Superpower Periode

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Superpower Periode
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Maisie Hill

Titel der englischen Originalausgabe:

Period Power

Text Copyright © 2019 by Maisie Hill

Illustrations Copyright © 2019 by Jasmine Parker

ISBN der Originalausgabe 978-1-47296361-1

Published by Arrangement with Maisie Hill.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Verlag und Autorin haben sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemüht. Die englische Sprache kennt keine weiblichen und männlichen Formen von Substantiven, für die Übersetzung mussten daher Anpassungen vorgenommen werden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und aufgrund des Themas wurde im Text häufig die weibliche Form gewählt; alle Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige aller Geschlechter.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH

Eschbachstraße 5

79199 Kirchzarten

Deutschland

www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2020

Übersetzung: Beate Brandt

Lektorat: Nadine Britsch

Illustrationen: Jasmine Parker

Layout: Richard Kiefer

Umschlag: Favoritbüro, München

Satz & Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Printed in Germany

ISBN: 978-3-86731-230-1 (Paperback)

ISBN: 978-3-95484-408-1 (ePub)

ISBN: 978-3-95484-410-4 (PDF)

Für Mama, die den Samen für dieses Buch gelegt hat.

Und für Christine, die ihn zum Leben erweckt hat.

Wie Sie dieses Buch am besten lesen

Im ersten Teil geht es vor allem darum, Ihren Körper zu verstehen. Ich habe mich bemüht, die wichtigsten Punkte so aufzubereiten, dass das Ganze hoffentlich wenig mit den langweiligen oder verklausulierten Informationen zu tun hat, an die Sie sich vielleicht noch aus dem Biologieunterricht in der Schule erinnern. Sollten Ihnen die Informationen im Moment trotzdem zu sehr nach Fachchinesisch klingen, ist es vollkommen in Ordnung, wenn Sie zum zweiten Teil vorspringen, damit Sie die Zyklusstrategie gleich für sich nutzen können. Bei Bedarf können Sie immer noch bestimmte Dinge gezielt im ersten Teil nachlesen. Am Ende des Buchs finden Sie zudem ein Glossar, in dem Sie einzelne Begriffe nachschlagen können.

Hinweise des Verlags

Dieses Buch dient der Information über Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge. Wer diese Informationen anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Autorin und Verlag beabsichtigen nicht, Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die vorgestellten Vorgehensweisen sind nicht als Ersatz für professionelle Behandlung bei ernsthaften Beschwerden zu verstehen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil 1: Lernen Sie sich selbst kennen

Kapitel 1: Die berühmt-berüchtigte Vagina

Kapitel 2: Flecken im Schlüpfer

Teil 2: Die Zyklusstrategie

Kapitel 3: There will be blood – Winter

Kapitel 4: Let’s get this party started – Frühling

Kapitel 5: Don’t stop me now – Sommer

Kapitel 6: Highway to hell – Herbst

Kapitel 7: Ch-ch-ch-ch-changes – Veränderungen

Teil 3: Selbstfürsorge

Kapitel 8: Wie Sie gut für sich sorgen

Kapitel 9: Wenn es nicht rund läuft

Nachwort

Anhang

Glossar

Ressourcen

Danksagung

Über die Autorin

Einleitung

In meinem Beruf als Gesundheitsexpertin für Frauen werden mir jede Menge Fragen gestellt – Fragen, mit denen sich meine Klientinnen teilweise herumschlagen, seit sie 13 waren und auf die sie mit 30 noch immer keine befriedigende Antwort erhalten haben. Die meisten davon beginnen mit „Warum“, beispielsweise:

• Warum ist meine Blutung so schmerzhaft / kurz / leicht / lang / schwer?

• Warum bekomme ich meine Regel so häufig / unregelmäßig / selten?

• Warum habe ich keine Menstruation mehr?

• Warum fühle ich mich in der einen Woche großartig und in der nächsten schrecklich?

• Warum ist meine Scheide so trocken / feucht / empfindlich?

• Warum habe ich manchmal / immer Schmerzen beim Sex?

• Warum will ich gar keinen Sex haben?

• Warum habe ich ständig Lust auf Sex?

• Warum bin ich dauernd müde?

• Warum bin ich manchmal so aufgebläht, dass ich zwei Kleidergrößen mehr brauche?

• Warum bin ich so ängstlich, gestresst, schlecht gelaunt?

• Und warum bin ich so wütend und aggressiv?

