Pommerles letztes Schuljahr

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Andreasnacht



Als Pommerle am nächsten Tage aus der Schule kam, überreichte ihr die Mutter einen Brief. »Der Jule schreibt schon wieder, Pommerle. Merkwürdig, wie fleißig unser junger Tischler im Briefschreiben geworden ist.«



Pommerle drückte zunächst den blauen Umschlag zärtlich ans Herz, dann riß sie ihn ungestüm auf. »Wollen mal schauen, was er wieder will!«



Das erste, was ihr entgegenleuchtete, war ein großer Tintenfleck. »Ohne den geht es nun einmal nicht«, lachte das junge Mädchen. »Auch im vorigen Brief war solch ein schwarzer Gruß. – Der Jule ist ein liebes Ferkel. Doch das wird ihm seine Appi schon noch abgewöhnen.«



»In seiner Facharbeit ist er sehr sauber und ordentlich, mein liebes Kind.«



»Ja«, entgegnete Pommerle mit leuchtenden Augen. »Ich glaube, er ist einer der besten Tischler, die es gibt. Meister Rispe hätte ihm sonst niemals seine Tochter gegeben.«



»Vorgestern hat dich der Jule zu seiner Hochzeit eingeladen; vielleicht widerruft er heute die Einladung.«



»Mütterchen – nur das nicht! Ich freue mich schon schrecklich auf den achtundzwanzigsten Dezember!«



Dann beugte sich Pommerle über den Brief und las. Mitunter ließ sie lautes Lachen hören, so daß Frau Bender fragte: »Was will er denn, der gute Jule?«



»Imponieren will er seiner Appi, darum hat er angefangen, englisch zu lernen. Er schreibt aber alles falsch. – Sieh mal, Mütterchen: ›

Dir Pommerle

! Ich muß dir heute etwas wichtiges mitteilen.

Mei homo ist mei Kästel

. Das zuerst als Mitteilung! Nun weiter:

 Dir Pommerle

! Ich werde jetzt bald vor dem Standesamt aufgehenkt und bleibe dort drei Wochen hängen. Dann nimmt man mich herein und ich bin zum heiraten fertig. Jeder Verlobte muß so gehenkt werden, damit nicht einer mit Ansprüchen kommt und ihn wegen früher heiraten will. Du hast doch gesagt, du willst mir nur Freundin und Schwester sein. Aber deswegen frage ich

tu day

 noch einmal an, ehe ich aufgehenkt werde. Meine Appi hat schon eine schöne Aussteuher und mein Meister ist noch glücklicher, weil er einen so tüchtigen Schwiegersohn kriecht. Also,

Dir Pommerle

, am achtundzwanzigsten Dezember. Verwexle den Tag nicht! Wegen deiner dummen Schule habe ich meinen Freudentag verschieben müssen, sonst könnte Appi schon

Miss

 Kretschmer sein. Aber nun muß sie bis zu deinen Ferien warten. Schreibe sofort, ob du wirklich nicht daran denkst, daß du einst meine Frau werden wolltest, denn ich will mich hengen sehen! Ich habe englisch gelernt, weil

mei homo ist mei Kästel

 werden soll! Appi kann auch englisch. Vielleicht machen wir unsere Hochzeitsreise deswegen nach Italien. –

I love you

. Dein Jule!‹«



»Für Italien wird ja sein Englisch reichen«, lachte Frau Bender. »Jule, Jule, du bist und bleibst der alte treuherzige, liebe, dumme Junge!«



»Halt, Mütterchen, hier steht noch etwas an der Seite!«



»So lies es vor, Pommerle.«



»Möge dir,

my Dir Pommerle

, in der Andreasnacht der Herzallerliebste erscheinen, damit du keine Seelenkwal hast, wenn du an mich und mein Mäuschen Appi denkst. Schreibe bald wegen dem Gehenke.«



