Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 3

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Meine Weihnachtswünsche

Alle Jahre wieder wird es Weihnachten. Und alle Jahre wieder habe ich zwei große Wünsche. Mein größter Wunsch wäre, eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder zu bekommen. Aber ich denke, dass Mama und Papa kein neues Baby haben werden. Denn dann wäre es in den letzten zehn Jahren bestimmt schon auf die Welt gekommen. Zehn Jahre – so alt bin ich, Neele, nämlich schon.

Mein zweiter großer Wunsch ist ein Haustier. Egal welches. Ich liebe eigentlich alle Tiere. Doch wenn ich eins auswählen könnte, hätte ich am liebsten eine Katze.

Bald ist wieder Weihnachten und jeden Abend hoffe ich auf die Erfüllung meiner Weihnachtswünsche! Wie immer wollten Papa und ich am Tag vor Weihnachten einen Tannenbaum kaufen. Wir sind mit dem Auto in die Baumschule gefahren und haben alle Tannenbäume angesehen. Papa braucht immer sehr lange, bis er sich für einen Baum entschieden hat. Entweder sind sie zu groß oder zu klein. Haben zu viele oder zu wenig Zweige. Oder sie sind zu dick oder zu dünn. Nach einer Weile habe ich mich auf einen Baumstumpf gesetzt und gewartet.

„Wie wäre denn dieser?“, hat Papa gerufen und ich habe gerade „Cool“ geantwortet, als ich ein leises Maunzen hinter mir hörte. Langsam habe ich mich umgesehen und da habe ich es schon wieder gehört – das Maunzen. Weil ich aber nichts entdecken konnte, habe ich vorsichtig die Äste eines Busches auseinandergeschoben. Und dann habe ich sie gesehen, eingebettet in ein Nest aus Laub saßen dort zwei kleine Katzenbabys. Wie niedlich. Ein Kätzchen ganz weiß und das andere Kätzchen ganz schwarz.

„Papa, Papa“, habe ich gerufen. Da ist Papa gekommen und ich habe ihm die kleinen Kätzchen gezeigt. „Können wir die mitnehmen?“, habe ich gefragt.

Aber Papa hat den Kopf geschüttelt. „Die gehören doch wahrscheinlich zur Baumschule. Die Katzenmutter ist bestimmt gerade auf Futtersuche.“ Und dann hat Papa einfach weiter Weihnachtsbäume angesehen, ohne sich um die Katzenbabys zu kümmern.

Also habe ich Herrn Baumer gesucht. Eigentlich lustig, Herr Baumer ist der Besitzer der Baumschule und verkauft Weihnachtsbäume. Mutig habe ich ihn nach den Katzenbabys gefragt. „Nee – die gehören mir nicht. Hier laufen eine Menge wilder Katzen herum, die wir eigentlich gar nicht haben wollen“, hat er geantwortet.

Und da stand Papa plötzlich wieder hinter mir und hat gesagt: „Siehst du, das sind gar keine zahmen Hauskatzen, die Katzenmutter kommt gleich wieder und …“

„Allerdings, ich habe gestern Abend eine überfahrene Katze auf dem Parkplatz gefunden“, hat Herr Baumer Papa unterbrochen und mir zugezwinkert.

„Siehst du Papa, das war bestimmt die Katzenmama. Die Kätzchen sind jetzt Vollwaisen. Wenn wir sie nicht mitnehmen, verhungern sie.“

Papa hat nur den Kopf geschüttelt und seinen Tannenbaum bezahlt. Ich fand das gemein. Herzlos.

„Die müssen bestimmt erfrieren“, habe ich gesagt.

„Wir haben noch gar keine weihnachtlichen Temperaturen“, hat Papa geantwortet. Da wusste ich auch nicht mehr, was ich noch sagen sollte, und habe nur beleidigt geguckt.

Am Mittag bin ich noch einmal mit dem Fahrrad in die Baumschule gefahren. Die Katzen lagen noch immer in ihrem Laubnest und haben ganz leise gemaunzt.

„Bestimmt weinen die schon, weil ihre Mama nicht wieder kommt“, habe ich gedacht. Dann habe ich wieder Herrn Baumer gesucht und gefragt, ob ich die tote Katze mal sehen kann.