Die Antwort auf all diese Fragen ist im Grunde die gleiche – es sind Ihre Hormone. Einmal abgesehen vielleicht von der Wut, die Sie spüren, denn diese könnte durchaus damit zu tun haben, dass Frauen in unserer Gesellschaft den Großteil der unbezahlten Arbeit und emotionalen Leistung erbringen, und all das kostet Kraft. Deshalb versuchen Ihre Hormone, Sie auf diese ungerechte Verteilung aufmerksam zu machen.

Hormone beherrschen das Leben aller Menschen – nicht nur das von Frauen. Es handelt sich um chemische Botenstoffe, die von Drüsen im Körper abgegeben werden und dann durch den Blutkreislauf zu bestimmten Organen und Geweben wandern. Dort stoßen sie bestimmte Prozesse an, die unser Verhalten und unsere Gesundheit steuern. Wenn Sie „hangry“ sind (eine Zusammensetzung aus den engl. Begriffen angry für wütend und hungry für hungrig), dann sagen sie Ihnen, dass Sie etwas essen sollen. Sind Sie im Stress, dann bringen sie das Herz dazu, schneller zu pumpen, damit Sie entweder in den Kampfmodus gehen oder die Flucht ergreifen können. Und am Ende des Tages geben sie das Signal, dass es Zeit ist, ins Bett zu gehen. Hormone kontrollieren auch Ihren Zyklus und bewirken oder tragen dazu bei, dass Energieniveau, Stimmung und sexuelle Lust schwanken und sich Ihr Körper und Ihr Verhalten im Verlauf eines jeden Menstruationszyklus immer wieder verändern.

In den folgenden Kapiteln werde ich Ihnen alle Informationen geben, die Sie benötigen, um Ihren Zyklus zu verstehen. Mehr noch, Sie erhalten praktische Vorschläge, wie Sie Ihre Symptome lindern können. Wir werden wichtige Meilensteine und Themen im Leben einer Frau betrachten, wie die Teenagerzeit, den Einsatz hormoneller Verhütungsmittel, Unfruchtbarkeit, Mutterschaft und die Jahre rund um die Menopause (die sogenannten perimenopausalen Jahre). All dies gehört zur Zyklusstrategie, die Sie schon bald als Ihre Geheimwaffe zu schätzen wissen werden, wenn es um die Verbesserung Ihrer Beziehungen, Ihrer Karriere und Ihrer Gesundheit geht.

Sie werden entdecken, wie Sie Ihr tägliches Leben bestmöglich in Einklang mit Ihrem Zyklus führen können. Dabei erwartet natürlich niemand, dass Sie in der Lage sind, Ihren Alltag komplett an Ihren jeweiligen Zustand anzupassen, denn das wäre wohl kaum realistisch. Aber ich bin zuversichtlich, dass Sie hier und da kleine Veränderungen vornehmen können, und sollte das einmal nicht klappen, gibt es immer noch Ausgleichsmöglichkeiten, die die schwierigeren Tage zumindest ein wenig erleichtern. Zumindest aber wissen Sie, was los ist, und spenden sich selbst Trost und liebevolle Zuwendung, anstatt sich niederzumachen. Ich empfinde die Zyklusstrategie als wirkliche Unterstützung, weil sie eine Blaupause vorgibt, wie wir mit unseren eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet umgehen können, wie auch immer diese aussehen mögen, und wir so in Zukunft gut mit unserem Zyklus leben können.

Bevor wir beginnen, möchte ich hier noch kurz einige Dinge klarstellen. In diesem Buch geht es um das Verbessern der hormonellen und Menstruationsgesundheit. Ich bin eine überzeugte Anhängerin der gesundheitlichen Vorteile, die ein Menstruationszyklus mit sich bringt, und ich glaube, dass er sich positiv auf Ihr Leben auswirken kann. Trotzdem erlaube ich mir kein Urteil über Frauen, die hormonell verhüten, was beispielsweise bei der Pille bewirkt, dass der Menstruationszyklus ausgeschaltet wird. Bedenklich finde ich allerdings, dass die Pille zur Behandlung von Störungen des Menstruationszyklus eingesetzt wird, denn sie kann möglicherweise zwar die Symptome lindern, behandelt aber nicht die zugrunde liegenden Probleme. Dennoch bleibt alles, was Sie für Ihre geistige oder körperliche Gesundheit tun, allein Ihre Entscheidung. Es ist Ihr Körper und Ihr Leben und ich möchte Sie ermutigen, auf Ihre innere Weisheit und Körperintelligenz zu hören.

