Justine

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Fügt sich ein junges Mädchen selbst Schaden zu, wenn sie der Wollust lebt? Zweifellos nein; denn sie folgt nur den süßesten Regungen der Natur, die nicht da sein würden, wenn sie ihr schaden könnten. Hat sie denn nicht in jede Frau den Wunsch hineingelegt, sich jedem Mann hinzugeben, und gibt es eine einzige Frau, die behaupten kann, sie habe nicht das Bedürfnis, zu lieben, wie sie das Bedürfnis zu essen oder zu trinken hat? Nun so frage ich dich, Justine, wie hat die Natur ein Verbrechen daraus machen können, wenn eine Frau den Wünschen nachgibt, die den erhabensten Teil ihrer Existenz bilden? Betrachten wir aber das ausschweifende Leben eines Wesens in Bezug auf die Gesellschaft, so glaube ich, daß es schwerlich für das andere Geschlecht eine Handlung gibt, die ihm angenehmer ist, als wenn eine Frau sich hingibt. Und wo käme dieses Geschlecht hin, wenn sich alle weigern würden, seinen Begierden nachzukommen. Da die Männer gezwungen wären, sich zu kitzeln oder einander von hinten zu bearbeiten, würden sie ganz auf den Verkehr mit uns verzichten. Die Ehe kann da nichts nützen; denn du wirst mir zugestehen, es ist für einen Mann ebenso unmöglich sich auf eine Frau zu beschränken, wie umgekehrt. Glaube mir, Justine, glaube jemandem, der Erfahrung hat und sei überzeugt, daß ein junges Mädchen nichts Besseres tun kann, als sich allen hinzugeben, die sie begehren, wobei sie aber, wie gesagt, die äußerliche Sittsamkeit bewahren muß. Du hast gestern der braven und ehrlichen Desroches gezürnt, weil sie an dir Interesse hatte. Nun, meine arme Justine, was würden wir ohne diese dienstbaren Geister tun? Müssen wir ihnen nicht zu Dank verpflichtet sein für die Mühe, die sie sich mit unserer Wohlfahrt geben? Gibt es einen Beruf, den man mehr achten muß? Ist nicht dieses Talent das kostbarste, für die Gesellschaft wertvollste? Und die barmherzigen Menschen, die diese Beschäftigung haben, müßten geehrt und belohnt werden.«

»Sie sind sehr liebenswürdig, Madame«, sagte die Desroches, die vor Freude strahlte, daß man ihre Partei ergriff.

»Nein, nein, ich spreche so, wie ich denke«, erwiderte die Delmouse, »und nachdem ich den Beruf im allgemeinen gepriesen habe, muß ich Justine im besonderen beglückwünschen, daß sie Ihnen begegnet ist. Möge sie sich blindlings Ihren Ratschlägen, Madame, anvertrauen; möge sie bloß Ihnen folgen, und ich bürge dafür, daß sie binnen kurzem die höchsten Lebensfreuden und die Vorteile eines großen Vermögens genießen wird.«

Dieses Gespräch war kaum beendet, als es an der Tür klopfte. »Ah«, sagte Madame Desroches, die öffnete, »das ist der junge Mann, den du von mir verlangt hast, Delmouse.« Und alsbald trat ein prachtvoller Mann herein, der stark wie Herkules und schön wie Amor aussah. »Er ist entzückend«, sagte unsere Lebedame, indem sie ihn betrachtete, »es handelt sich jetzt bloß darum, ob er auch so viel kann, wie seine Figur verspricht. Schon seit langem habe ich nicht solche Lust zum Lieben gehabt wie heute. Sieh meine Augen an, Desroches, wie feurig sie sind. Ah, Himmel«, fuhr die Hure fort, indem sie den jungen Mann heftig küßte, »ich kann mich nicht mehr halten.« – »Das hättest du mir früher sagen müssen«, sagte die Desroches, »dann hätte ich dir drei oder vier solche Leute verschafft.« – »Versuchen wir erst den da«, und die Schamlose legte einen Arm um den jungen Mann, den sie in ihrem Leben noch nicht gesehen hatte. Mit der andern Hand knöpfte sie ihm seine Hose auf, ohne sich irgendwie zu schämen. »Madame«, sagte Justine purpurrot, »gestatten Sie, daß ich hinausgehe.« – »Nein, bei Gott nein«, sagte die Delmouse. »Desroches sagen Sie ihr, daß sie bleiben soll. Ich möchte ihr gleich praktischen Unterricht erteilen, nachdem ich ihr theoretischen schon gegeben habe. Ich möchte, daß sie Zeuge meiner Vergnügen sei, und auch du, Desroches, bist mir sogar notwendig; denn du weißt, meine Gute, daß die Einführung des männlichen Gliedes mir nur dann angenehm ist, wenn sie durch deine Hände geschieht. Du kitzelst mich außerdem so gut, wenn ich liebe, und trägst so viel Sorge für meinen Popo und meine Scheide! Vorwärts, vorwärts, du Hure, beginnen wir. Justine, setzen Sie sich hier vor mich hin und wenden Sie den Blick nicht ab.« – »Oh, welche Folter, Madame«, rief die Arme weinend aus, »lassen Sie mich hinausgehen, ich beschwöre Sie, und glauben Sie, daß der Anblick der Greuel, die Sie begehen werden, in mir immer nur Abscheu hervorrufen wird.« Aber die schon ganz aufgelöste Delmouse widersetzte sich heftig, daß Justine hinausgehe, und bald begann das Schauspiel.

