Ewiges Seelenband | Erotischer Roman

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Aus der Reihe: Erotik Romane
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Kapitel 3

Ihr rasender Herzschlag weckte Mila. Sie schlug die Augen auf, sah sich um und seufzte traurig. Es war – leider – nur ein Traum gewesen. Ihr Gesicht glühte, als sie daran dachte, was Jerrik im Traum mit ihr angestellt hatte.

Die Sonne ging langsam auf und färbte den Raum in sanften, warmen Tönen. Mila konnte nach diesem Traum nicht mehr einschlafen. Die große Wanduhr über Caros Zimmertür tickte und sie zählte die Sekunden. Außerhalb des Zimmers waren Schritte zu hören. War der Rest der Familie etwa schon wach? Gegen neun Uhr dreißig kam Caro zu sich, sah Mila wach auf der Matratze liegen und sprang ohne Vorwarnung auf sie drauf.

»Happy Birthday, Mila!«, schrie sie fröhlich.

Erschrocken schaute die ihre Freundin an. »Ach ja, da war ja was«, sagte sie perplex.

Mittlerweile duftete es köstlich nach Kaffee und frischen Brötchen. Draußen zwitscherten ein paar Vögel, die über den Winter nicht in den Süden geflogen waren. Heute war der 23. Dezember und Mila feierte ihren 25. Geburtstag.

Die Freundinnen zogen ihre kuscheligen Morgenmäntel und Hausschuhe über und schritten die breite, herrschaftliche Treppe hinunter. Das Haus war zwar groß und sehr modern und gradlinig eingerichtet, aber dennoch verbreitete es eine wundervolle Wärme, die Mila sehr genoss. Als die beiden in die Küche kamen, saß Jerrik bereits am Tisch, trank Kaffee und las Zeitung. Er war leger gekleidet mit einem blauen T-Shirt und einer schlichten, schwarzen Stoffhose und hatte eine Lesebrille auf der Nase. Natürlich schossen Mila direkt wieder die Bilder ihres Traumes in den Kopf. Mit roten Wangen und gesenktem Kopf folgte sie Caro und sagte leise »Guten Morgen«.

Jerriks Gesicht war immer noch auf die Zeitung gerichtet, doch seine Augen folgten Mila im Vorbeigehen heimlich. Dachte er, sie würde es nicht bemerken? Seine Augen hafteten an ihr wie Kletten. Hatte er womöglich erkannt, dass sie auf ihn stand? Das wäre ja mega peinlich.

Caro flüsterte ihrem Vater etwas ins Ohr, als sich ihre deutsche Freundin Kaffee in eine Tasse goss.

»Oh!«, sagte Jerrik erstaunt und stand auf. »Alles Gute zum Geburtstag, Mila.«

Beide wussten nicht genau, was sie nun tun sollten. Hände schütteln? Umarmen? Stattdessen starrten sie sich nur an. Seine Augen durchbohrten sie, als wollte er ihre Gedanken lesen. Mila vergaß alles um sich herum. Fast hätte sie ihre Tasse fallen lassen, doch Jerrik bemerkte ihren gelockerten Griff und hielt die Tasse rechtzeitig fest.

»Ach Gott! Danke, Jerrik«, sagte sie erschrocken, als wäre sie aus einer Trance aufgewacht, und nahm ihm die Tasse aus der Hand. »Oh … verdammt, ich meine Herr Andersson. Tut mir leid, ich äh …«, stotterte sie aufgeregt.

»Nenn mich ruhig Jerrik«, sagte er mit einem charmanten Lächeln und setzte sich wieder, um die Zeitung weiterzulesen. Caro hatte ein Tablett mit Brötchen, Wurst und Marmelade zusammengestellt, welches sie mit in ihr Zimmer nehmen wollte.

»Wow, was war das denn grad?«, fragte Caro verdutzt auf dem Weg in den ersten Stock.

»Ich … ich kenne deinen Vater aus seinen Filmen«, sagte Mila.

»Was? Echt jetzt?«, fragte Caro erstaunt.

»Ja, ich habe seine Filme auf Dänisch geschaut, um meine Sprachkenntnisse zu trainieren.«

»Was? Ist ja krass. Hätte nicht gedacht, dass man seine Filme auch außerhalb Dänemarks kaufen kann. Warum hast du nicht gestern schon was gesagt?« Caro war sichtlich überrascht. Sie hatte wohl keine Ahnung, wie bekannt ihr Vater eigentlich war. Die Freundinnen setzten sich auf das große Bett und aßen Brötchen und unterhielten sich.

