Schlimme Zeitreise in eine barbarische Vergangenheit

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Schlimme Zeitreise in eine barbarische Vergangenheit
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Marie Eleonore

Eine Zeitreise in eine barbarische Vergangenheit

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Impressum neobooks

1. Kapitel

Die Geschichte spielt im Jahre 2010 in Moskau. Hier wohnen die Familie Kawinsky. Diese besteht aus Karin Kawinsky, und ihrem Ehemann Anton. Die beiden haben nicht nur russische Wurzeln, sondern stammen zum einen Teil auch aus Deutschland, deshalb die deutsch klingenden Namen der beiden. Kinder haben die beiden keine, weil sie keine bekommen können.

Trotzdem verhält es sich so, dass nur der Ehemann alleine arbeiten geht. Er arbeitet in einem Übersetzungsbüro am Rande von Moskau. Die beiden wohnen in einer kleinen Mietwohnung, die nur aus 50 Quadratmetern besteht. Da der Arbeitstag ihres Mannes manchmal aus über 10 Stunden besteht, ist die Ehefrau meistens alleine zu Hause.

So ist es auch an diesem Tag, dem 24.09.2010, an einem Montag. Als die Ehefrau aus dem Haus geht, ist es ungefähr 9 Uhr morgens. Sie fährt mit der Metro in die Innenstadt von Moskau, um einkaufen zu gehen. Als sie am Kaufhaus Gum ankommt, stößt sie vor dem Kaufhaus beinahe mit einem Mann zusammen. Aber irgend etwas an diesem kommt ihr sogleich seltsam vor, obwohl sie es sich nicht erklären kann.

Als Karin Kawinsky kurz Entschuldigung murmelt und dann wieder weiter gehen will, wird sie von dem Fremden angehalten. Sie versteht zunächst gar nicht, was dieser von ihr will. Aber plötzlich fragt sie dieser etwas über Politik aus. Er will wissen, wann genau die Wahlen in Russland sind in diesem Jahr. Karin Kawinsky gibt ihm Auskunft, obwohl sie zunächst nicht genau versteht, was sich der Fremde von dieser Information erhofft.

Da sie aber sofort merkt, dass diese Information für den Fremden mehr als interessant ist, wird sie doch neugierig und fragt ihn, warum er das wissen will. Daraufhin erklärt dieser, er käme von einem Meinungsforschungsinstitut und wolle wissen, wie die politische Stimmung in Russland so kurz vor der Wahl ist. Denn diese Wahl findet am 31.12.2010 statt. Karin Kawinsky weiß zwar genau, wen sie wählen will, aber das sagt sie natürlich diesem fremden Mann nicht. Sie sagt ihm nur, dass, so wie es zur Zeit aussieht, Vladimir Zwillikowsky die besten Chancen hat, die Wahl zu gewinnen. Der Fremde sagt ihr daraufhin seinen Namen, dieser heißt Marlon Serenkowsky. Karin Kawinsky denkt, das ist also auch ein Russe. Und so ganz unrecht hat sie ja gar nicht. Ein Russe ist es. Aber irgendwie kommt es der Frau vor, als wäre dieser Mann nicht nur wegen eines Meinungsforschungsinstitutes an dem Ausgang der kommenden Wahl interessiert. Denn seine Fragen klingen mehr als interessiert.

Nach ein paar Minuten kommt es ihr so vor, als wolle er alle kleinen Details, was sie darüber weiß, erfahren, so als hätte er etwas Bestimmtes vor. Vielleicht handelt es sich um einen Attentäter, denkt sie. Dann erklärt ihr Marlon Serenkowsky, dass er um nichts auf der Welt wolle, dass dieser Vladimir Zwillikowsky die russische Präsidentenwahl gewinnt.

