Auf Tour mit Bob Marley

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Bob Marley live 1980 im Crystal Palace. Rechts im Hintergrund Mark Miller.


Mark Miller im Jahr 2010 mit seinen Söhnen Harry und Matthew. © Mark Miller


Junior Marvin 1979 live auf der Bühne. © Heg Robinson








Beschäftigungsbestätigung von Mark Miller. © Mark Miller



Bob Marley in Genf 1980.


Mark Miller, Bob Marley und Maori-Damen in Neuseeland, 16. April 1979.



Bob Marley mit Al Anderson 1980, © Alberto Baschieri


»Lebe das Leben, das du liebst, und liebe das Leben, das du lebst.«

Bob Marley

Anfangs war die Arbeit für Bob Marley and the Wailers für mich nicht anders als bei den vielen anderen Tourneen auf der ganzen Welt, die ich damals schon mit verschiedenen Musikern gemacht hatte. Die meisten begabten Künstler haben anscheinend irgendeinen Persönlichkeitsdefekt. Viele verlieren irgendwann die Herrschaft über ihr Ego und zerstören die großartigen Dinge, die sie aufgebaut haben. Bei Bob aber gab es nichts dergleichen. Die Tournee lief wie am Schnürchen, und alle Musiker leisteten ihren Beitrag. Nur eines lernte ich sehr schnell: Bob war der Chef.

Er war sehr großzügig zu den Leuten in seiner Umgebung. Auf vielen Tourneen musste ich mir hinter der Bühne regelrecht den Weg bahnen, weil Bob zu vielen von unseren Konzerten einen Haufen jamaikanischer Freunde einfliegen ließ, damit sie die Welt außerhalb Jamaikas kennenlernten. Zehn oder zwanzig Dreads aus Jamaika mit auf Tour zu nehmen kommt mir ziemlich großzügig vor. Manchmal musste ich mich sogar zwischen zwanzig oder fünfundzwanzig hindurchschlängeln, wenn ich hinter der Bühne schnell was erledigen musste. Ich glaube, ein Psychologe würde sagen, dass Bob einen gewissen Komfortbereich brauchte, in dem er sich wirklich wohl fühlte. Ich glaube nicht, dass er allzu vielen Leuten vertraute, weil sein Leben anfangs nicht einfach war. Also war es für ihn wichtig, seine eigene »Gang« um sich zu haben. Die Presse machte damals einen Riesenwirbel um ihn und seine Band, aber die Militanz, von der in den Zeitungen die Rede war, habe ich im inneren Kreis nie bemerkt. Ich nehme an, sie machte sich gut in der Presse, aber Bob war nur militant, was das Unrecht betraf, das an verschiedenen Völkern auf der Welt und an seinen eigenen Landsleuten begangen wurde. Diese waren ihm immer am wichtigsten. Ich muss zugeben, dass ich anfangs ein bisschen Angst davor hatte, für die Band zu arbeiten, weil ich ein totaler Außenseiter und obendrein auch noch ein Weißer war. Doch die Hautfarbe spielte für Bob keine Rolle. Nach einiger Zeit, als er wusste, dass alles klappte, wenn er auf die Bühne kam, behandelte er mich wie alle anderen auch.