„Nee, die haben wir schon begraben“, hat Herr Baumer geantwortet.

„Wie sah sie denn aus?“, habe ich gefragt.

„Schwarz-weiß-gefleckt“, hat Herr Baumer geantwortet. Da war mir alles klar. Das konnte ja nur die Mama der Kleinen sein. Die Kätzchen hatten sich die Farbe geteilt. Eins weiß und eins schwarz. Und plötzlich war ich echt böse auf Papa.

Also bin ich wieder nach Hause geradelt und habe Mama und Papa erzählt, dass die Katzen noch immer in ihrem Laubnest liegen. Da haben Mama und Papa sich angesehen und dann hat Papa gesagt: „Wenn die Katzen dort in zwei Stunden immer noch ohne Muttertier liegen, holen wir sie.“

Und Mama hat genickt. „Schließlich ist Weihnachten“, hat sie gesagt.

Und ich habe ganz fest die Daumen gedrückt, dass die Katzen dann immer noch dort liegen. Eigentlich ist das ja gemein, dass ich mir wünsche, dass die Kätzchen allein sind. Aber schließlich ist die Mutter ja sowieso schon tot.

Um drei Uhr sind wir alle zusammen wieder in die Baumschule gefahren. Mama hatte ihren Einkaufskorb und Papa seine Arbeitshandschuhe dabei.

„Was willst du denn damit?“, habe ich gefragt.

Da hat Papa geantwortet: „Das sind schließlich Wildkatzen.“

Als Herr Baumer uns gesehen hat, hat er angefangen zu lachen. „Wollt ihr die Kätzchen doch abholen? Das ist ja ein tolles Weihnachtsgeschenk für Neele.“

„Wir nehmen sie erst mal mit“, hat Mama gesagt. „Wir können sie ja nicht verhungern lassen. Und dann suchen wir ein gutes Zuhause für sie.“

„Aha“, hat Herr Baumer geantwortet und mir wieder zugezwinkert. Vorsichtig habe ich die Zweige zur Seite gebogen und da lagen sie noch in ihrem Laubnest. Meine beiden Kätzchen. Papa hat geseufzt, sich seine Arbeitshandschuhe angezogen und nach der schwarzen Katze gegriffen. Die war ganz erschreckt, konnte sich aber trotz Zappeln nicht aus Papas Griff befreien.

„Du drückst ihr ja die Luft ab“, habe ich empört gerufen.

„Lass mich mal“, hat Mama gesagt. „Ich hatte als Kind auch eine Katze.“ Dann hat sie sich hingehockt und ganz vorsichtig die Hand ausgestreckt. Das weiße Kätzchen hat daran geschnuppert und Mama hat die Katze ganz sanft in ihren Einkaufskorb gesetzt. Ohne zu drücken. „Die sind ja wirklich niedlich“, hat Mama geflüstert und Papa hat schon wieder geseufzt.

Zu Hause haben wir einen Pappkarton mit zwei kuscheligen Handtüchern ausgelegt und die Katzenbabys hineingesetzt.

„Die Kätzchen sind bestimmt schon drei oder vier Wochen alt“, hat Mama gemeint.

Und dann hat sie Dosenmilch aus der Küche geholt. Die Dosenmilch haben wir mit Wasser verdünnt. Ich durfte die Milch auf einen Unterteller gießen. Mama hat ihren Finger hineingesteckt und ihn der weißen Katze vor das Näschen gehalten. Das Kätzchen hat vorsichtig daran geschnuppert und anschließend ihre Hand abgeleckt. Das haben wir zusammen wiederholt und plötzlich ist das weiße Kätzchen aufgestanden und auf den Teller zugetapst. Das sah ganz lustig aus. Aber dann ist es blitzschnell umgefallen und genau im Teller gelandet.

„Du bist ja ein Keks“, habe ich gerufen. Mama hat gesagt, sie finde, dass Keks ein guter Name für das weiße Kätzchen sei und dass wir das schwarze Kätzchen Krümel nennen sollten, weil es auf der schwarzen Nase einen winzigen weißen Punkt hat, der wie ein kleiner Krümel aussieht.