Alle Einzelheiten der weitestgehenden Ausschweifung wurden vor den Augen unseres verschämten Kindes ausgebreitet. An Stelle der Desroches wurde es gezwungen, das ungeheure Glied des jungen Mannes zu ergreifen und es in die Scheide der Delmouse einzuführen. So brachte sie der kräftige Athlet fünfmal hintereinander zum Entladen, während die Delmouse ungeheures Vergnügen an dem Abscheu Justines fand.

»Donnerwetter«, sagte die Messalina, als sie sich wie eine Bacchantin erhob, »welch Vergnügen habe ich gehabt! Weißt du, Desroches, was ich jetzt gern sehen würde? Ich möchte jetzt Justine von dem ungeheuren Glied, das mich bearbeitete, entjungfern lassen. Was sagst du dazu?« –»Nein, nein«, erwiderte diese, »wir würden sie töten, und ich hätte nichts an ihr verdient.« Währenddessen gewannen unsere beiden Kämpen wieder Kräfte. Die Delmouse legte sich wieder hin, und Justine wurde wieder zu ihrer Arbeit beauftragt. Man mußte es sehen, mit welchem Abscheu, welcher Mühe sie ihren Auftrag vollzog. Diesmal wollte die Hure, daß sie sie in der Scheide kitzle. Die Desroches führte ihr die Hand, aber sie erwies sich als zu linkisch für die rasende Delmouse. »Hilf mir, hilf mir, Desroches«, rief sie aus, »ich sehe, daß ein Verführen nur dem Verstande und nicht dem Körper angenehm ist. Namentlich nicht mir, die zehn Hände wie die der Sappho und zehn Glieder wie die des Herkules nicht ermüden würden!« – Auch diese zweite Sitzung schloß mit reichlichen Opfern für Venus. Delmouse richtete sich wieder auf, ihr Reiter ging hinaus, und die Desroches entschuldigte sich, indem sie ein Mäntelchen umhängte, daß eine Verabredung mit Dubourg sie länger zu bleiben hinderte. »Desroches«, sagte Madame Delmouse nach einigem Nachdenken, »je mehr ich bearbeitet werde, desto wilder werde ich. Lasse mich zu Dubourg mitgehen. Ich sehne mich außerordentlich danach, zu sehen, was dieser alte Schuft erfinden wird, um sich an diesem kleinen Mädchen wieder zu beleben. Vielleicht kann ich ihm helfen. Oft ziehen ja diese alten Verbrecher mich vor, wie du weißt.« – »Was du von mir verlangst, ist ausführbar«, erwiderte die Desroches. »Ich kenne meinen Dubourg zur Genüge, um zu wissen, daß es ihm nicht unangenehm ist, wenn ich ihm ein hübsches Weib mehr mitbringe.« Eine Kutsche fuhr vor. Die immer erschrockene, bescheidene Justine stieg als erste ein, und man fuhr fort.

Dubourg war allein. Die Damen fanden ihn in noch weniger bekleidetem Zustand als er am Tag vorher gewesen war. Geilheit und zügellose Wollust sprachen aus seinen finsteren Blicken.