»Was sollen wir nachher machen? Es ist dein Tag, Mila. Du entscheidest!«

»Hmm. Gute Frage. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Wir können uns ja erst mal fertig machen und dann zur Einkaufsmeile fahren?«, schlug das Geburtstagskind vor.

»Ja, super Plan. Ach ja, dein Geschenk bekommst du heute Abend beim Abendessen. Es ist bei uns Tradition, dass die gesamte Familie anwesend ist. Ich weiß, ist eigentlich super ätzend, aber da musst du jetzt durch«, kicherte sie und verschluckte sich fast an ihrem Marmeladenbrötchen.

»Hey Caro, nicht sterben, okay?!« Mila klopfte ihr auf den Rücken.

»Alles gut«, hustete ihre Freundin mit Tränen in den Augen, weil sie zur gleichen Zeit husten und lachen musste.

Nachdem sie das Geschirr weggeräumt hatten, ging erst Caro duschen, dann tat Mila es ihr gleich. Das Badezimmer war geräumig mit weißen Fliesen an den Wänden und auf dem Boden. Die Eckbadewanne bot Platz für mindestens drei Personen und hatte anscheinend auch eine Whirlpool-Funktion. Die Dusche war bodengleich und durch große Glaswände abgetrennt. Mila wollte die Dusche am liebsten nie wieder verlassen, denn der riesige Duschkopf ließ das Wasser in winzigen Strahlen auf die Haut prasseln, was sich wie eine Massage anfühlte. Innerlich seufzend drehte sie das warme Wasser ab und trat einen Schritt auf die Glastür zu, auf deren Oberkante sie ihr Badetuch abgelegt hatte. Dabei rutschte sie mit dem rechten Fuß auf den glatten Fliesen aus und fiel mit einem Poltern zu Boden. Leise stöhnend vor Schmerz versuchte sie aufzustehen, konnte jedoch nicht auf dem Fuß auftreten.

Caro klopfte an die Badtür: »Alles okay?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Mila, immer noch auf dem Boden sitzend.

»Kann ich reinkommen?«

»Ja, ist nicht abgeschlossen«, ächzte sie.

Caro kam ins Bad gestürmt und sah Mila mit dem Handtuch zugedeckt auf dem Boden in der Dusche liegen. »Papa!«, rief sie. Jerrik kam ins Bad gelaufen.

»Was ist passiert?«, fragte er, als er Mila erblickte. »Bist du ausgerutscht?«

Als sie nickte, öffnete er die Glastür und sah sich Milas bereits blau angelaufenen und geschwollenen Fuß an.

»Ich glaube, er ist verstaucht«, stellte er fest, als er den Knöchel abtastete und die junge Frau schmerzhaft das Gesicht verzog. Er hob sie hoch und trug sie ins Zimmer seiner Tochter. Mila wünschte, dieser Moment würde niemals zu Ende gehen. Jerrik war so stark und roch unfassbar gut nach einem himmlischen Aftershave oder Eau de Toilette. Sie schaute ihn an und musterte seine Bartstoppeln und kleinen Lachfältchen. Bevor er sie auf der Luftmatratze absetzte, blickte er ihr in die Augen und öffnete leicht seine Lippen. Mila wünschte sich so sehr, er würde sie küssen, doch sie wusste genau, dass er das niemals tun würde. Warum war das Band zwischen ihnen so stark? Oder glaubte Mila nur, diese Verbindung zu spüren, und interpretierte viel zu viel in seine Blicke und Gesten hinein? Jerrik schluckte schwer und wandte seinen Blick ab.

»Mila, zieh dich bitte an. Ich fahre dich ins Krankenhaus«, sagte er in einem barschen Ton und verließ das Zimmer.

»Soll ich dir helfen?«, fragte Caro.

»Ja, das wäre lieb. Tut mir leid, dass ich so viel Arbeit mache. Ich bin so ungeschickt. Ich glaube, da war Shampoo auf dem Boden und deshalb bin ich ausgerutscht.« Mila machte sich Vorwürfe.

»Das macht doch nichts. Hauptsache, du hast dir nichts gebrochen.« Caro lächelte sie an und half ihr beim Anziehen.

Wenige Minuten später kam Jerrik wieder in Carolins Zimmer und fragte, ob Mila fertig sei, was diese bejahte. Allerdings bestand Jerrik darauf, dass seine Tochter daheimblieb und das Chaos in ihrem Zimmer aufräumte. Seine Stimme klang etwas gereizt. Milas Bauchgefühl war nun noch schlechter als zuvor, denn offensichtlich hatte sie ihn verärgert.