Als Karin Kawinsky ihn daraufhin fragt, weshalb er dieser Meinung sei, sagte dieser, dass wenn Zwillikowsky die Wahl gewänne, es zu einer großen Katastrophe käme. Zunächst dachte die Frau, dass dieser Mann bei einer Wahrsagerin gewesen sei, denn wieso um alles in der Welt wusste dieser Mann so genau Bescheid, was es mit diesem Zwillikowsky auf sich hatte. So mir nichts, dir nichts konnte man doch so was nicht sagen. Wer wollte schon im Voraus wissen, wieso dass dieser Mann eine Katastrophe für die Welt sei.

Karin Kawinsky war im Nachhinein froh, dass sie dem Fremden nichts davon erzählte, dass ihr Mann und sie auch vorhatten, diesen Zwillikowsky zu wählen. Sie war ja am Anfang gar nicht so sehr dafür, diesen zu wählen, aber schließlich würde sie es tun, weil ihr Mann auch der Meinung war, dass Zwillikowsky der Mann sei, der Russland aus der gegenwärtigen Misere führen würde. Denn dieser hatte für alles gleich die richtigen Patentlösungen parat. Dazu kam noch, dass er einer Partei angehörte, die einen gut klingenden Namen hatte. Die Partei hieß NLPR (Nationale Liberale Partei Russlands). Es war aber eine Tatsache, dass dieser Mann recht faschistisch eingestellt war, wenn auch seine Partei diesen gut klingenden Namen hatte.

Dieser Mann war nach der Perestroika von Michael Gorbatschow Ende der 80er Jahre aus der politischen Landschaft hervor gegangen. Zunächst hatte er sich ganz normal verhalten und hatte überhaupt keine radikalen Ansichten, aber so im Laufe der Zeit wurde es immer schlimmer mit ihm. Denn er war der Meinung, dass Russland nur von einem starken Mann aus der gegenwärtigen Misere herausgeführt werden kann. Auch hatte dieser Politiker ein Buch Anfang der 90er Jahre geschrieben, dieses konnte man so ähnlich werten wie Adolf Hitlers Mein Kampf von früher. Es hieß zwar anders, aber aus dem Inhalt konnte man erkennen, dass, wenn dieser Mann seine Ziele, die er in diesem Buch beschrieb, in die Tat umsetzen würde, er mit Sicherheit auf einen 3. Weltkrieg zusteuern würde.

Aber so, wie die meisten Leute früher bei Adolf Hitler, nahm man das anfangs gar nicht so ernst, was dieser Mann zu tun gedachte, wenn er erst einmal gewählt wurde. Und man wusste es ja auch noch gar nicht, ob es überhaupt soweit kam. Hinzu kam auch noch, dass dieser Zwillikowsky für Skandale sorgte, indem er sich mit Leuten herumprügelte, er hatte also schon jetzt etwas Brutales an sich, dass eigentlich erkennen lassen müsste, dass er bestimmt einmal nicht der Harmloseste wäre, wenn er die Zügel in diesem Land in der Hand hielte. Aber wie gesagt, er hatte für alles richtige Patentlösungen. Seine Sprüche waren einfach und versuchten den einfachen Bürger zu erreichen. Er verstand es, die Sprache des kleinen Mannes zu sprechen, um so Eindruck zu schinden. Da vergaß man oft seine radikalen Ansichten und wie brutal er in Wirklichkeit eigentlich war.

Auch war zu erkennen, dass er auf Juden usw. nicht so gut zu sprechen war. Das lag zum Teil auch daran, dass er angeblich einen jüdischen Vater gehabt hatte, aber dies bestritt er immer wieder, bis er es schließlich nicht mehr anders konnte und es doch zugeben musste, dass es so war. Aber er beteuerte immer wieder, dass er deswegen doch russische Wurzeln haben würde, da seine Mutter aus der Ukraine stamme.

Zwillikowsky tat so, als wäre er der beste aus der politischen Landschaft des neuen Russlands. Die anderen würden alle nur betrügen, aber ihm könnte man vertrauen. Das waren die typischen einfachen Sprüche von Männern, die alles vereinfachten, um bei dem einfachen Mann auf der Straße Eindruck zu schinden.

