Unerfüllte Träume einer jungen Liebe

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„This is the control tower of Chur Calanda: What’s your mission? Roger.“

„This is 00 77, we are flying to our Air Base transporting a prisoner. This man is a criminal.“

„This is the tower of Chur Calanda; you can land on the helicopter landing field, roger, over.“

„Thank you tower, we will land within ten minutes, roger, over.“

In der Zeit des Anfluges waren die Spezialisten des Schweizer Bundesheeres mit Maschinenpistolen im Anschlag am Heli-Landeplatz eingetroffen. Uerli setzte den Helikopter akkurat in dem vorgeschriebenen Rondell auf. Oberst Zurbriggen öffnete die Türe und nahm den Verbrecher mit seinen Soldaten in Empfang. Dann wurde er in ein bereitstehendes Panzerfahrzeug gesetzt und ab ging die Fahrt nach Bern. Klaus Andermatten und Uerli hatten ihren Dienst zu Ende geführt und starteten erneut.

Uerli funkte abermals und bekam die Erlaubnis, wieder zur Bergstation zurückzufliegen. Unterwegs meldete er sich noch einmal bei der Air Base in Pontresina und bekam grünes Licht für die Landung im Oberengadin.

*

Ferientage auf der Berghütte

Nach diesem schrecklichen Ereignis atmeten die Baronin, die Gräfin und die beiden jungen Leute endlich auf. Wie der Einbrecher ins Haus gekommen war, das wusste niemand. Sie wollten es auch gar nicht erfahren. Der Schrecken ob dieses Geschehens war nun verflogen und sie wollten nur noch ihre Ruhe haben. Marie-Theres umarmte schweigend ihre Freundin Fee, Ulli und Diether. Letztere konnten sie verstehen: Es hätte schlimmer ausgehen können.

„Also, Mariele, wir haben Hunger! Was hast du zum Essen da?“, fragte Ursula ihre Patentante.

„Ulli, wir haben noch eine Schüssel mit Kartoffelsalat im Kühlschrank. Den habe ich für Urs, dich und Diether aus Bern mitgebracht. Frau Sutter hatte dazu Canapés hergerichtet, die waren, da Urs noch nicht kam, für euch beide bestimmt. Ich hoffe nur, dass die kleinen Häppchen noch schmecken? Diese Leckereien waren die ganze Zeit über im Kühlfach“, berichtete ihre Patentante.

„Dann werden wir sie für einige Minuten in die Backröhre stellen, sonst sind sie zu kalt zum Servieren“, meinte Ulli dazu.

„Du hast recht, chèrie, kalt schmecken die wirklich nicht“, antwortete Fee. Diether machte sich nützlich und deckte in der Zwischenzeit den Tisch im Esszimmer.

„Oh mon dieu, ein Kavalier“, freute sich die Gräfin. Nach fünf Minuten klingelte die Küchenuhr am kleinen Backofen und Uschi entnahm die Schnittchen, sortierte sie auf eine Platte, trug sie ins Wohnzimmer und stellte alles auf den Tisch. Man setzte sich an die Tafel.

„Mariele, kommt Urs nicht zum Essen?“, fragte Ursula besorgt.

„Der wird noch auf der Bergstation sein. Urs Kompanie vermutet ja, dass zwei Kapuzenmännern die Flucht gelungen ist. Der eine ist hier eingebrochen und der andere ist, wie wir wissen, in die Berge geflüchtet“, antwortete Diether statt der Baronin. Diese warf ihm einen dankbaren Blick zu.

„Aber ich denke, wenn die Angelegenheit mit dieser Bande geklärt ist, wird er wohl zur Jagdhütte zurückkehren“, erwiderte die Baronin.

„Dies ist auch meine Meinung, Mariele“, sagte Uschi bedächtig.

„Da kannst recht haben, Dirndl“, ertönte da Urs Stimme. „Die Geschichte ist zunächst vorbei und alles ist aufgeklärt, wir können jetzt in Frieden unsere Ferien auf der Hütten verbringen.“ Marie-Theres und die Gräfin waren erleichtert, Diether und Ulli ebenso.

Diether meinte schmunzelnd: „Ich habe gedacht, ich müsste Uschi auf die Rigi entführen.“

„Dös hätt was geben, Madl, a Geschrei von deinem Mütterlein. Ja, verflixt, dös wär a Gaudi gewesen, glaubt mir’s“, dröhnte da Urs mit seinem Bass dazwischen.