»Dummer Jule, brauchst wirklich nicht in Sorgen zu sein, kannst ruhig deine Appi heiraten, kannst ruhig drei Wochen vor dem Standesamt aufgehängt werden! Sag, Mütterchen, wie ist denn das mit der Andreasnacht? Ich habe schon einmal davon gehört. Wann ist sie?«



»Die Nacht vom neunundzwanzigsten zum dreißigsten November. Der Volksglaube behauptet, daß in dieser Nacht den jungen Mädchen und Burschen im Traum derjenige erscheint, mit dem sie später zum Altar gehen werden. Wir haben hier in Schlesien viele alte Sitten und Gebräuche, aber auch viel Aberglauben; dazu gehört die Andreasnacht.«



»Na, ich glaube, mir wird keiner im Traum erscheinen. Ich träume fast nie etwas.«



»Mit deinen sechzehn Jahren hast du auch noch Zeit, mein Pommerle.«



»Schöne Sitten und Bräuche haben wir in Schlesien! – Mütterchen, weißt du noch, wie wir im Frühling, am Sonntag Lätare, zum Sommersingen gingen?«



»Ja, mein Kind!«



»Im nächsten Jahre machen wir es wieder, es war gar zu ulkig! Daß aber der Jule seine Hochzeitsreise bis nach Italien machen will, freut mich wirklich! Ich habe schon die Schweiz gesehen, dort hat es mir sehr gefallen. Wie wird er erst in Italien staunen.«



»An Italien glaube ich noch nicht recht. Der Jule wird wohl eher, wie er dir in einem der letzten Briefe schrieb, mit seiner Appi nach dem Riesengebirge fahren.«



»Das soll er nur machen, hier ist es ja so schön, Mütterchen, und nun erzähle mir noch mehr von der Andreasnacht.«



»Es werden am Andreasabend und in der Nacht allerhand übermütige Streiche getrieben. Leider gibt es noch viele törichte Menschen, die sich einbilden, daß die Andreasnacht voller Zauber sei, daß man in dieser Nacht einen Blick in die Zukunft werfen könne. Ich erinnere mich, daß ich als junges Mädchen mit meinen Freundinnen am Andreasabend in verschiedene Gehöfte ging. Wir klopften an die Tür des Hühnerstalles und riefen unsere Namen. Meldete sich zuerst der Hahn, so machte man innerhalb der nächsten zwölf Monate Hochzeit; meldete sich erst die Hähne, blieb man noch ledig. Nun wollten wir natürlich wissen, in welchem Monat man eine junge Frau werden würde. Wir schnitten eine Zwiebel in zwölf Stücke und legten sie der Reihe nach hin; jedes Stück bedeutete einen Monat. Dann wurde Salz darauf gestreut, und derjenige Monat, auf dessen Stück das Salz besonders feucht wurde, war der Hochzeitsmonat.«



»Mütterchen, ist alles richtig eingetroffen?«



»Bei mir zufälligerweise, ja. Aber das besagt natürlich nicht …«



»Da ist vielleicht doch etwas Wahres an dem Zauber der Andreasnacht?«



»Aber Pommerle! – Das könnte wohl der Jule glauben, der heute noch auf den Berggeist Rübezahl schwört, aber du brauchst diese törichten Dinge wirklich nicht zu glauben.«



»Na – ich könnte doch auch mal am Andreasabend an die Türen des Hühnerstalls klopfen.«



»Mit siebzehn Jahren würden wir dich noch nicht heiraten lassen, mein liebes Kind. Vor dir liegen noch zahlreiche Pflichten, die du zu erfüllen hast.«



»Hast recht, Mütterchen – es war ja nur ein Spaß. – Aber klopfen könnte ich deshalb doch einmal gehen!«



»Meinetwegen – wenn es dir Spaß macht, so geh und klopfe!«



Am Nachmittag schrieb Pommerle dem Jule einen beruhigenden Brief. Er brauche nichts zu fürchten, sie bliebe ihm eine Freundin bis ans Lebensende, sie freue sich, daß er seine liebe Appi bekomme und würde den achtundzwanzigsten Dezember nicht vergessen. Sie habe schon lange ausgerechnet, wie viele Tage noch vergehen würden, bis sie ihren Jule wiedersehe.