 

Das vorliegende Buch ist ein sachbezogener Ratgeber zum Thema Hormone und Zyklus. Es zeigt anhand von wissenschaftlichen Grundlagen auf, warum jeder Zyklus Ihnen eine ganze Reihe von Superkräften beschert und wo die Fallstricke sind, auf die Sie achten sollten. Wir sind alle verschieden, und die Wissenschaft kann keine Antworten auf alle Fragen liefern, aber ein neugieriger und entdeckungsfreudiger Geist vielleicht schon!

Natürlich tut sich in der Forschung mehr, als ich hier wiedergeben kann. Ich musste daher bewusst entscheiden, was ich in dieses Buch aufnehme und was nicht. Wenn ich Ihnen sage, dass man schon allein über ein Thema dieses Buchs eine ganze Doktorarbeit schreiben kann, dann haben Sie einen ungefähren Begriff davon, was ich alles auslassen musste. Natürlich steht es Ihnen frei, auf Grundlage der hier enthaltenen Informationen loszugehen und eigene Forschungen anzustellen! Hierfür wird der Anhang mit den Ressourcen und Referenzen besonders hilfreich sein.

Sie erhalten mit diesem Buch jede Menge praktische Werkzeuge, um die tief greifende innere Arbeit zu tun, die notwendig ist, um sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen, einschließlich der Anforderungen, die es mit sich bringt, eine Karriere zu haben und sie mit Ihren Beziehungen und vielleicht einer Mutterschaft in Einklang zu bringen. In diesem Buch mache ich keine Annahmen darüber, ob Sie in einer Beziehung leben oder Kinder haben (möchten). Ich gehe auch nicht davon aus, dass Sie sich selbst notwendigerweise als weiblich empfinden. Die meisten Bücher über Fortpflanzung und Sexualität benutzen immer noch cissexuelle (Anm. d. Übers.: Der Begriff Cissexualität, auch Zissexualität oder Cisgender, steht für Menschen, die mit einem bestimmten biologischen Geschlecht geboren werden und sich auch damit identifizieren, im Gegensatz zum Transgender.) Begriffe und Bezugsrahmen, etwa das Bezeichnen von Hormonen als „männlich“ oder „weiblich“ oder aller Menschen mit einer Gebärmutter als „Frauen“, was problematisch ist. Wenn wir Testosteron beispielsweise als männliches Hormon bezeichnen, dann ordnen wir alles, womit es in Verbindung gebracht wird – Ehrgeiz, sexuelles Verlangen und Muskelmasse – Männern zu, und das tut all jenen mit einem weiblichen Fortpflanzungssystem unrecht, weil diese Faktoren auch in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen. Nicht jeder Mensch, der eine Frau ist, verfügt über einen Menstruationszyklus oder eine Gebärmutter, und ebenso ist nicht jeder Mensch, der menstruiert oder eine Gebärmutter besitzt, eine Frau. Es ist mir wichtig zu respektieren, dass Menschen aller Geschlechtsidentitäten einen Menstruationszyklus haben können. Daher habe ich möglichst auf den Einsatz von Pronomen verzichtet, um eine inklusive Sprache zu verwenden, die diese Diversität widerspiegelt. Der hierfür von mir teilweise verwendete Begriff der „menstruierenden Person“ ist nicht immer ideal, denn wenn Sie gerade nicht Ihre Regel haben, dann fühlen Sie sich womöglich nicht angesprochen. Auch kann es sein, dass Menschen sich auf eine Körperfunktion reduziert fühlen. „Menschen mit Periode“ klingt vielleicht ein wenig besser, auch wenn es das zuvor angesprochene Problem nicht löst. In den Fällen, in denen ich die Worte „Mädchen“ oder „Frau“ verwende, spiegele ich damit entweder die Sprache der zitierten Forschungen wider (hier wollte ich nicht sprachlich eingreifen, da es praktisch keine Forschungsergebnisse zu Menstruation und Transgendern gibt), oder ich verwende sie, um das Patriarchat zu verdeutlichen. Ich hoffe, dass meine Sprachwahl so ausgewogen und inklusiv ist, wie es meiner Intention entspricht.