„Krümel und Keks sind tolle Namen“, habe ich begeistert gerufen und laut in die Hände geklatscht. Da hat Keks sich wieder erschreckt und saß schon wieder in der Milch. Ich habe neue Dosenmilch in den Unterteller gegossen und plötzlich haben die kleinen angefangen, die Milch ganz allein aus dem Unterteller zu lecken.

Zwischendurch hat Papa aus dem Wohnzimmer gerufen, dass er jetzt den Baum schmückt. Aber Mama und ich sind lieber bei den Kätzchen geblieben. Mir war auch ohne Baum schmücken schon ganz weihnachtlich zumute. Denn plötzlich ist mir bewusst geworden, dass wir den Kätzchen vielleicht das Leben gerettet haben und da ist mir vor Glück eine Träne über die Wange gelaufen. Aber nur eine klitzekleine! Als Keks und Krümel satt waren, haben sie sich ganz dicht aneinander gekuschelt. Und da habe ich mich auch an Mama gekuschelt und gesagt, wie schön es doch ist, dass wir die Kätzchen ausgerechnet zu Weihnachten gefunden haben und so mein Weihnachtswunsch in Erfüllung gegangen ist und, dass wir deshalb zumindest ein Kätzchen behalten müssten.

„Weißt du was, Neele“, hat Mama geflüstert, „Wir behalten die beiden Katzengeschwister. Denn schließlich braucht jedes Kind seine eigene Katze. Eine für dich und eine für deinen Bruder.“ Und als sie mich angelächelt hat, wusste ich, dass morgen das schönste Weihnachten meines Lebens sein würde, da meine beiden Weihnachtswünsche endlich in Erfüllung gegangen waren.

Nicole Weinhardt ist 36 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Norddeutschland. Zur Familie gehören außerdem ein Pferd, eine Katze und zwei Kaninchen.

*

Das Christkind backt Plätzchen

Es war kurz vor Weihnachten. Mama und Lilli standen in der Küche und backten Weihnachtsplätzchen. Selbst gebackene Plätzchen gehörten Weihnachten einfach dazu, fand Lilli. Mama bestäubte die Arbeitsplatte mit Mehl, rollte den Teig aus und Lilli legte die ausgestochenen Sterne vorsichtig auf das Backblech. Draußen ging die Sonne schon unter. Der Himmel leuchtete heute tiefrot.

„Mama, guck mal aus dem Fenster“, rief Lilli aufgeregt. „Der Himmel brennt!“

„Tatsächlich!“, antwortete Mama. „Das Christkind backt Plätzchen.“

„Quatsch! Das Christkind gibt es doch gar nicht“, sagte Lilli. Das musste Mama doch wissen.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte Mama verwundert. „Natürlich gibt es das Christkind!“, erklärt sie. „Es wohnt weit weg von hier, hoch oben in den Wolken.“

„Ich bin doch kein Baby mehr“, dachte Lilli. Schließlich war sie schon fünf. Aber sie sagte nichts. Sie wollte Mama nicht den Spaß verderben. Bestimmt machte sie nur Spaß.

Mitten in der Nacht hört Lilli ein Geräusch.

„Aufwachen!“, flüsterte jemand.

 

Lilli schlug die Augen auf. „Das gibt es doch gar nicht, dachte sie.“ Da stand ein Weihnachtsengel vor ihrem Bett und lächelte sie freundlich an.

„Komm mit mir! Ich zeig dir was“, sagte der Weihnachtsengel und reichte ihr die Hand. Hastig zog sich Lilli einen Pullover über und schlüpfte in ihre Pantoffeln.

In der Nacht hatte es geschneit. Draußen türmte sich der Schnee über einen Meter hoch. Vor der Tür stand ein großer roter Schlitten. Der Weihnachtsengel half ihr beim Einsteigen, reichte ihr eine kuschelige Wolldecke und setzte sich neben sie. Und dann ging’s los.

Angeführt von einem Rentier hob der Schlitten sanft vom Boden ab. Leicht glitt er durch die glitzernde, verschneite Landschaft. Vor einem großen roten Tor hielten sie an. Über ihnen funkelten die Sterne am Himmel.

„Das ist unser Weihnachtsdorf“, erklärte der Weihnachtsengel.