»Sie rechneten wahrscheinlich bloß mit einer Frau«, sagte die Desroches beim Eintreten zu ihm, »nun ich glaube, daß es Ihnen nicht mißfallen wird, wenn ich zwei mitbringe. – »Wer ist dieses Mädchen?«, fragte Dubourg. »Eine hübsche Frau aus meiner Bekanntschaft«, erwiderte die Desroches, »deren Liebenswürdigkeit auf der gleichen Höhe mit ihren Reizen steht und die uns in der Folge bei den Zusammenkünften mit der schönen Justine nützlich sein wird.« – »Wie«, sagte Dubourg, »du glaubst, daß es nicht bei einem Male bleiben wird?« – »Es wäre möglich«, erwiderte die Desroches. »Nun, wir wollen sehen«, sagte Dubourg, »gehen Sie hinaus, Desroches, es ist gut, setzen Sie es auf die Rechnung. Wie hoch ist sie denn?« – »Seit drei Monaten haben wir nicht verrechnet, es macht nahezu 100 000 Francs aus.« – »100 000 Francs, gerechter Gott!« – »Aber der Herr möge bedenken, daß ich ihm mehr als 800 Mädchen geliefert habe; ich habe sie alle aufgeschrieben. Der Herr kennt mich wohl, er weiß wohl, daß ich ihn nicht um einen Sous betrügen könnte.« – »Schön, schön, wir werden schon sehen. Aber gehen Sie jetzt, Desroches, ich fühle, daß ich mit diesen beiden Frauen allein bleiben muß. Und Sie, Justine, bedanken Sie sich bei ihrer Beschützerin, bevor sie weggeht, denn nur ihr zu Liebe erweise ich Ihnen die Gnade, mich mit Ihnen zu beschäftigen. Sie werden einsehen, daß Sie nach Ihrem gestrigen Betragen dieses Glücks nicht würdig sind. Sollten Sie aber heute meinen Wünschen auch nur den leisesten Widerstand entgegensetzen, so erwarten Sie in meinem Vorzimmer zwei Männer, die Sie an einen Ort bringen, aus dem Sie in Ihrem Leben nie wieder wegkommen werden.« Die Desroches ging. »O Monsieur«, sagte Justine weinend und stürzte sich vor die Füße des Barbaren, »lassen Sie sich erweichen, ich beschwöre Sie. Seien Sie so barmherzig und helfen Sie mir, ohne von mir das zu verlangen, wofür Ich tausendmal lieber sterben würde. Zwingen Sie mich nicht, ich flehe Sie an. Können Sie denn bei meinen Tränen Freude gewinnen? Können Sie Vergnügen finden, wo Sie Widerwillen sehen, Sie werden Ihr Verbrechen noch nicht beendigt haben und schon werden Sie bei meinem Anblick Gewissensbisse empfinden.« Aber durch das, was jetzt geschah, wurde sie am Weitersprechen gehindert. Die Delmouse, die auf Dubourgs eisernen Stirne seine Gedanken gelesen hatte, warf sich vor ihm nieder und kitzelte ihn leidenschaftlich.

»Hölle und Teufel«, rief Dubourg furchtbar aufgeregt aus und erhob sich wie ein Rasender. »Ich soll dir Gnade gewähren, ich möchte dich eher erwürgen, du Hure!« Dabei zeigte er ein kleines, vertrocknetes, schwarzes Glied, ergriff seine Beute mit rohen Händen und riß ihr alles vom Körper ab, was seine wollüstigen Augen störte. Bald beschimpfte, bald liebkoste, bald mißhandelte, bald streichelte er sie. Großer Gott! Welch’ ein Anblick. Es schien als ob die Natur durch dieses Schauspiel in Justine gleich bei ihrem ersten Abenteuer jeden Schrecken von dieser Art Verbrechen erwecken sollte. Jetzt wurde sie nackt auf das Bett geworfen, und während die Delmouse sie hielt, entdeckte der Lüstling plötzlich einen neuen Köder. »Warten Sie«, sagte die Schurkin, »ich merke, daß meine Röcke Sie stören. Ich werde sogleich das Ding bloßlegen, das, wie es scheint, Gegenstand Ihrer Bewunderung ist. Sie wollen meinen Popo sehen. Ich begreife, ich ehre diese Neigung bei Leuten Ihres Alters.«

 

»Hier ist er, mein Freund; er ist ein wenig voller als der dieses Kindes. Aber dieser Gegensatz wird Ihnen Vergnügen bereiten. Wollen Sie sie nebeneinander sehen?« – »Teufel, ja«, erwiderte Dubourg, »setzen Sie sich auf Ihre Schultern, damit sie ruhig liegen bleibt, und ich werde versuchen, ihr ihn von hinten hineinzustecken und Ihnen dabei die Backen zu küssen. Ja, so ist es richtig«, fuhr der Lüstling fort, indem er sowohl auf den einen wie den anderen Popo ein paar Schläge versetzte, »und nun wollen wir sehen, ob ich die Sodomie zu Stande bringe.« Der Schuft versucht es, aber sein heftiges Feuer erlischt bei den Schwierigkeiten des Unternehmens. Der Himmel rächte Justine für die Vergewaltigungen, die sie erleiden sollte, und der Kräfteverlust des alten Lüstlings bewahrt dieses unglückliche Kind davor, hingeopfert zu werden.