In jedem Fall gehe ich davon aus, dass Sie jemand sind, der es verdient zu erfahren, was sich Monat für Monat in Ihrem Körper abspielt, und dass Ihnen daran liegt, Ihr Leben einfacher und angenehmer zu gestalten. Wenn Sie sich bewusst durch Ihren Menstruationszyklus zu bewegen wissen, dann sind Sie im Fluss. Ich bin mit dem Glauben aufgewachsen, dass meine biologische Ausstattung mir im Leben eher im Weg stehen und Ärger bescheren würde. Ich lernte nicht, meinem Körper zu vertrauen. Dieses Buch erwuchs aus dem Wunsch, gegen diese Überzeugungen anzugehen und zu zeigen, dass unsere Physiologie eine Superkraft ist und uns keineswegs ausbremsen muss. Der Menstruationszyklus wird nur selten beachtet, aber ich hoffe, dass Sie am Ende dieses Buchs erkannt haben werden, dass er das am wenigsten genutzte und geschätzte Werkzeug zur Verbesserung unseres Lebens darstellt.

Ja, wir sind hormongesteuerte Wesen – und das ist auch gut so.

Meine eigene Geschichte

Ich hatte früher mit extremen Regelschmerzen zu kämpfen, und wenn ich extrem sage, dann meine ich das genau so. Ich musste mich an öffentlichen Orten auf den Boden legen, weil ich nicht mehr stehen konnte. Ich wusste oft nicht, wie ich es nach Hause schaffen sollte, wo ich mich verkriechen konnte. Regelmäßig wachte ich mit extremen Schmerzen auf und ließ mir um zwei Uhr nachts heiße Bäder ein, während ich verzweifelt darauf wartete, dass die Schmerztabletten endlich wirkten. Manchmal hatte ich das Gefühl, mein Steißbein und meine Hüften würden unter dem Druck zerbrechen. Ich habe mir drei Monate in Folge die Haut so stark verbrannt, dass ich Brandblasen bekam, weil eine heiße Wärmflasche das einzige Mittel war, das bei den rasenden Schmerzen wenigstens etwas zu helfen schien. Es gab Momente, in denen ich kurz davor stand, den Rettungsdienst zu rufen und die Sanitäter um Morphium anzubetteln.

Ich habe Jahre damit verbracht, diesen Schmerz zu heilen – am Anfang eher halbherzig, dann nahezu mit Besessenheit. Akupunktur, chinesische Kräuter, westliche Kräuter, Osteopathie, Reflexzonenmassage, Massage, Homöopathie, Ernährung, Achtsamkeit für den Menstruationszyklus, kognitive Verhaltenstherapie, Psychotherapie, Heilung durch Handauflegen, Yoga, Scheidung, Masturbation … Ich habe wirklich nichts ausgelassen. Ich habe flehentlich um Schmerzlinderung gebeten, im Stillen und bei Ärzten. Ich habe Unmengen von Schmerzmitteln genommen und muss sagen: ein Hoch auf alle Schmerzmittel, seien sie natürlich oder pharmazeutisch. Ich weiß nicht, was ich ohne sie getan hätte.

In den vergangenen fünf Jahren haben mich Regelschmerzen nicht mehr belastet. Mein eigener Heilungsweg war auch der Grund, warum ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, andere Menschen dabei zu unterstützen, ihre Menstruations- und Hormonprobleme zu verstehen. Inspiriert wurde ich dabei von den weisen Frauen, von denen ich behandelt wurde und deren Therapieformen mich fasziniert haben. Ich habe mittlerweile einen Bachelor in Akupunktur sowie Diplome in Arvigo®-Therapie (Arvigo Techniques of Maya Abdominal Therapy®, kurz ATMAT, eine Form der Unterleibsmassage, siehe Seite 343), Aromatherapie und Reflexzonenmassage. Dann bin ich noch – wissbegierig, wie ich nun einmal bin – bei verschiedenen weltweit führenden Vertretern des wachsenden Felds der Menstrualität in die Lehre gegangen und habe erfahren, wie Ernährung und Lebensweise unseren Zyklus beeinflussen können und welche psychologischen Auswirkungen er hat.