Jerrik trug Mila zum Auto – einen schwarzen Porsche Cayenne, der mit beigefarbenen Ledersitzen ausgestattet war. Innen roch es nach Zigarettenqualm und frischem Leder. Kaum hatte Jerrik den Motor gestartet, stellte er die Sitzheizung ein, denn Mila zitterte am ganzen Leib. Sie konnte sich selbst nicht erklären, ob es die Kälte oder die Aufregung war. Mit Schwung verließ Jerrik die Auffahrt und fuhr Richtung Innenstadt. Nervös knetete Mila den Saum ihres Jackenärmels und schaute ihn kurz an. In Gedanken formulierte sie, was sie sagen wollte, doch sie brachte keinen Ton heraus. Sie war unfähig, mit ihm zu kommunizieren, denn offensichtlich hatte die Aufregung ihren ganzen Körper gelähmt. Plötzlich hörte sie sich sagen: »Tut mir leid.«

Hatte sie sich grad tatsächlich entschuldigt? Erschrocken schaute sie zu Jerrik, dessen Miene sich etwas lockerte.

»Jerrik, es tut mir leid, dass ich dir solche Umstände mache. Ich bin so ungeschickt«, stammelte sie.

Jerrik schaute sie erstaunt an. Entschuldigte sie sich etwa gerade bei ihm? Sie hatte doch gar nichts falsch gemacht. War er etwa so unhöflich gewesen? Dabei versuchte er doch nur, seine Aufregung zu überspielen. Dieses Mädchen machte ihn total verrückt. Vor allem konnte er sich überhaupt nicht mehr konzentrieren, seit er in der letzten Nacht von ihr geträumt hatte, was ihm gleichzeitig verriet, woher er sie kannte – nämlich aus seinen Träumen. Er wollte sie keinesfalls kränken. Was sollte er antworten?

»Tut mir leid, wenn ich ruppig war. Ich bin nur etwas gestresst wegen der Arbeit. Es ist nicht deine Schuld«, erklärte er in einem liebevollen Ton und parkte den Wagen vor einem hellgrauen Gebäude, welches wohl das Krankenhaus war.

Jerrik hob Mila aus dem Auto und trug sie zum Haupteingang. Ein Sanitäter, der gerade das Gebäude verließ, hielt ihnen die Tür auf. Es war ihr sichtlich peinlich, aber ein bisschen fühlte sie sich auch wie eine Prinzessin in den Armen ihres starken Ritters. Caro durfte niemals erfahren, dass Mila in ihren Vater verknallt war. Niemals!

Milas Fußknöchel war tatsächlich verstaucht. Der Arzt verschrieb ihr eine Salbe und verband ihren Fuß. Mit den Krücken, die sie ebenfalls erhalten hatte, humpelte sie zum Auto zurück.

Auf der Rückfahrt waren beide still. Jerrik rauchte eine Zigarette und Mila sah ihn ab und zu aus dem Augenwinkel an. Er sah so toll dabei aus, wie er mit beiden Händen das Lenkrad festhielt, die Kippe zwischen seine Schneidezähne geklemmt hatte und mit scharfsinnigem Blick den Verkehr beobachtete. Milas Herz pochte schnell und laut vor Aufregung. Unruhig starrte sie auf seine Handrücken, auf denen sich deutlich die Adern abzeichneten. Die Haut an seinen Fingerspitzen und am Handrücken war rau und trocken. Am liebsten hätte sie ihm die Hände eingecremt. Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, waren sie wieder zurück im Haus der Anderssons.

 

Mila quälte sich mit Caros Hilfe aus dem Auto und humpelte zur Haustür.

Statt eines Stadtbummels blieben die Mädchen daheim und schauten den ganzen Tag Filme. Am Nachmittag aßen sie Käsekuchen und Donuts. Mila entschuldigte sich beinah alle zehn Minuten für die Umstände, doch Caro war sehr verständnisvoll und herzlich. Wie eine Königin bediente und verwöhnte sie ihre Freundin. Zum Abendessen gab es die Reste vom Vortag und Vanillepudding zum Nachtisch. Mila liebte Vanillepudding und obwohl sie eigentlich schon satt war, aß sie noch ein zweites Schälchen. Ihre Freundin räumte zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Mutter den Tisch ab. Jerrik genoss seinen Whisky und sah sie ab und zu kurz an. Manchmal, wenn er seinen Mund etwas öffnete und leicht Luft holte, sah es so aus, als würde er etwas sagen wollen, aber dann atmete er abrupt aus, trank einen Schluck und musterte das edle, braune Getränk in seiner Hand.