In diesem Moment klingelte das Telefon bei Urs im Arbeitszimmer. Eilig ging er hinüber, weil er dachte, es sei der Oberst Zurbriggen. Darum meldete er sich auch mit seinem Dienstgrad: „Hier Leutnant Sutter.“

„Urs, ich bin’s Pia, ist zufällig die Ulli in Ihrer Nähe?“

„Hallo, Frau Baronin von Giebel, dös ist ja eine Überraschung, mei, was wird die Ulli a Freid haben? A Momenterl bitt’ schön. Prinzessin, kimm amoal her, deine Anwesenheit ist gefragt“, rief Urs.

„Ich soll ans Telefon?“, sprach Uschi ganz erstaunt zu Diether. Sie ging zögernd zu Urs ins Büro und nahm den Hörer in die Hand: „Ja, hier ist Ursula von Giebel, bitt’ schön, wer ist da?“

„Ah, dös hat aber lang gedauert, Madl, bischt du ans Telefon kimme bischt.“

„Mutzilein, du rufst an? Ist was passiert?“

„Naa Madl, aber bei eich ist ja was los, warst a net in Gefahr, Ullikind?“

„Naa Mutzi, es ist alles in Ordnung hier oben. Ich hatte ja einen Beschützer, einen liebevollen Menschen. Mutz … ich habe … mich verliebt!“

„Do legst di nieder, Kruzitürken, wo gibt’s denn so was? Ulli, du bist erst sechzehn Jahre alt!“

„Und du, du warst a net viel älter als wie i jetzt!“

„Ja, ich weiß Madl, da habe ich auch deinen Papa kennengelernt.“

„Schau, dös mein i ja grad, Mutzi. Er ist 1,80 Meter groß, hat a ganz liabs G’schau, blaue Augen, nur ist er a bisserl schmal bei seiner Länge. Er studiert und wohnt in Wien und ist Österreicher wie Papa. Er ist im ÖAV und geht genau wie i gern in die Berg.“

„So, a Wiener ist’s und sonst?“

„Warte Mutzi, i ruf ihn her. Diether, kimm amoal.“

„I kimm Uschi, wo brennt’s denn, Schatzel?“

„Hier ist meine Mutter am Apparat, magst a wengerl mit ihr reden?“

„Freili tu i dös, also, Grüß Gott, Frau Baronin, küss die Hand, gnädige Frau. I bin der Diether aus Wien und bei Ihrer Tochter und mir war es Liebe auf den ersten Blick.“

„Sauber, soag i, aber gut gesagt. Was studierens denn?“

„Germanistik, Philosophie und Volkswissenschaft und nebenbei Psychologie. Ich komme aus einer Lehrerfamilie, spiele Cello in der Meisterklasse der Musikhochschule in Wien, malträtiere das Klavier, manchmal die Geige und die Gitarre. Reicht das fürs Erste, Madame von Giebel?“, fragte Diether schmunzelnd.

„Vorläufig, ja. Wenn’s meinst, Bua. I denk, dass mei Dirndl die richtige Wahl getroffen hat, na, dös werden wir ja dann sehen, salut Diether! Du kannst mir mein Töchterl noch amoal geben! Dank dir recht schön!“

„Ulli, sie fragt nach dir.“ Er reichte ihr den Hörer zurück.

„Du bist ja fei a Schlitzohr, Dirndl. Schaun wir mal, er hört sich gut an, seine Reden haben mir gut gefallen. Also, grüß mir das Mariele, die Fee und die beiden g’standenen Mannsbilder, pfüet di, Ulli, bis später!“

„Pfüet di Mutzi. Servus!“ Beide legten die Hörer auf.

„Was war denn das?“, bemerkte Urs zu dem abrupten Ferngespräch von Ullis Mutter.

„Frag mich was Leichteres, Urs, ich weiß es nicht. Vielleicht muss sie erst einmal verdauen, was ich ihr da auf die Schnelle mitgeteilt habe. Wahrscheinlich war das Ferngespräch mit Diether gerade ausschlaggebend, wer weiß. Die Mutzi ruft bestimmt noch einmal an. Mariele kennt das schon“, prophezeite Uschi an Urs gewandt.