Aber es sickerte auch immer wieder durch, dass dieser Zwillikowsky auch irgendwie mit Mafiastrukturen zu tun hatte, so wie viele andere Politiker von Russland. Auf der anderen Seite räumten Zwillikowsky die Menschen auch nicht unbedingt große Chancen ein, weil er schließlich schon 20 Jahre versucht hatte, sich als Präsident wählen zu lassen.

Die erste Wahl, die er mit gutem Ergebnis gewann, war im Jahre 1991. Da belegte er überraschend für alle schon den 3. Platz mit ungefähr 8 Millionen Stimmen.

Dann kam der große Schock zwei Jahre später, im Jahre 1993, als er bei derPräsidenten-Wahl mit 23 Prozent auf den ersten Platz gewählt worden war. Es konnte zwar zu diesem Zeitpunkt noch nichts passieren, aber wenn der Präsident in Russland nicht so eine starke Macht gehabt hätte, dann hätte es wirklich sein können, dass dieser Mann so früh schon an die Macht in Russland gelangt wäre.

Aber das Ergebnis dieser Wahl von 1993 hatte die Weltbevölkerung doch schon sehr geschockt. Denn die Ansichten dieses Mannes waren zu diesem Zeitpunkt schon mehr als bekannt.

 

2. Kapitel

Zwei Jahre früher, im Jahre 1991, hatte er sich nämlich noch offen geäußert, was er für Ansichten hatte, aber dann, im Jahre 1993, gab er sich dann wieder anders. Aber trotzdem war dieser Mann zu diesem Zeitpunkt damals schon mehr als durchschaut. In den weiteren Jahren, die vergingen, wurde auch seine Popularität immer weniger, weil es mal für eine kurze Zeit so aussah, als würde sich die russische Wirtschaft wieder erholen, nachdem im Jahre 2000 Präsident Vladimir Putin an die Macht gelangt war. Dieser Präsident, dieser Mann wurde auch wieder 2004 und noch einmal, 2008 gewählt, aber mit seinem Tschetschenienabenteuer war er bei vielen auch nicht gerade so beliebt. Aber es gab zu dieser Zeit keine andere Alternative für Russland als Putin.

Dann kam aber noch eine andere Tatsache hinzu. Der Gesundheitszustand des Vladimir Putin war im Jahre 2010 nicht mehr der Beste, obwohl er erst zu diesem Zeitpunkt 58 Jahre alt war. Es wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. Deshalb hatte er beschlossen, Neuwahlen machen zu lassen, denn die nächsten Wahlen waren normalerweise erst im Jahre 2012. Es war so ähnlich wie bei Jelzin damals, als dieser Vladimir Putin an die Macht ließ, weil er es nicht mehr konnte.

Aber Putin ließ die Wahlen vorziehen, so wurde halt 2 Jahre früher gewählt. Es war aber eine Tatsache, dass dieser Zwillikowsky mit Putin schon von Anfang an gut konnte, aber für die Präsidentenwahl reichte es nie. Die meisten Male schnitt er schlecht ab, so dass er gerade noch die 5 Prozent-Hürde schaffte, das andere Mal hatte er wieder 12 Prozent. Aber jetzt ein viertel Jahr vor den Neuwahlen, hatte er laut Umfragen die besten Chancen, vielleicht das Rennen zu machen.

Hätte Putin es weiter machen können, hätte es keine Befürchtungen gegeben, aber Dieser wollte und konnte nicht mehr. Und der einzige aussichtsreichste Kandidat war dann Zwillikowsky, nachdem ja klar war, dass Putin es nicht mehr machen konnte.

Hinzu kam noch, dass es in Russland ab 2006 wieder mit der Wirtschaft abwärts ging, nachdem es die Jahre 2000 bis 2006 noch einigermaßen wieder lief. Aber jetzt zu diesem Zeitpunkt war die Wirtschaft auf dem Nullpunkt und den Menschen ging es immer schlechter. Und somit war die Zeit reif für das Wählen so genannter starker Männer, die Russland wieder auf Vordermann bringen sollten. Deshalb gewannen auch die radikalen Parteien immer weiter an Zulauf.