»Papa, wo ist … du weißt schon«, flüsterte Caro und deutete auf Mila.

»Was?«, fragte er geistesabwesend.

»Das Geschenk«, zischte sie.

»Ach so! Im Wohnzimmer … auf dem Couchtisch«, erwiderte er.

Caro kam aus dem Wohnzimmer mit einem kleinen Geschenk zurück. Es war in goldenes Papier gehüllt und mit einem hellen Organzaband umwickelt.

»Für mich?«, fragte Mila verdattert, als ihre Freundin das kleine Päckchen vor ihr abstellte und lächelnd nickte.

Vorsichtig zog sie an dem Organzaband, sodass sich die Schleife öffnete, und löste behutsam den Klebestreifen von dem funkelnden Papier. Eine kleine schwarze Schachtel kam zum Vorschein. Mila schaute erst ihre Freundin, dann Jerrik – welcher ihr lächelnd zunickte – an. Sie hob den Deckel der Schachtel, ihre Hände zitterten vor Aufregung. Zum Vorschein kam ein sehr dezentes, rot-goldenes Armband von Cartier. In der Mitte war ein rosafarbener Saphir eingesetzt. Mila traute ihren Augen nicht. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Wertvolles und Schönes gesehen.

»Gefällt es dir?«, fragte Caro ihre Freundin mit leuchtenden Augen.

»Ja, ich … aber ist es nicht … zu teuer?«, stammelte Mila.

»Meine Mutter ist Stammkundin. Sie bekommt Rabatt!«, sagte Caro und lachte dabei, während sie aufsprang, um dem Geburtstagskind das Armband anzulegen.

»Vielen Dank«, brachte Mila unter Freudentränen heraus und umarmte ihre Freundin und auch Agatha, die glücklich schmunzelte. Lars gab ihr die Hand und zwinkerte ihr zu. Dann sah sie zu Jerrik, der ein charmantes Grinsen auf den Lippen hatte. Er nahm ihre Hand und durchbohrte sie mit seinen betörenden Augen, sodass Mila der Atem stockte. Sie schnappte laut nach Luft und tat dann so, als hätte sie ein Kratzen im Hals. Hustend drehte sie sich zur Seite und versuchte, ihr glühendes Gesicht vor allen zu verbergen. Mann, wie peinlich war das denn? Wenn jetzt keiner mitbekommen hatte, dass sie in Jerrik verknallt war, dann waren sie alle blind.

***

Es war bereits nach Mitternacht. Caro schlief tief und fest, doch Mila war noch wach. Die Sterne am schwarzen Nachthimmel zählend schaute sie aus dem großen Fenster. Sie musste schon wieder auf die Toilette, obwohl sie gar keine Lust hatte, aufzustehen. Ihr Fuß schmerzte höllisch und sie war es nicht gewohnt, mit Krücken zu gehen. Innerlich rollte sie genervt die Augen und zog ihren Morgenmantel über. Morgen würde sie zum Abendbrot sicherlich keinen Tee mehr trinken. Leise versuchte sie den Flur entlangzuhumpeln, doch ihre nackten Füße machten ein patschendes Geräusch auf dem glatten Marmorboden. Jemand duschte im großen Badezimmer, also musste Mila wie in ihrem Traum zum Gäste-WC ins Erdgeschoss. Mit Müh und Not hatte sie es gerade geschafft, drei Stufen hinunterzusteigen, als Jerrik ihr die Gehhilfen wegnahm, auf die oberste Treppenstufe legte und sie hinuntertrug. Total perplex schaute sie ihn an und hielt sich an seinen breiten Schultern fest.

»Ist das wieder ein Traum?«, fragte sie aus Versehen laut.

»Diesmal nicht«, antwortete Jerrik, als wüsste er, wovon sie sprach.

Kapitel 4

Mila betätigte die Toilettenspülung, wusch rasch ihre Hände und verließ den schmalen Toilettenraum, der nach Meer und Strand roch und auch genauso eingerichtet war. Der kleine Keramikleuchtturm auf dem Spiegelschrank zog jedes Mal ihre Aufmerksamkeit auf sich, denn er erinnerte sie an ihre Heimat.

Mit leidverzerrtem Gesicht stolperte sie aus der Tür. Der Schmerz zog von ihrem dicken, heißen Knöchel bis in den Oberschenkel. »Autsch!«, quälte sie aus sich heraus und hielt sich am Türknauf fest.