Nach und nach konzentrierten sich mein persönliches ebenso wie mein Berufsleben immer stärker auf die Menstruationsgesundheit, und weil ich mich ja sozusagen selbst in den Dienst der Sache gestellt und so viele verschiedene Wege ausprobiert hatte, um meine eigene Gesundheit zu verbessern, wusste ich, wie ich Ratsuchenden helfen konnte und welche Techniken für ihre spezielle Situation oder ihren Zustand geeignet sein könnten. Der eine Ansatz aber, der sich für alle am einfachsten und effektivsten umsetzen ließ, war das Wissen darum, was tatsächlich in einem Menstruationszyklus abläuft und wie man seinen Alltag möglichst gut auf die eigenen Rhythmen und Bedürfnisse abstimmt. Immer wieder wurde ich gebeten, Diagramme zu zeichnen und Stichpunkte zu notieren, damit diese mit Freunden geteilt werden konnten. Aus diesem Grund begann ich irgendwann, neben meiner Einzelarbeit auch Workshops zur Menstruationsgesundheit zu geben. Hier wurde es dann erst richtig interessant, und meine Arbeit nahm neue Dimensionen an, denn es ist etwas sehr Machtvolles und Beeindruckendes, in einer Gruppe von Frauen zusammenzusitzen und gemeinsam die jeweiligen Zyklen zu erforschen. Die Teilnehmerinnen weinten. Ich weinte. Wir äußerten unsere Wut darüber, dass niemand uns diese wichtigen Informationen gegeben hatte, als wir vierzehn waren, oder dreißig, oder vierzig. In einigen Fällen sogar fünfzig. Es gab Frauen, die darum trauerten, aufgrund der Menopause keine Blutungen mehr zu bekommen, sodass sie das Wissen nicht mehr aktiv anwenden konnten. Aber sie zeigten auch Erleichterung, weil sie endlich verstanden, was während ihrer Menstruationsjahre abgelaufen war. Wir trauerten auch darum, dass niemand unsere Mütter aufgeklärt hatte, sodass sie ihrerseits nichts an uns hatten weitergeben können. Wir entdeckten die Themen, die uns miteinander verbanden – die eigene Geschichte und die der anderen waren oft ähnlich. Immer mehr Frauen kontaktierten mich und wollten liebend gerne zu einem Workshop kommen, aber die Entfernung sei einfach zu groß. Alle fragten sie, ob es noch einen anderen Weg gebe, mit mir zu arbeiten. Und so entstand die Idee zu diesem Buch.

Die Zeiten ändern sich

Die Idee, dass die Periode eine Art Zeugnis über die Gesamtgesundheit abgeben kann, stammt vom American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG), der größten gynäkologisch-geburtshilflichen Fachgesellschaft in den USA. Im Jahr 2015 empfahl die ACOG, dass der Menstruationszyklus als eine Art fünfter Vitalwert angesehen werden sollte, wenn es um die Gesundheit menstruierender Teenager geht, wobei einige Experten die Meinung vertraten, dass dies auf das gesamte gebärfähige Alter einer Frau ausgedehnt werden sollte, und dem kann ich absolut zustimmen.

Die Medienorganisation NPR (National Public Radio) ernannte das Jahr 2015 zum „Jahr der Periode“, weil sich die Verwendung des Wortes „Menstruation“ in den Nachrichtenbeiträgen zwischen 2010 und 2015 verdreifacht hatte, vor allem dank so prominenter Beiträge wie jenem über die Zensur eines Fotos von Rupi Kaur, das sie auf einem Bett liegend zeigt mit Blutflecken auf ihrer Hose und dem Laken, oder dem Marathonlauf von Kiran Gandhi in London, bei dem sie nichts tat, um ihre Blutung zu stoppen. Und dann war da noch die Reaktion auf Donald Trumps spöttische Bemerkung über Megyn Kelly, die die Bewegung #PeriodsAreNotAnInsult ins Leben rief. Gleichzeitig wurden die Rufe zur Abschaffung der Steuer auf Tampons, Binden und andere Menstruationsprodukte immer lauter. Schließlich ist es wirklich unverständlich, dass Tampons besteuert werden, Orangenkekse und Viagra aber nicht. (Die Aussage betrifft UK; in Deutschland werden seit 2020 Menstruationsprodukte nur noch mit 7 statt 19 Prozent besteuert; Anm. d. Übers.)

Es geht also voran. Nach einem erfolgreichen Pilotversuch hat die schottische Regierung mehr als 500 000 britische Pfund für einen Plan ausgegeben, demzufolge Haushalte mit niedrigem Einkommen kostenlos Menstruationsartikel erhalten, und vor Kurzem wurde damit begonnen, sie an Schüler und Studenten an allen Schulen, Colleges und Universitäten auszugeben. Leider haben die konservative Regierung in England und das englische Kultusministerium nicht mitgezogen.