Und da die Partei Zwillikowskys eigentlich gar keinen radikalen Namen hatte, sahen die meisten Leute nicht, was sich dahinter verborg. Und die gelegentlichen brutalen Ausfälle und Beschimpfungen dieses Mannes nahm man auch noch hin, die Hauptsache war, dass dieser Mann Russland wieder aufwärts bringen wollte. Nur, dass ihm damit auch jedes Mittel recht war bis hin zum Krieg, das konnten und wollten die meisten Menschen dann nicht sehen. Wenn nur einer alles versprechen konnte und für jedes Problem eine einfache Lösung parat hatte, das waren die Sachen, die in dieser Zeit des russischen Niedergangs zogen und viele Leute verblenden ließen.

Und so trug es sich zu, dass dieser Mann laut Statistik ein Vierteljahr vor der vorgezogenen Präsidentenwahl wahrscheinlich mit 40 Prozent Wählerstimmen aufwarten konnte.

Um aber alleine regieren zu können, brauchte der neue Präsident über 50 Prozent, sonst hatte er keine Chance, Präsident zu werden. Wenn er diese hatte, dann konnte er mit alleiniger Mehrheit regieren.

Dieses Ergebnis hatte aber in der Vergangenheit nur Putin und Jelzin erreicht. Und da es bis zu diesem Zeitpunkt keine andere Alternative gab, hatte auch Niemand ein solches gutes Ergebnis.

Das mit den 40 Prozent war jetzt die beste Sache seit langem. Jeder wusste, die kommende Präsidentenwahl würde die spannendste seit Jahren werden. Und viele fieberten dieser Wahl entgegen.

Auch der Westen fieberte dieser Wahl entgegen. Denn Putin hatte sich in den vergangenen Jahren immer mehr und mehr dem Westen geöffnet, aber was würde Zwillikowsky tun? Denn Dieser war von früher her bekannt dafür, dass er total anti-westlich eingestellt war.

Nachdem aber im Jahre 2001 am 11. September der Anschlag auf das World-Trade- Center stattfand, schwor sich die ganze Welt, jetzt zusammen zu arbeiten, um dem Internationalen Terrorismus Herr zu werden.

Und nach diesen Ereignissen hatte sich auch dieser Zwillikowsky endlich dazu bekannt, sich dem Westen zu öffnen und an der Lösung des Problems des Internationalen Terrorismus mitzuarbeiten. So zumindest versucht er das, den Leuten klar zu machen.

Als nun Frau Kawinsky versuchte, etwas Näheres über diesen Fremden herauszubekommen, nachdem sie dessen Bedenken über den Präsidentschaftskandidaten Zwillikowsky vernommen hatte, wollte sich aber Dieser plötzlich nicht mehr richtig dazu äußern.

Frau Kawinsky sah sich den Fremden noch einmal etwas genauer an, und er war eigentlich seltsam angezogen. Er war zu modern angezogen, so als spiele er in einem Science-Fiction-Roman mit. Der Fremde verabschiedete sich auf einmal ziemlich schnell von ihr und sie hatte eigentlich die Sache, die sei heute erlebte, recht schnell wieder vergessen und jetzt widmete sie sich wieder ihrem Einkauf. Und sie hätte es auch total vergessen, wenn nicht ihr Ehemann, abends, als er nach Hause kam, wieder angefangen hätte, zu politisieren. Da erinnerte sie sich dann daran, was sie heute morgen für ein Erlebnis gehabt hatte und dass dieser Fremde nicht gut auf den Präsidentschaftskandidaten Zwillikowsky zu sprechen war.

