Fioria Band 2 - Mit Lüge und Wahrheit

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Aus der Reihe: Fioria #2
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Einige andere nickten zustimmend, Ulrich und Jakob verkniffen sich ein wissendes Lächeln, Haru verdrehte die Augen, während Melodia und ich uns verschwörerisch angrinsten. Mark starrte finster auf seinen Teller und aß wortlos weiter, sehr zur Freude meiner Komplizin.

„Danke“, wisperte sie. Ich zwinkerte ihr nur stumm zu.

„Gut, wir sind vollzählig. Oder kommen noch Ranger aus dem Hauptquartier?“, fragte Ulrich.

„Nein, nur ich werde euch unterstützen“, antwortete Mark genervt. „Ich bin der Einzige, der jeden verdammten Tag aus Aritiof herfliegen und vor Ort helfen muss.“

„Du wolltest doch unbedingt ins Hauptquartier versetzt werden“, merkte ich ohne Mitleid an, woraufhin ich einen finsteren Blick seinerseits erntete.

„Also gut, nachdem das geklärt ist“, unterbrach Ulrich unser Geplänkel, „habe ich etwas zu verkünden. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, die Sponsoren der Schattenbringer ausfindig zu machen.“

Augenblicklich hielten die Anwesenden inne und hörten zu essen auf. Jeder starrte den Stationsleiter gespannt an.

„Wie denn?“ Viktor klang aufgeregt. „Das wäre großartig! Ohne ihre Geldquellen können sie ihre wahnsinnigen Pläne bestimmt nicht durchführen.“

„Eigentlich ist es ziemlich naheliegend“, erzählte Ulrich. „Die Schattenbringer wollen mithilfe des Mädchens aus der Legende und der Dämonen einen riesigen Schatten über Fioria legen, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Das hätte katastrophale Folgen für Menschen und Fiorita. Diversen Konzernen allerdings würde dieser Zustand wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Und da setzen wir an.“

„Natürlich, es gibt bestimmt Firmen, die davon profitieren würden“, murmelte Leo, der nun als Einziger weiteraß. Er war stets derjenige, der mit Abstand am meisten verdrückte.

„Aha. Und wie habt ihr herausgefunden, dass die Schattenbringer den Himmel verdunkeln wollen?“, fragte Mark skeptisch. „Das höre ich zum ersten Mal.“

„Lloyd hat es ausgeplaudert“, antwortete ich schnell. „Ich hab ihn gestern zufällig getroffen und in seinem Größenwahn hat er mir von dem Plan erzählt. Ist eigentlich logisch, nicht umsonst nennt sich die Bande selbst die Schattenbringer.“ Ich wollte nicht so abfällig von meinem Freund reden, doch mir blieb keine Wahl, wenn uns die anderen Ranger glauben sollten. Leider.

„Wo bist du gestern einem Schattenbringer begegnet? Was ist passiert?“, wunderte sich Lasse. „Du hast nichts erzählt.“

„Ich war gestern echt fertig“, murmelte ich. „Getroffen haben wir uns jedenfalls in der Nähe von Gakuen. Also, zufällig ...“

Mark starrte mich misstrauisch an, ich wich seinem Blick aus. Hoffentlich kauften mir alle diese Geschichte ab.

„Und du hast ihn nicht festgenommen?“, fragte mein ehemaliger Mitschüler.

„Nein, Mark, aber viel Glück, wenn du ihn mal treffen solltest. Vielleicht schaffst du es ja, ihn dingfest zu machen“, entgegnete ich schnippisch.

„Der Kerl ist kaum zu fassen“, erinnerte sich Lasse. Ausnahmsweise wirkte er nicht unbedingt fröhlich. „Ulrich und ich hatten ihn fast mal, aber er ist zu gut ...“

„Wie dem auch sei“, wechselte der Stationsleiter schnell das Thema. „Wir haben bereits gestern Abend Nachforschungen betrieben. Melodia, Haru, euer Einsatz.“

Die Technikerinnen nickten. „Wir haben nach Firmen gesucht, die vom Plan der Schattenbringer profitieren könnten“, berichtete Haru. „Technik, Pharmazie, Energie, so was eben. Danach haben wir deren Finanzen überprüft. Vier der Unternehmen haben auffällige Überweisungen getätigt. Sie transferierten große Summen auf Konten, die auf den Namen von bereits Verstorbenen laufen.“

Anerkennend sah ich die beiden an. Die Spur war gut. Und dieses perfide Vorgehen passte zu meinem Vater.