Dubourg wurde nunmehr noch ausfallender. Er gab Justine Schuld an seiner Schwäche und versuchte durch neue Beleidigungen und Schmähungen den Verlust wieder zu ersetzen. Die Ungeschicklichkeit Justines ärgerte ihn. Aber selbst der Delmouse mit all ihrer Kunst gelang es nicht, in dieses entkräftete Glied Leben hineinzujagen. Sie drückte, kitzelte, aber nichts half diesem schlappen Ding. Allen dreien gelang es nicht, diesem unglückseligen Glied das majestätische Aussehen zu geben, das zu einem neuen Angriff nötig ist. Endlich gab es Dubourg auf. Er ließ sich von Justine versprechen, am nächsten Tag wiederzukommen, und um sie besser dafür zu stimmen, wollte er ihr keinen Sou geben. Man übergab sie der Desroches, während die Delmouse bei Dubourg blieb, der sich, nachdem er gut gespeist hatte, an dieser hübschen Frau für das Vergangene rächte. Es kostete zwar von beiden Seiten viel Anstrengungen, aber schließlich empfing der wundervolle Popo der Delmouse das, was eigentlich für den jugendlicheren Justines bestimmt war. Diese erklärte, als sie zu Hause angelangt war, ihrer Wirtin, daß, sollte sie selbst vor Not umkommen, sie sich niemals mehr solchen Szenen aussetzen wolle. Von neuem schmähte sie den Verbrecher, der mit ihrem Elend solchen Mißbrauch trieb. Aber das Verbrechen triumphiert, lacht über die Angriffe des Unglücks und zeigt dem Menschen, der zwischen Tugend und Laster wählen will, daß das letztere der einzig wahre Weg zum Glück ist.

Bevor wir fortfahren, erscheint es uns wesentlich, die Leser vorzubereiten. Die meisten werden zweifellos erraten haben, daß der erwähnte Diebstahl ein Werk der Desroches war. Aber wovon sie vielleicht nicht überzeugt waren, ist, daß Dubourg an dieser Geschichte beteiligt war. Auf den Rat dieses Sünders hatte die Desroches gehandelt. »Sie ist uns unfehlbar ausgeliefert, wenn wir sie aller Hilfsmittel berauben«, hatte er ihr gesagt, und so grausam diese Berechnung war, so sicher stimmte sie. Als Dubourg mit der Delmouse zusammen speiste, erzählte er ihr von dieser kleinen Missetat, und ihr in diesen Dingen erfinderischer Kopf begeisterte sich lebhaft. Das Endergebnis der Unterredung war, daß die Delmouse versprach, alles aufzubieten, um Justine während der drei Monate zu sich nehmen zu können, während derer ihr Mann auf dem Land war. Während dieser Zeit sollte Dubourg neue Angriffe auf sie versuchen, und würden auch diese nicht gelingen, so wollte man furchtbare Rache nehmen. Von da an arbeitete die liebenswürdige Frau an der Verwirklichung dieses Vorhabens, und da ihr der Gedanke, Justine in den Abgrund zu ziehen, großes Vergnügen bereitete, kam sie am nächsten Tag zur Desroches frühstücken. »Sie haben gestern mein Interesse erregt«, sagte die Heuchlerin zu Justine, »ich glaubte nicht, daß man so außerordentlich keusch sein könne. Wahrhaftig Sie sind ein Engel, der eigens vom Himmel geschickt ist, um die Menschen zu bekehren. Bisher habe ich mich vor Ihnen bloß als ausschweifende Person gezeigt, aber, ich muß gestehen, ich habe mich durch ihr Beispiel plötzlich geändert. Und bei Ihrem Leben beschwöre ich, daß Sie mich von jetzt ab immer als Reuige und Tugendhafte sehen werden. O Justine, willst du dich mit mir vor der Welt zurückziehen? Ich will immer dein großes Beispiel vor Augen haben, damit das Werk der Bekehrung rascher vollendet ist.«

»Ach Madame«, erwiderte Justine, »ich kann nicht als Beispiel dienen. Und wenn Ihre Änderung aufrichtig ist, so verdanken Sie das dem höchsten Wesen und nicht mir. Ich danke Ihnen vielmals für die Zuflucht, die Sie mir anbieten und ich hoffe, daß meine Dienste ihre Wohltat ausgleichen können.« Die Desroches, die von der Delmouse eingeweiht war, hatte Mühe, bei dieser Komödie nicht in Lachen auszubrechen. Sie beglückwünschte Justine zu ihrem Erfolg, und nachdem die Schuld beglichen worden war, verließen Justine und die Delmouse das Haus.