Auf vielen der alten Videos kann man sehen, wie Bob seine Gitarre einem Mann auf der Bühne gibt. Dieser Mann war ich. Und oft, wenn Bob seine Gitarre wiederhaben wollte, um darauf zu spielen, musste ich sie sehr schnell einstöpseln oder ihm hinterherrennen. Er war auf der Bühne immer in einer nach vorne gerichteten positiven Bewegung. Und er war, als ich ihn kennenlernte und die meiste Zeit, als ich mit der Band unterwegs war, eine sehr gesunde, tatkräftige Persönlichkeit. Er liebte das Leben, soweit ich das beurteilen konnte. Er schien nicht nur durch seine Musik zu gedeihen, die natürlich der wichtigste Antrieb in seinem Leben war, sondern konnte, wenn er nicht im Studio oder auf Tournee war, auch viele Stunden mit Fußball verbringen. Ich weiß noch, wie ich eines Tages vor dem Haus in der Hope Road 56 saß, als Bob, Gilly (der auf dem Niveau eines Fußballprofis spielte) und eine Gruppe von Bobs Freunden vor dem Haus einen spontanen Kick machten. Bob bewegte den Ball über den staubigen Vorhof seines Kingstoner Hauses, als würde er im Wembleystadion spielen. Danach setzten sich alle auf die Treppe vor seinem Haus, Joints wurden gedreht, Bongs[1] wurden gestopft und angezündet, und Bob »hielt Hof«. Soweit ich mich erinnere, gab es viele Gesprächsthemen. Bob wusste erstaunlich viel über die Welt insgesamt, die er als »Babylon« bezeichnete. Er war außerdem ein sehr anspruchsvoller Bandleader; die Musik, die er im Kopf hatte, musste genau so umgesetzt werden. Manchmal war die Atmosphäre dann gereizt bei Proben, wenn die Band vergeblich zu erreichen versuchte, was Bob haben wollte. Er sagte den Musikern dann in aller Deutlichkeit, was er nicht wollte. Die I-Threes wurden in meiner Anwesenheit mehrmals besonders heftig kritisiert. Ich bin sicher, Bob hörte die Stimmen von Engeln, und die wollte er dann auch in seinen Songs haben. Rita, Marcia und Judy arbeiteten lange und hart an ihren Parts und trugen mehr zum Sound der Wailers bei, als die meisten Leute ihnen zugestehen. Als ich die Bandmitglieder alle besser kannte, dämmerte mir, dass es sich um eine ganz besondere Gruppe handelte. Sie alle folgten einem »Messias«, und alle waren Ausnahmetalente, jeder auf seinem Gebiet.

In Gegenwart von Außenstehenden schien sich Bob ein wenig unbehaglich zu fühlen; er war ihnen gegenüber sehr vorsichtig und distanziert. Er passte sehr genau auf, was gesagt wurde, und war meist auf Abstand bedacht.

Im Vorlauf der Survival Tour erschienen zahlreiche Berichte über Bob und seine Vorstellung vom militanten Musiker in der Presse. Ich kann es nur noch einmal sagen: In seinem engeren Umfeld gab es keine Militanz. Aber Bob war der Chef, und wer nicht mit ihm harmonierte, war nicht lange dabei, wie ich bald erfahren sollte.

Ich weiß noch, dass wir einmal in einem kleinen Proberaum im Süden Miamis waren, als Bob wütend wurde, weil sich der Track, an dem er mit der Band arbeitete, einfach nicht richtig anhörte. Die Band musste den Song endlos wiederholen, damit sie endlich hinkriegte, was er wollte. Dabei wurde er ziemlich heftig, insbesondere zu Rita und den beiden anderen Sängerinnen. Die Stimmung wurde immer schlechter, und schließlich sagte Bob der Band, sie sollten es alleine hinkriegen, und stürmte wutentbrannt hinaus. Ich sah, wie Dennis den Ausbruch mit einer wegwerfenden Geste quittierte, und dann arbeitete die Band weiter, bis der Track richtig klang. Ich kann mich ich nicht erinnern, dass Bob nach einer solchen Szene jemals zurückgekehrt wäre. Die Band kriegte es dann immer selber hin. Ich wurde bald eine Vertrauensperson für die Band, was vielleicht daher rührte, dass Bob (wie auf dem alten Filmmaterial über die Bob Marley and the Wailers gut zu sehen ist) mitten in einem Konzert oft seine Gitarre abnahm und über seinen Kopf hielt, während er sang. Er ließ die Gitarre dann einfach los, und es war meine Aufgabe, sie aufzufangen. Die ersten ein oder zwei Mal warf er einen Blick über die Schulter, bevor er sie fallen ließ, aber dann wusste er, dass ich immer genau da war, wo ich sein sollte. Von da an bekam ich, was immer ich wollte. Ich begann, ganz mit der Band zu leben, ließ mich vom Wirbelwind der Ereignisse mitreißen und hatte das Gefühl, dass ich es Bob und der Band schuldete, ihnen so perfekt wie möglich die Bühne zu bereiten. Bob kümmerte sich wirklich sehr um mich und alle anderen.