»Englisch brauchst Du aber nicht für Italien, mein lieber Jule. Es müßte denn sein, daß Du Deine Hochzeitsreise nach England oder Amerika machen willst. Doch müßtest Du bis dahin noch sehr viel lernen, denn ich habe in Deinem Englisch manchen Fehler gefunden. Befasse Dich lieber mehr mit der deutschen Sprache, damit Dir das Briefschreiben keine Qual wird, damit Du Dich vergnügt vor dem Standesamt hängen siehst. ›Hängen‹, lieber Jule! Sonst hat mir Dein Brief sehr viel Freude gemacht. Immer in Liebe Dein getreues Pommerle.«



Am nächsten Tage mußte Pommerle natürlich von der Andreasnacht in der Schule erzählen. »Heute haben wir den achtundzwanzigsten November. Es wäre also morgen, daß uns der Herzallerliebste erschiene«, rief Ilse Torlege.



»Ich weiß das alles schon lange«, ergänzte Wanda Horgitt. »Ich habe schon im vorigen Jahre den Andreasspruch gesagt; leider ist mir im Traume niemand erschienen. Darum bin ich noch ledig.«



»Menschenskind«, schrie Karin, »willst du etwa mit fünfzehn Jahren schon ’ne Ehefrau werden? Das wäre ja ein Unsinn! – Aber sag uns mal den Spruch!«



»Am Abend, ehe man ins Bett steigt, muß man das Sprüchlein sagen. Dreimal nacheinander, sonst nützt es nichts. – Das Sprüchlein lautet:



O heiliger Andreas mein,

laß mir den Herzallerliebsten erschein’n,

wie er geht – wie er steht – wie er steht – wie er geht,

wie er mit mir zum Traualtar geht!

Soll ich mit ihm glücklich sein,

laß ihn erscheinen mit Kuchen und Wein,

soll ich mit ihm leiden Not,

laß ihn erscheinen mit Wasser und Brot.

Soll ich mit ihm ziehn durch’s Land,

gib ihm den Wanderstab in die Hand.«



»Noch mal – noch mal«, riefen alle. »Den Vers müssen wir lernen.«



Wanda wiederholte ihn; zeilenweise sprachen ihn die jungen Mädchen nach.



»Jetzt kann ich den Vers«, sagte Pommerle.



»Ich weiß einen besseren«, meinte Elfriede Bauer. »Man weiß gleich, was man für einen bekommt. – Aber das geht nur in Erfüllung, wenn man einige Zweiglein von der Andreastanne hat.«



»Andreastanne – die kenne ich nicht«, meinte Pommerle.



»Die Rottanne heißt in manchen Gegenden auch Andreastanne.«



»So! – Na, ein paar Zweige einer Rottanne können wir uns leicht beschaffen, sie wachsen hier genug.«



»Und was geschieht, wenn wir die Zweige haben?« forschte Karin. »Wir brauchen vierzehn kleine Zweiglein. An jedes wird eine Nummer gebunden. Mit geschlossenen Augen muß man einen Zweig ziehen, und weiß, was für einen Ehemann man bekommt.«



»Das verstehe ich nicht«, meinte Pommerle. »Man muß natürlich den Andreasvers wissen.«



»Schon wieder einen Vers«, murrte Ilse.



