Herz und Verstand

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Herz und Verstand
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Leo Brescia

Herz und Verstand

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Impressum neobooks

Kapitel 1

Dunkel war die Nacht. Zwei Männer standen sich im grellen Licht einer Straßenlaterne gegenüber. Der eine war grauhaarig und untersetzt, sein fleischiges Gesicht verriet seine Nervosität. Sein teurer Anzug, den er unter einem grauen Trenchcoat trug, passte an diesem Ort und in dieser Situation nicht zur Sprache seines Körpers. Dieser Mann war es nicht gewohnt, nervös zu sein. Üblicherweise war er es, der die Kontrolle über das Geschehen hatte und der sagte, was zu tun sei. Doch nun war er es, der als Bittsteller auftreten musste.

„Sind Sie der Richtige für diesen Tätigkeit?“, fragte er mit belegter Stimme. Er räusperte sich und versuchte, Haltung anzunehmen. Ganz gelang es ihm nicht.

Der andere Mann nickte. „Und ob.“

Dieser Mann war jünger, sozusagen in seinen besten Jahren. Doch sein emotionsloses Gesicht, seine tiefen, dunklen Augen und das Spiel aus Licht und Schatten, das durch die Nacht und die Laterne in sein Gesicht geworfen waren, ließen ihn älter erscheinen.

Der Ältere sah sich nervös um und leckte sich rasch über die Lippen. „Sie wurden mir von einem Geschäftspartner empfohlen.“

Der andere nickte. Die besagten Geschäftspartner hatten dem nervösen, älteren Herren den Namen seines Gegenübers verraten – vielmehr seinen Rufnamen: Cor. Es gab tatsächlich jemanden, der diesen Typen, der in einem ganz bestimmten Bereich seine Profession hatte, Cor nannte. Cor, so wie das Herz und die Seele. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein, wer er war?

„Meine Auftraggeber bekommen, was sie sich wünschen“, sagte Cor. Sein Blick war für den anderen nicht zu deuten. „Ich bin zuverlässig.“

„Kann ich Ihnen vertrauen?“, fragte der Mann.

Wieder ein Nicken seines Gegenübers. „Treue bedeutet mir alles. Wenn Sie diesen Vertrag mit mir schließen, sind wir aneinander gebunden.“

Das hörte sich gut an. „Aber wie kann ich Ihnen trauen?“

„Ich verbürge mich mit meinem ganzen Sein für meine Treue.“

Der Ältere verkniff es sich, nach dem Sinn dieser Worte zu fragen. Viel wichtiger waren andere Dinge, er wollte sich nicht mit dem Irrsinn dieses Kerls auseinandersetzen. Er sollte nur einen Auftrag für ihn erfüllen.

„Sind Sie auch diskret?“, fragte er darum.

„Meine Lippen sind versiegelt. Wenn ich schweige, kann mich niemand zum Sprechen bringen.“

Der Kerl hatte sie nicht mehr alle. Aber er war der Beste, um diese Art von Auftrag auszuführen.

„Wie kann ich sichergehen, dass Sie mich nicht hintergehen?“

„In geschäftlichen Dingen“, sagte Cor, „verfolge ich mein Ziel gnadenlos. Nichts und niemand kann mich von einem einmal eingeschlagenen Kurs abbringen.“

„Sehr gut.“

„Das heißt...“

„Ja?“, fragte der Ältere und beugte sich nach vor.

„… solange Sie mir keinen Grund liefern, mich gegen Sie zu wenden. Wenn Sie mich verraten, bringe ich Sie um. Ich werde Sie finden und töten, und nichts wird mich davon abhalten.“

Der Ältere schluckte. „Ich verstehe. Sie sind ein Ehrenmann. Das schätze ich.“

„Ich stehe zu meinem Wort“, sagte Cor.