„Das klingt vielversprechend. Welche Unternehmen sind es?“, lispelte Riku.

„Ashton Energie, Pharmadrake, Mills Systems und Lux Stanton“, zählte Melodia auf. „Ashton kennt wohl jeder, das ist der größte Stromlieferant in ganz Fioria. Drake produziert Medikamente, unter anderem Vitaminpräparate. Mills ist ein Technikunternehmen und Stanton stellt Beleuchtungssysteme her, darunter auch UV-Lampen.“

Damit hätten alle vier Firmen etwas von der Verdunklung des Himmels. Sie hatten offenbar tatsächlich die Organisation meines Vaters unterstützt. Obwohl diese Konzerne angesehen und erfolgreich waren. Als könnten sie nie genug Profit bekommen. Diese Einstellung machte mich krank.

„Dann nehmen wir sie hoch, oder?“, fragte Benjiro begeistert in die Runde.

„Was für eine Frage!“, lachte Lasse.

„Können wir auf dich zählen, Mark?“, erkundigte sich Ulrich.

Mein ehemaliger Mitschüler nickte. „Klar.“

„Dann fangen wir an.“

Ich atmete tief ein und aus, während ich meine Zimmerdecke anstarrte. Ich konnte mich nicht mehr rühren, weil ich dermaßen erschöpft war. Dieser Tag hatte es wirklich in sich gehabt.

Nur das Licht der Straßenlaternen fiel durchs offene Fenster herein. Draußen hörte ich Leute auf der Straße, auch einige Animalia, aber ich konzentrierte mich bloß auf meinen regelmäßigen Atem, die feuchten Spitzen meiner frisch gewaschenen Haare und das weiche Kissen unter meinem Kopf. Ich musste mich von den stechenden Schmerzen im Magenbereich ablenken.

Die Festnahme der verbrecherischen Geschäftsführer war erfolgreich gewesen. Sowohl Ashton und Drake als auch Mills und Stanton befanden sich nun hinter Gittern, mitsamt einigen Angestellten, die ebenfalls an den krummen Geschäften beteiligt gewesen waren. Der werte Herr Stanton und seine Chefsekretärin hatten es Jakob, Lasse und mir allerdings nicht leicht gemacht. Als wir sie mit den Vorwürfen und dem Haftbefehl konfrontiert hatten, war die Sekretärin weggelaufen. Lasse hatte sie sofort verfolgt, während sich der durchaus kräftige Stanton auf uns gestürzt hatte. Sein Schlag in meine Magengrube hatte gesessen. Im Gegenzug hatte ich ihm die Schulter ausgekugelt und Jakob hatte ihn festgenommen. Alles war gut ausgegangen, aber mein Rumpf tat trotzdem weh.

Natürlich war Mark deswegen ziemlich schadenfroh gewesen, doch Melodia hatte ihm sogleich das breite Grinsen aus dem Gesicht gewischt, indem sie mir einen Kuss auf die Wange gehaucht und mich in mein Zimmer gebracht hatte.

Ich wollte schlafen, konnte allerdings keine bequeme Position finden. Immerhin hatten wir einige wichtige Sponsoren festgenommen, auch wenn wir weitersuchen mussten. Diese vier hatten die Taten der Schattenbringer sicherlich nicht allein finanziert. Aber es war ein Anfang. Ein guter Anfang. Und vielleicht ergaben die Verhöre etwas. Vielleicht kam nun offiziell heraus, dass mein Vater der Boss dieser Verbrecher war. Dann mussten Ulrich, Jakob, Melodia und Haru kein Stillschweigen mehr bewahren und allein mein Elternhaus observieren.

Ein leises Brummen riss mich aus meinen Gedanken. Jemand rief mich an. Ich griff zum Nachtschrank, um nach meinem Handy zu angeln. Ungläubig starrte ich aufs Display. Es war mein Vater, der versuchte, mich zu erreichen!

