Mordsmordfälle

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Mordsmordfälle
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Mordsmordfälle Das Mädchen

1  Titel Seite

Mordsmordfälle

Das Mädchen

DAS MÄDCHEN

Lutz LEOPOLD

1 Mai Dienstag

Es ist ein milder schöner Frühlingstag. Die Wiesen und Bäume blühen, die Vögel zwitschern. Ein Tag zum Träumen.

Nahe Senftenberg, an einer Biegung des Flüsschens liegt ein junges Mädchen Tod im Gras. Obwohl man von dem Platz aus die Häuser gut sieht, ist der Platz selbst kaum einzusehen. Zwei kleine Buben streifen Maiglöckchen pflückend durchs Gebüsch und finden sie.

„Jö schau, das ist eine Leiche“, meint der Eine.

„Oh Gott, wie schaut den die aus?“, ruft der Andere.

Lange starren sie die Leiche an, bevor sie Händchenhaltend davon rennen. Rauf auf die Straße. Bei einem der Wohnhäuser verschnaufen sie.

„Das müssen wir wem sagen.“

„Dort der Alten. Die kann uns nicht nachlaufen.“

Sie stürzen zu der Frau und schreien, „da unten am Bach liegt eine Leiche! Glaubens uns.“ Dann rennen sie auf der Straße weiter.

„Blöde Buben. Ich kenn euch doch. Was wollt ihr mir sagen?“, schreit ihnen die Frau nach.

Sie halten inne und drehen sich um. Der eine Junge erkennt jetzt die Frau. Sie gehen langsam zurück. „Frau Miller wir haben eine Tote gesehen.“

„Wo, genau? Ich rufe die Polizei an.“ Während die Buben ihr herumfuchtelnd den Platz beschreiben, spricht Frau Miller ins Handy. „Eine Leiche hier in Senftenberg. Kommt wer? Ich warte auf der Straße am Ortseingang.“

Es dauert eine halbe Stunde bis die Spurensicherung und kurz darauf der Arzt kommen. Hauptmann Patrick Nowak kommt mit Revierinspektorin Hilde Mörth nach einer Stunde. Inzwischen haben sich mehrere Neugierige an der Straße eingefunden und starren runter zur Flussbiegung. Die Buben erklären jedem der es hören will, was sie gesehen haben. Und sie haben viel gesehen.

Nowak fragt Doktor Freising. „Hallo Herr Doktor. Was können Sie uns sagen?“

„Seit mehr als vierundzwanzig Stunden Tod.“

„Dann können uns die Buben, die sie fanden, wohl nichts erzählen.“

Doktor Freising meint zu Nowak, „unglaublich. Das Mädchen trägt Strapse und eine Jacke, sonst nichts.“

„Eine Prostituierte?", vermutet Nowak sofort.

„Ein Mädchen, höchstens fünfzehn Jahre alt?“

Hilde schaut sich die Tote länger eingehend an. „Sie hat ein Medaillon um den Hals. Sonst gibt es nichts, was uns verrät wer sie ist.“

Nowak schüttelt angewidert den Kopf. „Ein Kind das missbraucht wurde? Schauen Sie bitte nach ob sie Geschlechtsverkehr hatte“, bittet er den Arzt.

„Das mache ich auf jeden Fall, sobald sie bei mir am Tisch liegt.“

„Todesursache?“

„Schwer zu sagen. Es könnte Unterkühlung sein. Verletzungen sehe ich auf den ersten Blick keine.“

Nowak hält einen Mann der Spurensicherung auf. „Könnte die Leiche angeschwemmt sein?“

„Kaum, dazu liegt sie zu weit oben.“

„Reifenspuren?“

„Nein, wir finden auch keine Fußabdrücke. Wie wenn sie hergeflogen ist.“

Hilde gibt das Medaillon in ein Plastiksäckchen und meint, „hier sind wir fertig.“

Nowak schaut sich noch kurz um und nickt. „Fahren wir ins Amt.“

Im Büro sortieren sie die wenigen Fakten. Hilde heftet die Fotos vom Tatort an die Wand. Als sie die Vergrößerung des Medaillons anheftet meint sie, „es ist achtzehnkaratiges Gold. Ich habe es geprüft, da keine Punze vorhanden ist. Die Ziselierung und Form weist auf den Osten hin. Das Foto darin zeigt einen älteren Herrn. Ist es Vater oder Großvater?“

Abteilungsinspektor Georg Haffner kommt dazu. „Ich war bei der Obduktion. Zähne und Knochenbau weisen auf vierzehn bis fünfzehn Jahre hin. Zahnbehandlung gibt es noch keine. Die Forensik arbeitet noch um die Herkunft festzustellen.“