Madame Delmouse bewohnte ein prachtvolles Haus. Dienerschaft, Pferde und die sehr kostbare Einrichtung zeigten Justine bald, daß sie bei einer der wohlhabendsten Frauen von Paris war.

»Weil ich älteren Dienstboten zu Dank verpflichtet bin«, sagte die Delmouse, »ist es mir unmöglich, Sie gleich die obersten Stellen in meinem Haushalt einnehmen zu lassen. Aber Sie werden auch dazu gelangen, mein Engel. Sie werden in meiner Garderobe beschäftigt sein«, fuhr die Delmouse fort, »und wenn Sie sich gut aufführen, erhebe ich Sie auf den Posten meiner dritten Kammerjungfrau.« – »O Madame«, erwiderte Justine verwirrt, »ich hätte nicht gedacht …« – »Ach, ich sehe Stolz an Ihnen, Justine; sind das die Tugenden, die ich von Ihnen erwartete« – »Sie haben recht, Madame, Demütigkeit ist die erste Tugend. Befehlen Sie, daß man mir mitteilt, welcher Art meine Arbeit ist und seien Sie versichert, daß sie von mir genau ausgeführt werden wird.« – »Ich werde Sie selbst einfuhren, mein teures Kind«, erwiderte die Delmouse, indem sie Justine in zwei hinter den Glasnischen des Boudoirs angebrachte Zimmerchen führte. »Sehen Sie, hier ist der Ort, der auf Ihre Pflege wartet«, sagte sie, indem sie ein mit Bidets und Badestühlen angefülltes Kabinett öffnete, »hier handelt es sich nur um die Instandhaltung. In jenem anderen«, fuhr die Delmouse fort, »kommt noch ein etwas weniger anständiger Umstand dazu. Sie sehen, das ist ein Leibstuhl. Sie werden schon erraten haben, welcher Art Ihre Dienste hier sind und daß Sie sich auch mit jenen Porzellangefäßen befassen werden müssen, die kleineren Bedürfnissen dienen. Aber ich muß Ihnen noch von einer Sache Mitteilung machen, die mir zur Gewohnheit geworden ist, und die ich nicht ohne Kummer vermissen würde.« – »Und worum handelt es sich, Madame?« – »Du mußt immer zugegen sein, wenn ich entleere und, – den Rest will ich dir ins Ohr sagen, mein Kind, denn ich erröte angesichts deiner Tugend, du mußt mit diesem Tuch hier die Flecken wegbringen, die diese schmutzigen Notwendigkeiten unbedingt mit sich bringen.« – »Ich selbst, Madame?« – »Ja, mein Kind, du selbst. Deine Vorgängerin tat noch viel Schlimmeres; aber dich, meine teure Justine, achte ich ja; du bist tugendhaft und das flößt mir Scheu ein.« – »Nun, was machte denn meine Vorgängerin?« – »Sie machte dasselbe, aber mit ihrer Zunge.« – »Ah, Madame!« – »Ja, ich fühle wohl, daß das hart ist, aber dahin führen uns die Verweichlichung, Schwelgerei und die Vernachlässigung aller sozialen Pflichten. Aber ich bessere mich, meine Teure, ich bekehre mich, und dein erhabenes Beispiel wird das Wunder bewirken. Du wirst gut gehalten werden, Justine, du wirst mit meinen Frauen zusammen speisen und hundert Francs im Jahr erhalten. Genügt das?« – »Ach! Madame«, erwiderte Justine, »eine Verunglückte handelt nicht. Jede Hilfe, die ihr zuteil wird, ist ihr recht.« – »O, Sie werden mit allem zufrieden sein, Justine, ich verspreche es Ihnen«, erwiderte die Delmouse. »Aber ich vergaß ganz, Ihnen ihr Zimmer zu zeigen. Es schließt gleich an die beiden Kabinette an. Hier ist es. Es ist eine Art Festung; ganz abgeschlossen. Hier ist Ihr Bett, hier die Klingel, wenn ich Sie benötige. Ich lasse Sie jetzt allein, mein Herz, glücklich, daß ich etwas zu Ihrem Wohlbefinden beitragen konnte.« Kaum war Justine allein, als sie in Tränen ausbrach. »Wie«, sagte sie sich angesichts der eben ausgestandenen Erniedrigung, »diese Frau, die mich in ihr Haus aufnimmt, weil sie angeblich meine Tugend schätzt, gefällt sich darin, mich so tief zu demütigen. Ach warum muß es Leute geben, die gezwungen sind, anderen so erniedrigende Dienste zu leisten. O süße Brüderlichkeit der Natur, wirst du niemals unter den Menschen herrschen?«