Schnell schüttelte ich den Kopf und drückte den Anruf weg. Ich würde für kein Geld der Welt mit diesem Mistkerl sprechen. Er hatte meine Mutter und mich jahrelang belogen. Er hatte mir eine Falle gestellt, um mir Shadow zu entreißen. Er war nichts weiter als ein bösartiger Verbrecher.

Gleich darauf vibrierte mein Handy erneut. Genervt sah ich aufs Display, bereit, den Anruf wieder abzuweisen. Diesmal war es jedoch nicht mein Vater.

„Lloyd, hallo“, meldete ich mich überrascht.

„Hi Mia“, antwortete er. „Wie geht’s dir?“

„Ganz okay, hatte heute einen harten Einsatz und hab einen Schlag in den Magen abbekommen“, erzählte ich. „Und wie geht’s dir?“

Er seufzte. „Verdammt, du warst bei Stanton, oder? Ich hab gehört, dass ihr einige unserer alten Sponsoren festgenommen habt. Stanton hatte schon immer einen Hang zur Gewalt.“

„Du weißt davon?“, staunte ich. „Das hat sich ja schnell herumgesprochen.“

„Wenn so was passiert, verbreitet es sich wie ein Lauffeuer. Waren ja alles ziemlich bekannte Firmenbosse“, entgegnete er. „Tut dein Magen sehr weh?“

„Nein, ich halte es schon aus“, beruhigte ich ihn. „Der Erfolg ist die Schmerzen wert.“

„Klar, dass ihr Ranger begeistert seid.“ Lloyd zögerte, danach sprach er mit leiser Stimme weiter. „Uns habt ihr damit auch einen Gefallen getan. Ashton, Mills, Stanton und Drake waren echt wütend, weil wir unsere Pläne nach dem Fehlschlag geändert haben.“

„Hm. Helfen wollten wir euch eigentlich nicht damit“, lachte ich. „Egal. Ihr habt jetzt also andere Sponsoren für euren neuen Plan?“

„Dazu darf ich nichts sagen“, wimmelte er mich ab. „Aber ich soll dir etwas ausrichten.“

„Was denn? Von wem?“

„Von deinem Vater. Er ...“

„Vergiss es!“, unterbrach ich ihn sofort. „Ich will nichts von ihm hören.“

„Das hat er schon gemerkt, als du seinen Anruf abgewiesen hast. Er steht gerade neben mir.“ Lloyd räusperte sich. „Und es ist wirklich wichtig, was er dir zu sagen hat. Also, hör mir bitte zu.“

„Was soll denn bitte so wichtig sein?“, schnaubte ich.

„Dass du ab jetzt vorsichtig sein musst. Sehr vorsichtig. Genau wie deine Kollegen“, antwortete er. „Mit der Aktion heute habt ihr euch ... in gewissen Kreisen sehr unbeliebt gemacht. Die Festnahmen werden nicht ohne Folgen bleiben.“

„Was soll das heißen?“, fragte ich alarmiert.

„Dass ihr euch mit Leuten anlegt, die ihr euch besser nicht zum Feind machen solltet“, meldete sich mein Vater aus dem Hintergrund zu Wort. „Passt bloß auf! Und denkt das nächste Mal nach, bevor ihr so etwas durchzieht.“

 

„Wir haben Verbrecher bestraft, genau wie wir dich irgendwann einsperren werden!“, zischte ich. „Wir haben keine Angst vor solchen Widerlingen!“

„Das solltet ihr aber!“ Die Stimme meines Vaters klang so scharf, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Doch ich nahm nicht nur Wut darin wahr. Sondern auch Sorge und Angst.

Das gefiel mir gar nicht. Fürchtete sich mein Vater etwa vor seinen eigenen Sponsoren? Vor irgendwelchen Konzernbossen? Ausgerechnet er, der Leiter einer Verbrecherorganisation?