Karin Kawinsky erzählte ihrem Mann deshalb die ganze Geschichte, wie sie sich zugetragen hatte. Aber Anton meinte, die meisten Leute würden keine Ahnung haben, er auf jeden Fall würde diesen Mann wählen, egal, was die anderen sagen oder denken würden. Anton war voll davon überzeugt, dass dieser Zwillikowsky der richtige Mann war. Und da Karin sowieso immer das gleiche wählte als ihr Mann, war diese Sache auch für heute erledigt. Und außerdem war es ja noch ein Vierteljahr bis dahin.

Es vergingen ein paar Tage, bis Frau Kawinsky wieder den fremden Mann in der Moskauer Innenstadt sah. Dieses Mal war er genauso futuristisch angezogen als das letzte Mal. Und wieder bemerkte sie, dass er die Leute im Kaufhaus Gum in Moskau über irgend Etwas befragte. Doch Karin sah, wie die meisten Leute desinteressiert waren und sich gar nicht auf diesen Mann konzentrieren. Auf einmal blickte der Fremde kurz in die Höhe und erkannte Karin Kawinsky. Er schien sich sofort wieder daran zu erinnern, dass er diese Frau kannte. So kam er auch schnellen Schrittes auf sie zu und begann wieder über diesen Zwillikowsky zu reden.

Doch so langsam wurde es Karin zu viel, sie hatte heute überhaupt keine Lust, sich über dieses Thema mehr zu unterhalten, es gab ja schließlich zu Zwillikowsky überhaupt keine Alternative mehr, Putin konnte es nicht mehr machen und somit war die Sache für sie erledigt. Es war ja sonst kein aussichtsreicher Kandidat mehr in Sicht. Aber dieser Fremde hielt einfach nicht still. Er versuchte immer wieder sie und auch andere Leute, die im Kaufhaus Gum einkauften, davon zu überzeugen, dass es ein großer Fehler wäre, diesen Mann an die Regierung zu wählen. Denn er beteuerte immer wieder, dass er genau wisse, was dann das Ergebnis sein würde. Doch woher er es wusste, das sagte er allerdings keinem. Und so hielten ihn fast alle für einen Verrückten, den man nicht ernst nehmen muss.

Doch irgendwie ging Karin dieser Typ nicht mehr ganz aus dem Kopf. Warum war er nur so hartnäckig und lies nicht locker. Er benahm sich doch wirklich, als würde er mehr wissen als alle anderen. Aber woher wusste er das angeblich? Karin dachte zwar darüber nach, aber sie konnte sich beim besten Willen keinen Reim daraus machen. Auf jeden Fall wusste sie eines, dies war schon eine komische Sache.

Und Karin beschloss heute abend, wenn ihr Mann nach Hause kam, das Thema noch einmal anzuschneiden. Doch dieser wollte davon nichts mehr hören. Für ihn war klar, dass er diesen Zwillikowsky wählen würde, was andere taten, war ihm egal. Es gab keinen anderen und damit basta. Mit dieser kurzen Bemerkung war das Thema für Anton Kawinsky für heute zumindest erledigt. Und Karin hatte auch keine große Lust mehr, sich noch heute Abend mehr darüber zu unterhalten. Beide gingen an diesem Abend hundemüde zu Bett.

Als Anton am anderen Morgen wieder bei der Arbeit war, beschloss Karin einen Moskauer Stadtbummel zu machen. Sie fand zwar Niemand, der mit ihr ging, eine Freundin von ihr hatte keine Zeit, aber das war ihr egal, sie würde einfach alleine gehen.

Sie wollte eigentlich den Tag unbeschwert verbringen, aber als sie wieder überall in Moskau die Plakate mit den Präsidentschaftskandidaten sah, wurde es ihr doch komisch zumute und sie musste immer wieder an diese Geschichte mit dem Fremden denken, so ganz ging ihr die Sache doch nicht aus dem Kopf, so sehr sie sich auch bemühte.