Es war dunkel im Haus. Im obersten Stock leuchtete lediglich ein schwaches Nachtlämpchen, das in einer Steckdose im Flur steckte. Im Erdgeschoss schien warmes Licht aus Jerriks Arbeitszimmer. Sie schaute hoch zur Treppe. Ihre Krücken lagen immer noch auf der obersten Stufe. Ja, super. Wie sollte sie es nur dort hochschaffen? Warum hatte Jerrik sie hier alleingelassen? In Gedanken meckerte sie und schüttelte enttäuscht den Kopf, bevor sie langsam zur Treppe humpelte. Ihr verstauchter Fuß hatte die erste Stufe noch nicht berührt, da hob Jerrik sie hoch.

»Hey, das schaffst du nicht allein.«

Milas Herz schlug schneller und Schmetterlinge machten sich in ihrem Bauch breit. Die Aufregung schnürte ihre Lungen zusammen und ließ sie keinen klaren Gedanken fassen. Sie presste ihre linke Faust auf ihre Brust und krallte sich mit der anderen an Jerriks T-Shirt fest. Behutsam trug er sie in sein Büro und setzte sie auf die Couch, die sie bereits aus ihrem letzten Traum kannte. Völlig zerstreut schaute sie ihn an und vergaß dabei, ihren Griff zu lockern.

»Oh, tut mir leid«, sagte sie erschrocken und ließ das nun zerknüllte Shirt los. Der groß gewachsene Schauspieler verließ den Raum. Was war nun? Warum hatte er sie hierhergebracht? Sie wusste nicht, was sie tun sollte, ob sie aufstehen oder einfach nur dasitzen und warten sollte. Der kleine Wecker auf Jerriks Schreibtisch tickte leise. Das weiße Licht der Straßenlaternen strahlte in den kleinen Raum, der sonst nur durch eine Leselampe, die neben dem Sofa auf einem runden Klapptisch stand, beleuchtet wurde.

Jerrik kehrte mit der Salbe, die Mila vom Arzt bekommen hatte, und neuem Verbandszeug zurück.

»Hast du das schon gewechselt?«, fragte er und deutete mit dem Zeigefinger auf ihren Fuß.

»N-nein.« Mila schüttelte hastig den Kopf.

Schweigend kniete er vor ihr, hob ihr Bein an, legte es auf seinen Oberschenkel und löste den alten Verband.

»Du … du musst das nicht machen. Ich kann das allein«, stotterte sie.

»Ist schon gut«, unterbrach er sie und schmierte die kalte Salbe, die Mila einen Schauer versetzte, auf die geschwollene Stelle. Liebevoll massierte er die transparente Creme ein und Milas innere Unruhe stieg. Sie beobachtete ihn. Seine Handbewegungen waren sehr behutsam, die grauen Strähnen fielen ihm sanft über die Stirn. Wie gern sie seine Haare berühren würde! Kaum hatte sie diesen Gedanken beendet, wanderte ihre rechte Hand wie von selbst an seinen Kopf. Ihre schlanken Finger strichen ihm durchs Haar. Gleichzeitig schaute sie in seine tiefen, müden Augen. Als sie realisierte, was sie da tat, zuckte sie erschrocken zusammen.

»Ich … ähm«, stotterte sie und versuchte in Gedanken eine Ausrede zu finden, doch ihr Kopf war leer. Sie machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr: »Entschuldigung. Dafür gibt es keine Erklärung.«

Ihr Gesicht war knallrot und ihr Herz schlug so stark, als wollte es aus ihrer Brust ausbrechen. Jerrik befestigte das Ende des Verbandes mit einem Klebeband und hielt ihren Fuß fest. Sein Blick durchbohrte Mila regelrecht. Draußen rasten Autos mit jaulenden Motoren vorbei, dann war es wieder still. Lediglich das Ticken des Sekundenzeigers war zu hören.

Er kniete immer noch vor ihr, stützte nun seine Unterarme auf der Couch neben ihren Oberschenkeln ab und legte seinen Kopf auf ihren Bauch. Zärtlich streichelte sie sein Haupt. Es kam ihr wieder wie ein Déjà-vu vor. Dieser Moment war so vertraut. »Träume ich wirklich nicht?«, flüsterte sie sehnsüchtig.

»Nein, diesmal nicht«, antwortete er leise. Da war es wieder, dieses »diesmal nicht«. Hatte er etwa auch von ihr geträumt? Das konnte nicht sein. Beide verharrten eine Weile so, bis Jerrik sie ansah, als suchte er in ihrem Gesicht nach Antworten. Mila hatte jedoch keine.

»Ich habe letzte Nacht von dir geträumt«, sagten beide zugleich. Sie schauten sich erschrocken an, während der Wecker leise vor sich hintickte.