Patrik Nowak schüttelt den Kopf. „Die Jacke und auch die Strapse sind billige Massenware wie sie hier verkauft wird. Nach dem können wir nicht gehen.“

„Ich bin die Vermisstenanzeigen durchgegangen. Kein Treffer. Soll ich ihr Bild in der Zeitung veröffentlichen?“

„Ja, tu das Hilde.“

„Ich werde in dem bekannten Bordell bei Senftenberg nachfragen", bietet sich Georg an. „Selbst gibt sicher niemand zu, dass sie von ihm ist. Ich setze auf Brotneid, dass man mir ein in Frage kommendes Etablissement verrät.“

„Die verpfeifen sich nicht gegenseitig“, lacht Hilde.

„Georg hat Recht. Bei Mord hört die Solidarität auch unter Luden auf. Die Huren macht es erst recht wild, wenn eine von ihnen daran glauben musste.“

Georg sucht ein im Kremstal unauffälliges Haus auf. „Guten Tag, ist Gustav hier? Ich habe ein paar Fragen.“

Nachdem ihm der Aufpasser an der Türe passieren ließ, begrüßt ihn eine vollbusige Matrone mittleren Alters. „Sieh da, der Herr Inspektor. Sie kennen ja den Weg ins Büro. Bei uns ist alles sauber.“

„Vielleicht, man wird sehen“, grinst sie Georg an und marschiert zum roten Vorhang neben der Bar. Dahinter sitzt Gustav Friss, der mit der Vollbusigen das Haus betreibt.

„Hallo Gustav. Wie gehen die Geschäfte?“

„Noch gut. Willst du sie einschränken?“, kommt es grimmig retour.

„Nein, ich brauche von dir Informationen.“

„Du bist doch nicht bei der Sitte. Was willst du hier?“ Gustav schaut Georg böse an, als ob er ihn rauswerfen will.

„Richtig ich suche einen Mörder. Falls du es bist, gestehe gleich.“

„Der Polizeioberst der uns Gestern besuchte, ist lebend wieder raus gegangen. Soll ich ihn anrufen?“

Georg greint, „tu es ruhig. Vorher erzähle mir, wer hat derzeit kleine Mädchen aus dem Osten im Stall?“

„Kleine Mädchen? Meine Freunde beschäftigen, so wie ich, nur Frauen über achtzehn.“

„Sicher und die Luden die nicht deine Freunde sind. Wie schaut’s bei denen aus?“

„Also mir ist nichts dergleichen bekannt. Wenn’s das war dann Servus.“

„War´s nicht. Das Mädchen wurde ermordet. Ich kann dich mitnehmen damit du sie identifizierst. Wir wissen ja nicht wie alt sie ist.“

Gustav hat sich bisher kämpferisch nach vor über seinen Schreibtisch gebeugt. Nun strafft er sich und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Du willst mich mitnehmen? Ein ermordetes Mädchen? Warte lass mich nachdenken.“

„Natürlich denke in Ruhe nach. Ich will ja kein Märchen hören.“

„Genaues weiß ich nicht, sonst hätte ich es angezeigt.“

„Klar.“

„Bei Grafenwörth in der Au gibt es einen verlassenen Bauernhof. Da haben sich Bulgaren eingenistet. Was sie treiben musst du rausfinden.“

„Einer deiner Kunden der dort verkehrt?“

„Von meinen Kunden? Keiner natürlich“, empört sich Gustav.

„Soll ich den Oberst anrufen und ihm sagen, dass bei dir kleine Mädchen Schutz suchen?“

Jetzt lacht Gustav. „Eins null für dich. Ich gebe dir zwei Namen mit Adresse. Die hast du aber nicht von mir. Ist das klar?“

„Das versteht sich von selbst. Bedeutende Namen?“

„Nein, ich verbrenne mir doch nicht die Finger. Es sind einfache Kerle, die nach jüngerem Fleisch schreien. Ob sie in der Au verkehren kann ich dir nicht garantieren.“

„Danke Gustav, also Servus.“

„Willst du nicht einkehren? Für dich gratis.“

„Danke, ich bin glücklich verheiratet.“ Georg verlässt seinen Informanten.

Hilde sitzt am Abend mit ihrem Verlobten auf der Terrasse. Von der Terrasse haben sie einen guten Blick über die Altstadt. Die Sonne sinkt im Westen in die Donau und am gegenüberliegenden Ufer wird der Dunkelsteiner Wald dunkel. Hilde hat einen Aufschnitt gerichtet und Sigismund eine Flasche Grünen Veltliner geöffnet. Er legt Hilde seinen Arm um die Schulter und genießt die Stimmung.