Man rief Justine zum Mittagessen. Dabei machte sie die Bekanntschaft ihrer drei Genossinnen, die alle drei schön wie die Engel waren. Am Abend begann sie ihre ehrenvolle Tätigkeit. Sie führte den Schwamm, wusch und reinigte und alles geschah derart lautlos, daß sie sich sehr verwunderte. Es schien, als ob es unter der Würde der Gräfin Delmouse läge, mit ihrer Dienerin zu sprechen.

Bald bemerkte die arme Waise, daß die Beispiele von Tugend, die man von ihr zu sehen gewünscht hatte, um sie nachzuahmen, noch keine Heilige aus ihrer verehrungswürdigen Herrin gemacht hatten. Die Schurkin zog aus der Abwesenheit ihres Gatten allen möglichen Nutzen und legte sich keinerlei Mäßigung auf. Wüste Orgien spielten sich ab, und einmal schlüpften zwei oder drei junge Männer sogar in die Kabinette, in denen gerade Justine ihrem Dienst nachkam. Es kam zu Tätlichkeiten, aber als sich Justine darüber beklagte, hörte man ihr kaum zu. Eines Tages glaubte sie, die Stimme Dubourgs zu hören. Sie lauschte, konnte aber nichts unterscheiden. Er war es, aber die Vorsichtsmaßregeln waren gut gewählt, und so war alles, was sich gegen sie abspielte, mit dem dichtesten Schleier des Geheimnisses umhüllt.

Sie führte ungefähr zwei Monate dieses ruhige und gleichmäßige Leben, als Madame Delmouse, die sich nicht mehr halten konnte, eines Abends ganz erhitzt vom Wein, zu ihr herein trat. »Justine«, sagte sie mit milder Miene, »die Stelle meiner dritten Kammerjungfrau wird bald frei werden. Suzanne, die sie inne hatte, hat sich in meinen ersten Bedienten verliebt. Ich verheiratete die beiden. Aber, mein Kind, wenn du vorrücken willst, mußt du mir Gefälligkeiten leisten, die sehr verschieden von denjenigen sind, die bisher die Grundlage deines Dienstes bildeten.« – »Und worum handelt es sich, Madame?« – »Du mußt mit mir schlafen, Justine, du muß mich kitzeln.« – »O, Madame, ist das die Tugend?« – »Wie, du bist von diesem Trugbild noch nicht abgekommen?« – »Ein Trugbild, Madame? Die Tugend ein Trugbild?« – »Sicherlich ist sie das, mein Engel. Die einzigen Naturgesetze sind unsere Leidenschaften. Einen Augenblick glaubte ich, die heftige Liebe, die du mir einflößt, besiegen zu können; ich glaubte, daß deine bloße Anwesenheit die Schmerzen mildern könnte, die deine Augen in meinem Herzen hervorgerufen haben; aber deine Unempfindlichkeit regte mich um so mehr auf. Ich kann meine Leidenschaften nicht mehr zügeln, ich muß sie um jeden Preis befriedigen. Komm, folge mir nach, himmlisches Mädchen.« Und die Delmouse zog Justine trotz ihres Sträubens in ihre Zimmer. Es gab nun nichts, was die Verführerin nicht anwendete, um das junge Mädchen von ihrer Tugend abzubringen. Geschenke, Versprechungen, Schmeicheleien, alles wurde in Bewegung gesetzt. Aber vergeblich. Die Delmouse mußte einsehen, daß nichts fähig war, Justines Tugend umzustoßen. Von diesem Augenblick an wandelte sich aber, wie bei allen Personen ihres Schlages, die Wollust in Wut.