»Bei meinem Vers stimmt es immer. Meine Tante hat durch eine Andreastanne ermittelt, wen sie einmal heiraten wird. Sie hatte die Nummer sieben gezogen und bekam einen Lehrer.«

 



»Dann sage uns rasch deinen Vers.«



»Also, paßt gut auf. Mit Nummer eins fängt er an, und mit Nummer vierzehn endet er:



Einer, der die Regimenter führt,

Einer, der die Jura hat studiert,

Einer, der das grüne Feld bestellt,

Einer, der nichts tut, doch hat er Geld.«



»Den nehme ich!« rief Wanda. »Ich wünschte, ich zöge Nummer vier! Das wäre so recht nach meinem Geschmack!«



»Ich habe viel bessere auf Lager. Dir würde ich die Nummer vierzehn gönnen!«



»Also, laß hören!«



Elfriede Bauer fuhr fort:



»Einer, der der edlen Kunst verfallen,

Einer, der im Sport steht über allen,

Einer, der auf dem Katheder sitzt,

Einer, der bei einem Handwerk schwitzt,

Einer, der in seinem Laden steht,

Einer, der des Nachts auf Raub ausgeht,

Einer, der die Kranken macht gesund,

Einer, der mit finstern Mächten ist im Bund,

Einer, der des Amtes Bürde trägt,

Einer, der die Frau belügt und schlägt!«



Bei der letzten Zeile hatte sich Elfriede zu Wanda gewandt. »Da hast du deinen Zukünftigen! Nummer vierzehn!«



»Und ich wünsche dir den, der des Nachts auf Raub ausgeht. Dann werdet ihr beide eingelocht. – Was möchtest du für einen, Pommerle?«



»Für mich ist keiner darunter. – Ich nehme mal einen Gärtner, wenn ich überhaupt einen heirate.«



»Dann nimm Nummer drei: ›Einer, der das grüne Feld bestellt‹ – Ein Landwirt hat immer einen Obst- und Gemüsegarten. Dort findest du viel Arbeit.«



»Ach, das ist ja alles Quatsch!«



»Vielleicht stimmt es doch ein bißchen«, sagte Ilse Torlege. »Es gibt immer Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir uns nicht erklären können. Ich bin dafür, daß wir Andreastannenzweige abbrechen und auch den anderen Vers sagen. So wissen wir wenigstens ungefähr, was uns die Zukunft bringt. Kommt uns einer dieser vierzehn Männer in den Weg, so können wir ihn mit anderen Blicken betrachten und auf seine Brauchbarkeit hin prüfen.«



»Dann können wir ja auch an die Hühnerställe klopfen. Bei meinem Mütterchen hat es gestimmt.«



Pommerle mußte eine genaue Erklärung geben, und so beschlossen die sechs Freundinnen, morgen, am späten Nachmittag, die Vorbereitungen zu treffen. Es war nicht weit zu den Rottannen, die gab es hier genug. Die geschriebenen Nummern wollte Elfriede mitbringen, dann sollte noch im Walde das Orakel stattfinden.



Am nächsten Tage, gegen sechs Uhr abends, machten sich die sechs jungen Mädchen auf den Weg.



»Wir brauchen nicht weit zu gehen«, meinte die träge Maria, »in den Anlagen stehen auch Rottannen, dort schneiden wir die Zweige ab!«



»Wir dürfen doch die Anlagen nicht beschädigen.«



»Pommerle ist immer ein Angsthase«, tadelte Maria. »Pommerle will wegen einiger Zweige in der Dunkelheit bis zum Hausberg laufen. – Nein, wir holen die paar Zweiglein aus den Anlagen.«



So schlugen die sechs den Weg nach den Anlagen ein und suchten eine geeignete Tanne aus. Da aber immer wieder Menschen kamen, wurde Ilse Torlege ungeduldig. »Wir hätten unser Orakel längst in den Händen, wenn wir nicht ewig warten müßten.«



»Ich schneide eben einige Zweige ab«, sagte Wanda, »und kümmere mich um keinen.«



Kaum bog sie einen Ast herab, als ein Herr stehenblieb und zu ihr herüberrief: »Was machen Sie denn da?«



Da hielten es die jungen Mädchen für angebracht, rasch fortzulaufen, um hinaus vor die Stadt zu gehen und die Zweige zu holen.