„Du Ursi, wenn der Eindringling wieder eine Wanze eingesetzt hat, dann bekämen seine Hintermänner doch mit, was wir eben besprochen haben?“, fragte Uschi bang.

„Nein, das konnte er nicht, weil die Sprechmuschel des Hörers zu flach ist, sodass das kleine Etwas keinen Halt darin gehabt hätte. Mit großer Bestimmtheit wäre ein Rauschen zu hören gewesen, Kleines. War etwa ein Piepsen da?“, erkundigte sich Urs.

„Mutti hätte natürlich etwas gesagt, aber sie war klar zu verstehen“, bemerkte Ulli dazu.

„Aber ich werde vorsichtshalber nachschauen, Ursula. Du hast mich da auf eine Idee gebracht“, erwiderte der Leutnant und ging zurück in sein Büro. Uschi gesellte sich zu den Damen, die bei Diether in der Schmökerecke saßen. Diether rauchte seine Pfeife und die Damen ihre Peter Stuyvesant.

„Kleines, deine Mama war ganz reizend, ich hätte bald auch Mutz zu ihr gesagt. Sie hörte sich so leicht und beschwingt an, als ob sie einen Schwips gehabt hätte.“

„Kruzitürken, da kannst du recht haben. Dann hat sie im Geschäft einen Vertreterbesuch gehabt. Mitte August kommt dieser Herr Waller immer für Landhausmoden und -stoffe. Er bringt meiner Mutter dann einen Piccolo mit. Dieses Flascherl wird sie bei einem guten Geschäftsabschluss getrunken haben. Deswegen war sie auch so aufgekratzt.“

„Ursula, wenn sie noch einmal mit dir telefoniert, werde ich ihr die Leviten lesen. So etwas, ohne uns zu begrüßen, einfach aufgelegt. Aber wir wissen ja jetzt, weshalb, es soll ihr verziehen sein“, meinte Mariele gnädig und lachte.

Fee musste gleichfalls lachen und meinte spitzbübisch: „Oh mon dieu, Mariele, weißt du noch? Alkohol verträgt die liebe Pia überhaupt nicht, n’est-ce pas?“

„Meine kleine Uschi! Was haben wir gelacht, damals im Internat in Interlaken, wenn sie einen Schwips hatte. Dann lachte sie ununterbrochen und kicherte.“

„Oui, Fee, nun, wo du es sagst, fällt es mir wieder ein“, antwortete die Baronin. „Der werde ich das nächste Mal gehörig einheizen, wenn sie sich am Telefon meldet.“

Urs kam freudestrahlend aus dem Arbeitszimmer und meinte schadenfroh: „Schaut mal, was ich hier habe! Dieser blöde Kerl hat doch tatsächlich geglaubt, ich würde diese Wanzen nicht finden. Uschilein hat mich darauf gebracht. Da fiel mir dieses Spray ein, das wir für solche Dinge entwickelt haben, um diese Horcher unbrauchbar zu machen, gell mein Schatz“, sprach er zu seiner Frau. „Weißt, das habe ich nun benutzt und sie machten sich alle bemerkbar, sch, sch, sch.“

 

„Da hast du also in alle Ecken des Sekretärs hineingesprüht, Urs?“, fragte Mariele.

„Ja, das habe ich und dann machte es nur noch tut, tut, tut und diese monströsen Minisender oder Wanzen fallen dir einfach so in die Hände, das ist toll, viva Allegra! Freue dich, rufen wir Engadiner so aus, und das tun wir jetzt auch.“

„Und dann trinken wir alle zur Feier des Tages.“

„Willst wohl Abend sagen, Urs“, meinte Mariele lächelnd zu seinem Temperamentsausbruch. „Gut, dann trinken wir zur Freude heute Abend eine Flasche Champagner Brut, ist euch das recht?“, rief er ungestüm.

„Jawohl!“, erschallte es laut im Chor.

„Zuerst trinken wir zwei Mannsbilder einen Asbach Uralt, das brauchen wir jetzt, denn Kribbelwasser können wir später trinken, gell Diether?“ Er fasste ihn um die Schulter, der breitschultrige Urs Sutter den schmächtigen Freund von Ulli, der an der Brust von Urs fast noch schmäler wirkte als sonst. Marie-Theres entnahm dem Kühlschrank eine Flasche Brut und bat Uschi, sie zu öffnen. Dafür hatte man in der Küche ein Gerät, das die Korken ohne Knall öffnete.