»Ich habe mal gehört, dass zwei Menschen, deren Seelen schon in früheren Leben miteinander verbunden waren, dasselbe träumen können. Diese Seelen sind dann durch ein immerwährendes Seelenband über den Tod hinaus miteinander verknüpft«, erklärte Mila im Flüsterton. Sie kam sich ziemlich dämlich dabei vor, ihm so etwas zu sagen. Bestimmt hielt er sie jetzt für eine verrückte Geisterjägerin oder Wahrsagerin.

»Ich habe im Traum gesagt, dass ich dich liebe«, wisperte er.

»Ja«, säuselte sie sehnsuchtsvoll. Milas Herz hämmerte so wild, dass ihre Ohren davon beinahe taub wurden. Sie schluckte schwer, um ihre Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Sein Blick verlor sich in ihren dunkelbraunen Augen. Sie hatte noch nie einen so leidenschaftlichen, aber verwirrten Gesichtsausdruck gesehen. Sie versuchte, seine Gedanken zu erahnen, doch er war so geheimnisvoll und unnahbar.

Mila krallte sich mit ihren zarten Fingern am Ärmelsaum seines T-Shirts fest. Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Dieser Moment sollte ewig währen, auch wenn sich ihr Magen verkrampfte und ihr stechende Bauchschmerzen bereitete.

Statuenhaft verweilten sie auf der Couch. Die Minuten verstrichen und sie starrten sich regungslos an, als hätten sie jegliches Zeitgefühl verloren. Beide schienen in Gedanken Sätze zu formulieren, doch die Worte wurden nicht ausgesprochen. Mila kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum und sah Jerrik traurig an.

»Du machst mich total verrückt. Stellst hier alles auf den Kopf. Du weißt gar nicht, wie mein Herz brennt!«, sagte er vorwurfsvoll und schüttelte dabei den Kopf. Was sollte das bedeuten? Hatte er tatsächlich ebenfalls Gefühle für sie?

Jerrik atmete tief ein und fuhr mit bedrückter Stimme fort: »Ich kann das nicht …«

Mila spürte einen dicken Kloß im Hals. Ihr ganzer Körper zitterte und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie mit aller Kraft zurückzuhalten versuchte. Sie hatte gehofft, Antworten auf ihre Träume zu finden und endlich zu erfahren, ob es so etwas wie ein Seelenband wirklich gab. Mit seiner Zurückweisung riss er ihr alle Hoffnung aus dem Herzen.

»Tut mir leid. Ich kann an solch einen Humbug nicht glauben«, erklärte er.

Wie bitte? Humbug? Dachte er etwa, dass sie das mit dem Seelenband nur erwähnt hatte, um ihn weichzuklopfen und ins Bett zu bekommen? Was dachte er eigentlich, wer er war? Mit Wut im Blick verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, was Jerrik ziemlich süß fand. Er drehte ihren Kopf mit einer Hand zu sich und küsste sie ohne Vorwarnung. Mila war überrumpelt, konnte jedoch nicht anders, als die Augen zu schließen und diesen Moment zu genießen. Wie im Traum schmeckte seine Zunge nach Whisky und Tabak. Er war zärtlich und fordernd zugleich. Es kam ihr schon wieder wie ein Déjà-vu vor – als hätte sie das wirklich schon erlebt, und damit meinte sie nicht den Traum der letzten Nacht. Die Küsse wurden wilder und seine harten Bartstoppeln kratzen an ihren Lippen. Als er sich langsam von ihr löste, öffnete sie die Augen. Beide waren sichtlich erregt von diesem Kuss und atmeten schwer.

»Ich … ich sollte schlafen gehen«, sagte Mila schließlich, denn sie hatte Angst, dass es noch weitergehen könnte. Sie konnte das Gefühl nicht richtig einordnen, doch heute Nacht wollte sie es bei dem Kuss belassen.

»Ja, ich bringe dich nach oben«, stimmte er zu.

***

Genau wie Mila konnte auch Jerrik in dieser Nacht nicht schlafen. Um sich abzulenken, saß er die ganze Nacht in seinem Arbeitszimmer und studierte diverse Drehbücher, für die er Rollen angeboten bekommen hatte, doch das war leichter gesagt als getan. Nachdenklich zog er an seiner Zigarette und starrte das Sofa an.