„Bitte sei vorsichtig“, fuhr er fort. „Ich will nicht, dass dir was passiert. Heute bist du noch glimpflich davongekommen, aber das nächste Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück.“

„J...ja ...“, murmelte ich. Ich war völlig durcheinander. Mein Vater wirkte regelrecht fürsorglich. Seine Stimme zu hören, seine Sorge, das verunsicherte mich. Ich musste dieses Gespräch schnell beenden, bevor ich vergaß, was für ein Monster hinter seiner scheinheiligen Fassade steckte. „Ich muss jetzt schlafen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Liebes“, raunte mir mein Vater leise durch das Telefon zu.

„Schlaf gut, Mia“, meldete sich Lloyd nun wieder zu Wort. „Und träum süß.“

„Danke“, flüsterte ich, bevor ich schnell die Verbindung trennte.

Ich legte das Handy weg, deckte mich zu, schloss die Augen und zwang mich, nicht zu grübeln. Nicht an meinen Vater und seine guten Seiten zu denken. Mir nicht die möglichen Konsequenzen wegen der heutigen Festnahmen auszumalen.

Mit schmerzendem Magen schlief ich endlich ein.

„Dein Vater könnte recht haben. Die Festnahmen könnten sich rächen.“

„Mach mir nicht noch mehr Angst, Shadow!“, jammerte ich. „Das haben Ulrich und Jakob heute Morgen auch schon gesagt. Aber selbst wenn irgendwelche gierigen Wirtschaftsbosse versuchen, den Rangern etwas zu tun, wird es nichts bringen. Wir würden sie verhaften, genau wie Ashton und die anderen.“

„Unterschätze niemals die Skrupellosigkeit eines profitgierigen Unternehmers“, zitierte das Dämonenoberhaupt die Worte meines Vorgesetzten. „Da kann ich Ulrich nur zustimmen. Pass bloß auf dich auf, Mia!“

Leise seufzte ich, während ich dem nebligen Shadow in die weiß umrandeten Augen blickte. „Ja, ich bin vorsichtig“, versprach ich und setzte mich im Schneidersitz ins Gras. Die kühle Luft im Wald von Windfeld tat unendlich gut, zumal mir das sommerliche Wetter sehr zu schaffen machte. Die Uniform allein war schon schrecklich warm, aber die zusätzliche Jeansweste brachte mich fast um. Dummerweise musste ich meine weiblichen Kurven irgendwie verstecken. „Aber mal was anderes, gibt’s eurerseits Neuigkeiten zu den Schattenbringern?“

„Leider nicht“, antwortete Shadow. „Weder die Geister noch wir Dämonen haben etwas Nennenswertes beobachtet.“

„Verdammt“, seufzte ich.

„Lass den Kopf nicht hängen“, ermunterte er mich. „Der Vorsitzende ist sehr zufrieden mit eurer Arbeit. Ihr macht gute Fortschritte.“

„Ja, der Vorsitzende kann auch zufrieden sein“, maulte ich. „Wir behandeln den Fall so diskret, dass bisher kein Zivilist von den Schattenbringern weiß. Wir halten uns an seine bescheuerten politischen Vorgaben und geben trotzdem unser Bestes. Ich hasse es, dass unsere Arbeit so eingeschränkt wird, nur weil der Vorsitzende es so möchte.“

„Eure menschlichen Ansichten sind mir sowieso oft ein Rätsel“, gestand Shadow und lachte. „Immer geht es um Ruhm und Ansehen.“

„Genau! Als wäre das Ansehen der Ranger wichtiger als der Erfolg“, schnaubte ich. „Hauptsache, wir halten Verbrecher auf und beschützen die Fiorita und die Menschen. Aber nein! So einfach ist es dann doch nicht.“

„Weil Menschen alles unnötig kompliziert machen.“

„Die Fiorita sind viel leichter zu verstehen als die meisten Menschen“, brummte ich. „Gut, dass ich euch habe.“

Shadow schenkte mir ein warmes Lächeln. „Darüber sind auch wir sehr froh.“

Das Klingeln meines Telefons unterbrach unser Gespräch. Schnell zog ich das Handy aus der Hosentasche und hob ab. „Hallo?“

„Mi... Takuto! Bewaffneter Überfall in der Bank am Wasserplatz 14!“, rief Melodia aufgeregt ins Telefon. „Ulrich, Jakob und Viktor sind schon unterwegs, du sollst auch hin. Sofort!“

Meine Augen weiteten sich. „Ich beeile mich“, versprach ich und legte auf. Umgehend erhob ich mich, steckte das Handy ein und wandte mich an Shadow. „Ich muss los! Bewaffneter Überfall. Wir sprechen uns später.“

„Sei vorsichtig! Vergiss nicht, dass dir der Schlag von gestern immer noch zusetzt“, schärfte er mir ein, bevor er zurück in den Schattenkreis schwebte.

