Buch lesen: «Wünsch dich in Wunder-Weihnachtsland Band 11»
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Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland
Erzählungen, Märchen und Gedichte zur Advents- und Weihnachtszeit
Band 11
Martina Meier (Hrsg.)
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Impressum
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2018.
Titelbild: © Heike Georgi
Lektorat: Melanie Wittmann
Herstellung und Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM
ISBN: 978-3-86196-781-1 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-334-7 - E-Book
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Inhalt
Die Wundertüte
Familienweihnachten
Die kleine Schneeflocke
Der nächtliche Ausflug
Die Sehnsucht nach der Weihnacht
Herr Billabong
Im Kaufhaus
Ein Winternachmittag mit Felix
Rettung für das Weihnachtsfest
Himmelsschätze
Fridolin backt Weihnachtsplätzchen
Heiligabend im Winterwald
Die Nacht davor
Wo ist Papa?
Was für ein Geschenk!
Weihnachtsküche
Vom kleinen Stern, der sein Licht verlor
Der verliebte Schneemann
Alle Jahre wieder
Weihnachtsstimmung
Snowbert büxt aus!
Die Weihnachtselfe
Der Weihnachtsmann
Das arme Christkind
Weihnachtsbote auf vier Pfoten
Der Weihnachtsmann und die Islandpferde
Weihnachten im August?
Zwergenweihnacht
Ein Mäuseweihnachtsschmaus
Franziskas Herzenswunsch
Die Nacht der Kerzen
Kalle Karpfen
Die schlimmste Frage im Jahr
Der Wunschengel
Krakenweihnachten
Weihnachtswunsch eines Hundes
Omas Geheimnis
Das letzte Türchen
Die magische Schneekugel
Pustelzwergwildschwein Wanka
Brauni im Weihnachtsdorf
Oh, Tannenbaum
Noël
Weihnachtswunsch
Das schweigende Geschenk
Weihnachten im Kongo
Der Engelbengel und die Pfefferkuchenmänner
Winterschön
Ein Schneeball mitten ins Herz
Das Fest der Liebe
Weihnachtszeit
Wie ich meine Geschichte fand
Angelika
Ein fröhliches Weihnachtsfest
Aus vollem Herzen lachen
Oma Mias Gummibärchen
Der magische Wunschzettel
Lenis stürmische Weihnachten
Weihnachten mit einem Eichhörnchen
Einmal Weihnachten zum Mitnehmen, bitte!
Besuch in der Weihnachtswerkstatt
Der Weihnachtsschlitten
Die Marionette
Das Weihnachtsmuffelchen
Das Nachbarsmädchen
Bob
Ein besonderer Wunsch
Eine Weihnachtsgeschichte
Weihnachten auf dem Christkindlmarkt
Die Geschichte vom kleinen Weihnachtsengel
Wie Weihnachten ins Weltall kommt
Die kleine Maus und der Stern
Der Countdown läuft ...
Wie der Graue Klaus einem kleinen Rentier-Kind half
Die Geschichte der Weihnachtsmöbel
Festtagsstimmung
Mein schönstes Weihnachtsgeschenk
Hasenweihnacht
Wünsch dir was
Jakobs Zimmer
Wenn die Schneekönigin tanzt
Ein einziger Wunsch
Heißer als Glühwein
Ein Kindheitstraum wird wahr
Wer sucht, der findet
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Die Wundertüte
Es war einmal ein kleines Mädchen. Seine Eltern waren arm. Der Vater hatte einen Unfall erlitten, sodass er seinen erlernten Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben konnte. Von der Erwerbsunfähigkeitsrente konnte die kleine Familie nur mehr schlecht als recht leben.
Der Advent hatte begonnen. Es ging mit Riesenschritten auf Weihnachten zu. Die Mutter hatte für den ersten Adventssonntag schon Weihnachtsplätzchen gebacken, die allen wunderbar schmeckten. Immer näher rückte der Heilige Abend und damit auch das Nachdenken, was sie ihren Lieben schenken konnte. Für große Geschenke reichte das Geld nicht.