 

Immer wieder erinnerte er sich an den Traum, in dem er und Mila dort miteinander geschlafen hatten, als wäre es das Normalste der Welt. Sie hatte tatsächlich das Gleiche geträumt. Konnte es wirklich nur Zufall gewesen sein? Ihre Lippen waren so weich und zärtlich, wie er sie im Traum wahrgenommen hatte. Er konnte nicht glauben, was sein Herz fühlte. Eine derartige Leidenschaft hatte er das letzte Mal gespürt, als er seine Frau kennengelernt hatte.

Mittlerweile wohnten sie nur noch wie in einer Wohngemeinschaft zusammen. Das Knistern zwischen ihnen hatte sich schon vor etlichen Jahren verabschiedet. Nun übernachtete Jerrik hauptsächlich auf der Couch in seinem Büro und nicht mehr im Bett neben seiner Frau. Die Kinder wussten nichts davon, denn er und Agatha vermieden Wortgefechte vor ihnen, obwohl es viele Themen gab, die in lautem Streit endeten, sobald sie aufkamen.

Jerrik betrachtete den Whisky in dem bauchigen Glas und rieb sich die Augen. Krampfhaft versuchte er, Milas Gesicht aus seinem Kopf zu bannen. Er sehnte sich nach ihr. Wie hatte ihm das nur passieren können? Sie war schon so oft in seinen Träumen vorgekommen und ausgerechnet seine Tochter brachte dieses hübsche Mädchen aus seiner Gedankenwelt in sein Haus. Eigentlich glaubte er nicht an Geister, Seelenverwandtschaft oder gemeinsame Träume, aber schließlich hatte ihn das Schicksal eines Besseren belehrt. Er erinnerte sich an Milas schmale Schultern, ihren zierlichen Hals und die helle Haut, die sie wie ein hauchdünnes Gewand trug. Sie war so schön wie ein Engel. Der Gedanke an den Sextraum erregte ihn.

Er schaute an sich herunter und schüttelte grinsend den Kopf. Ja, er war sehr erregt.

***

Übermüdet trafen Mila und Jerrik am nächsten Morgen in der Küche aufeinander. Er füllte die Kaffeemaschine mit Wasser und suchte verwirrt einen Kaffeefilter, den Mila ihm schließlich vor die Nase hielt, denn er schien an diesem Morgen wirklich ziemlich orientierungslos zu sein.

Die Maschine gluckerte, nachdem er sie angeschaltet hatte, und verbreitete innerhalb weniger Sekunden einen leckeren Kaffeeduft in der Küche. Beide standen an der Arbeitsfläche und schauten sich sehnsüchtig an. Sie wollten sich. Es lag nicht nur ein Knistern in der Luft, sondern ein loderndes Feuer.

Sie saßen schweigend am Küchentisch, lasen Zeitung, schlürften Kaffee. Einige Zeit später kamen Agatha sowie Caro und Lars in die Küche.

»Hey, du bist ja schon wach«, sagte Caro gähnend.

»Ja, ich habe schlecht geschlafen, weil mein Fuß so wehgetan hat. Dein Vater und ich haben etwas Zeitung gelesen und schon Kaffee gekocht.« Mila versuchte, ihre Anspannung so gut es ging zu überspielen, und lächelte fröhlich. Ihre engelsgleiche Stimme mit dem deutschen Akzent ließ Jerrik innerlich beben. Er fühlte sich wieder wie ein Teenager, der zum ersten Mal verliebt war. Seinen Blick starr auf die gedruckten Buchstaben gerichtet, grinste er verschmitzt, als er sich bei seinen schmutzigen Gedanken ertappte.

»Ach ja, macht es dir was aus, wenn du nachher kurz allein bleibst? Meine Mutter, Lars und ich wollen zu meiner Tante fahren und ihren Weihnachtsbaum schmücken. Ich dachte, dass du vielleicht lieber in meinem Zimmer fernsiehst oder so. Mein Bruder und ich müssen immer mit, weil sie jedes Jahr Fotos mit uns machen will«, erklärte Caro.

»Nein, das macht mir nichts aus«, erwiderte Mila und nickte verständnisvoll. Sie hatte absolut nichts dagegen, einen Weihnachtsfilm zu schauen, während ihre Freundin samt Familie bei der Tante war.

Gegen elf Uhr zogen sich die drei an, nahmen die mit Weihnachtsmotiven bedruckten Geschenktüten mit in den Wagen und fuhren los. Jetzt war sie mit Jerrik allein. Das Haus war wieder so still wie letzte Nacht. Keiner der beiden rührte sich. Der Schneepflug fuhr mit einem lauten Rauschen vorbei und schob den frisch gefallenen Schnee von der Straße. Die große Standuhr im Eingangsbereich des Hauses schlug zur vollen Stunde. Der Gong hallte durch das ganze Gebäude, während sie die Eingangstür anstarrten und hofften, dass diese nicht so schnell wieder geöffnet wurde.