Hilde geht das Mädchen nicht aus dem Kopf. „Es ist schrecklich, so ein junges Ding. Zuerst zur Prostitution gezwungen und jetzt auch noch ermordet.“

Sigismund murrt, „wenn du bei mir im Weinhandel arbeitest, bleiben dir diese Geschichten erspart.“

„Ich weiß, ich weiß. Es macht mir halt Spaß auf eigenen Beinen zu stehen. Bei dir müsste ich deinem Vater alles recht machen. Dabei ist er weniger problematisch als deine Mutter. Die mag mich nicht.“

„Das stimmt nicht. Sie ist halt sehr dominant und du widersprichst ihr laufend.“

„Genau, so ist es. Übrigens wer von deinen Freunden ist wild auf kleine Mädchen?“

„Wie? Ich natürlich“, lacht Sigismund. „Wieso glaubst du, du findest deinen Mörder unter meinen Freunden?“

„Nicht den Mörder. Wir suchen nach dem Bordell wo das Mädchen arbeitete. Männer reden doch darüber, auch wenn’s nur Gerüchte sind.“

„Ich verstehe. Auf die Schnelle fällt mir keiner ein, aber ich höre mich um, ob jemand so ein Haus kennt.“

„Danke, reden wir von was anderem.“

„Genau setzen wir unseren Hochzeittermin fest.“

„Nein bitte nicht. Ich bin noch nicht soweit.“

„Ich aber, ich bin schon überfällig“, knurrt Sigismund. „Wir sollten eine Familie gründen und Kinder haben.“

„Das möchte ich auch, aber noch nicht jetzt.“

2 Mittwoch

Im Landeskriminalamt ergänzt Hauptmann Nowak die Fakten.

„Der Obduktionsbericht ist hier, ich kann ihn euch gar nicht vorlesen ohne vor Wut hochzugehen.“

„Wie ist sie gestorben?“ Georg schaut ihn gespannt an.

„Eine Überdosis Heroin. Für einen kräftigen Erwachsenen, schon mehr als eine normale Menge, aber für das fünfzehnjährige unterernährte Mädchen war es zu viel.“

 

„Wenigstens hat sie nicht viel gelitten.“

Patrick schaut Georg bitter an. „So? Sie ist mehrfach über lange Zeit misshandelt worden. Es gibt Spuren von Sex vaginal und anal. Brandnarben mit Zigaretten zugefügt und noch einiges. Georg es ist scheußlich!“

„Ich schaue nach Grafenwörth und suche das Bordell. Erst beobachte ich ob etwas Wahres dran ist und dann rufe ich die Cobra.“

„Bitte tu das, sag’s mir aber bevor ihr das Puff stürmt. Ich will dabei sein wenn wir diese Unmenschen festnehmen.“

„Das wird gut sein. Ich brauche jemanden der mich zurückhält damit ich nicht von der Waffe Gebrauch mache.“

Am Ufer der Krems, ein Flüsschen das sich mit dem Kamp vereint um gemeinsam in die Donau zu fließen, spazieren Joe und Marlene. Die Auwälder und Teiche sind für das wandernde Liebespaar ein Paradies. Die blühenden Bäume regen zum Träumen an. Da entdecken sie, nahe des Güterwegs nach Grafenwörth, ein totes nacktes Mädchen inmitten der hochwachsenden blühenden Palisaden-Wolfsmilch.

„Schau da liegt eine Frau wie hin gebettet. Ob sie schläft? Ich glaube die ist Tod.“

„Komm Joe lass uns verschwinden“, Marlene bekommt Angst.

Sie läuft auf dem Güter Weg zur Ortschaft. Joe hinter ihr her. Gerda eine ihrer Freundinnen kommt ihnen entgegen und ruft ihnen zu, „Was habt’s den? Wieso so schnell?“

„Eine Tote am Teich fast bei der Krems unten“, schreit Joe.

„Bleibt stehen. Rennt nicht weiter. Ich hab’s Handy dabei.“

Sie erreichen Gerda und bleiben bei ihr atemlos stehen. „Ruf die Polizei an“, keucht Joe.

„Also was habt’s? Eine Tote wo genau? Das müsst ihr mir zeigen. Wenn’s stimmt rufe ich die Polizei an.“

Sie gehen mit Gerda zur Stelle und zeigen ihr das Mädchen.

„Jessas, das ist eine Sauerei“, schreit sie auf. „Ich kenne die Frau nicht. Kennt ihr sie?“

„Nein“, meint Marlene während Joe den Kopf schüttelt.

Gerda verständigt die Polizei mit der Notrufnummer.