Die Kampagne #freeperiods, angeführt von der Teenager-Aktivistin Amika George, erhielt massive öffentliche Unterstützung, und nach einer von der Organisation The Pink Protest organisierten Demonstration vor dem Parlament in London verpflichtete sich die Regierung tatsächlich, Mittel in Höhe von 15 Millionen britischen Pfund bereitzustellen, um die Periodenarmut in Großbritannien anzugehen – ein wahrhaft unglaubliches Ergebnis. Doch obwohl gleichzeitig angekündigt wurde, auch die Tampon-Steuer abzuschaffen, und der britische Ärzteverband (BMA) einen Antrag zur Beendigung der Periodenarmut unterstützte, besteht die Steuer immer noch.

Zum Glück gibt es einige Politiker, die sich dafür einsetzen, dass das Thema auf dem Tisch bleibt. Die Abgeordnete Danielle Rowley stand kürzlich im britischen Parlament auf und verkündete, dass sie gerade ihre Tage habe (Faustcheck, Schwester!). In den USA war der demokratische Abgeordnete Sean Maloney aus New York schockiert, als die Verwaltung ihm Kosten in Höhe von 37,16 US-Dollar nicht erstattete, die in seinem Büro für Tampons für Mitarbeiter und Besucher angefallen waren. Laut Mahoney sollten wir „damit aufhören, so zu tun, als wäre der tägliche Bedarf einer Frau etwas, mit dem wir nicht umgehen können.“ Männer, die sich für die Sache einsetzen wollen, dürfen sich gerne ein Beispiel an Maloney nehmen!

 

Eine zunehmende Zahl an Universitäten und Unternehmen stellt Studenten, Mitarbeitern und Besuchern kostenlose Menstruationsprodukte zur Verfügung. Kenia und Uganda haben ihre Steuern auf Menstruationsprodukte abgeschafft und Indien hat die 12-Prozent-Steuer auf Binden gekippt. In Kanada wurde die Mehrwertsteuer auf Binden und Tampons 2015 abgeschafft, ebenso wie in sechs US-Bundesstaaten, und es sieht so aus, als würde Australien in Kürze nachziehen.

Das sind durchaus Fortschritte, aber sie reichen nicht aus, denn es geht nicht nur um den Zugang zu Produkten, der vereinfacht werden muss. Wenn wir daran arbeiten wollen, die Scham und den Makel zu beseitigen, die häufig noch immer mit der Regelblutung verbunden sind, dann müssen wir weiter gehen. Wir müssen den Zugang zu Informationen und Bildung verbessern und lernen, eine andere Sprache zu verwenden, wenn wir über die Menstruation sprechen. In unserer Gesellschaft ist es die Schwangerschaft, und folglich das Fehlen einer Blutung, die gefeiert wird, und solange wir als reine „Fortpflanzungsgefäße“ betrachtet werden, bleibt unsere Menstruation etwas Ekliges und Verborgenes, ein Zeichen unserer Unfähigkeit, uns fortzupflanzen, statt unsere Fähigkeit als „Zuchtstuten“ zu erfüllen. Bei dem Stigma, das die Sprache und das Verhalten rund um die Periode dominiert, geht es vor allem um die Scham über einen fehlgeschlagenen Zyklus. Wenn Menstruationsartikel als weibliche Hygieneprodukte bezeichnet werden, dann lässt sich daraus ableiten, dass wir wohl schmutzig und unhygienisch sind. Und dann gibt es da noch die neue Tampon-Produktlinie von Tampax® mit dem Namen „Pure and Clean“ – denn auch wenn man einen Tampon benutzt, kann man ein braves Mädchen sein, Jungfrau bleiben, wie es sich gehört, und dazu noch sauber und rein sein.