Lilli schaute sich neugierig um. Überall standen kleine Holzhütten. Auf einem Schild stand das Wort Wichtelwerkstatt. Lilli lugte durch die Fensterscheiben. Auf dem Tisch lagen Holzräder, Holzlatten, Schrauben und Holzspäne. Einige Wichtel hämmerten eine Holzeisenbahn zusammen, andere hobelten an einem Schaukelpferd.

Doch es gab noch mehr zu sehen. Einige Weihnachtsmänner füllten Mandarinen, Schokolade und Pfeffernüsse in die Nikolausstiefel. Auf einmal erklangen Musik und Gesang.

„Das ist unser Himmelschor“, erklärte der Weihnachtsengel. „Sie proben Weihnachtslieder.“

Plötzlich klingelte ein Glöckchen. Neben ihnen hielt ein Weihnachtsschlitten. Zwei Weihnachtsengel stiegen aus und schleppten einen großen Sack.

„Das ist die Weihnachtspost der Kinder“, sagte der Weihnachtsengel. „In der Poststelle werden die Briefe sortiert und in die verschiedenen Spielzeugabteilungen gebracht. Du siehst, wir haben viel zu tun.“

Staunend sah Lilli den Weihnachtsmännern zu, als in der Spielzeugabteilung ein Geschenk nach dem anderen in einen großen Sack verschwand.

„Komm mit! Du wolltest doch die Backstube sehen.“ Der Weihnachtsengel nahm Lilli an die Hand. Zusammen gingen sie zu einer Holzhütte, die aussah wie ein großer Backofen.

In der Küche roch es nach Gewürzen und Aromastoffen. Blech für Blech schoben die fleißigen Weihnachtsengel in den Backofen. Dann wurden die gebackenen Plätzchen in Dosen und Kisten verteilt. Danach hievten sie die Kisten auf einen großen Schlitten.

Und jetzt sah Lilli es: Der Rauch, der aus dem Kamin der Backstube aufstieg, färbte den Himmel rot.

„Hier, probier mal!“ Ein Weihnachtsengel reichte ihr einen Zimtstern.

„Danke!“, sagte Lilli und schob sich hungrig das Plätzchen in den Mund. „Schmeckt prima.“

„Oh, es wird schon hell“, sagte der Weihnachtsengel. „Komm, ich bringe dich nach Hause.“

In ihrem Bett wischte sich Lilli noch mal gründlich die Augen ... und sie sah gerade noch, wie der Weihnachtsengel in mit seinem Weihnachtsschlitten in den Himmel stieg. Am nächsten Morgen rieb sich Lilli verschlafen die Augen. Hatte sie den Ausflug in das Weihnachtsdorf nur geträumt? Barfuß rannte sie zum Fenster. Es hatte tatsächlich geschneit. Doch was war das? Auf der Fensterbank lagen ein Säckchen mit Zimtsternen und ein Brief mit ihrem Namen darauf.

Liebe Lilli,

ich muss weiter. Das nächste Kind, das nicht ans Christkind glaubt, wartet auf mich.

Liebe Grüße

Dein Weihnachtsengel

Manuela Wolfermann lebt mit ihrem Mann, zwei Kinder, Katze, Kaninchen und Hund in Dortmund. Sie hat Veröffentlichungen in zwei Anthologien und in pädagogischen Fachzeitschriften.

*

Der Kobold und der Weihnachtsmann

Leise fällt der Schnee zum Grund.

Am Nordpol ist es bitterkalt

und pfeifend gibt der Winter kund:

„Dies ist mein Land, hier werd’ ich alt.“

Und zwischen all dem weißen Schnee,

kann man es sehen – irgendwann:

Ein Haus, gleich neben einem See,

hier wohnt der gute Weihnachtsmann.

Doch was ist das? Wer klopft da laut?

Ein Kobold steht im Schnee und friert.

Sein breiter Hut wirkt leicht zerkaut,

grün sind die Schuh‘ – das Hemd kariert.

„He, Weihnachtsmann, lass mich hinein!

´nen freien Job möcht‘ ich gern kriegen.

Ein Spielzeugtester will ich sein,

´ne lange Strecke musst’ ich fliegen!