Von der Polizeiinspektion Grafenwörth ist nach zehn Minuten das Streifenfahrzeug zur Stelle. „Bitte berührt nichts.“

„Ich bin doch nicht verrückt“, grunzt Gerda. „Meine Freunde, die sie fanden, haben sicher auch nichts angegriffen. Das arme Mädchen. Wie lange liegt sie wohl hier?“

„Das werden wir feststellen. Vom Landeskriminalamt in Krems sind die Kollegen sicher bald hier. Geben Sie mir bitte Ihre und auch die Namen der Anderen.“

Gerda, Marlene und Joe geben ihre Namen und Adressen an. „Müssen wir noch bleiben?“

„Nein gehen Sie ruhig. Der Vorfall liegt ja länger zurück, so dass Sie nichts, das uns hilft, gesehen haben.“

Oberleutnant Gudrun Berger kommt mit Hilde zum Tatort. Der Polizeiarzt beendet gerade seine Arbeit.

Gudrun lächelt Doktor Freising an. „Können Sie uns schon etwas sagen Herr Doktor?“

„Sie ist bereits vorgestern gestorben. Das Mädchen wurde mit einer Stange von hinten nach oben aufgespießt. Ob sie daran starb sag ich euch morgen.“

Hilde starrt auf die Leiche. „Wie kann man so etwas tun? Wie alt schätzen Sie sie?“

„Um die zwanzig. Genaues auch morgen“, wehrt Freising ab.

Leutnant Richard Müller Leiter der Spurensicherung kommt strahlend auf Gudrun zu. Er verehrt die muskulöse große Frau. „Wir haben Reifenspuren. Die junge Frau wurde hergebracht.“

Gudrun blickt sich um. „Es schaut so friedlich aus. Weshalb tötete man sie in der Au?“

„Ich glaube sie war schon Tod als sie hier abgelegt wurde.“ Müller hat bereits mit Freising gesprochen.

Zurück im Landeskriminalamt meint Gudrun zu Patrick, „meine Leiche ist zwar älter, aber gleich gekleidet wie Ihr Opfer.“

„Strapse?“

„Das nicht aber ein Höschen das nichts verbirgt und ein Büstenhalter der die Figur noch betont.“

„Was noch?“

„Sonst nichts. Doch rote Stöckelschuhe, die nicht für eine Wanderung in der Au geeignet sind.“

„Wir sollten vorläufig jeder unserem Fall nachgehen und die Ermittlungsergebnisse ständig abgleichen.“ Patrick zögert noch, die zwei Morde zu einem Fall zusammenzulegen.

Georg sieht sich in Grafenwörth und der Umgebung um. Zufällig stößt er auf Leutnant Richard Müller der mit seinen Leuten gerade einpackt. „Hallo Richard was macht ihr hier in der Au?“

„Eine nackte Frau, sehr jung lag hier. Gudrun und Hilde waren da. Was führt dich an den Tatort? Die Leiche ist bereits abtransportiert.“

„Der Zufall. Es soll hier in der Au ein verlassenes Gebäude geben. Ich bin schon alle Wege abgefahren und finde nichts.“

„Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt? Hier wirst du kein Haus finden. Die Au ist Naturschutzgebiet.“

„Einen Hof habe ich aber besucht. Es ist aber nur eine harmlose Forstverwaltung.“

„Ach den. An die Forstverwaltung habe ich nicht gedacht. Das ist auch kein verlassener Hof.“

„Fällt dir noch ein Haus ein?“

„Schau an den Dorfrand von St. Johann. Da gibt es ein paar verlassene Gebäude. Die Jungen ziehen oft weg und finden niemand der ihnen die alten Häuser abkauft.“

„Danke ich schaue mir den Ort an.“

Abteilungsinspektor Georg Haffner sucht auch dort und kann nichts entdecken. Vor allem muss es doch den Nachbarn auffallen wenn laufend Leute das Haus aufsuchen.

„Gustav hält mich zum Narren. Der kann was erleben“, murmelt Georg.

3 Donnerstag

Der Autopsie Befund der Gerichtsmedizin überrascht. Hilde liest vor, „sie ist an einer Überdosis Rauschgift gestorben. Wie das Mädchen am Dienstag.“

„Gibt es Details zum Heroin?“

Hilde nimmt den Bericht des fünfzehnjährigen Mädchens zur Hand und nickt mit dem Kopf. „Es ist die gleiche Zusammensetzung.“

Gudrun meint, „die zwei Mädchen sind ein Fall. Hoffentlich wird es keine Serie.“

„Der Todestag ist bei beiden Montagvormittag“, stellt Hilde fest.

„Zwei Huren sterben zugleich an einer Überdosis. Was ist da passiert? Ein Unfall?“ Patrick ist ratlos.