Einige Unternehmen nehmen zugegebenermaßen Tabus in Angriff. Erstaunlicherweise ist niemals eine tatsächliche Damenbinde in einer Anzeige aufgetaucht, bis Bodyform® im Jahr 2016 eine echte zeigte. Gleichzeitig räumte die Firma mit dem Mythos der blauen Ersatzflüssigkeit auf, und zeigte eine rote Flüssigkeit, ebenso wie Blut, das am Bein einer Frau entlanglief, während sie duschte. In Indien gibt es den Mythos, dass Mädchen und Frauen während ihrer Periode eingelegtes Gemüse verderben lassen können. Folglich stieß die Werbekampagne #touchthepickle für Binden von Procter & Gamble mit dem Markennamen Whisper® auf viel Aufmerksamkeit und gewann sogar einen Preis in Cannes. Dennoch sollten wir wachsam bleiben, wenn Unternehmen unter dem Deckmantel des Aktivismus mitmischen wollen. Als die Procter & Gamble-Marke Always® in einer (Marketing-) Kampagne ankündigte, der Periodenarmut ein Ende setzen zu wollen, indem für jede im April 2018 gekaufte Packung Always-Ultra-Binden die läppische Spende von einer Binde ermöglicht werden sollte (die Kampagne ging tatsächlich nur über einen Monat!), wurde dem Unternehmen zu Recht vorgeworfen, aus Armut Profit schlagen zu wollen. Gabby Edlin, Gründerin von Bloody Good Period – einer Organisation, die gespendete Menstruationsartikel an Asylsuchende, Flüchtlinge und alle weitergibt, die sie sich sonst nicht leisten könnten – kommentierte die Kampagne so: „Sie erheben nicht ihre Stimme. Sie setzen Periodenarmut lediglich als Marketingwerkzeug ein. … Weniger hätten sie gar nicht tun können.“ Im Gegensatz dazu stehen Unternehmen wie Hey Girls, Conscious Period und Ruby Cup, die für jedes gekaufte Produkt das gleiche Produkt einmal spenden. Die Firma The Cup Effect verkauft Menstruationstassen auf gemeinnütziger Basis und für jede gekaufte Tasse werden zwei Tassen an Menschen gespendet, die unter Periodenarmut leiden.

Wie also ändern wir die Weise, in der man über die Blutung spricht? Wir müssen unsere Geschichten erzählen, denn es sind vor allem Gespräche, die die Menstruationsbewegung voranbringen. Je häufiger wir über unsere Erfahrungen und Probleme sprechen, umso weniger lassen sie sich ignorieren. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menstruationszyklen ausgeblendet oder abqualifiziert werden, weil sie nur eine Hälfte der Bevölkerung betreffen. Menschen mit einer Gebärmutter sind keine Randgruppe.

In ihrem ausgesprochen amüsanten und zutreffenden Essay aus dem Jahr 1978 mit dem Titel „Wenn Männer menstruieren könnten“ beschreibt die Autorin, Aktivistin und Feministin Gloria Steinem, dass „die Menstruation zu einem beneidenswerten maskulinen Ereignis würde – Männer würden prahlen, wie lange und wie viel sie bluten.“ Und es gäbe sicher ein passendes Emoji dazu – etwas, das die Hilfsorganisation Plan UK fordert, um das Gespräch über die Regel zu fördern. In ihrer Begründung gibt die Organisation an, dass „Frauen und Mädchen im 21. Jahrhundert immer noch nicht die am schnellsten wachsende globale Sprache nutzen können, um über ihre Periode zu reden.“ Sicherlich würde ein roter Tropfen – das von Plan UK vorgeschlagene Emoji – häufiger genutzt als ein schwebender Mann im Raumanzug? (Den roten Tropfen gibt es inzwischen; Anm. d. Übers.)

Ein einfacher Akt der Revolution besteht darin, mehr über den eigenen Körper zu lernen, seinen Zyklus näher zu erkunden und die eigene Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Experten in Hormon- und Reproduktionsgesundheit können dabei ebenso wie die wachsende Anzahl an medizinischen Hilfsgeräten, die mittlerweile auf dem Markt sind, eine große Hilfe darstellen, aber Sie benötigen sie nicht wirklich, um sich selbst kennen zu lernen. Alles, was Sie benötigen, sind Informationen, damit Sie verstehen lernen, was in Ihrem Körper vor sich geht, und dazu noch einen Stift und Papier, damit Sie festhalten können, wie Sie sich jeweils fühlen. Wenn Sie außerdem Buch darüber führen möchten, wie sich Ihre Körpertemperatur im Verlauf eines Zyklus verändert, damit Sie Ihren Eisprung bestimmen können, benötigen Sie zusätzlich ein digitales Thermometer.

Unsere Körper sind lange Zeit gegen uns eingesetzt worden und haben uns Positionen mit Einfluss und Macht verwehrt, aber eine Trendwende hat eingesetzt, und es ist an der Zeit, einen Nutzen aus dem zu ziehen, was unsere Hormone für uns tun können.