„Wisst ihr zwei Bazis, wie ihr mir vorkommt? Als ob ihr in einer Bar stündet und beduddelt wärt. Mei, wenn dich dein Oberst Zurbriggen so sehen könnte“, prustete Uschi los, weil beide auch anfingen zu tanzen.

„Ehrlich, Kleines, dös macht nix“, grinste Diether, „Urs ist halt mein Freund, gell?“

Der nickte mechanisch mit dem Kopfe und sprach mit träger Zunge: „Du b...bist a...auch mein b...bester ami u...und wi...wir drei zu...zu...zusammen ge...gehen auf den Biancograt de...des Pi...Piz Bernina. Hicks. Okay? Hick, hick!“

Beide gingen zur Küchentüre hinaus und ins Wohnzimmer. Uschi lachte hinter ihnen her und dachte im Stillen bei sich: „Oh, diese Mannsbilder. Oh weh, wenn’s was getrunken haben, dann benehmen sie sich wie Kindsköpfe.“ Uschi füllte derweil die Gläser mit dem kühlen Nass, stellte sie auf ein Tablett und ging damit in den Salon. Sie hätte beinahe vor Lachen das Servierbrett fallen lassen, denn das Bild, das sich ihr bot, war einfach zum Brüllen. Da versuchten die zwei doch wirklich, Tango zu tanzen. Diether und Urs hatten die Flasche Cognac langsam leer gemacht und waren sehr berauscht. Gerade tanzten sie wieder mit vielen Verbeugungen und Kniefällen zu einem Menuett von Mozart. Die Schallplatte hatte die Baronin aufgelegt, als die zwei Wermutsbrüder aus der Küche kamen. Die beiden Damen lachten Tränen, sie konnten nicht mehr vor lauter Lachen.

Ursula stellte die Gläser mit dem Champagner auf den Couchtisch, nahm sich selbst ein Glas und trank es langsam aus. Dafür hatte sie nun eine klare Stimme. Sie bat Fee, die sich gerade die Lachtränen wegwischte, ans Klavier. „Hier, liebe Fee, hast du Noten aus der Lustigen Witwe, das Lied singe ich jetzt.“ Die Gräfin schlug die Tasten auf dem Piano an und spielte mit ein paar Akkorden aus Léhars Operette diese Melodie.

„Lippen schweigen, ’s flüstern Geigen, hab mich lieb, all die Schritte sagen bitte: Hab mich lieb. Jeder Druck der Hände erfreut des Menschen Herz, ’s wahr, ’s wahr, du hast mich lieb.“ So sang Uschi mit ihrer tollen Sopranstimme. Fee spielte weiter die Zwischenmelodien und Uschi sang noch einmal den gleichen Text. Dann schnappte sie sich Diether, Felicitas spielte weiter Musik und die beiden tanzten beschwingt den Walzer zu Ende. Anschließend küsste Diether Uschi schwungvoll, denn das gehörte dazu.

Urs sank neben Mariele aufs Sofa und meinte leise zu ihr: „Jetzt bekommst du auch einen Kuss.“

„Um mich so zu küssen, musst du erst einen in der Krone haben, Schatz?“, sagte sie atemlos. „Mir soll’s recht sein.“ Sie erwiderte den Kuss.

„So, liebe Freunde“, meinte die Gräfin, „es ist unbeschreiblich lustig bei euch, aber kurz vor Mitternacht brauche ich meinen Schönheitsschlaf, n’est-ce pas! Deshalb gehe ich jetzt in mein Himmelbett, gute Nacht!“ Sprach es und stürmte die Treppe nach oben.

„Also, Felicitas ist vernünftig, und dies sind wir auch gell, Diether!“ Uschi nahm ihn an die Hand. „A guets Nächtle euch beiden“, sagte Ulli grinsend und verschwand mit Diether in ihr Schlafzimmer.

„Ich glaube, Kleines, du musst mir beim Ausziehen helfen, alleine schaffe i…i…ich dös nimmer“, stotterte er. Ganz blass rannte er aus der Stuben und stürzte ins Bad. Diether war diese Menge Alkohol, die er mit Urs getrunken hatte, überhaupt nicht gewohnt. Zum Glück konnte er sich übergeben. Er ließ kaltes Wasser über seinen Puls laufen und wusch sich das Gesicht. „So, Diether“, dachte er bei sich, „nun bist du wieder nüchtern und kannst klar denken. Noch a bisserl kuscheln mit Ulli, dann werden wir sanft schlummern.“ Erfrischt kehrte er zurück ins Schlafstüberl und bemerkte, dass Uschi schon ihren Schlafanzug für die Nacht anhatte. Eine Flasche Quellwasser stand für ihn auf dem Nachttisch bereit. Sie reichte ihm ein volles Glas, das er in einem Zuge leertrank.