Der Leiter des Landdeskriminalamtes Oberst Wurm fordert. „Schaut bei den Asylbewerbern nach. Die haben die österreichischen Zeitungen sicher nicht gelesen.“

Erneut wird mit den Bildern in den verschiedenen Asylunterkünften der Umgebung erfolglos nachgefragt.

„Das niemanden die Mädchen abgeht?“ Georg verzweifelt.

Hilde vermutet, „die Kleine wurde extra aus dem Osten für den Sexmissbrauch hergebracht. Wenn sie abgängig ist, dann dort.“

„Die zwei waren offiziell nie in Österreich“, bestätigt auch Gudrun.

4 Freitag

Gruppeninspektor Heinz Plum vom Bezirkspolizeikommando nimmt den Anruf der Polizeiinspektion Hadersdorf entgegen. „Im Kampwäldchen hängt ein Erschossener am Baum. Übernehmt ihr?“

„Klar ich gebe Hauptmann Moser Bescheid.“

Als die zwei Polizisten am Tatort eintreffen ist die Spurensicherung noch bei der Arbeit.

Leutnant Müller von der Spurensicherung empfängt Moser mit den Worten, „Doktor Freising ist noch nicht hier. Wir haben die Tatortfotos fertig.“

„Danke, ist der Tote bekannt?“

„Nein, er ist nicht aus der Gegend. Die Waldarbeiter, die ihn fanden, kennen ihn nicht.“

Der Tote wurde vom Baum abgenommen und liegt auf einer Plastikplane auf der Wiese. Plum schaut ihn näher an. „Dunkle Hautfarbe, er dürfte aus dem Süden sein.“

„Oder Osten“, ergänzt Moser.

Moser schüttelt den Kopf und schaut Müller fragend an. „Eine aufgesetzte Schusswunde am Hinterkopf. Wie eine Hinrichtung unter Mafiosos. Warum hängten sie ihn auch noch?“

Müller lacht, „wahrscheinlich wollten die Täter auf Nummer sicher gehen.“

Moser presst die Lippen vorwurfsvoll zusammen und zeigt mit dem Finger auf die Schussverletzung. „Das überlebt keiner.“

Doktor Freising kommt. „Lasst mich mal ran.“

Die Polizisten treten zur Seite.

„Hast du sonst noch was gefunden?“, will Moser von Müller wissen.

„Reifenspuren. Ein Geländewagen. Was für eine Type werden wir auch bald wissen.“

Nach und nach packen die Beamten zusammen und fahren nach Krems zurück.

Im Büro des Polizeikommandos sucht Heinz Plum in der Polizeidatei. Kein Vermisster, kein Vergleichsfoto des Toten. Die billigen Kleider, Jeans und Pulli, könnten von überall her sein.

„Ich werde Hilde im Landeskriminalamt fragen, ob sie etwas findet?“

„Geht dir unsere Kollegin noch immer ab?“, hänselt ihn Moser.

Revierinspektor Hilde Mörth arbeitete in ihrer Gruppe, bis sie vor einem halben Jahr ins Landeskriminalamt wechselte.

„Ja, vor allem weil wir keinen Ersatz bekommen.“

„Posteneinsparungen“, seufzt Moser.

Es gelingt der Gruppe im Polizeikommando Krems nicht die Identität des Toten festzustellen. Der Akt wird nach 14 Tagen über das Landeskriminalamt an das Bundeskriminalamt geschickt.

Im Landeskriminalamt Krems bleiben alle Nachforschungen über die zwei Mädchen erfolglos. Es gibt keine passende Vermisstenanzeige die auf die Mädchen hinweisen. Die Veröffentlichung des Fotos erbringt ebenfalls nichts. Das Medaillon mit dem Bild des Mannes ist niemanden aufgefallen. Das Reifenprofil führt auch nicht weiter. Patrick legt die Fälle zusammen und leitet den Akt an das Bundeskriminalamt nach Wien.

Die Forensik der Wiener Universität untersucht Gewebeproben der Leichen und stellt das Alter des jüngeren Mädchens, fünfzehn Jahre und die Herkunft, Moldawien fest.

Das zweite Mädchen ist achtzehn Jahre und Ukrainerin. Aufgespießt wurde sie Post Morten mit einem Holzstock, ungefähr 5cm Durchmesser.

Um weitere Nachforschungen werden über das Außenamt die Botschaften der zwei Staaten gebeten.

Im Bundeskriminalamt Wien bekommt Major Krause die Akten. Er nimmt persönlich Kontakt mit den Botschaften auf. Nach einer weiteren Woche, ergänzt er die Akten mit den Antworten der Botschaft und legt alles als unerledigt ab.

