beste vom Besten, Kings Choice«, präsentierte sie die bauchige Flasche in der Mitte. »25 Jahre alt, ein reifer und perfekt abgerundeter dreifach destillierter Single Malt im ehemaligen Bourbon-Fass und Cherry-Fass, gereift in den Kellern unter der Produktion. Ein stiller, aber sehr guter König unter den Whiskeys.« Sie erklärte das so ehrfürchtig und mit einem solchen Funkeln in den Augen, das Ryan eine Gänsehaut bekam.

»Ich nehme an, ich kann ihn vorher nicht probieren?«, fragte er verlegen. Die Flasche sollte 250 Euro kosten. Nicht, dass er sich das bei seinem Gehalt als Eishockeyprofi nicht leisten konnte, aber er wollte auch keinen teuren Schrott kaufen.

Margret zwinkerte »Natürlich. Warten Sie kurz«, dann verschwand sie und er stand allein in dem Zimmer voller Whiskey-Flaschen, die ihn allesamt auszulachen schienen. Seht ihn euch an den Trottel, er hat keine Ahnung. Oh er wird sich fürchterlich bei Professor Hurley blamieren.

»Hier, bitte sehr.« Er zuckte zusammen als sie wie herbeigezaubert wieder vor ihm auftauchte und ihm ein bauchiges Glas auf einem kleinen ovalen Holztablett servierte.

»Und ich muss dann nicht die ganze Flasche nehmen?«, fragte er unsicher, bevor nach dem Glas griff.

»Nein, für gute Kunden sind die besonderen Proben natürlich gratis. Keine Sorge ich hab da schon noch mehr Flaschen, mein Junge.« Sie zwinkerte ihm zu.

Ryan schnupperte an dem Glas. Es roch umwerfend gut.

»Oh, der riecht phantastisch!«, begann er und wollte das Glas an die Lippen setzen, da legte sich Magrets Hand auf seine. Klein, weich und warm. Die Haut, die sich um ihre Finger spannte, glich dünnem Papier.

»Trinken Sie und denken Sie an Ihre Freundin. Ich weiß nicht, ob ihr Leute aus Kanada auch so abergläubisch sind wie wir Iren, aber dies ist ein besonderer Tropfen und wie manche meinen, dass im Wein die Wahrheit liegt, so liegt sie für uns im Whiskey. Wir kennen ihren Vater nicht, aber Ihr Gesicht verrät einiges, zum Beispiel, dass Sie die Hose voll haben, obwohl Sie so ein riesen Kerl sind. Reißen Sie sich mal zusammen! Wenn Sie mit eingezogenem Kopf vor der Tür stehen, dann wird das nichts. Sie sind doch Sportler! Stehen Sie auch mit eingezogenem Kopf auf dem Rasen?« »Es ist eher eine Eisfläche«, bemerkte er lachend und kratze sich am Bart. Margaret hob eine Augenbraue. »Sie sind Eiskunstläufer? So sehen Sie gar nicht aus. Aber heute geht das ja alles.« Er musste lachen, als er ihr fragendes Gesicht sah: »Nein, nein, ich spiele Eishockey. Sie wissen schon Helm, Schläger und eine kleine Plastikscheibe? Und wir sind so ziemlich die abergläubigsten Sportler unter der Sonne«, erklärte er.

Die alte Dame überlegte. »Eishockey? Ja, da hab ich von gehört. Ich erinnere mich an eine Werbung. Gab es da nicht diesen Wayne Grrr ...« »Gratzky, Wayne Gratzky«, sagte er und dachte an seinen großen Helden. »Wie auch immer, ich glaube, der Typ war ziemlich erfolgreich. Also strengen Sie sich ein bisschen an für Ihr Mädchen, guter Mann. Ich war auch mal eine Tochter, müssen Sie wissen.« »Meine Mutter würde mir die Ohren langziehen, wenn ich das nicht tun würde. Sie liebt Cathy über alles und sagt immer, dass mit keine Bessere passieren könnte« , erklärte er im Brustton der Überzeugung. »Richtig so, ich mag Ihre Mutter«, lobte sie. »Geht mir genauso«, lachte er und dachte an seine Mutter Claire, die ihm vor ein paar Wochen in vollstem Vertrauen und mit Tränen in den Augen den wunderschönen Ring seiner Großmutter für Cathy gegeben hatte.