Eines Tages sprachen Dennis und ich darüber, wie teuer es war, dass wir immer das Equipment liehen, wenn wir eine Tournee in den Vereinigten Staaten machten. Bob hörte irgendwie von dem Gespräch, und bald darauf kam Dennis kam zu mir und sagte: »Bob will, dass wir eine komplette Bühnenausrüstung kaufen.« So etwas lässt man sich natürlich nicht zweimal sagen. Dennis und ich fuhren nach New York, kauften alles, was wir brauchten, und Bob bezahlte alles. Die Bühne hatte damals einen kompletten »Stereosound«, wie ihn Dennis und ich vorgeschlagen hatten. Wir kauften zwei Ampeg SVTs plus zehn komplette 8x10-Lautsprecherboxen für Fams, Carly bekam das neue Yamaha-Schlagzeug, wir kauften für Bob einen Fender Twin Reverb, zwei ebensolche Verstärker für Junior und einen neuen Mesa Boogie für den Bass von Al. Außerdem fanden wir im Sam Ash Music Store in Manhattan eine alte, verbilligte Hammond B3 und zwei Leslie-Boxen für Wya, und ich glaube, wir kauften auch was für Tyrone, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was. Bestimmt war es ein Keyboard oder irgendeine neue Elektronik, denn Tyrone experimentierte schon immer mit neuen Sounds.

 

Bob war nicht nur großzügig, er war auch ein sehr guter Geschäftsmann, und unsere Kosten-Nutzen-Rechnung in Bezug auf Ausleihen oder Besitzen hatte ihm offenbar sofort eingeleuchtet. Ich hörte später, dass die ganze Ausrüstung nach Bobs Tod zwischen seinen Kindern aufgeteilt wurde. Ich hoffe, es wird heute noch gute Musik damit gemacht.

In der Umgebung der Wailers herrschte eine andere Energie als im normalen Leben. Und natürlich stand Bob immer ihm Zentrum. Die Luft war wie elektrisch geladen, wenn er in der Nähe war, das spürten alle. Als Performer war er einfach unübertrefflich. Er ging völlig in seiner Musik auf und tanzte in einer Art Trance über die Bühne. Diese Trance übertrug sich durch den treibenden Beat der Wailers und durch Bobs inspirierende Texte auf das Publikum, und, wie ich zugeben muss, auch auf mich, sodass ich spirituelle Höhen erreichte, die ich danach nie wieder erlebte. Bob wirkte absolut »zu Hause« auf der Bühne, und die Musik der Wailers wirkte vollkommen natürlich. Alles, was wir damals taten, schien in dieselbe Richtung zu gehen, und es war ein wunderbares Gefühl, ein Teil davon zu sein.

Bob hatte auch eine geheimnisvolle Seite, und mir wurde schnell klar, dass man gut daran tat, sich auf diesem Gebiet nicht einzumischen. Bob schenkte den Lehren der Bibel große Aufmerksamkeit, und seine Interpretation dieser Lehren manifestierte sich in seiner Musik, er brachte damit sogar eine ganze Industrie hervor. Bis er mit seiner ureigenen Musik und seinen Melodien die gängigen Grenzen durchbrach, war der Reggae in den meisten Musikläden auf die hinteren Regale beschränkt und in den meisten Läden sogar überhaupt nicht zu finden. Dass Bob dies gelang, spricht sehr für seine Beziehung zu Chris Blackwell[2], gleichgültig was über Blackwell Negatives gesagt wird. Er half Bob auf viele Arten, die endlosen Zyklen einer normalen Musikerkarriere abzukürzen und viel schneller die Berühmtheit zu erreichen, die er bis heute hat.

Egal wohin man in dieser Welt kommt, jeder kennt Bob Marley. Selbst auf der abgelegenen Insel im Indischen Ozean, wo ich einmal im Jahr Urlaub machte, sah ich Kinder mit alten, zerrissenen Bob-Marley-T-Shirts herumrennen. Überall auf dem Planeten ist Bob Marley in dem Bewusstsein mehrerer Generationen verankert, und seine Platten verkaufen sich immer noch. Seine Lehre hat nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt und wird noch viele weitere Generationen erleuchten.