»Niederträchtiges Geschöpf, sagte sie zu ihr, schäumend vor Zorn, »ich werde dir mit Gewalt entreißen, was du mir gutwillig nicht geben willst.« Sie klingelte. Zwei Frauen erschienen, die schon vorbereitet waren. Fast nackt wie die Delmouse, mit aufgelösten Haaren, Bacchantinnen gleichend, ergriffen sie Justine und entkleideten sie. Delmouse kniete nun nieder und küßte Justine, während sie ihr einen Finger in den Popo steckte. Eine der Frauen mußte ihr die Klitoris kitzeln, die andere die zwei kaum erblühten Brüste des bezaubernden Mädchens. Aber noch sprach die Natur nicht in dem unschuldigen Herzen der Waise. Kalt, unempfindlich gegenüber allen versuchten Angriffen, antwortete sie auf die Anstrengungen der lüsternen Frauen nur mit Seufzen und Tränen. Alles das war Justine ein Greuel. Nichts war imstande, sie aufzuregen. Aber dadurch wurde die Delmouse in noch mächtigere Wut versetzt. Sie ergriff Justine bei den Haaren, zerrte sie in ihr Zimmer und sperrte sie dort auf mehrere Tage bei Wasser und Brot ein. Bei alledem hatte Madame Delmouse nur an die Befriedigung ihrer Leidenschaft gedacht. Sie hatte ihr Übereinkommen mit Dubourg fast aus den Augen verloren, aber die Hoffnung auf Rache brachte der Delmouse ihr Versprechen wieder in Erinnerung. Sie freute sich bei dem Gedanken, dieser Unglücklichen einen Feind mehr verschaffen zu können.

 

Am achten Tag ließ die Delmouse Justine frei. »Nehmen Sie Ihre Tätigkeit wieder auf, sagte sie in ernstem Ton, »und wenn Sie sich gut aufführen, kann ich vielleicht das Geschehene vergessen.« – »Madame«, erwiderte Justine, »ich würde es gern sehen, wenn Sie meine Stelle jemandem anderen übergeben würden. Ich merke nur zu sehr, daß ich Ihr Gefallen nicht werde erringen können.« – »Dazu bedarf ich zwei Wochen Zeit«, sagte Madame Delmouse, »tun Sie Ihren Dienst bis dahin ordentlich, dann will ich Sie ersetzen lassen.« Justine war zufrieden, und die Ruhe war wieder hergestellt.

Ungefähr fünf Tage vor Ablauf dieser Frist befahl Madame Delmouse Justine vor dem Schlafengehen zu sich: »Haben Sie keine Angst«, sagte sie zu ihr, da sie ihre Aufregung bemerkte, »ich will mich nicht ein zweites Mal Ihrer Mißachtung aussetzen.« Justine trat ein. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie Dubourg halbnackt inmitten der beiden Weiber der Delmouse sah, die beide eifrig bestrebt waren, seine Leidenschaften zu befriedigen. Wie wurde ihr, als sie die Türen hinter sich schließen hörte und aus dem Ton der Reden und den Gesichtsausdrücken nichts wie Unheil entnahm! »Oh, Madame!«, rief sie aus, indem sie der verruchten Frau zu Füßen fiel, »welche neue Falle haben Sie mir gestellt? O großer Gott! Welche Verbrechen begehen Sie gegen alle menschlichen und göttlichen Gesetze!« – »Oh, das wird noch ganz anders werden!«, rief Dubourg aus, indem er seine unsauberen Lippen auf den zarten Mund Justines preßte, die mit Abscheu flüchtete. Aber man ergriff sie, riß ihr die Kleider herab, und bald stand sie nackt vor den lüsternen Absichten Dubourgs da.

Der Finanzmann war sicher, heute zweimal lieben zu können und wollte damit die beiden Entjungferungen an Justine verbinden. Zuerst wurde ihm die Scheide dargeboten. Er trat an Justine unter Führung der Delmouse heran, die sein Glied in Händen hielt, um es selbst in das Opfer einzuführen. Aber der Schuft wollte zuerst sein Idol, den Hintern, sehen. Und der Justines war so schön! Man deckte ihn auf, und er schlug und kniff, ohrfeigte sein Opfer und griff sogar die drei Schönheiten an, die ihn umgaben. Unglücklicherweise kitzelte man ihn während dieses Vorspiels sehr geschickt und ach, obwohl alles gut vorbereitet war und er noch Zeit hatte, sich auf Justine zu werfen, war alles umsonst.