»Gut, dann probieren Sie mal, ob dieser die richtige Wahl ist«, forderte sie ihn auf und nickte aufmunterend.

Ryan nahm das Glas hoch. Sobald die Flüssigkeit sich in seinem Mund ausbreitete und seine Kehle hinab rann, sah er Cathy vor sich. Wie sie verschlafen, nur mit seinem T-Shirt bekleidet die Treppe von ihrem Schlafzimmer hinunterkam, wie sie ihn im Stadion anfeuerte, wie sie in der Küche kochte oder nach einer Doppelschicht heimkam und sich einfach nur auf die Couch fallen ließ, um dort einzuschlafen während er ihr einen japanischen Ramen holte. »Ich denke, die ist es«, grinste er Magaret, zu als er das Glas abstellte. Sie tippte sich an den Rand ihrer Brille »Hab ich mir gedacht. Bin gleich wieder da. Ich verpacke Sie Ihnen noch schön.« Dann verschwand sie wieder hinter dem Vorhang und lies Ryan allein zurück. Durch den Alkohol war ihm warm geworden und er zog seine Jacke aus, legte sie sich über den Arm und atmete erleichtert den würzigen Geruch der Holzregal und Fässer ein, die um ihn herum standen. Ob in Whiskey wirklich eine Wahrheit lag? Er liebte Cathy über alles und dieses Weihnachten würde ihm sicherlich in bleibender Erinnerung bleiben. Er hoffte in einer Guten.

»So, ich hab Sie Ihnen noch schön und bruchsicher verpackt«, holte Margret ihn aus seinen Gedanken, dann reichte sie ihm einen Karton, den sie in rot glänzendes Papier eingeschlagen und eine grüne Schleife darum gewickelt hatte.

»Das sieht wirklich toll aus, ich danke Ihnen«, sagte er erleichtert. »Auch für die nette Hilfestellung.« Sie winkte ab: »Ich hab zu danken, wir müssen ja noch zur Kasse«, erklärte sie und lachte leise. Natürlich. Sie freute sich bestimmt, dass sie die teure Flasche an ihn verkauft hatte. Der Whiskey hatte wirklich außergewöhnlich gut geschmeckt und allein die Beratung war es wert.

Er folgte ihr zur Kasse und reichte ihr seine Kreditkarte über den hölzernen Tresen. Dann kicherte sie, während der Kassenbon aus dem Gerät ratterte.

»Vielen Dank, Mr. Wilson.«

»Ich danke ihnen Mrs ...?«, er überlegte kurz.

»Magaret für sie«, sagte sie sanft und reichte ihm das Paket über die Theke.

»Vielen Dank, Magaret. Drücken Sie mir die Daumen? Ich könnte ein bisschen Glück gebrauchen.« Er nahm das Paket hoch.

Sie nickte. »Das wird schon. Möge der Weg euch zusammenführen, der Sturm euch nicht entzweien, und die Sonne wärme eure Herzen. Der Regen sei ein Segen für euch und die Welt. Seine Frische möge euch Glück bringen.«

Ryan war kein Fan von Schnulzen, aber der Spruch gefiel ihm gut. Am liebsten hätte er ihn aufgeschrieben. Wahrscheinlich kannte Cathy ihn längst und würde sich über ihn lustig machen. Sie behauptete immer, dass sie eine Irin war, die nur ein klitzekleines bisschen abergläubig sei. Das war sehr untertrieben. Sie hatte Glücks OP-Hauben, Glückssocken und Schuhe und wehe, er hatte am St. Patricks Day keine grüne Kleidung an.