„Mei, Dietherle, geht’s dir jetzt besser?“

„Ach, Schatz, es wird langsam besser.“ Bei diesen Worten zog er sie an sich und meinte leise: „Kleines, da hab i den ganzen Tag drauf gewartet, dich zu umarmen und zu küssen!“ Er gab ihr einen Kuss auf die roten Lippen. Ihr jugendlicher Körper drängte sich an ihn und seine Hände wurden zärtlicher. Sie liebkosten sich erneut und Ulli streichelte Diether ebenfalls. „Also Schatz, ich werde meinen Pyjama anziehen, damit ich mich aufs Bett legen kann.“ Nach diesen Worten entledigte sich Diether seiner Kleidung und hängte sie akkurat über den Stuhl. „Schatzele, ich kann aber net mehr zu dir rüberkommen, das wird mir zu gefährlich, du kennst ja meine Situation. Und was ich versprochen habe, muss ich halten, gell, mein Schatz.“

„Natürlich weiß ich das, du Spökenkieker, du kannst ruhig zu deiner Ulli herkommen, ich tu dir nichts, verstanden, Bub?“ Diether setzte sich wiederum neben sie und Ursula kuschelte sich an ihn. „Bub, was wird, wenn wir uns im nächsten Jahr net sehen können, oder kommt das Treffen im Oktober auf der Strips doch noch zustande?“, fragte Uschi besorgt.

„Vielleicht treffen wir uns dann im Wettersteingebirge auf der Oberreintal Hütten beim Fischer Franzl, was meinst du, Kleines?“

„Eine hervorragende Idee, Bub, dann fällt unser Zusammensein gar net so auf, gell. Aber ich habe ein viel besseres Argument im Kopf. Was hat Urs noch mal von der Rigi erzählt?“

„Ach, du meinst das mit dem Ferienhaus? Das könnten wir zu einem späteren Zeitpunkt in Angriff nehmen. Oder wieder bei Mariele den Urlaub verbringen?“

„Lass das mal Mariele und Urs entscheiden, die reden mit meiner Mutter und wir überlegen, wo wir die Ferien verbringen.“

„Du, das machen wir, Schatz! Gute Nacht, Bussi!“

„Gute Nacht, Großer, schlaf gut.“ Bei diesen Worten machte Ursula das Licht aus und es dauerte nicht lange, da waren die jungen Leute eingeschlafen.

*

Uschis erster Albtraum

Mitten in der Nacht wachte Ulli plötzlich auf. Ein fürchterlicher Traum hatte sie geweckt. Lieber Gott, was war da gewesen? Sie hatte von Rosels Bruder geträumt: Er war mit dem BMW verunglückt. Ein Geisterfahrer wollte ihn rammen. Doch er hatte noch im letzten Augenblick ausweichen und das Steuer herumreißen können. Dafür landete er dann im Graben. Es war ihm nicht viel geschehen, da er sich immer anschnallte, bevor er losfuhr. Dies hatte ihm womöglich das Leben gerettet. Ja, so hatte sie es geträumt. Sie überlegte: „Was soll ich tun? Ich muss doch wissen, wie es ihm gesundheitlich ergangen ist. Ob er zu Hause ist? Ich werde anrufen, dann habe ich Gewissheit.“ Sie lief leise die Treppe hinunter in Urs Büro. Die Nummer der Angermayers hatte sie im Kopf, aber sie musste das Ferngespräch erst beim Fernmeldeamt in Pontresina anmelden. Hektisch schaute sie auf den Sekretär. Dann fand sie die Amtsnummer. Das Fräulein vom Amt meldete sich sofort, sie gab die Vorwahl von Deutschland und die Rufnummer an. Das Amtszeichen ertönte und eine verschlafene Stimme, die Rosel gehörte, meldete sich: „Ja, hier bei Angermayer, Herr Dr. Renner, haben Sie noch was vergessen oder – ist was mit meinem Bruder?“

„Rosel, hier ist Ulli Giebelmeyer aus der Schweiz, was ist mit Fritz? Ich habe geträumt, er wäre verunglückt und im Graben gelandet. Ist er im Hospital, liegt er im Traunsteiner Krankenhaus? Wie schlimm ist seine Verletzung?“, fragte Ulli ganz aufgeregt.