Eines Tages kam der Frau ein gute Idee. Sie hatte Wollreste in einer Schachtel auf dem Speicher aufbewahrt. Diese wollte sie holen, weil man aus ihnen sicher etwas zaubern konnte. Ihr Mann brauchte dringend warme Wollsocken für die Winterstiefel. Und auch für ihre kleine Tochter fiel ihr etwas ein. Sie erinnerte sich, dass sie selbst einst in der vierten Klasse der Grundschule in Handarbeit einen kleinen Teddybären zu stricken gelernt hatte, den sie lange als kleinen Freund mit sich herumgetragen hatte. Ein solcher würde bestimmt auch ihrem Kind Freude machen. So ein Bärchen konnte man in jeder beliebigen Größe stricken. Man musste die Strickteile zum Schluss nur noch ordentlich zusammennähen, den kleinen Kerl ausstopfen und ihm ein Gesicht geben.
Gesagt, getan!
Schnurstracks lief sie auf den Speicher und kramte in der Schachtel nach passenden Wollresten. Von der blauen Wolle hatte sie genügend, aber ein blauer Teddy ... das ging gar nicht!
Sie fand schließlich doch noch eine schöne braune Wolle, die nach ihrem Gefühl für den Bären ausreichen würde, und beschloss, diese zu verwenden. Aus der blauen Wolle sollte das Bärchen eine Hose mit Hosenträgern gestrickt oder gehäkelt bekommen.
Tagsüber war es der Mutter nicht möglich, das Strickzeug in die Hand zu nehmen, denn sonst hätte ihr Kind gefragt, was das werden würde. Sobald ihr kleines Mädchen jedoch im Bett war, fing die Mutter an, eifrig an den Teilen für das Bärchen zu stricken. Sie musste sich ranhalten, damit es bis zum Heiligen Abend fertig sein würde.
Zunächst hatte sie sich aus Packpapier Schablonen zurechtgeschnitten, damit der Bär gleich lange Arme und Beine bekam. Sie notierte jeweils die Maschenzahl, die sie anschlug, damit ja nichts schiefging.
Ihr Mann sah ihr interessiert zu. Er wusste von dem Plan.
Schließlich waren alle sechs für den Bären notwendigen Strickteile fertiggestellt. Körper, Arme und Beine wurden jeweils sorgfältig zusammengenäht. Doch eine schmale Stelle musste vorerst noch offen bleiben. Die Teile brauchten noch ihr Innenleben, das aus weichem Füllmaterial bestand, mit dem sie nach und nach sorgfältig ausgestopft wurden. Dann wurden die noch offenen Nahtstellen geschlossen und Kopf, Arme und Beine nacheinander am Körperteil angenäht.
Man sah schon, dass es ein Bärchen werden würde, selbst wenn es noch einen viereckigen Kopf ohne Ohren, Nase, Mund und Augen hatte. Es war gesichtslos und konnte so nicht bleiben.
Die Ohren waren schnell herzustellen. Man musste dafür nur die beiden oberen Ecken schräg abnähen. Danach suchte die Mutter in ihrer Schatulle zwei glasfarbene, kleine Knöpfe für die Augen heraus. Mund und Nase wurden mit einem schwarzen kräftigen Garn gestickt. Mit seinem lustigen Gesicht schaute der Bär seine Schöpferin an.
In den nächsten Tagen häkelte die Mutter aus der blauen Wolle eine kurze Hose mit Hosenträgern, die sie mit zwei gelben, kleinen Knöpfen vorne befestigte. Sie war zufrieden, dass ihr der kleine Bär so gut gelungen war. Vorerst versteckte sie ihr fertiges Werk im Kleiderschrank ihres Schlafzimmers.
Der Heilige Abend rückte näher und das Spielzeug musste fürs Christkind schön verpackt werden. Der Mutter fiel ein, dass die Schultüte von der Einschulung ihrer Tochter auf deren Kleiderschrank lag. Da würde der Bär gerade hineinpassen.
Aber wie sollte sie ihrer Tochter das Verschwinden der Schultüte erklären? Vielleicht würde sie es gar nicht bemerken.
Doch dem war leider nicht so. Olivia bemerkte sehr wohl, dass ihre Schultüte plötzlich verschwunden war, und kam aufgeregt zu ihrer Mutter gerannt.
Als ihr diese sagte, dass das Christkind eine Verpackung für ihr Weihnachtsgeschenk benötigt und die Schultüte als etwas ganz Besonderes, nämlich als eine richtige Wundertüte angesehen hätte, war das Kind glücklich und wartete sehnsüchtig auf den Heiligen Abend.
Und endlich war er da. Das Mädchen entdeckte unter dem Christbaum seine Schultüte, die mit einer großen roten Schleife zugebunden war.