»Danke Ihnen nochmal. Tut mir leid, dass Sie wegen mir länger geöffnet haben mussten und frohe Weihnachten!« Verabschiedete er sich als sie gemeinsam zur Tür gingen und sie hinter ihm das Schild umdrehte » Wie gesagt, ich hab Zeit. Gute Fahrt und Ihnen und Cathys Familie auch ein schönes Weihnachten«, Magaret lächelte ihm aufmunternd zu.

Als Ryan aus der Tür trat, regnete es und der Wind zupfte an seinen Haaren. Schnell schob er das Paket in seine Jacke, um es vor der Nässe zu schützen, und ging über den Parkplatz zum Auto. Dort verstaute er seine kostbare Fracht sicher. Bevor er den Motor startete, betrachtete er sich im Rückspiegel. Er hatte rote Wangen und sah wirklich aus wie ein junger Santa Claus. Grinsend wackelte er mit dem Kopf, damit das Glöckchen klingelte. »Ho, ho, ho, ich seh´ aus wie ein Idiot«, lachte er und verdrehte die Augen.

Dann stellte er im Navi die Adresse von Cathy ein und fuhr los. Er konnte es kaum erwarten, zu ihr zu kommen.

Während der Fahrt übte er das letzte Mal, was er zu ihrem Vater sagen wollte. Das tat er auch für wichtige Interviews. Auf dem letzten Stück verstummte er und summte nur noch leise die Weihnachtssongs mit. Wie Magaret vorhergesagt hatte, brauchte er zum Haus von Cathys Familie knapp über eine Stunde. Auf dem Weg dorthin hatte er sich mit einem Energiedrink von der Tankstelle wachgehalten. Und noch einen Blumenstrauß für ihre Mutter gekauft. Für Cathy hatte er ihre geliebten Toastwaffeln mit Zimt dabei. Bald teilte das Navi ihm mit, dass er in der Peter-Griffin-Street 5 angekommen war. Endlich hatte er das Haus gefunden. Es hatte einen großen Vorgarten, der von einer niedrigen Steinmauer umrahmt war. Ein Kiesweg führte zum Haus. Es hatte eine gelbe Fassade, sah nicht mehr ganz neu, aber sehr gepflegt aus.

Er parkte seinen Wagen neben einem grauen Kombi, nahm das Geschenk, die Blumen und die Toastwaffeln, die er an Flughafen schon aus dem Koffer gewühlt hatte. Er richtete sich die Santa Mütze und atmete tief durch. »Auf in den Kampf«, beschwor er sich selbst wie vor einem Spiel. Dann stieg er schwer bepackt aus, ging gegen den Wind kämpfend zum Haus und klingelte. Sein Herz schlug schneller. Es dauerte einen Moment, dann öffnete sich die Tür. Licht blendete ihn. Er blinzelte einmal, zweimal. Da stand doch nicht wirklich Magaret aus dem Whiskey Laden vor ihm?

»Magaret? Wie kommen Sie denn hier her?«, fragte er unsicher und blinzelte nochmal. Das konnte nicht wahr sein. Die alte Dame grinste nur verschwörerisch. Dann drehte sie sich um.

»Wir haben Besuch. Catherine, da ist ein netter Junger Mann für dich!«, rief sie und zwinkerte ihm zu. »Oh Gran, hast du wieder Pater O´Brian eingeladen?« Cathys Lockenkopf erschien im Flur. Sie hatte eine grüne Schürze umgebunden und hielt ein rot-weiß kariertes Küchenhandtuch in der Hand. Ihre Augen weiteten sich. Mit einem kreischen ließ sie das Handtuch fallen und stürmte durch den Flur, in dem es köstlich nach Weihnachten roch, auf ihn zu. »Ryan, Schatz, was machst du denn hier?«, lachte sie und warf sich in seine Arme. »Ich wollte Weihnachten nicht ohne Dich verbringen, Cathy«, antwortete er, zog sie an sich und schnupperte an ihren Locken. Ja, sie war die Richtige, da war er sich sicher, so sicher wie Irland grün war und er sich von mehr als einem Glas Whiskey übergeben musste.