Buch lesen: «DANGEROUS BEND»

Schriftart:

Krista K.

DANGEROUS BEND

Gefährliche Kurve

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

DANGEROUS BEND

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

EINUNDDREISSIG

ZWEIUNDDREISSIG

DREIUNDDREISSIG

VIERUNDDREISSIG

FÜNFUNDDREISSIG

SECHSUNDDREISSIG

SIEBENUNDDREISSIG

ACHTUNDDREISSIG

NEUNUNDDREISSIG

VIERZIG

EINUNDVIERZIG

ZWEIUNDVIERZIG

DREIUNDVIERZIG

VIERUNDVIERZIG

FÜNFUNDVIERZIG

SECHSUNDVIERZIG

SIEBENUNDVIERZIG

ACHTUNDVIERZIG

NEUNUNDVIERZIG

FÜNFZIG

EINUNDFÜNFZIG

ZWEIUNDFÜNFZIG

DREIUNDFÜNFZIG

VIERUNDFÜNFZIG

FÜNFUNDFÜNFZIG

SECHSUNDFÜNFZIG

SIEBENUNDFÜNFZIG

ACHTUNDFÜNFZIG

NEUNUNDFÜNFZIG

SECHSZIG

Impressum neobooks

DANGEROUS BEND

DANGEROUS BEND

Gefährliche Kurve

Ein Roman

von

K. Krista

Vergangenheit kann man nicht bewältigen,

man kann sie nur verantwortlich zu verstehen versuchen.

Richard von Weizäcker

Man muss erst einige Male sterben um

wirklich leben zu können.

Charles Bukowski

EINS

Endlich Urlaub!

Raus aus Deutschland, die Seele baumeln lassen.

Der Gedanke, mich nicht mehr verstecken zu müssen, keine Angst zu haben, dass mich jemand erkennt, zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht.

Für ein paar Tage frei sein, keine Gedanken daran verschwenden zu müssen, dass mich meine Vergangenheit doch noch einholen könnte. Wenigsten für ein paar Tage die Sorge los sein, meine Verfolger könnten plötzlich vor mir stehen und alles zerstören, was ich mir über die Jahre mühsam aufgebaut habe.

Für mich bedeutet mein kleines sorgenfreies Leben alles.

Ich habe mir ein zu Hause geschaffen, in dem ich mich sehr wohl fühle. Nur eine Zweizimmerwohnung, nicht sehr groß, aber für mich völlig ausreichend. Sie liegt nur wenige Gehminuten vom Augsburger Stadtkern entfernt, so dass ich jederzeit schnell dort bin, wo das Leben tobt, wenn ich das möchte. Ebenso günstig liegt die Wohnung an einem kleinen Fluss, der vor einigen Jahren renaturiert wurde und sich dadurch zu einem Naherholungsgebiet entwickelt hat. Je nach dem, nach was mir der Sinn steht, ob Ruhe oder Aktion, in wenigen Minuten kann ich Beides erreichen.

Und nicht zuletzt habe ich einen Arbeitsplatz gefunden, der mir sehr viel Freude macht und den ich durch puren Zufall, über das Arbeitsamt, man glaubt es kaum, erhalten habe.

Ich erinnere mich noch, wie ich damals vor der Beraterin saß und sie mir das Stellenangebot eines Zahntechnischen Fräszentrums über den Tisch schob und mir mitteilte, ich müsste mich auf diese Stelle bewerben.

Ungläubig und leicht genervt las ich mir den Text des Angebotes durch.

Gleich am Anfang des Stellenangebotes wurde darauf hingewiesen, dass eine Ausbildung in der Zahntechnik von Vorteil, aber nicht Bedingung wäre.

Weiter ging es mit Kenntnissen in CAD, ein Programm für Rechnerunterstützte Konstruktion – diese war Bedingung.

Ferner handelte es sich hierbei um einen Ganztagsjob, was für mich sowieso nicht in Frage kam, ich der Dame vom Amt aber nicht sagen durfte, bzw. konnte. Sie wäre niemals damit einverstanden gewesen, einen Halbtagsjob für mich zu suchen, denn nur ein solcher kam für mich in Frage.

Durch die lange Arbeitslosigkeit hatte ich festgestellt, dass ich zum Leben viel weniger Geld benötige als ich früher dachte. Jetzt musste ich mit weniger auskommen und nach anfänglichen Schwierigkeiten klappte das überraschend gut.