Die vierzehn Nummern wurden angebunden, dann stellte sich Elfriede Bauer hin und rief: »So, heiliger Andreas, du siehst unser Tun und Lassen. Jetzt künde uns den Ehegemahl und seinen Stand! Hilf uns, lieber Andreas, hilf, Andreas! – Hilf, Andreas! Laß jede von uns das richtige Zweiglein erwischen. – So, nun fängt die erste an. – Du, Ilse, machst die Augen zu und nimmst von der Erde einen Zweig auf. Du mußt aber dabei sprechen: ›Andreas, leite meine Hand – leite meine Hand, Andreas – o leite meine Hand, Andreas!‹«



Langsam, mit geschlossenen Augen, beugte sich Ilse nieder und griff in das Häufchen grüner Zweige: »Andreas, leite meine Hand – leite meine Hand, Andreas – o leite meine Hand, Andreas!«



»Nummer sechs«, rief der Chor. Elfriede setzte hinzu:



»Einer, der im Sport steht über allen!«



»Fein«, meinte Ilse, »ich bin mit dem Andreas zufrieden. Einen Sportsmann habe ich mir immer gewünscht. Im Auto dahinrasen, mit hundertundzwanzig Stundenkilometern, oder das Wasser durchqueren. – Rekordleistungen oder gar einen Olympiasieger! – Paßt mal auf, was mir beschieden sein wird!«



»Warte ab, was du heute nacht träumen wirst«, lachte Pommerle.



»Nun die nächste!« Das ist Elfriede Bauer. »Wirf deinen Zweig nieder auf den Haufen, Ilse. – So! – Jetzt ist alles wieder durcheinandergewühlt. – Nun los, Elfriede!«



Der Spruch wurde von dem braunäugigen Mädchen gemurmelt; dann ertönte der Ruf: »Nummer fünf! Einer, der der edlen Kunst verfallen!«



»Oooch …«, meinte Elfriede, »mir wäre einer, der die Regimenter führt, viel lieber gewesen. Aus der Kunst mache ich mir nicht viel! Vielleicht kann ich es ihm als junge Frau abgewöhnen.«



»Jetzt Maria Bergell!«



Langsam griff das junge Mädchen in die Zweiglein. Helles Lachen wurde laut. »Nummer sieben! – Einer, der auf dem Katheder steht! – Das ist dir recht, Maria! Der soll dir dein Leben lang Unterricht geben, damit du endlich was lernst.«



»Nein, einen Lehrer nehme ich ganz bestimmt nicht. Der Andreasquatsch ist ja heller Unsinn!«



»Aber schön!« meinte Pommerle.



»Nun kommt Wanda an die Reihe.«



Sie hatte Pech, sie zog Nummer zehn, lachte aber herzlich mit, als man ihr kündete, daß ihr Zukünftiger des Nachts auf Raub ausgehen werde.



»Kann ein lustiges Leben werden«, meinte sie übermütig, »ich stehe Schmiere, und wir rauben uns alles, was wir brauchen, zusammen. Ihr seid am Sonntag bei mir eingeladen, um die Beute zu verzehren.«



Karin Rauke zog Nummer elf: einer, der die Kranken gesund macht.



»Es stimmt schon mit dem Andreas«, meinte Ilse. »Du schwärmst für meinen Bruder Herbert, der Medizin studiert. Dein Schicksal ist bereits besiegelt, Karin. Ihr könntet euch bei dem Maskenfest schon heimlich versprechen.«



»Ich sagte dir schon, daß ich für den Griechen glühe!«



»Weiß nicht, ob der auch Medizin studiert, will mal Herbert fragen. Nimm lieber meinen Bruder Herbert. Der ist was Reelles! – Und nun Pommerle.«