Aber sie hatte ja heute vor, einen unbeschwerten Stadtbummel zu machen. Sie durfte jetzt einfach nicht mehr daran denken. Dies hätte sie auch nicht mehr getan, wenn sie nicht zufällig einen Blick auf eine Menschen Versammlung geworfen hätte. Zuerst nahm sie es gar nicht so wahr, aber dann wurde sie doch neugierig. Sie sah, wie die Leute um Jemand herumstanden und ihn anstarrten. Es war vor dem Kaufhaus Gum in der Moskauer Innenstadt.

Als sie dann doch neugierig war, beschloss sie, sich auch zu dieser Menschenmenge hinzustellen. Da auf einmal traf sie fast der Schlag. Jetzt sah sie es, um wen die Leute herumstanden und aus welchem Grund. Es war Zwillikowsky, der heute offenbar hier auf diesem Platz eine Wahlrede hielt. Reden hatte ihn Karin Kawinsky bisher noch nicht gehört, deshalb blieb sie stehen und hörte diesem Mann zu, was er zu sagen hatte.

Doch je mehr sie ihm zuhörte, desto mehr kamen ihr auf einmal Zweifel, ob dieser Mann wirklich der Richtige war. Denn so einfache Patentlösungen, die er für alles hatte, das war doch ein wenig zu einfach für sie. Sie hatte nämlich bemerkt, wenn ihm jemand Fragen stellte, wich er, so gut er konnte, diesen aus. Er äußerste sich nie direkt dazu, sondern sprach nur um die Sache herum. So, z.B., als es darum ging, wie er es gedenke, die russische Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen? Auf diese Frage gab er die Antwort, man müsse halt die vielen Fremden, die sich in diesem Land breit machen würden, um anderen die Arbeit wegzunehmen, außer Landes verweisen. Aber sonst hatte er eigentlich keine richtige Lösung des Problems parat. Einige Male waren es die Ausländer, die an allem schuld waren, das andere Mal die Mafia und die Verbrecher, aber eine richtige Lösung, die hörte eigentlich von ihm heute keiner. So wie man im Großen und Ganzen hier vernahm, waren es eigentlich immer die anderen, die an allem schuld waren. Er versprach auch noch allen Leuten, dass wenn er gewählt werden würde, er alle Verbrecher an die Wand stellen lassen würde und somit würde wieder Ordnung in diesem Land herrschen.

 

Da die meisten Leute einfache Lösungen für Probleme gut hießen, hatte er auch heute mit dieser Menschenmenge, die sich um ihn versammelte, leichtes Spiel und er sah es Diesen bestimmt schon an den Augen an, dass sie ihn wahrscheinlich wählen würden. Doch der Ausdruck in Karins Gesicht wurde nach dem eben Gehörten immer kritischer. Das aber schien dieser Zwillikowsky zu bemerken. Denn es waren nur ungefähr 100 Leute, die sich hier versammelt hatten. So konnte man schon noch den einzelnen ein wenig erkennen und beobachten. Scheinbar war ihm ihr kritisches Gesicht aufgefallen. Denn sie war sich ja wirklich nicht mehr sicher, sie hielt eigentlich nach dieser Rede gar nicht mehr so viel von ihm. Dieser Mann hatte nur starke Sprüche parat, aber an wirklichen Lösungen der Probleme schien er doch gar nicht so interessiert zu sein. Aber an Einem war er ganz bestimmt interessiert, nämlich die Wahl zu gewinnen. Denn mit Wahlplakaten und anderen Dingen hatte er ganz schön Propaganda gemacht. Also auf jeden Fall sah er es ihr an, dass sie nicht ganz zufrieden war mit seiner Rede. Denn dieser Typ hatte eigentlich eine gute Menschenkenntnis, das musste man ihm lassen. Deshalb sprach er sie auch plötzlich an. Sie bemerkte gar nicht gleich, was los war, so sehr war sie in Gedanken versunken. Sie musste sich erst von den anderen Leuten um sie herum anstoßen lassen, bis sie endlich bemerkte, was Zwillikowsky von ihr wollte.