Als Olivia diese aufzog, kam der braune Bär zum Vorschein, der sie mit seinen Knopfaugen anschaute. Sie war überglücklich über den kleinen Teddy mit seiner blauen Hose und die Mutter war es auch.
Sieglinde Seiler wurde 1950 in Wolframs-Eschenbach geboren. Sie ist Dipl. Verwaltungswirt (FH) und lebt mit ihrem Ehemann in Crailsheim Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte. Später kamen Aphorismen, Märchen und Prosatexte hinzu. Ferner fotografiert sie gerne. Bislang hat sie bereits über 200 Gedichte im Internet und in diversen Anthologien veröffentlicht.
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Familienweihnachten
Tannenduft und Kerzenschein,
bald wirdʼs wieder Weihnachten sein!
Geschenke kaufen
und verpacken,
unendlich viele Kekse backen!
Baum aufstellen,
Lieder singen.
Was wohl die Verwandten bringen?
Onkel schenkt ʼne Eisenbahn,
Oma einen Jahresplan.
Kerzenhalter für die Mutter,
Hund bekommt heut sehr viel Futter.
Vater wieder neue Socken,
Tochter will heut nichts verbocken.
Oma erzählt, wieʼs früher war.
Tochter kämmt ihr langes Haar.
Alle schauen glücklich drein,
nur nicht das kleine Brüderlein,
hat wohl viel zu viel gefuttert,
wird jetzt schnell ganz lieb bemuttert.
Weihnachten macht allen Spaß
denn es gibt für jeden was!
Dörte Müller (*1967) wohnt mit ihrer Familie in den Niederlanden. Sie schreibt Kinderbücher, die sie selbst illustriert, und arbeitet als Lehrerin.
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Die kleine Schneeflocke
Vor langer Zeit einmal, es ist wirklich schon sehr lange her, da flog eine kleine Schneeflocke munter im Winter durch das Winterwunderland.
Im Winterwunderland gab es viele Leckereien, die von den Tannenbäumen hingen. Lutscher, Zuckerstangen und Kugeln in allen möglichen Farben. Es gab Rehe, Hasen, Füchse und viele andere wilde Tiere. Außerdem gab es Wichtel im Winterwunderland. Kleine, verspielte, niedliche Wichtel. Sie tanzten mit den Schneeflocken über die Höhen, Wiesen und Felder im Winterwunderland.
Und es gab da diese kleine Schneeflocke. Lachend und übermütig flog sie umher. Sie schillerte in den schönsten Silbertönen. Hell war sie, die kleine Schneeflocke, leuchtend am Himmel, und alle mochten die kleine Schneeflocke so gerne. Sie setzte sich mal auf die eine Tanne, mal auf die andere und lachte überglücklich. Heiterkeit war in der kleinen Schneeflocke und Herr Wichtel mochte sie unsagbar gerne. Da setzte sie sich auf die Stirn von Herrn Wichtel und er lachte ausgelassen mit ihr.
Ein kleines Füchslein kam des Wegs und fragte die Schneeflocke, warum sie so heiter wäre.
Darauf antwortete sie: „Es ist schön, so frei umherzufliegen, durch die Lüfte, durch die Zeit und durch meine kleine Winterwelt. Es ist Winter, wir sind im Winterwunderland, wo der Schnee liegt, es das Glück gibt und die Harmonie zwischen allen so stark ist. In unserem Winterwunderland, da nehmen wir uns an der Hand, damit im Winter ein jedes Kind und ein jeder Erwachsener voller Harmonie und glücklich ist. Wir tanzen, wir singen und bringen vielen, vielen Menschen Freude in die Herzen.“ Das waren die Worte der kleinen Schneeflocke.
Dann war es an der Zeit für die Schneeflocken – auch für unsere Freundin –, das Winterwunderland zu verlassen und zu den Menschen zurückzukehren. So schneite es kurz vor Heiligabend überall. Es herrschten Heiterkeit und Freude allüberall.
Wie jedes Jahr lachte eine kleine Schneeflocke heiter und ausgelassen – sie tanzte am Himmel. Um Zufriedenheit, Harmonie und Glück zu bringen.
Die Schneeflocke, unsere kleine Schneeflocke, lachte und mit ihr lachten die vielen anderen Schneeflocken. Sie waren glücklich, weil sie Glück schenken konnten.
Dani Karl-Lorenz, geboren in einer Kleinstadt in der Oberpfalz (Bayern). Autorin aus Leidenschaft. Malt mit Hingabe. Veröffentlichungen erfolgten in verschiedenen Anthologien unterschiedlicher Verlage und auf ihrer Homepage: www.danilyrik.de.