Bei unserer letzten großen Tournee im Jahr 1980 hatten wir in Europa mehr Zuschauer angezogen als jedes andere musikalische Ereignis. Ich weiß noch, dass ich mit Bob Marley im Bus saß und Tausende von Fans einen Blick auf ihn erhaschen wollten, und er lachte nur darüber. Es wirkte ganz unwirklich. Bob fragte, warum sich all die Leute um unseren Bus drängten, und bekam die Antwort, dass sie seinetwegen da waren. Da hörte er auf zu lachen, zeigte wieder das pfiffige Lächeln, das so typisch für ihn war, und nickte zustimmend.

Schon bald nachdem ich mich der Gruppe angeschlossen hatte, merkte ich, dass Bob sich immer stärker zur Religion der Rastafari hingezogen fühlte. Ich weiß noch, wie er einmal über »Jah« sprach. Er sagte: »Das Leben und Jah sind ein und dasselbe. Jah ist das Geschenk der Existenz. Ich bin in gewisser Hinsicht ewig, ich werde nie kopiert werden. Die Einzigartigkeit jedes Mannes und jeder Frau ist ein Geschenk Jahs. Was wir daraus machen, ist unser einziges Geschenk für Jah. Was bei diesem Kampf entsteht, wird, mit der Zeit, die Wahrheit.« Er war wirklich engagiert, was das soziale Elend seines Volkes und der ganzen Weltbevölkerung betraf. Einmal sagte er: »Es ist besser, im Kampf für die Freiheit zu sterben, als sein ganzes Leben ein Gefangener zu sein.« Das hört sich heute noch sehr aktuell an, nicht wahr? Bobs Verbindung mit der Rastabewegung begann schon früh in seinem Leben, und dieser Glaube trug ihn bis zu seinem Tod. Er sagte: »Fakten und noch mehr Fakten, und Dinge und noch mehr Dinge: Das ist alles eine einzige verdammte Scheiße. Hört, was ich sage: Es gibt nur eine Wahrheit, und das ist die Wahrheit von Jah Rastafari.« Wie für die meisten Rastas war das Ganjarauchen für Bob ein »Sakrament« (siehe Anhang 2: »Bob, das Kraut, das Essen und die Fans«), aber ich kenne auch genug, die es einfach nur zum Vergnügen rauchen.

»Alle Regierungen sind angeblich dazu da, um den Menschen zu helfen«, soll er einmal gesagt haben. »Aber warum sagen sie dann, dass man das Kraut nicht rauchen darf? Das Kraut … ist eine Pflanze, oder nicht? Und je mehr ich darüber nachdenke, umso weniger sehe ich einen Grund [für das Verbot].«

Einmal sah ich, wie er mit einem Jeep herumfuhr und ein paar Leute ihn fragten, warum er keinen BMW fahre. Er lächelte sein pfiffiges Lächeln und sagte: »Ich fahre einen Jeep. Einen alten Jeep, damit niemand mehr sagen kann, dass ich einen BMW fahre. Ich konnte diesen BMW nicht ausstehen, ha, ha, ha! Ein BMW macht nichts als Schwierigkeiten, Mann!« Es war eine total witzige Anspielung auf die Abkürzung BMW für Bob Marley and the Wailers.

Ein anderes Mal fragte ihn ein Journalist, wie es sei, berühmt zu sein. Er überlegte eine Weile, dann schaute er dem Reporter tief in die Augen und sagte: »Ich werde mit dem Ruhm fertig, indem ich nicht berühmt bin … Für mich selbst bin ich nicht berühmt.« Diese Antwort ist typisch für ihn. Er war auch ein hingebungsvoller Vater und sehr stolz auf seine Kinder, obwohl er die meiste Zeit seines Lebens nicht bei ihnen war, weil er wie viele arbeitende Rastas sehr viel zu tun hatte. Soweit ich weiß, hatte er 13 Kinder. Als ich mit Bob Marley and the Wailers auf Tour war, war Ziggy etwa acht Jahre alt und Stevie ein paar Jahre jünger. Sie sind auf einigen Videos zu sehen, in denen sie zusammen auf der Bühne tanzen. Das Lächeln, mit dem Bob Marley ihnen zusieht, ist unvergesslich. Hier eine Aufstellung des Marley-Clans:

1 Imani Carole, geboren am 22. Mai 1963 von Cheryl Murray;

2 Sharon, geboren am 23. November von Rita in einer früheren Beziehung;

3 Cedella Marley, geboren am 23. August 1967 von Rita;

4 David »Ziggy«, geboren am 17. Oktober 1968 von Rita;

5 Stephen, geboren am 20. April 1972 von Rita;

6 Robert »Robbie«, geboren am 16. Mai 1972 von Pat Williams;

7 Rohan, geboren am 19. Mai 1972 von Janet Hunt;

8 Karen, geboren am 1973 von Janet Bowen;

9 Stephanie, geboren am 17. August 1974; laut Cedella Booker ist sie das Kind von Rita und einem Mann namens Ital, mit dem Rita eine Affäre hatte. Trotzdem erkannte Bob Marley sie als seine Tochter an;

10 Julian, geboren am 4. Juni 1975 von Lucy Pounder;

11 Ky-Mani, geboren am 26. Februar 1976 von Anita Belnavis;

12 Damian, geboren am 21. Juli 1978 von Cindy Breakspeare;

13 Makeda, geboren am 30. Mai 1981 von Yvette Crichton.

Einmal saß ich mit Bob und ein paar anderen Dreads auf der Treppe vor der Hope Road 56, als Bob plötzlich eine Schimpftirade darüber losließ, wie die Staaten dieser Welt ihre Bevölkerung heimlich unter Kontrolle halten, indem sie deren Nahrungsmittel manipulieren.

Er wurde ganz aufgeregt und sehr zornig über das Unrecht, dass Regierungen ihre Völker verhungern lassen, während ihre Mitglieder große Summen, die sie sich durch die Ausplünderung ihrer Länder verschafft haben, in ihre eigenen Taschen stecken. Mir kam das alles damals ziemlich verrückt vor, aber heute bin ich ein echter Marley-Gläubiger.

Wir hörten all die Gerüchte nach Bobs Tod, dass die CIA etwas mit seinem Ableben zu tun hatte. Ich bin ein ziemlich bodenständiger Kerl, aber der Gedanke hat etwas für sich. Bob pisste das Establishment mit seiner heftigen Kritik an »Babylon« wirklich oft an. Es wäre keine große Kunst für eine Regierungsbehörde gewesen, ihn auszuschalten. Man braucht sich bloß diesen russischen Journalisten und Kreml-Kritiker Alexander Walterowitsch Litwinenko in London anzuschauen. Er wurde mit radioaktivem Material vergiftet. Oder man denke an Nixon und John Lennon. Lasst euch nicht zum Narren halten, so was passiert. Wer weiß, was an diesem scheinbar so lächerlichen Gerücht von der CIA dran ist. Laut Roger Steffens, einem bekannten Biografien Bob Marleys und gutem Freund von mir, erkannte Gilly John Brown bei dem Mordversuch, der 1976 in der Hope Road 56 stattfand. Jim Brown war damals der Bösewicht Nr. 1 des jamaikanischen Premierministers Seaga, und er war CIA-Agent, oder etwa nicht? Ich weiß nur, dass Bob rebellierte, wenn er etwas sah, das ihm unrecht erschien. Bob hatte über solche Themen viel zu sagen, und er wurde recht »hitzig«, wenn er seine Überzeugungen vertrat. Ich glaube er war in seinem Herzen noch ein großes Kind, und das Leben im Allgemeinen war ihm sehr wichtig. »Niemand legt Wert darauf, wer du bist, Mann«, pflegte er zu sagen. »Was du tust, darauf kommt es an.« Jemand hat mich kürzlich gefragt, was für ein Mensch Bob Marley war. Er war einfach authentisch, ein auf Erden wandelndes, sprechendes musikalisches Genie und ein Prophet. Nach unserem letzten Konzert im Stanley Theatre in Pittsburgh, Pennsylvania, war er offensichtlich deprimiert über die Diagnose, die seine Ärzte gestellt hatten. Ich sah ihn danach noch einmal, als er in der Einfahrt seines Hauses in Miami stand. Danach flog er nach Deutschland, wo sich gegen den Krebs behandeln ließ, der sich in seinem Körper ausgebreitet hatte. Doch die Behandlung half nicht. Al Anderson rief mich in London an und erzählte mir, dass Bobs Dreadlocks ausgefallen waren und seine Haut wie verbrannte Holzkohle aussah. Offenbar wollte Bob von Deutschland nach Hause fliegen, um seine letzten Tage in Jamaika zu verbringen. Doch er wurde im Flugzeug so schwach, dass es in Miami landete, damit er sofort medizinisch versorgt werden konnte. Er starb im Alter von 36 Jahren am Morgen des 11. Mai 1981 im Cedars of Lebanon Hospital in Miami. Soviel ich weiß, waren seine letzten Worte an seine Söhne Ziggy und Stephen gerichtet. Er sagte: »Geld kann kein Leben kaufen.« Wahre Worte von einem Menschen, den viele für den wichtigsten »Mystic Man« halten, der je auf Gottes Erdboden wandelte. Bei seinem letzten Konzert im Roxy Theatre trat er noch einmal ans Mikrofon, bevor er die winzige Bühne verließ. »Die Wahrheit ist das Licht, also gebt den Kampf niemals auf«, sagte er.