Auf einmal war mir Zeit wesentlich wichtiger als Konsum. Doch das konnte und durfte ich der Beamtin nicht sagen, sie hätte mir sicherlich die Bezüge gekürzt.

Lächelnd sah ich von dem Schriftstück auf und teilte der Vermittlerin mit, dass ich, als gelernte Bürokraft, nicht die geringste Qualifikation für dieses Stellenangebot hätte, natürlich nur meine Meinung, fügte ich im Stillen hinzu.

Meinen Einwand ignorierend wies sie mich lediglich lapidar darauf hin, dass ich mich auf jedes, von ihr, vorgelegte Angebot, bewerben müsste.

Um Ärger zu vermeiden und meinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu verlieren, gab ich zähneknirschend nach und schrieb noch am selben Tag eine Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle, konnte mir jedoch den Zusatz nicht verkneifen, dass es mir sehr unangenehm ist, mich zu bewerben, mir aber leider keine andere Wahl bleibt.

Es war einfach zu Offensichtlich, dass ich so gar nicht für diese Stelle geeignet war und mir war es ausgesprochen peinlich mich auf diese Ausschreibung zu bewerben.

Wider Erwarten erhielt ich jedoch nur zwei Tage später einen Anruf der Firma, mit der Frage, ob ich denn auch an einer Halbtagstelle interessiert wäre.

Für die ausgeschriebene Stelle, wäre ich nicht geeignet, - Überraschung - aber es würde eine Zahntechnische Assistentin gesucht, die umfangreich eingearbeitet und angelernt würde.

Ich konnte mein Glück kaum fassen und freue mich noch heute über diese glückliche Fügung, denn die Tätigkeit macht mir immer noch sehr viel Freude.

Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und kreativ. Mit meinen Arbeitskollegen verstehe ich mich sehr gut, was zu einem guten Betriebsklima beiträgt und mich jeden Tag aufs Neue gern zur Arbeit gehen lässt.

Mein Leben ist nicht aufregend, Gott sei Dank, es ist ruhig und beschaulich.

Die Tage gestalten sich meist vorhersehbar, genauso wie ich es mir wünsche.

Ich liebe meine kleine Wohnung, die ich über die Jahre liebevoll eingerichtet habe. Sie liegt nur einen Eingang von einer sehr lieben Nachbarin entfernt, in der ich eine Freundin gefunden habe, mit der ich über fast alles reden kann.

***

Geplant hatte ich meinen Urlaub schon vor Monaten und jetzt ist es endlich soweit, ich sitze im Flieger nach Griechenland. Drei Wochen reine Erholung und Entspannung liegen vor mir. Von ein paar Ausflügen abgesehen, werde ich mich nur am Stand und in der Sonne aalen.

Ich freue mich riesig.

Gut, einige Änderungen musste ich leider bei der Buchung vornehmen, denn zunächst hatte ich mir im Internet fünf kleine, gemütliche Hotels, mit maximal 40 Zimmern und Halbpension, ausgesucht. Bin in freudiger Erwartung mit den Daten zum Reisebüro marschiert und wollte eines dieser Hotels buchen.

Leider hatte ich Pech, denn die kleinen Hotels haben keine Einzelzimmer und bieten auch keine Doppelzimmer zur Einzelbelegung an. Außer man bucht sehr kurzfristig und es ist zufällig noch ein Zimmer frei.

In den kleineren Hotels ist es leider so, dass erst, wenn sie nicht ausgebucht sind und die Eigentümer befürchten, ein Zimmer könnte komplett leer bleiben, es zur Einzelnutzung frei gegeben wird.

Das hat mich etwas geärgert, da ich jedoch frühzeitig buchen wollte, blieb mir keine Alternative und ich musste mich zwischen fünf Bettenburgen, welche die Dame im Reisebüro für mich aus dem Internet rausgesucht hat, entscheiden.

Die Wahl fiel dann auf ein Hotel mit ca. 300 Betten, bestehende aus einem Haupthaus und mehreren kleineren Häusern, in einer weitläufig angelegten Anlage. Vier Sterne, All Inklusiv und Animation versteht sich, wie das heute so üblich ist.

Nun, ich muss bei dem Wahnsinn ja nicht mitmachen und nehme mir vor, mich dem Ganzen zu entziehen, groß genug ist das Gelände ja.