Als Karin endlich begriff, dass sie gemeint war, dachte sie zuerst, sie würde in Ohnmacht fallen. Was sollte sie jetzt darauf antworten. Aber sie musste doch was sagen, denn Zwillikowsky hatte sie gefragt, ob sie mit einigen Dingen hier nicht ganz einverstanden wäre. Und wenn sie schon so gefragt wurde, konnte sie ja nicht einfach lügen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Sie gab diesem Zwillikowsky deshalb zu verstehen, dass es ihr nicht gefiele, dass er auf alles eine viel zu einfache Antwort haben würde. Dieser Typ versuchte aber, ständig auf sie einzureden. Man merkte eigentlich, er war nur an seinen eigenen Sprüchen interessiert und hatte für alles eine passende Antwort parat, aber auf wirklich kritische Fragen wollte er offenbar nicht so richtig eingehen.

Da Zwillikowsky nach einer Weile bemerkte, dass diese Frau doch nicht so einfach wie die anderen zu beeindrucken war, gab er ihr einen einfachen Ratschlag. Sie sollte ihn einfach wählen, dann würde sie schon merken, dass er der Richtige sei. Das war an sich nichts Neues, das sagten sie schließlich alle.

Aber irgendwie spürte Karin, dass an diesem Typ doch nichts so war wie bei allen anderen, aber sie konnte es sich nicht erklären, noch nicht. Auf jeden Fall gab sie es dann auf, noch weitere Fragen zu stellen. Aber eines hatte dieser Typ heute geschafft, nämlich bei ihr so etwas wie Kritik zu wecken. Ihm würde es natürlich weniger gefallen, das war klar. Karin Kawinsky hatte außerdem noch vor, ihren Stadtbummel fort zu setzen und löste sich alsbald von der Menschenmenge. Diese standen aber noch immer um diesen Typ herum und glaubten wahrscheinlich kritiklos seine Sprüche. Auf jeden Fall schwor sich Karin, heute abend ihrem Mann von dieser Rede zu erzählen, denn dieser Typ war ihr nicht mehr sympathisch. Sie hatte ja vorher noch nie direkt mit Diesem Bekanntschaft gemacht. Aber das heute reichte ihr fürs Erste. Wahrscheinlich würde sie doch einen anderen Kandidaten wählen.

Wie gesagt, Karin stahl sich von dieser Massenversammlung schließlich davon, aber sie bemerkte, dass ihr dieser Zwillikowsky einen unangenehmen Blick hinterher warf. Sie tat aber so, als bemerke sie dies nicht und ging.

So sehr sich auch Karin auf den Stadtbummel von heute konzentrieren wollte, es gelang ihr einfach nicht so recht. Sie musste immer wieder an das Geschehene von vorhin denken. Und als sie eine Weile später wieder an diesen Platz vor dem Kaufhaus Gum in Moskau zurückkam, sah sie dann aber niemand mehr. Die Massenkundgebung war anscheinend beendet. Und von diesem Zwillikowsky war auch nichts mehr zu sehen. Sie wusste aber aus Fernsehberichten, dass er hier ganz in der Nähe sein privates Appartement hatte.

Als sie sich jetzt vergewissert hatte, dass sich hier nichts mehr abspielte, beschloss sie mit der Metro nach Hause zu fahren. Aber als sie einstieg, glaubte sie wirklich ihren Augen nicht mehr zu trauen, denn sie sah diesen Zwillikowsky in einem Abteil sitzen. Sie versuchte irgend woanders sich hinzusetzen, aber der Zufall wollte es, dass hier alles voll war, und so musste sie gar nicht weit von Zwillikowsky entfernt Platz nehmen. Es lag zwischen ihr und dem Präsidentschaftskandidaten nur ein Abteil, aber man konnte hindurch sehen. Zum guten Glück las dieser Zwillikowsky eine Zeitung und sah sie gar nicht gleich. Karin versuchte sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, sie wagte nicht einmal mehr sich richtig zu bewegen. Aber schließlich legte Zwillikowsky die Zeitung beiseite, nachdem er sie gelesen hatte und schaute um sich herum. Wenn das noch eine Weile so ging, würde er sie noch erkennen. Und ganz genau, so war es dann auch. Sie sah es ihm sofort am Gesichtsausdruck an, dass er sie erkannt hatte. Der Blick, den er ihr zuwarf, war alles andere als freundlich. Denn Zwillikowsky konnte es nicht leiden, wenn er spürte, dass jemand gegen ihn war. Und diese Frau war gegen ihn, das spürte er. Karin war deshalb froh, als ihre Station zum Aussteigen kam und sie sich endlich diesem Blick entziehen konnte.