»Habe keine Angst, Dubourg«, sagte die Delmouse, »der Gott oder der Teufel, der diese kleine Hure beschützt, wird nicht immer Sieger bleiben. Kräftige dich, ich weiß dazu Mittel und Wege!« Gleichzeitig rieb sie ihm die Hoden mit einer Flüssigkeit ein und ließ ihm eine Brühe verabreichen, deren Wirkung, wie sie behauptete, unzweifelhaft war. An diese Reizmittel schlossen sich neue Liebkosungen der drei Frauen an. Da diese nichts außer acht ließen, was zum Ziele führen konnte, und man den schönen, nackten Körper Justines auch noch mitverwendete, gelang es bald, das Glied Dubourgs wieder zum Stehen zu bringen. Da er vorhin die Scheide als Ziel gewählt hatte, zeigte sie man ihm wieder. »Nein, nein, ich will den Popo haben!«, rief er aus, »diese Scheide hat mir Unglück gebracht, ich hasse sie. Nur her mit dem Hintern, meine Freundinnen!« Nachdem sein Wunsch erfüllt worden war, drückte der geile Kerl vorerst einige Küsse auf die entzückenden kleinen Backen Justines, die bewiesen, welche Macht dieser Körperteil über ihn besaß. Dann ergriff die Delmouse sein Glied, und während die beiden Weiber die Backen auseinander hielten, trachtete sie, es einzuführen. Schon entlockten die ersten Angriffe Justine furchtbare Schreie, da entwand sie sich den Armen, die sie halten wollten, und stürzte sich unter schmerzlichem Schluchzen unter das Bett. Hier verteidigte sich unsere Heldin wie in einer Festung und gab den Belagerern zu erkennen, daß sie eher umkommen wolle, als daß sie sich ergäbe. Der grausame Dubourg schlug mit einem Spazierstock nach ihr, aber sie wich jedem Schlag aus. »Man muß sie erdrücken«, sagte Dubourg. »Man muß sie unter den Matratzen ersticken.« Aber die Natur machte zum zweiten Mal die verbrecherischen Hoffnungen Dubourgs, der sich ununterbrochen das Glied rieb, zunichte. Er fand kaum Zeit, sich in den Popo des einen hübschen, siebzehnjährigen Mädchens zu stürzen, und schon erlosch sein Feuer derart, daß Justine hoffen konnte, den Rest der Nacht in Ruhe zu verbringen. Aber noch immer zitterte die Unglückliche. Endlich flüchtete sie in ihr Zimmer, schluchzend und die Delmouse anflehend, sie aus einem Dienst zu entlassen, in dem ihre Tugend jeden Augenblick so harten Prüfungen ausgesetzt war. Die Delmouse antwortete überhaupt nicht.

Ohne zu bedenken, daß sich die Rache der Verbrecher unausbleiblich an ihrem Haupt vollziehen würde, nahm Justine auf Zureden ihrer Genossinnen ihre Tätigkeit wieder auf.

Madame Delmouse hatte die Gewohnheit, wenn sie in ihre Garderobe ging, ihre prachtvolle, mit Diamanten besetzte Uhr auf einen Schrank zu legen. Sobald sie fertig war, steckte sie sie wieder ein, vergaß sie auch öfters und dann brachte sie ihr Justine alsbald nach. Drei Tage nach dem Ereignis, das wir soeben erzählten, geriet die Uhr von Madame Delmouse in Verlust und fand sich diesmal nicht wieder. Man befragte Justine, die auf ihre bewiesene Redlichkeit hinwies. Die Delmouse sagte kein Wort. Aber am Abend des nächsten Tages hörte Justine, nachdem sie sich mit tränenden Augen auf ihr Bett geworfen hatte, um einige Augenblicke der Ruhe zu genießen, die Tür öffnen. Gerechter Gott! Es war ihre Herrin, die einen Kommissar und Polizisten hereinführte. »Tun Sie Ihre Pflicht«, sagte sie zu dem Diener der Gerechtigkeit. »Dieses unglückliche Mädchen hat meine Uhr gestohlen, Sie werden sie bei ihr oder in ihrem Zimmer finden.« – »Ich Sie bestohlen, Madame?«, sagte verwirrt Justine, in dem sie sich verzweifelt auf ihr Bett warf. »Ah, wer könnte mehr von meiner Redlichkeit und meiner Unschuld überzeugt sein als Sie?« Dabei fielen ihre erschreckten Augen unwillkürlich auf einen der vier Männer, die dem Kommissar als Begleitung dienten und – großer Gott! –, in ihm erkannte sie Dubourg. Er war es, dieser unersättliche Lüstling, der unter dieser Verkleidung selbst kam, um die Verzweiflung und den Schmerz seines Opfers zu sehen. »Ich bin verloren«, sagte Justine, als sie ihn erkannte. Sie wollte weiter sprechen, allein die Delmouse machte solchen Lärm, daß man unsere unglückliche Waise nicht hörte. Nun forschte man nach, und die Uhr fand sich wirklich. Dubourg, der sie selbst versteckt hatte, zeigte sie dem Kommissar unter der Matratze. Bei Beweisen von solcher Stärke gab es nichts zu erwidern. Justine wurde ergriffen, und Dubourg stritt sich mit seinen Kameraden um die Ehre, sie selbst knebeln zu dürfen. Dicke Stricke zerrissen, zerfetzten die Hände der Unschuld.

Weitere Bücher von diesem Autor