Pommerle wühlte eine Weile in dem Tannenhäufchen herum; endlich zog sie die Nummer zwölf. »Einer, der mit finsteren Mächten ist im Bund!« rief Elfriede lachend. »Na, du hast dir ja den Richtigen ausgesucht!«



»Einen Hexenmeister!«



»Brauchst keine Sorgen zu haben, Pommerle! Es kann ja ein berühmter Zauberkünstler sein, der im Varieté auftritt. Die verdienen sehr viel Geld, und dir winkt eine sorgenfreie Zukunft.«



Pommerle lachte. »Der Jule würde jetzt sagen, du bekommst den Rübezahl! Dagegen hätte ich gar nichts, wenn mich der alte Berggeist in seine Berge mitnähme und mir immer neue Schönheiten, neue Pflanzen, schöne Steine zeigte. Die Steine bekäme dann mein Väterli, die Pflanzen bekäme ich. – Also gut, ich heirate den Rübezahl!«



Man war noch ein Weilchen recht vergnügt beisammen, dann nahte die Abendbrotzeit, und alle sechs machten sich auf den Heimweg.



»Vergeßt nicht den Andreasvers heute abend. Morgen erzählt jeder, was er geträumt hat.«



Daheim berichtete Pommerle unter fröhlichem Lachen von ihrer Zukunft, von der Ehe mit dem alten Rübezahl.



»Wenn ich heute nacht noch von dem lieben Riesengebirge träume, steht meine Zukunft bombenfest! Väterli, du bekommst dann von mir die herrlichsten Steine. Ich lasse mir vom alten Rübezahl als Hochzeitsgeschenk die seltensten geben. Und ich bekomme einen Brautkranz aus seltenen Gebirgsblumen!«



Nach dem Abendessen lief Pommerle nochmals davon. Sie mußte bei Hellmers, bei Graupes und bei Krauses an die Tür des Hühnerstalles pochen, um zu wissen, ob noch in diesem Jahre geheiratet werde.



So schlichen sechs junge Mädchen in die Häuser. Karin klopfte an eine der Stalltüren. Da grunzte ein Schwein. In der Dunkelheit hatte sie die Türen verwechselt.



»Mit deiner Zukunft sieht es traurig aus! Dein Herbert wird dich noch lange nicht holen!«



»Ich will den Herbert ja nicht, ich will den Griechen!«



»Das scheint mir recht bedenklich«, sagte Pommerle, »kein Hahn, keine Henne – nur ’ne Sau!«



Bei Krauses klopfte erst Pommerle. Eine Henne gackerte erschreckt. Ilse und Wanda ging es nicht anders.



Am letzten Gehöft, als Maria Bergell mit beiden Fäusten gegen die Stalltür trommelte, stand plötzlich der Besitzer vor ihr. Er hatte einen Stock in der Hand.



»Wer schleicht in meinem Hofe herum?«



Sechs junge Mädchen kamen betreten hervor und mußten auf Befragen von dem Andreasglauben berichten.



»Dummes Volk! – Da denke ich, es sind Spitzbuben, und da sind es alberne Gänse!«



Tief gekränkt, aber schweigend, gingen die sechs davon. Elfriede Bauer wagte nicht mehr das Orakel zu befragen. »Ich werde abwarten, was ich träume«, meinte sie.



Am anderen Morgen stand Frau Bender am Bett ihres Töchterchens, das noch sanft schlief. Sie mußte Pommerle fast täglich wecken. Das Mädchen lachte im Schlaf.



»Welcher Herzallerliebste wird ihr in der Andreasnacht wohl erschienen sein?«



Da schlug Pommerle die Augen auf, dehnte sich behaglich im Bett, schlang beide Arme um den Hals der Mutter und gab ihr den üblichen Gutenmorgenkuß.