„Naa Madl, es hat ihn einer rammen wollen und er ist ihm ausgewichen. Zum Glück hat er nur ein paar Prellungen, eine leichte Gehirnerschütterung und einige Schürfwunden“, erklärte Rosel schlaftrunken. „Uschilein, schlaf gut, net aufregen. Der Bazi ist mal wieder zu schnell gefahren, es hätte schlimmer sein können. Aber du weißt ja, Unkraut vergeht nicht. Er ist es nicht wert, dass du dir Sorgen machst!“

„Ich mache mir absolut keine Sorgen wegen dem Hallodri Rosel, aber er ist ein Teil meiner Kindheit und wie ein Bruder für mich gewesen.“

„Ja, ich bin im Bilde, Ulli. Du meinst es gut mit ihm, er ist es nicht wert, host mi?“

„In Ordnung, Rosel, pfüet di, gute Nacht!“

„Gute Nacht, Ulli, i werd Grüße ausrichten und er wird sich sicher selber melden, wenn er erfährt, dass du angerufen hast.“

„Servus Rosel.“

„Servus Ulli!“

Sie legte den Hörer auf und dachte bei sich: „Dieser Malefiz-Bua. Na, mir sollst recht sein.“ Sie wollte sich zum Gehen wenden, da stand Diether plötzlich hinter ihr und fragte besorgt: „Was ist passiert, Kleines? Ist etwas mit deiner Mutter?“

„Ach, Diether, ich hab geträumt, Rosels Bruder wäre mit dem Auto verunglückt. Es kam ihm ein Geisterfahrer entgegen, aber er konnte ausweichen und ist im Graben gelandet. Darum habe ich bei Angermayers angerufen, da ich wissen wollte, ob es sich so zugetragen hat. Er hatte tatsächlich einen Unfall auf dem Heimweg von Rosenheim nach Trostberg. Er liegt im Krankenhaus von Traunstein. Verdammt, und ich dachte, es wäre mit der Träumerei endgültig vorbei. Herrschaftszeiten, jetzt geht das wieder los! Welche Geschichten werde ich wohl von dir träumen, Diether, wenn du in die Berge fährst, Karakorum und sonst wo hin.“

„Mei, Madl, du brauchst koa Angst haben um mich. Unsere Ausrüstung ist perfekt, wenn wir die Siebentausender besteigen. Auch net bei der Matterhorn-Nordwand, weil ich sie schon kenne. Mich reizt es nur, sie alleine zu durchsteigen!“, beruhigte er sie leise.

Mitten im Gespräch ging Marieles Schlafzimmertüre auf. Diese war ganz erstaunt, die beiden in Urs Arbeitsraum vorzufinden. „Nun sagt amoal, ihr Nachtgeister, was spukt ihr denn um halb vier in der Früh am Telefon? War mitten in der Nacht ein Anruf gekommen oder weshalb hockt ihr zwoa hier unten und seid’s nicht im Bett?“, fragte Mariele.

„Gut, auf die Schnelle, Tante: Ich hatte wieder einen Albtraum. Der Bruder meiner Freundin Rosel wäre verunglückt, und zwar mit dem PKW. Deswegen habe ich die Rosel angerufen. Und die hat mir bestätigt, was ich wieder einmal gesehen hatte.“

„Oh grüne Neune, geht das schon wieder los. Erst mit der Bande und jetzt das wieder, mein Gott, Madl.“

„Dös hab i zu Diether auch gesagt! Aber, Patentante, es ist, wie es ist, man kann nichts daran ändern, das hat der Psychologe damals gesagt“, antwortete Ursula traurig. „Denk an Tante Clarissa, bei ihr ist das Phänomen immer noch vorhanden, genau wie bei mir.“

„Nun, ihr zwei, aber marsch in die Federn, i hol mir mei Milli und bin auch gleich wieder in der Heia!“, sagte die Patentante und verschwand in der Küche. Die beiden gingen ebenfalls nach oben und legten sich wieder zum Schlafen nieder.