»Äh, möchtest du dich zu mir ins Wohnzimmer setzen?«, fragte Jerrik vorsichtig.

»Ja, gern.«

»Kann ich dir was zu trinken anbieten? Einen Kaffee vielleicht?« Milas Augen leuchteten und sie nickte.

Der Schauspieler machte sich auf den Weg in die Küche, um einen Kaffee zu kochen, und Mila humpelte in die entgegengesetzte Richtung zum Wohnzimmer, wo sie sich auf die Couch setzte, die sie bereits aus ihrem Traum mit dem Teer kannte. Zugegeben – der Raum sah anders aus, aber die Möblierung und der Stil waren dem Zimmer in ihrem Traum sehr ähnlich. Sie legte die Krücken beiseite und sah sich um. Vor dem Sofa stand ein schmaler Glastisch, auf dem dekorativ einige Kerzen arrangiert waren. Der große Flachbildfernseher gegenüber wirkte beinah wie die Leinwand in einem Kino. Die dunkelbraunen Regale waren vollgestopft mit etlichen Büchern über Schauspielkunst und unzähligen Romanen. Jerrik brachte zwei Tassen Kaffee mit, stellte sie auf dem Tisch ab und setzte sich zu Mila. Betretenes Schweigen machte sich breit. Ihr Herz pochte und sie hoffte so sehr, dass er es nicht hören konnte. Sie nahm eine Tasse, nippte an dem heißen Getränk und sah ihn aus dem Augenwinkel an. Jerrik legte seinen Arm auf die Rückenlehne der Couch und berührte dabei ihre Schulter. Ihr ganzer Körper bebte vor Aufregung. Sie betete dafür, dass er sie zu sich heranzog und leidenschaftlich küsste.

Jerrik rückte dichter an sie heran und strich ihr sanft über die Schulter. Als er spürte, wie Mila unter der Berührung erzitterte, drehte er seinen Kopf zu ihr, platzierte eine Hand in ihrem Nacken und legte seinen Mund auf ihren. Erregt drehte sie sich zu ihm herum, umklammerte mit beiden Händen seinen Hals und schob ihre Zunge ungestüm in seinen Mund. Leidenschaftlich umschlangen sich ihre Zungen, während ihre Hand zu seiner Brust wanderte und sich in sein Shirt krallte. Dicht an seinen Körper geschmiegt konnte sie ihre Gefühle nicht länger im Zaum halten und forderte seine Zunge zum Tanz auf.

Nach einer Weile schob er sie von sich weg und drückte sie auf die Couch. Mit roten Wangen und glasigem Blick sah sie ihn an, während sie das rote Sofakissen unter ihrem Kopf zurechtrückte und ihre Beine öffnete, sodass er sich dazwischenlegen konnte. Mila spürte sein steifes Glied und drückte sich noch näher an ihn. Erregt biss sie sich auf die Unterlippe. Jerriks Gehirn setzte beinahe aus, doch er musste bei klarem Verstand bleiben, sonst würde es wahrscheinlich mit Sex auf der Couch enden. Er strich mit einem Daumen über ihren Mund, küsste sie leidenschaftlich und presste seinen Penis gegen ihren Venushügel. Mila stieß ein leises, lustvolles Stöhnen aus, was Jerrik fast um den Verstand brachte. Nein, er musste hier Schluss machen, sonst würde er sie auf der Stelle vernaschen.

»Tut mir leid«, säuselte er verkrampft und löste sich von ihr. Er setzte sich wieder hin und strich sich mit den Händen über das Gesicht. Ein derartiges Gefühl hatte er schon ewig nicht mehr gespürt. Mila setzte sich beklommen neben ihn.

»Entschuldige, ich wollte nicht …«

»Nein, ist schon gut. Ich dachte nur, dass du … ich meine, dass wir vielleicht noch nicht weitergehen sollten. Hier auf der Couch … Puh.« Jerrik war sichtlich durcheinander und konnte seine Gedanken nicht richtig in Worte fassen. Sein ganzer Körper brannte vor Leidenschaft. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle durchgevögelt, aber er musste sich beherrschen. Vielleicht fand sie ihn ja in zwei, drei Tagen abstoßend? Der Altersunterschied war enorm und möglicherweise war sie gerade noch von der Tatsache geblendet, dass er ein bekannter Schauspieler war. Vielleicht war sie einfach nur dem Charme des Promis erlegen und nicht seinem?