Reflexartig griff ich mir an den Magen. „Weiß ich doch“, murmelte ich. Dann lief ich los in Richtung Windfeld. Der Wald lag so nah am Wasserplatz, dass ich zu Fuß am schnellsten dort sein würde.

Obwohl ich keine zehn Minuten gebraucht hatte, kam ich zu spät. In der großen Bank fand ich keine Verbrecher, sondern nur verängstigte Menschen. Ich kniete mich zu einer weinenden Frau, die auf dem Boden lag und das Gesicht in ihren Händen vergrub.

„Was ist passiert?“, fragte ich. „Brauchen wir einen Notarzt?“

„Es ging alles so schnell“, schluchzte sie. „Ich wollte doch nur Geld abheben.“

Die Dame stand völlig unter Schock. Und den anderen Opfern erging es genauso. Deshalb zückte ich mein Handy und rief einen Notarzt. Zwar konnte ich keine schlimmen äußeren Verletzungen ausmachen, aber ich wollte sichergehen.

Ein Angestellter der Bank saß wie ein Häufchen Elend in der Ecke, die Hand- und Fußgelenke gefesselt. Außer ihm war niemand verschnürt, zum Glück. Ich löste seine Fesseln und half ihm auf die Beine, weil er unbedingt aufstehen wollte.

„Sollten Sie nicht lieber sitzen bleiben?“, erkundigte ich mich.

„Ich muss hier raus!“, rief er. „Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus!“

Bevor er allerdings Hals über Kopf hinausstürzen konnte, erreichten meine Kollegen die Bank. Ulrich, Jakob und Viktor trugen Elektroschocker bei sich, ein seltener Anblick. Als sie bemerkten, dass die Diebe bereits verschwunden waren, steckten sie die Waffen weg.

„Verdammt“, zischte Ulrich. „Sind sie schon weg?“

Ich nickte. „Sieht so aus. Ein Notarzt kommt gleich. Die Leute stehen unter Schock, sind aber wohl nicht ernsthaft verletzt.“

„Diese Monster hatten Waffen“, wimmerte eine junge Frau, die neben der anderen weinenden Dame auf dem Boden saß. „Einer hat seine Pistole direkt auf mich gerichtet!“

Alarmiert sahen Ulrich, Jakob, Viktor und ich uns an. Nicht mal Ranger waren bewaffnet! Wir kämpften mit bloßen Händen, nicht mit Hilfsmitteln, abgesehen von den Elektroschockern für absolute Notfälle. Das gehörte zur Philosophie unserer Organisation. Wir wollten Frieden stiften, keine Gewalt säen.

„Wie sind sie an Feuerwaffen gekommen?“, fragte Viktor besorgt. „Das ist fast unmöglich, seit die Ranger sie aus dem Verkehr gezogen haben.“

„Aber es gibt ein paar Provinzen, in denen die Ranger keine Macht haben“, gab Jakob zu bedenken. „An diesen Orten gibt es sicher noch Waffen. Vielleicht stammen die Einbrecher daher. Oder sie haben dort zumindest ihre Ausrüstung gekauft.“

„Das ist gar nicht gut“, murmelte Ulrich. „Aber zunächst sollten wir mal die Spuren sichern und die Opfer beruhigen. Takuto, Viktor, ihr kümmert euch um die Leute und nehmt ihre Aussagen auf. Jakob, wir sehen uns um.“

Der ältere grauhaarige Kollege und ich nickten uns zu. „Dann los.“

Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis wir die acht Leute, die sich zur Zeit des Überfalls in der Bank befunden hatten, befragt und beruhigt hatten. Der Notarzt versorgte drei Frauen und zwei Männer, die völlig unter Schock standen. Nur eine Frau und zwei andere Männer wirkten halbwegs gefasst.