Jetzt erst fühlte sie sich wieder richtig wohl in ihrer Haut. Doch als sie eine Weile so gegangen war, sie musste noch ein gutes Stück zu Fuß gehen, glaubte sie hinter sich jemand laufen zu hören. Wie hypnotisiert drehte sie sich herum und sie sah mit Entsetzen, dass es dieser Zwillikowsky war, der ihr folgte. Sie beschleunigte ihren Schritt immer schneller, aber sie hätte schließlich rennen können und der andere wäre trotzdem schneller als sie gewesen. Es hatte also keinen Sinn, davon zu laufen. Sie tat, als würde sie es nicht stören, dass er hinter ihr herkam und lief normal weiter wie vorher. Vielleicht war es ja nur ein Zufall, dass er hier ausstieg. Vielleicht war es aber auch Absicht. Auf jeden Fall würde sie sich jetzt gefasst geben, egal was kam. Was sollte eigentlich schon passieren, mehr als blöd anmachen konnte er sie ja nicht. Das war sie ja mittlerweile schon gewohnt.

Doch als er sie dann eingeholt hatte, wusste sie sogleich, dass es kein Zufall war, dass er auch hier ausstieg. Denn er fing auf einmal an, sie anzuquatschen. Er wollte von ihr wissen, was sie gegen ihn hätte und noch eine Menge so merkwürdiger Sachen, aber sie tat jetzt so, als würde sie dem Ganzen nicht die Bedeutung beimessen, die es hatte. Sie musste wohl oder übel sagen, dass sie nichts gegen ihn hatte, sie wäre halt nur kritisch eingestellt, das wäre alles.

Als sich Karin so eine Weile herausgeredet hatte, gab sich Dieser zufrieden und setzte seinen Weg wieder in der anderen Richtung fort. Als eine Weile rum war, sah sie, wie er wieder in die Metro einstieg und zurückfuhr. Dieser Typ war doch tatsächlich wegen ihr hier ausgestiegen, um aus ihr herauszukriegen, wie sie zu ihm stand. Das gab's doch alles gar nicht, das musste sie heute Abend unbedingt ihrem Mann erzählen.

Als Karin zu Hause ankam, sah sie, dass ihr Mann schon früher als sonst zu Hause war und heute hatte sie noch gar nichts gekocht, so lange hatte sie sich jetzt auch aufgehalten mit allem heute. Sie würde es ihm jetzt aber sofort erzählen, was sie heute erlebt hatte.

Sie machte sich zuerst an die Arbeit und kochte etwas und als sie dann beisammen saßen, erzählte sie ihm ihre ganze Geschichte, wie sie sich heute zugetragen hatte. Ihr Mann war nicht so sehr darüber erfreut, dass sie wahrscheinlich nicht mehr vorhatte, Zwillikowsky zu wählen, aber wenn es letztendlich so wäre, könne er auch nichts ausrichten. Er gab ihr zwar zu verstehen, dass es momentan keinen anderen Kandidaten, zumindest keinen Aussichtsreichen, geben würde. Aber sie war ja alt genug, um zu wissen, was sie tun sollte. So akzeptierte er es halt, er aber war auf jeden Fall nicht davon abzubringen, Zwillikowsky zu wählen. Es vergingen nach diesem Vorfall mind. 2 Monate, bis sich wieder etwas ereignen sollte.