5 Juni Montag

Am Stockgraben, kurz bevor der Bach in die Krems mündet stöbert Karl Hubers Hund eine Leiche auf. Die heftigen Regenfälle der letzten Tage haben den schlecht verscharrten Körper freigelegt.

„Eh, grauslich!“, schreit Huber auf, als er den verfaulten Körper zwischen dem blühenden Wildiris sieht.

Er schreit seinem Hund zu, „komm her Bello, komm rasch her.“

Mit zitternder Hand tippt er die Notnummer in sein Handy. „Da liegt was Totes“, kreischt er in den Apparat.

„Was heißt das? Ein Tier? Wir verständigen den zuständigen Jäger.“

„Nein, das ist ein Mensch. Den Kopf kann ich noch erkennen. Kleider sehe ich aber keine. Das Ganze steckt halb im Schlamm.“

„Bleiben Sie und lassen Sie das Handy eingeschaltet, damit wir Sie orten können. Sobald Sie das Polizeifahrzeug sehen winken Sie bitte.“

„Mache ich.“

Huber muss nicht lange warten und ein Fahrzeugkonvoi nähert sich. Vom Landeskriminalamt kommen Gudrun und Georg.

Georg grinst Doktor Freising an. „Todesursache?“

Er erntet einen vorwurfsvollen Blick. „Von Fliegen und Maden zu Tode genagt. Zeitpunkt vor zehn Minuten. Wollen Sie genaueres wissen?“

Gudrun mischt sich ein. „Exakter geht es nicht? Können Sie uns das Geschlecht verraten?“

„Hier am Ort kann ich nichts sagen. Am Mittwoch habt ihr meinen Bericht. Transportiert das was von dem Menschen übrig ist ab.“

Als der Körper auf die Bahre gehievt wird schreit Georg, „halt! Was ist das?“

Durch den Oberkörper steckt von unten nach oben ein dicker Stock.

„Sowas hatten wir doch schon vor einem Monat“, stellt Gudrun fest.

Freising will in sein Auto steigen und schaut nun auch auf. „Dieses achtzehnjährige Mädchen damals?“

Alle nicken sich zu. Gudrun meint angeekelt, „furchtbar. Wer weiß wie viele Frauen wir noch auffinden.“

Doktor Freising nützt alle seine Möglichkeiten an der Universitätsklinik Krems. „Was die in Wien können bringe ich auch zusammen“, knurrt er.

An Hand der Knochen, und anderer Reste erstellt er schließlich einen Abschlussbericht.

„Todesursache eine Überdosis Heroin. Da kann ich nicht mit der genauen Mischung dienen. Herkunft Moldawien oder Ukraine. Das Mädchen war siebzehn und hatte Mangelerscheinungen.“

Hauptmann Nowak ist klar, „alle drei Mädchen sind ein Fall. Wir holen uns die Akte aus Wien zurück und nehmen einen neuen Anlauf. Irgendwer hat doch die Mädchen gesehen. Es handelt sich um Sex und Drogenopfer.“

 

Gudrun beschließt, „wir müssen mit der Sitte und der Drogenfahndung zusammenarbeiten.“

Hilde bietet sich an. „Ich gehe rüber und schau welche Kontaktpersonen für unsere Ermittlung in Frage kommen.“

6 Dienstag

Alle Unterlagen sind eingetroffen. Bei der Morgenbesprechung übergibt Patrick die drei schmalen Akte an Gudrun. „Bitte bearbeiten Sie die Morde weiter. Beginnen Sie bei den Asylsuchenden. Fragen Sie sie nach den Schleppern und ich bin sicher, es gibt eine Spur zur illegalen Prostitution.“

Gudrun zieht sich damit nach der Besprechung in ihr Büro zurück.

Hilde folgt ihr nach einer Stunde. „Kann ich Ihnen helfen? Georg kennt einen Bordellbetreiber. Er ist schon zu ihm unterwegs. Diesmal verlangt er eine ordentliche Information.“

Gudrun snifft auf. „Die Aufgabe ist kaum zu lösen. Das zahlt er mir jetzt heim. Dabei stell ich mich nicht mehr gegen ihn.“

Hilde holt tief Luft. Der Hauptmann und die Frau Oberleutnant betrachten sich als Konkurrenten. „Das hat damit nichts zu tun. Patrick will sich für die anfallenden Einsätze frei halten. Die Gruppe steht Ihnen voll zur Verfügung.“

„Ich weiß nicht wo ich anfangen soll?“

„Ich dafür. Von der Fremdenpolizei bekam ich vier Adressen von Kontaktpersonen. Die suchen wir auf und fragen nach den Schleppern.“

Gudrun schaut Hilde dankbar an. „Danke darf ich Hilde sagen? Ihr seid alle per du, nur ich bin noch die Außenseiterin.“

„Ach Gudrun, sei einfach offen und höre auf nur schlechtes zu sehen.“

„Wenn du mir hilfst mache ich es.“

Die Polizistinnen machen sich auf und arbeiten die vier Adressen ab. Alle vier sind als Dolmetscher für die Polizeidirektion tätig.