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Der nächtliche Ausflug
„Nein“, sagte Mama Pinguin mit Nachdruck. Sie hatte die Flügel in die Hüften gestemmt und stampfte mit ihrem Fuß auf. „Wir sind Pinguine. Pinguine feiern kein Weihnachten.“
„Aber ...“, versuchte Pitsch seiner Mutter zu widersprechen, doch sie unterbrach ihn sofort.
„Da gibt es kein Aber. Da gibt es keine Diskussion. Wir feiern auch dieses Jahr nicht. Und jetzt ab ins Bett mit dir! Morgen wird ein langer Tag.“
„Ein langer Tag“, dachte Pitsch, als er traurig davonwatschelte. Es war doch jeder Tag gleich. Sie saßen auf einer Eisscholle, schwammen ein paar Runden und bekamen Fische gebracht. Dabei wurden sie von unzähligen Augen beobachtet. Augen, die zu Kindern gehörten, die in den letzten Tagen nur ein Thema kannten: Weihnachten.
Während er sich unter seine Decke kuschelte, dachte Pitsch über Weihnachten nach. Was das wohl war? Er wusste, dass es mit Lichtern zu tun hatte, und auch das Wort Geschenke hatte er einige Male aufgeschnappt. Er wollte so gerne erleben, was Weihnachten bedeutete.
In der Nacht wurde Pitsch wach. Das Schnarchen des alten Eisbären aus dem Nebengehege hatte ihn geweckt. Vorsichtig schielte er zu seinen Eltern. Sie schliefen tief und fest. Er setzte sich auf und atmete tief ein. Ihm ging Weihnachten nicht aus dem Kopf. Er musste der Sache auf den Grund gehen.
So leise, wie es seine Plattfüße auf dem Eis zuließen, schlich er sich zur Mauer, die seine Familie vor den neugierigen Kindern beschützte. Er sah sich ein letztes Mal um. Ein Gefühl der Traurigkeit überkam ihn. Schließlich hatte er seine Familie noch nie zuvor verlassen. Aber er musste es einfach tun.
„Hoffentlich verstehen sie es“, dachte er. Dann sprang er von Stein zu Stein, immer höher, bis er endlich auf der Mauer stand.
Der Zoo sah so groß aus von hier oben. Ob er den Weg finden würde? Bisher hatte er das Gehege noch nie verlassen. Er spazierte auf der Mauer entlang, bis er eine Stelle fand, an der er problemlos hinunterspringen konnte. Dann watschelte er über die Wege, die sonst nur den Menschen vorbehalten waren.
Die meisten Tiere schliefen. Sie lagen in ihren Betten und träumten von den schönsten Dingen. Am Eulenkäfig aber sprach ihn eine alte Schleiereule mit tiefer Stimme an. Er erschrak.
„Wo willst du denn hin, kleiner Pinguin?“, raunte sie aus dem Käfig.
„Ich will wissen, was Weihnachten ist“, antwortete er.
Die Eule lachte nur. „Ganz alleine? Hast du keine Angst? Es ist gefährlich da draußen“, sagte sie.
„Gefährlich?“, fragte Pitsch verängstigt.
Die Eule nickte. „Da draußen gibt es zum Beispiel Autos. Wenn du nicht aufpasst, dann kann es passieren, dass du einen Unfall hast.“
„Einen Unfall? Dann passe ich lieber auf. Danke für die Warnung“, versuchte sich Pitsch zu verabschieden. Er wollte keine Zeit am Eulenkäfig vertrödeln. Nicht, dass seine Eltern bemerkten, dass er weg war, bevor er in Erfahrung bringen konnte, was Weihnachten war.
„Geh nur bei Grün über die Straße. Bei Rot musst du stehen bleiben“, rief ihm die Eule mahnend hinterher.
Pitsch verließ den Zoo. Er sah sofort, warum die Eule ihn gewarnt hatte. Die sogenannten Autos schossen pfeilschnell an ihm vorbei. Auf keinen Fall würde er einfach die Straße betreten. Stattdessen hielt er Ausschau nach einem grünen Licht.
Nachdem er einige Minuten am Straßenrand entlanggewatschelt war, fand er eine Ampel, an der er die große Straße überqueren konnte. Auf der anderen Seite angekommen, vernahm er ein Gurren. Es kam von oben. Neugierig legte er den Kopf in den Nacken.