„Manche sagen, in Ihrem Gewerbe sei man sehr flatterhaft.“

„Das erscheint nur so, weil Auftraggeber und Zielperson schnell wechseln. Wir verbeißen uns schnell in einen Auftrag und erledigen ihn ebenso schnell. Wir führen zu Ende, was wir beginnen. Keiner kann diesen Gang aufhalten. Wir sind unaufhaltsam.“

Der Ältere nickte. Was er hörte, gefiel ihm. „Ausgezeichnet. Eine Frage habe ich noch: auf welcher Grundlage wählen Sie ihre Aufträge aus? Was bringt Sie dazu, anzunehmen oder abzulehnen?“

„Ich entscheide ganz allein von Herzen“, sagte Cor. „Ich vertraue meinem Gefühl.“

„Ihr Herz?“

„Das Herz ist hartnäckiger und ausdauernder als ein Bluthund. Verbeißt es sich einmal in eine Sache, kann niemand es umstimmen. Niemand kann seinen Kurs ändern. Das Herz ist stürmisch und unaufhaltsam. Es ist mit der ganzen Gewalt der Gefühle bei allem, was es tut. Ganz gleich, ob es liebt oder hasst oder leidet. Das Herz gibt den Rhythmus des Lebens vor. Es diktiert das Sein.“

„Ich verstehe“, sagte der Ältere, obwohl er nicht verstand. „Man sagte mir bereits, dass man Sie nicht grundlos auch „das Herz“ nennt. Herr Cor...“

„Man nennt mich tatsächlich Herz.“

„Dann kommen wir zum Geschäftlichen.“

„Sagen Sie mir, wer Ihr Problem ist.“

„Es ist meine Frau“, sagte der Ältere als er es endlich eingestand. „Sie hat mich betrogen. Ich weiß es. Sie hat mit einem anderen Mann geschlafen. Es ist schon einige Zeit her, aber so etwas kann ich nicht vergeben, schon gar nicht vergessen.“

„Ich stimme Ihnen zu.“

„Ich will diesen Kerl leiden sehen.“

„Was genau verlangen Sie von mir?“, fragte Cor.

„Ich möchte, dass Sie den Mann umbringen.“ Nach einer Pause fügte der Ältere hinzu: „Können Sie das?“

„Sie hätten mich nicht herbestellt, wenn Sie das nicht wüssten.“

„Ich meinte: Nehmen Sie meinen Auftrag an?“

Cor horchte in sich, überlegte. Dann nickte er. „Mein Gefühl sagt mir, dass es richtig ist. Ja, ich nehme Ihren Auftrag an.“

„Wunderbar. Hier, nehmen Sie diesen Umschlag.“ Der Ältere hielt ihm einen braunen Umschlag hin.

Cor machte keine Anstalten, den Umschlag entgegenzunehmen. „Was befindet sich darin?“, fragte er.

„Darin befindet sich ein Foto der beiden Ehebrecher. Die haben es selbst bei einem gemeinsamen Treffen aufgenommen. Können Sie sich das vorstellen? Ich bin durch Zufall darüber gestolpert. Man soll nicht glauben, wie nachlässig man wird, wenn die verdammte Affäre endet und man glaubt, allein dadurch wieder ein Recht auf das Leben zu haben, das man zuvor führte. Das Foto zeigt meine Frau und den Mann, der mir Hörner aufgesetzt hat. Ich will, dass Sie den Namen des Schweins herausfinden. Finden Sie heraus, wo er wohnt. Richten Sie ihm aus, dass ich Sie schicke. Und dann töten Sie ihn.“

Cor nahm den Umschlag. Es geschehe.“

„Ich kann mich auf Sie verlassen?“

„Auf wen, wenn nicht auf mich? Ich weiche nicht vom Weg ab.“

„Wie werde ich wissen, ob Sie erfolgreich waren?“

„Ich setze mich mit Ihnen in Verbindung“, war alles, was Cor darauf antwortete. Er ließ sich nicht in die Karten blicken.

„Wann kann ich damit rechnen?“, hakte der Ältere nach.

Cor zuckte mit den Schultern. „Ich treffe keine zeitlichen Voraussagen.“

„Ja, dann...“ Der Ältere blickte sich unschlüssig um. „Dann... bis bald.“ Er wollte nur noch weg von hier, weg von diesem Typen.

„Nicht so schnell.“

„Ja?“

„Was wird aus Ihrer Frau?“, wollte Cor wissen.

Diesmal war es am Älteren, sich nicht in die Karten blicken zu lassen. „Überlassen Sie das mir“, sagte er und trat aus dem Schein der Lampe zurück in die Dunkelheit der Nacht.

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