Der Afghane Attila Golnar ist seit zwölf Jahren in Österreich. Er wohnt im Stadtgraben nahe einer Asylunterkunft. Gudrun stellt sich und Hilde vor. Nach der Begrüßung beginnt sie gleich mit ihrem Anliegen.

„Wir suchen den oder die Mörder von drei Mädchen. Da alle drei als Prostituierte tätig waren, brauche ich Informationen über illegale Schlepper.“

Attila greint, „da kann ich Ihnen nicht helfen. Alle meine Bekannten sind legal hier.“

„Als Dolmetscher hörten Sie sicher das eine oder andere nicht ganz Legale. Wir gehen auch Gerüchten oder Vermutungen nach, ohne Ihren Namen zu nennen.“

„Alles was ich höre übersetzte ich und steht in den Protokollen.“ Attila grinst noch breiter.

Gudrun versucht es nochmals. „Es geht mir nicht um Schutzgelder oder gepresste Arbeiten, ich suche einen heimtückischen Mörder der kleine Mädchen zum Sex zwingt.“

„Das ist schrecklich, aber ich kenne solche Leute nicht.“

Hilde, die sich Notizen macht, lächelt Attila brüderlich an. „Hier meine Karte. Rufen Sie an wenn Ihnen etwas einfällt. Sind Sie Moslem?“

Attilas Gesicht verfinstert sich. „Hat das etwas mit diesen Verbrechen zu tun?“

„Nein natürlich nicht. Ich frage nur weil eine Weinflasche aus unserem Weinberg auf Ihrer Anrichte steht.“

Attila schaut entsetzt zur Anrichte. Tatsächlich ist die davor stehende Packung mit dem Mehl umgefallen und gibt den Blick auf den Wein frei. „Das ist nicht für mich, nur für Gäste“, stammelt er.

„Wir haben davon einige Flaschen in die Ukraine exportiert. Hat einer Ihrer Gäste die Flasche hier gelassen?“

„Ukraine? Ich dolmetsche nur meine Landsleute.“

„Afghanen trinken Wein?“

Attila wird immer nervöser. „Sie sind auf dem Holzweg. Vladimir, einer meiner Kollegen ist Bulgare. Er hat mir Formulare gebracht.“

Hilde schaut in ihre Adressliste. „Herr Vladimir Zankov?“

„Ja“, mit offenem Mund schaut Attila von Gudrun zu Hilde und wieder zu Gudrun. „Vladimir hat sicher nichts mit Mädchen aus der Ukraine zu tun.“

Gudrun schaut ihn streng an. „Wie kommen Sie darauf dass die Mädchen aus der Ukraine sind?“

„Sie sagten es doch“ faucht Attila.

„Meine Kollegin sprach vom Wein.“

„Ich weiß nicht was Sie von mir wollen? Wenn Sie mir Menschenhandel unterstellen beschwere ich mich.“

Hilde beruhigt, „ist schon in Ordnung. Wenn Ihnen etwas zu Ohren kommt, sagen Sie es uns bitte.“

Die Polizistinnen nicken ihm zu und gehen. Attila knurrt hinter ihnen her.

„Aalglatt der Kerl. Ich vermute er weiß etwas“, murmelt Gudrun als sie raus sind.

„Er hat Angst vor uns. Was ich nicht verstehe, da er doch für die Fremdenpolizei arbeitet.“ Hilde hat vor ihren Freund, in der Bezirkshauptmannschaft, über Attila zu befragen.

„Also zum Nächsten. Dem Bulgaren Vladimir Zankov. Irgendeine Unregelmäßigkeit hat es gegeben. Leider steht davon nichts auf der Liste, nur dass er von seinem Landsmann Danilo Zalona abgelöst wurde.“

Gudrun lobt, „du hast das raffiniert gemacht. Mir ist diese Weinflasche nicht aufgefallen.“

„Sie ist wirklich aus Sigismunds Keller.“

„Wirst du ihn heiraten? Ihr lebt ja seit einem Jahr zusammen.“

„Ja, sogar demnächst.“

„Gratuliere. Wirst du bei der Polizei bleiben?“ Gudrun kann sich nicht vorstellen dass Hilde als Gattin des bekannten Weinhändlers weiter arbeiten geht.