„Was macht denn ein Zootier hier?“, gurrte eine Taube von einem Fenstersims.
„Ich möchte wissen, was Weihnachten ist.“
„Weihnachten?“, fragte die Taube erstaunt. Sie breitete ihre Flügel aus und glitt zu Pitsch auf den Boden. „Weihnachten ist großartig!“, rief sie und lief aufgeregt hin und her. „Überall laufen die Menschen entlang. Immer haben sie etwas zu essen in der Hand. Zu Weihnachten ist die ganze Stadt voller Krümel. Leckereien, soweit das Auge reicht.“ Sie pickte auf den leeren Boden. Dann hielt sie inne und sah Pitsch an. „Ich kann es kaum erwarten“, strahlte sie.
Pitsch verabschiedete sich von der aufgekratzten Taube und setzte seinen Weg fort. Er kam in den Stadtpark und trat auf der grünen Wiese fast in einen Igel. „He, Vorsicht!“, rief der empört. Sofort entschuldigte sich der Pinguin bei dem stacheligen Fremden. „Was machst du überhaupt hier? Ich habe noch nie ein Tier mit so großen, komischen Füßen gesehen. Sehen aus wie Entenfüße. Aber irgendwie anders. Wer bist du?“, fragte der Igel.
„Ich bin Pitsch und ich bin ein Pinguin. Wer bist du?“, gab er die Frage zurück.
„Igor Igel“, räusperte sich der Fremde.
„Kennst du Weihnachten, Igor?“
Der Igel nickte. „Aber ich kann dir nicht viel darüber erzählen. Ich bin gerade auf der Suche nach einem Schlafplatz. Es wird langsam zu kalt für mich. Deswegen muss ich in ein warmes Bett. Darin verschlafe ich Weihnachten jedes Jahr.“
„Macht dich das nicht traurig?“, fragte Pitsch.
„Manchmal. Aber das macht nichts. Ich feiere einfach mit meiner Familie, wenn wir alle wieder wach sind.“
„Die Familie“, dachte Pitsch, „sie gehört also auch zu Weihnachten.“
Während er so nachdachte, sprach ihn eine Ente an. „Hast du mein Küken gesehen?“
Pitsch zuckte mit den Flügeln. „Leider nicht.“
„Es ist weggelaufen“, erzählte die Ente. „Es hat sich in den Kopf gesetzt, Weihnachten zu feiern. Hätte ich doch nur mit ihm über Weihnachten gesprochen. Hätte ich ihm erzählt, dass das Wichtigste an Weihnachten ist, dass die Familie zusammen ist und schöne Tage miteinander verbringt“, schluchzte die Ente unter Tränen.
Pitsch überkam eine tiefe Traurigkeit. Ob es seiner Mutter in diesem Moment auch so ging wie der Entenmutter? Sie machte sich bestimmt Sorgen. Außerdem vermisste er seine Familie.
„Ich helfe dir beim Suchen“, beruhigte er die Ente.
Etwa eine Stunde liefen sie durch den Park, ehe sie das Entenküken fanden. Pitsch rechnete damit, dass die Mutter schimpfen würde. Sie nahm ihr Küken aber nur in den Arm und drückte es fest an sich.
„Danke, kleiner Pinguin“, flüsterte die Entenmutter.
Pitsch nickte nur. Er nickte, weil er genau wusste, was er jetzt tun musste. Entschlossen trat er den Rückweg in den Zoo an. Er durchquerte den Stadtpark, wartete an der Ampel, dass es Grün wurde, lief am Eulenkäfig vorbei und ignorierte die Rufe der Eule, bis er endlich wieder am Pinguingehege stand. Er sprang auf die Mauer und suchte den Weg zurück in das Gehege. Dann kuschelte er sich in das Bett seiner Eltern, die noch tief und fest schliefen.
Weihnachten war wahrscheinlich das schönste Fest der Welt. Essen, Geschenke und vieles mehr. Aber ohne die Familie wäre es nicht Weihnachten.
Das hatte er gelernt. Er schätzte sich glücklich, seine Familie jeden Tag bei sich zu haben.
Mit diesen Gedanken schlief er ein. Unwissend, dass unter dem Bett seiner Eltern eine kleine Überraschung für ihn verstaut lag.
Oliver Bruskolini, geboren 1993 in Essen, wohnhaft in Essen, NRW. Er studiert an der Universität Duisburg-Essen Lehramt mit den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften. Veröffentlichung verschiedener Kurzgeschichten in Anthologien.