Mein letzter Urlaub ist über zehn Jahre her und ich genieße es, wieder einmal in einem Flugzeug zu sitzen.

Für meine Freundin mache ich – „über den Wolken Bilder“ – da sie noch niemals geflogen ist und ich ihr gerne zeigen möchte, wie schön die Aussicht von hier oben ist.

Klar dass ich wieder einmal an den Tragflächen sitze.

Mein Fehler, ich mache niemals eine Sitzplatzreservierung, habe aber meist das Glück am Fenster zu sitzen, allerdings immer, neben oder hinter den Tragflächen.

Egal, davon lass ich mir meine Vorfreude nicht vermiesen, ich genieße den Flug trotzdem in vollen Zügen.

Die Maschine ist um sechs Uhr morgens gestartet und ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt über die tiefblaue Farbe des Himmels über den Wolken. Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens erleuchten den Himmel und lassen das Blau noch intensiver erstrahlen. Der Luftraum über den Wolken, erscheint so klar und rein und der Blick nach unten, direkt auf die Wolkendecke, lässt mich noch immer, wie bei meinem allerersten Flug, daran denken, dass sie wie weiche, schneeweiße Zuckerwatte aussieht, in die ich mich sehr gerne hineinfallen lassen möchte.

Der zweistündige Flug ist im Nu vorbei und wir setzen zur Landung auf dem Flughafen in Thessaloniki an. Da eine Stunde Zeitverschiebung einkalkuliert werden muss, ist es jetzt bereits neun Uhr Ortszeit und ich hoffe, dass die Gepäckausgabe nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt, da ich noch etwa eine Stunde, mit dem Shuttle-Bus, bis zu meinem Hotel, benötige.

Das ungewohnt frühe Aufstehen macht sich schon jetzt bemerkbar.

Der Flughafenzubringer hatte mich bereits um kurz nach drei Uhr, heute Morgen abgeholt. Gefühlt habe ich diese Nacht so gut wie gar nicht geschlafen.

Die milde Temperatur und der herrliche Sonnenschein entschädigen mich jedoch für den Schlafentzug, es ist einfach traumhaft und ich kann es kaum erwarten, ins Hotel zukommen, meinen Koffer ins Zimmer zu werfen, an den Strand zu laufen und meine Füße vom Meerwasser umspülen zu lassen.

Thessaloniki ist eine Millionenstadt und deshalb steht zu befürchten, dass der Flughafen, ähnlich wie in München oder Frankfurt, in etwa dieselben Ausmaße hat.

***

Zum Glück habe ich mir unnötige Gedanken gemacht.

Wir verlassen das Flugzeug nicht, wie an Großflughäfen üblich, über den, am Flugzeug angebrachten Schlauch, um sich dann einen ewig langen Weg zu den Koffern zu suchen, sondern über eine Treppe, welche an die Maschine heran geschoben wird.

Es mag nostalgisch klingen, aber ich liebe es, über eine Treppe, das Flugzeug zu verlassen oder zu betreten. Ich kann es schlecht in Worte fassen, aber diese Art ein Flugzeug zu betreten, oder zu verlassen, setzt für mich einen deutlicheren Punkt für eine Ankunft, oder einen Abschied.

Der Weg über diesen Schlauch, Neudeutsch auch „Gangway“ genannt, bildet für mich keinen wirklichen Übergang. Irgendwie wird dadurch die Ankunft, bzw. der Abflug zu einem schwammigen, nicht wirklich erlebbaren Ereignis.

Mit einem Zubringerbus werden alle Passagiere zügig, an die Gepäckausgabe gefahren. Es ist nur ein kurzer Fußweg und wie an der Anzeige zu erkennen ist, beginnt die Kofferausgabe schon in wenigen Minuten.

Zeit, mich etwas umzusehen.

Werde ich beobachtet?

Sind einzelne Männer unterwegs die sich auffällig, unauffällig benehmen?

Leider bin ich, zu meiner Sicherheit, seit einigen Jahren gezwungen, bzw. ist es mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen, mein Umfeld sehr genau zu beobachten und ich achte deshalb auf Personen, die irgendwie nicht in die Szenerie passen.