„Sicher, ich will nicht von meinem Mann abhängig sein.“

„Aha“, ist alles was Gudrun dazu einfällt.

Sie erreichen Vladimirs Sprachschule. Ein schmuckes Haus in Landersdorf. Die zwei Kastanienbäume vor dem Haus sind bereits abgeblüht. Mattglasfenster im Erdgeschoß verbergen die Einsicht in die Firma. Im oberen Geschoß sind die Wohn und Schlafräume.

Hildes Blick gleitet über die Fassade. „Da wohnen mehr Leute als nur das gemeldete Ehepaar.“

Eine reifere schlanke Dame sitzt hinter dem Pult gleich hinter der Eingangstüre und schaut sie erwartungsvoll an. Der Empfangsraum ist in strahlendem Weiß gehalten und wirkt wie eine Arztpraxis.

„Oberleutnant Berger, Kriminalpolizei. Meine Kollegin Revierinspektor Mörth. Wir wollen Herrn Zankov sprechen.“

„Herr Zankov unterrichtet gerade. Kann ich Ihnen helfen?“

„Gibt es unter Ihren Schülern Asylsuchende die uns etwas über Schlepper erzählen können.“

„Was sie wissen und preisgeben wollen, haben sie schon alles der Fremdenpolizei erzählt“, kommt es frostig von der Dame. „Außerdem haben unsere Schüler alle bereits einen positiven Asylbescheid. Sie lernen deutsch und machen sich für eine Arbeit fit.“

Hilde mischt sich ein. „Wieso? Bulgaren brauchen doch keinen Asylbescheid.“

„Wir unterrichten derzeit hauptsächlich Ukrainer, Moldawier und Flüchtlinge von der Krim.“

Gudrun ist paff. „Von wo sind Sie?“

„Aus Bulgarien wie mein Mann. Ich bin Kristina Zankova.“

„Können Sie ukrainisch oder moldawisch?“, setzt Gudrun nach.

„Ich kann nur Russisch, doch mein Mann spricht mehrere slawische Sprachen. Es genügt um den Schülern ordentlich deutsch beizubringen.“

Hilde nimmt die Fotos der zwei vor einem Monat aufgefundenen Mädchen heraus und legt sie Kristina hin. „Diese Mädchen wurden ermordet.“

Kristina studiert die Bilder und schüttelt den Kopf. „Ich habe diese Frauen noch nie gesehen.“

„Haben Sie, oder Ihr Mann von Schleppern oder Kontaktpersonen gehört, die junge Mädchen für die Gastronomie nach Österreich bringen?“

„Geht das schon wieder los?“, empört sich Kristina. „In unserer Schule lehren wir seit sechs Jahren die Migranten. Nie gab es ein Problem. Im Gegenteil, sogar der Herr Landeshauptmann hat uns geehrt und meinte, dass es mehrere so gute Schulen wie unsere braucht. Danilo streute dieses Gerücht über meinen Mann. Wir haben nie Leute vermittelt.“

„Danilo Zalona? Er ist doch mit Ihrem Mann befreundet.“

„Blödsinn! Danilo hat sich bei der Behörde als Dolmetscher eingeschlichen und meinen Mann verleumdet.“

„Verzeihen Sie, aber wir dachten nicht an Ihren Mann. Wir haben drei Leichen. Die Mädchen sind aus der Ukraine.“

Kristina schaut auf die zwei Fotos. „Wieso drei?“

„Das dritte Mädchen ist verwest.“

„Ukraine? Da fällt mir Grigori ein. Der hat vor Monaten junge Frauen vor unserer Schule angesprochen.“

Hilde wird aufmerksam. „Grigori Kusnezow? Den habe ich auch, als Dolmetscher, auf der Liste. Er wohnt in der Mitterau.“

„Da werden Sie ihn vergeblich suchen.“

„Ist er umgezogen?“

„Angeblich in ein altes Bauernhaus bei Grafenwörth.“

Gertrude bohrt weiter. „Fällt Ihnen noch wer ein?“

„Es gibt einen Rumänen, der war bei uns im Deutschkurs. Aber mir ist aufgefallen, dass er die anderen Kursteilnehmer nur aushorchte. Vladimir hat ihn rausgeschmissen.“

„Wie heißt er? Sie haben sicher die Personalien Ihrer Schüler.“

„Klar, wir kopieren die Papiere die sie vorlegen und schreiben ihre Namen auf. Von dem Kerl suche ich Ihnen die Daten raus. Der Name ist allerdings falsch. Vladimir hat es, als er weg war, überprüft.“

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