»Aufstehen, mein liebes Kind, es ist Zeit. – Was hast du denn geträumt?«



»Oh«, klang es vergnügt, »ich habe den Schwetzinger Park gesehen. Überall bin ich gewesen. Am Poseidonbrunnen stand ich lange, dann habe ich mir die Marmorgruppe von Zeus und den Tieren angesehen – es war wunderschön! Die Blumen blühten so prächtig …«



»Und kein Mann ist gekommen? Keiner? Weder einer mit Wein noch mit Brot? – Hatte keiner einen Wanderstab in der Hand?«



Erst jetzt begriff Pommerle. »Richtig! Es war ja Andreasnacht!« Ihr frisches Gesicht nahm einen nachdenklichen Zug an. »Ich habe nur vom Schwetzinger Park geträumt und von den Marmorgruppen.«



»Dann wird es mit der Heirat in diesem Jahre noch nichts, mein Pommerle!«



»Aber mit der Gärtnerei«, klang es glücklich, »Mütterchen, das ist mir noch viel lieber. – Laß mich erst eine gesuchte Gärtnerin sein, dann will ich mir einen Mann ohne den heiligen Andreas suchen. Erst aber wird was gelernt!«



Nach dem Frühstück sauste Pommerle in die Schule. Heute ein wenig zeitiger als üblich. Sie mußte erst wissen, was jede der Kameradinnen geträumt hatte.



Ilse und Karin hatten nichts geträumt. Das galt ihnen als sichtbarer Beweis dafür, daß es noch zu keiner Verlobung kommen werde. Wanda war einem Ungeheuer begegnet, das sich auf sie stürzte, so daß sie mit einem Schrei erwachte.



»Stimmt schon«, sagte Elfriede, »deiner geht des Nachts auf Raub aus, du machst mit. Das schwarze Tier ist der Arm der Gerechtigkeit, der nach dir greift.«



Maria Bergell hatte sich die Nacht über an einem herrlichen Kuchen sattgegessen; nur Elfriede Bauer war mit sechs unbekannten Männern spazierengegangen. Sie war anscheinend die einzige, der in diesem Jahre die Verlobung winkte.



»Marmorgruppen hast du im Traume gesehen, Pommerle? Den Zeus, den Poseidon?«



»Genau so, wie sie im Schwetzinger Park stehen.«



»Griechische Götter«, murmelte Karin düster. »Griechen – Enrico Madeni ist auch Grieche. – Ich glaube, das hat eine tiefe Bedeutung.«



»Was studiert denn der Enrico? Die schwarze Kunst?«



»Ich habe erst bei meinem Bruder angefragt«, erwiderte Ilse. »Sobald Bescheid kommt, sage ich es dir!«



»Drei Bewerberinnen um einen Mann«, flüsterte Karin. Es würde auf dem Maskenball im Hause Torlege ein furchtbares Drama geben. Ilse wollte den Griechen für sich, Karin liebte ihn schon jetzt, und für Pommerle war er anscheinend vom Schicksal bestimmt. – Wen würde er wählen?



»Sie hat den Zeus gesehen! Er war ein griechischer Gott! – Ich stelle mir Enrico Madeni auch wie einen Gott vor. Pommerle wird ihn wohl bekommen. Unser Bürgermeister sagte, sie ist das reizendste Mädchen von Hirschberg. – Das wird auch Enrico Madeni finden; wir werden gegen Pommerle verblassen wie Rosen, die drei Wochen in einer Vase ohne Wasser standen. – Ach, es wird mir sehr schwer werden, ihr meinen Enrico abzutreten!«



Zwei Tage später brachte Ilse die Nachricht mit, daß der Grieche Madeni Astronomie studiere.

 



Einige Augenblicke standen die jungen Mädchen schweigend beisammen. Endlich sagte Ilse langsam: »Einer, der mit finstern Mächten ist im Bund.«



»Nun ist alles klar! Pommerle – er ist dein!«



»Astronomie ist Sternkunde. Das sind doch keine finsteren Mächte.«



»Freilich«, rief Maria, »das sind Leute, die die Zukunft voraussagen.«



»Uns

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