Aus Irland komm’ ich angereist,

bin talentiert – der beste Wicht!

Mein roter Bart ist ganz vereist,

nun komm, erfrieren will ich nicht!“

Die Tür schwingt auf – der Kobold lacht.

„Hey Mikey – jetzt ist es genug!“

Das hätt’ der Wicht sich nicht gedacht:

der Weihnachtsmann im Schlafanzug.

„Aha, du kennst schon meinen Namen,

dann weißt du auch die Profession!“

„Dein Narrentum sprengt jeden Rahmen“,

spricht da der Mann mit leichtem Hohn.

„Ach Quatsch, sei gut – ich krieg’ das hin!“

„Ich hab’ genügend Spielzeugtester.“

„Keksprobierer, ist das drin?“

„Oh nein, das macht schon meine Schwester.“

„Glöckchenhalter? Tannenfäller?“

„Nein und nein, die hab’ ich schon.“

„Schlittenputzer, Briefzusteller?“

„Letzteres, das macht mein Sohn.“

Mikey beißt in seinen Hut:

„Ist denn da wirklich nichts zu machen?“

Sein Gesicht ist rot vor Wut:

„Vielleicht das Schleppen, Singen, Lachen?“

„Tut mir leid, ich kann nicht helfen,

denn für all die Weihnachtswaren,

hab’ ich meine treuen Elfen

und die schon seit vielen Jahren.“

Puterrot glüht Mikeys Kopf:

„Aber ich muss Arbeit finden!

Gerne putz’ ich jeden Topf!

Werd’ mich in der Küche schinden.“

„Was ist los, wieso der Druck?“

„Ach, ich brauche dringend Geld,

denn ich suche feinen Schmuck,

der der Liebsten auch gefällt.“

„Ach, du willst wen reich beschenken?“

„Ja, das hätt’ ich gern getan.“

Der Weihnachtsmann beginnt zu denken:

„Ha, ich hab’ da einen Plan.

Du tobst schnell – ein Wirbelwind.

Ins Kostüm werd’ ich dich stecken,

denn für ungezog’ne Kinder

wärest du der Weihnachtsschrecken.

Du bringst Ruten durch den Schacht,

zum Tannenbaum, da soll’n sie liegen.

Was meinst du? Ist’s abgemacht?“

„Ja! Den Job will ich gern kriegen!“

Und so schenkte er geschwind,

mit großer Freude dieses Jahr,

’ne Rute an ein jedes Kind,

das diesmal ungezogen war.

Den Job hat Mikey nun nicht mehr,

doch seine Tat, die bleibt bekannt.

Die Kinder fürchten diesen sehr:

Knecht Ruprecht wird er jetzt genannt.

Marco Ansing, geboren 1981 in Gießen, lebt zurzeit in Hamburg. Nach seinem Studium in Geschichte und Politik begann er mit seiner Doktorarbeit in Geschichte. Seine Leidenschaft gilt dem Verfassen von Gedichten und Kindermärchen sowie der Produktion von Hörspielen.

*

Der Weihnachtszug

Der Schneesturm tobte überall im Lande. Viele Straßen waren unpassierbar. Übermütig kletterten der siebenjährige Hannes und seine jüngere Schwester Gerti auf die Plattform des Waggons der kleinen Schmalspurbahn. Mit ihren Eltern waren sie auf dem Weg zu den Großeltern.

Zischend setzte die alte Dampflok sich in Bewegung. Schnell nahm sie Fahrt auf und fuhr durch das Schneegestöber. Dabei stieß sie dicken Rauch aus. Normalerweise standen die Kinder immer während der Fahrt auf der Plattform, doch diesmal verbot der Schaffner den Aufenthalt dort bereits beim Einsteigen. Aus Gründen der Sicherheit, wie er sagte.

Hannes sah sich um. Auf der hintersten Bank im Waggon saß ein alter Mann mit weißem Bart. Er blätterte in einem kleinen Buch. Von Zeit zu Zeit hustete er verhalten. „Der Rauch von diesem Dampfross“, entschuldigte er sich bei der dicken Frau, die ihm gegenübersaß. Die hielt einen Korb auf ihren Knien und redete unaufhörlich auf ihn ein. Sie sei von ihrer Schwester eingeladen worden und hätte ihr zum Dank dafür einen Kuchen gebacken. Freundlich nickte der Alte und blätterte weiter in seinem Buch. Auf der anderen Seite saßen zwei junge Männer. Neben ihnen standen Rucksäcke und Skier. Sie unterhielten sich über ihre Wanderroute.