„Also, was haben wir?“, fragte Ulrich, als wir uns mittags in der Zweigstelle eingefunden hatten. Er, Jakob, Viktor, Haru und ich saßen an Melodias Schreibtisch, die Blondine richtete eine kleine Brotzeit für uns her.

„Sieben maskierte Täter in dunkelgrauen Klamotten“, las ich von meinem Notizblock ab. „Alle bewaffnet, entweder mit Pistolen, Gewehren oder Messern. Der Stimme und dem Körperbau nach sind mindestens fünf davon Männer. Ein Anführer. Gut vorbereitet. Der Überfall ging schnell vonstatten. Immerhin keine Verletzten. Gestohlen haben sie das gesamte Geld im Tresor.“

„Unheimlich“, murmelte Haru. „Vor allem, dass der Überfall so reibungslos und zügig ablief.“

„Wir haben es wohl mit Profis zu tun“, mutmaßte Viktor. „Aber bisher habe ich nichts von solchen Räubern gehört. War das ihr erster Überfall?“

„Haru, du erkundigst dich bei den anderen Zweigstellen, ob es schon ähnlich gelagerte Verbrechen in anderen Städten gab“, befahl Ulrich. „In unserem Bezirk gab es in den letzten zehn Jahren nichts dergleichen.“

Die Technikerin nickte. „Wird gemacht“, versicherte sie und rollte auf ihrem Bürostuhl zu ihrem Schreibtisch hinüber, um dort eifrig auf ihre Tastatur einzuhacken. Wahrscheinlich mailte sie den anderen Technikern Fiorias.

„Graue Klamotten?“, meldete sich Melodia plötzlich zu Wort. Sie stellte eine große Platte mit Brot, Wurst, Käse und Butter auf ihrem Schreibtisch ab. „Das klingt ja fast nach den Schattenbringern. Haben die nicht auch dunkelgraue Uniformen?“

Jakobs Augen weiteten sich. „Natürlich! Wir haben ihre Sponsoren geschnappt, jetzt müssen sie sich anderweitig Geld beschaffen.“

„Logisch!“, rief Ulrich. „Wir haben sie zu dieser Verzweiflungstat veranlasst.“

Ich schüttelte den Kopf. „Kann ich mir nicht vorstellen. Bisher hatten sie auch keine Feuerwaffen bei sich und sie haben sich mit ihren Uniformen nie in der Öffentlichkeit gezeigt, höchstens mal in einem Wald oder so. Außerdem haben sie doch längst neue Sponsoren.“ Da Viktor mich erstaunt ansah, ergänzte ich schnell: „Denke ich zumindest. Die Bande ist clever.“

Die anderen vier verstanden vermutlich, dass ich diese Information von Lloyd hatte. Dennoch wirkten sie nicht überzeugt.

„Aber sie sind skrupellos. Ein solcher Überfall würde zu ihnen passen. Als Denkzettel für die Festnahme der Sponsoren“, grübelte Jakob.

„Darum war ihr Ziel wahrscheinlich auch die Bank in Windfeld“, ergänzte Ulrich. „Dieser Überfall war eine Botschaft.“

„Im Leben nicht!“, stritt ich ab. „Das passt doch gar nicht zu ihnen. Sie wollen unerkannt agieren. Sie sind hinterhältig. Und wenn sie so etwas vorhätten, würden sie nicht nur zu siebt in die Bank stürmen, so viele Mitglieder, wie die haben.“

Der Stationsleiter verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir warten die Auswertung der Spuren ab. Ich werde außerdem den Vorsitzenden benachrichtigen. Dann sehen wir weiter.“

„Genau, das finden wir schon noch heraus“, meldete sich Melodia beschwichtigend zu Wort. „Esst erst mal was.“

Ich griff nach einer Scheibe Brot und beschmierte sie mit Butter. Beim Essen unterhielten sich die anderen über diesen Überfall, doch ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch. Die Schattenbringer hatten bestimmt nichts damit zu tun. Aber zur Sicherheit wollte ich abends mit Lloyd darüber reden. Dann würde ich mehr wissen.