Diese Aussage beruhte womöglich auf einer Vorahnung; vielleicht wollte er sein Publikum ermahnen, auch nach seinem Tod weiterzukämpfen. Einmal kam ich zufällig in die Garderobe, als Bob von ein paar Zeitungsjournalisten mit Fragen gelöchert wurde. Einer der Reporter fragte Bob, was sein größtes Ziel sei. Er schwieg eine gefühlte Stunde, und dann hörte ich ihn mit seiner starken Stimme sagen: »Ich habe nur einen Wunsch, weißt du. Es gibt nur eine Sache, die ich verwirklicht sehen will. Ich möchte, dass die Menschheit miteinander lebt – Schwarze, Weiße, Chinesen, alle – das ist alles.«

Ich würde Haus und Hof darauf wetten, dass jeder Musiker, der heute versucht, Reggae zu spielen, auf irgendeine Art von Bob Marley beeinflusst ist. Viele verfehlen jedoch das Thema, weil sie zu angestrengt versuchen, Bob Marley zu sein. Das wird ihnen in einer Million Jahren nicht gelingen, und je mehr sie es versuchen, umso schwerer machen sie es den Leuten, den Reggae im Gedächtnis zu behalten, den Bob in die Welt brachte.

Eines ist jedenfalls sicher: Genau wie im Fall von John Lennon, Jimi Hendrix, Janis Joplin oder Jim Morrison wird es nie einen zweiten Bob Marley geben. Kein zweiter Bob Marley wird je eine Bühne oder eine Platte durch seine Anwesenheit segnen. All diese großen Künstler sind verfrüht und in der Blüte ihrer Jahre gestorben. Der Unterschied zwischen ihnen ist nicht groß, aber der Chef ist immer noch BOB MARLEY.

 

[1]Der Bong wird von den Rastas Kelch genannt, wie das Gefäß, aus dem in der Kirche der Abendmahlswein getrunken wird. In der Kirche wird symbolisch das Blut Christi getrunken, um mit Gott zu kommunizieren. Ähnlich kommt ein Rasta, der einen Bong raucht, in spirituelle Höhen, »Ites«, die es ihm erlauben, mit Jah zu kommunizieren.

[2]Der Jamaikaner Chris Blackwell gründete in London die Labels Trojan und Island. Sie leisteten den größten Beitrag dazu, dass sich Bobs Musik zunächst in Europa und dann im Rest der Welt verbreitete. Blackwell ist es zu verdanken, dass Bob Marley einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde.

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