Da bemerkte Hannes einen Jungen in der Mitte des Waggons. Er kannte ihn. Ihre Großeltern waren Nachbarn.

„Darf ich zu Florian?“ Seine Mutter nickte. Der Schneesturm beunruhigte sie. Doch davon merkten die Jungen nichts, die sich angeregt über Weihnachten unterhielten. Im Nachbarwaggon übten Kinder ein Lied, das auch Gerti kannte. Leise sang sie mit. Jemand spielte auf einer Gitarre. Nach der letzten Strophe applaudierten die Fahrgäste.

Die kleine Bahn schnaufte durch die hügelige Winterlandschaft. Die Fahrt fiel ihr immer schwerer. Manchmal musste sie große Schneemassen vor sich herschieben, die sich besonders in den Senken angehäuft hatten. Ab und zu pfiff die kleine Lok, als wäre sie froh, wieder ein Hindernis überwunden zu haben. Gerade zuckelte der Zug durch den Winterwald, als er mit einem Ruck stehen blieb. Neugierig stiegen einige Passagiere aus und sahen, wie der Lokführer und der Heizer vor einer riesigen Schneewehe standen. Mit Schippen versuchten die beiden, die Gleise freizuschaufeln. Doch es half nichts.

„Es tut mir sehr leid“, informierte der Schaffner die Fahrgäste, „doch wir müssen auf Hilfe warten.“

„Aber es ist Weihnachten und wir haben alle heute noch etwas vor“, regte sich ein kleiner Mann in einem teuren Mantel auf.

Bedauernd hob der Schaffner die Schultern.

„Jemand muss Hilfe holen.“ Die Dame mit dem Korb sah sich suchend um.

„Es wird bald dunkel und da ist es viel zu gefährlich, durch den Schneesturm zu laufen“, mahnte der Schaffner.

Aufgeregt rannten Hannes und Florian durch die Waggons und erzählten den übrigen Fahrgästen, was sie bei den Erwachsenen aufgeschnappt hatten.

„Setzt euch jetzt hin, Jungs“, forderte Hannes´ Vater die Kinder auf. „Durch das rein und raus wird es hier drinnen immer kälter.“

Der Schaffner nickte und sagte: „Nicht lange, und man wird uns vermissen.“ Dabei zog er eine Taschenuhr aus seiner Weste. „Das wird in genau siebenundzwanzig Minuten der Fall sein. Bis dahin möchte ich Sie bitten, Ruhe zu bewahren.“

Inzwischen machte man sich große Sorgen am nächsten Bahnhof. Die kleine Schmalspurbahn hatte pünktlich die letzte Station verlassen und war nun längst überfällig. Schnell wurden Einsatzkräfte zusammengetrommelt, die zu Fuß mit großen Laternen die Strecke abliefen.

Auch die Kinder in der Bahn wurden unruhig. „Sicher ist der Weihnachtsmann längst weg, wenn wir bei Großmutter ankommen.“

Florian sah Hannes an. „Du meinst, dann gibt es keine Geschenke?“

Gerti begann zu jammern. Im Nachbarwaggon weinte ein Mädchen.

Die dicke Frau kramte nervös in ihrem Korb herum. „Ist das nicht furchtbar?“, fragte sie den alten Mann. „Da sitzt man Weihnachten in der Wildnis und muss vielleicht erfrieren.“

„Wir müssen erfrieren?“ Hannes sah seinen Vater an. Ängstlich drückte sich Gerti an ihre Mutter.

„Reden Sie doch nicht so einen Unsinn“, ärgerte sich Hannes´ Vater. „Sie machen den Kindern ja Angst.“ Schmollend drehte sich die Frau weg und starrte aus dem Fenster.

„Ich werde die anderen Passagiere zu uns in den Waggon holen. Dann brauchen wir nur diesen zu beheizen und die Kohle reicht länger.“ Der Schaffner ging.

Draußen wurde es dunkel. Jemand begann, seinem Kind die Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Es wurde still im Waggon. Alle lauschten.

„Eigentlich war der für meine Schwester.“ Die dicke Frau war zu den Erwachsenen getreten und hielt einen großen Kuchen hin. „Aber die Kinder müssen ja schließlich was essen.“

Einer der jungen Wanderer stellte eine Henkelkanne auf den Tisch. „Heißer Tee“, sagte er lächelnd. Immer mehr Fahrgäste sahen nach, was sie dazugeben konnten. Wenig später lagen Kekse, Nüsse, Äpfel und zwei Tafeln Schokolade auf dem kleinen aufklappbaren Tisch unter dem Waggonfenster und sogar selbst gemachte Limonade stand dabei. Jemand legte Kerzen daneben. Mit staunenden Augen beobachteten die Kinder, wie der Waggon im sanften Licht der Kerzen erstrahlte.

 

Dann war die Weihnachtsgeschichte zu Ende. In der andächtigen Stille stimmte Gerti ein Lied an und alle sangen mit. Niemand bemerkte, wie sich im hinteren Teil des Waggons die Tür leise schloss. Keiner vermisste den alten, hustenden Mann.

Plötzlich polterte es draußen. Erschrocken verstummten alle. Die Kinder rückten ängstlich zusammen. Die Tür öffnete sich und Schnee stiebte in den Waggon. Einige Kerzen erloschen und Gerti begann zu weinen. In den Schein der restlichen Kerzen trat ein Mann in einem langen roten Mantel mit hochgeschlagener Kapuze. Schwerfällig stellte er einen großen Sack neben sich ab und strich über seinen weißen Bart.

„Der Weihnachtsmann“, riefen Hannes und Florian gleichzeitig.

Die Erwachsenen stießen sich heimlich an.

„Ja, gibt es denn so was? Warum seid ihr denn um diese Zeit hier im Zug? Beinahe wäre ich mit meinen Rentieren vorbei geflogen.“

Nun erwachten auch die anderen Kinder aus ihrer Erstarrung.

„Wir sind eingeschneit.“

„Festgefahren.“

„Wir müssen gerettet werden.“

„Halt, halt, nicht alle gleichzeitig“, rief der Weihnachtsmann. Er hustete. Hannes´ Eltern sahen sich an.

„Bekommen wir nun unsere Geschenke?“ Mutig war Hannes vorgetreten.

„Hm, hast du denn auch etwas für mich?“

Laut trug Hannes das Gedicht vom Weihnachtsmann, der nicht so böse schauen sollte, vor.

„Immer wieder ein Klassiker“, lachte der Alte. Damit zog er ein kleines Päckchen aus dem Sack und überreichte es Hannes. Geduldig hörte sich der Weihnachtsmann auch die Vorträge der übrigen Kinder an und ein jedes erhielt ein kleines Geschenk.

„Da kommen sie“, rief plötzlich jemand. Alle drängten sich an die Fenster. Deutlich konnte man die Lichter der Laternen erkennen.

In der Aufregung fiel es keinem auf, dass sich noch einmal die Tür öffnete und kurz darauf wieder schloss.

Neben dem Zug hielten Schlitten, die von kleinen starken Pferden gezogen wurden. Die Kinder durften zuerst umsteigen. Begeistert kletterten sie in die mit warmen Fellen ausgestatteten Fahrzeuge. Dann ging es schnell zum nächsten Bahnhof, wo schon die Verwandten auf sie warteten.

Über dem Bahnhofsgebäude erklang leises Schellengeläut. Alle spähten neugierig hinauf und sahen einen von Rentieren gezogenen Schlitten, der sich hoch oben am nun klaren Sternenhimmel entfernte.

Nur noch leise war es zu hören, das „Ho, ho, ho“ und ein unterdrücktes Husten.

Silke Walkstein, geboren 1965 in Schwedt, ist einfache Mutter und zweifache Oma. Beruflich selbstständig verfasst sie für Interessierte Biografien und Familienchroniken. In ihrer Freizeit schreibt sie gerne Kurzgeschichten, u.a. für ihre Enkelkinder. Einige ihrer Erzählungen sind bereits veröffentlicht worden.