Zu meiner Erleichterung, sehe ich hauptsächlich verliebte Pärchen und gestresste Familien. Es ist noch keine Hauptferienzeit und deshalb sind fast ausschließlich Familien mit Kleinkindern unterwegs.

Mangels eigener Kinder gilt Müttern von quengelnden Kleinkindern meine ganze Bewunderung. Während die Väter tiefenentspannt bereits die ersten Gespräche mit anderen Urlaubern anknüpfen, kümmern sich die Mütter aufopferungsvoll um ihren Nachwuchs.

Da ist das kleine Mädchen, das sofort etwas zu trinken braucht und sofort heißt auf der Stelle, was sie mit lautem Gekreische deutlich macht. Eigentlich ein wirklich sehr reizendes Kind, kaum zu glauben, wie durchdringend und dadurch leider sehr unangenehm ihre Stimme klingt.

Gleich wenige Meter daneben kämpft eine Mutter mit ihrem kleinen Jungen, der unbedingt das Spielzeugauto haben möchte, welches er eben in der Auslage eines Souvenirladens gesehen hat.

Bitte nicht falsch verstehen, ich mag Kinder, doch bei einigen wenigen kommt mir dann doch der Gedanke, dass nur eine Mutter dieses Kind lieben kann.

Da mir keine Personen auffallen, die nicht in diese Urlaubsszenerie passen, lässt meine Anspannung merklich nach und ich nehme mein Kopftuch ab.

Endlich!

Eine wahre Befreiung.

Seit ich wieder in Bayern wohne, habe ich mir angewöhnt, ein Kopftuch, wie gläubige Muslime zu tragen. Was jedoch immer wieder zu Fragen führt, da ich weder arabisch noch türkisch aussehe.

Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die wenigsten Menschen über Religion sprechen wollen und so komme ich mit der Antwort, ich wäre zum Islam konvertiert, recht gut klar. Zur Sicherheit habe ich mir einiges über den Glauben angelesen, musste jedoch noch nie Rede und Antwort stehen und mir gibt das Kopftuch ein enormes Sicherheitsgefühl.

Das Kopftuch hilft mir, mich zu verstecken.

Nur eine kleine Veränderung, jedoch sehr wirkungsvoll.

Meine Erfahrung hat gezeigt:

Männer sehen Frauen, von denen sie annehmen, sie wären gläubige Muslime, nicht so genau an und das ist alles was ich erreichen möchte.

Auf keinen Fall auffallen, oder auch nur gesehen werden.

Vor etwas mehr als zehn Jahren habe ich einige Jahre als Prostituierte gearbeitet und dabei eine klassische Kariere hingelegt.

Zunächst arbeitete ich nur in den besten Clubs und verdiente mehr Geld, als ich damals ausgeben konnte – dachte ich -, doch nicht lange.

Diese Arbeit ging so sehr an meine Substanz, dass ich irgendwann nicht mehr ohne Drogen oder Alkohol arbeiten konnte und damit begann der Abstieg.

Der Zeitpunkt zum Ausstieg, als ich sehr viel Geld verdiente und mir etwas zur Seite legen konnte, war verpasst. Den hätte ich nur in den ersten Jahren schaffen können und da wollte ich noch nicht auf das vermeintlich, leicht, verdiente Geld verzichten.

Wie sehr man sich täuschen kann.

Obwohl ich am Ende nicht mehr in Clubs, sondern auf der Straße arbeitete, hatte ich immer noch gute Kontakte zu den „Besserverdienenden“ und immer noch viele Beziehungen in die teureren „Läden“.

Dies war auch der Polizei bekannt und eines Tages trat die Kripo an mich heran und bat mich, verdeckt für sie zu arbeiten, ihnen zu helfen, einen Menschenhändlerring hochzunehmen.

Sie brauchten dazu einen Insider, da es viel zu lange dauern würde, jemanden aus ihren Reihen, „Undercover“ einzuschleusen.

Lange dachte ich nicht über das Angebot nach, gut es war gefährlich, aber was war die Alternative?

Für den Straßenstrich wurde ich langsam zu alt und viel tiefer kann man im Grunde nicht mehr sinken. Ohne Hilfe würde ich den Absprung nicht mehr schaffen, dazu war ich bereits zu sehr im Drogen- und Alkoholkreislauf gefangen.

Ohne Drogen schaffte ich die Arbeit nicht und ohne die Arbeit konnte ich mir die Drogen nicht leisten.

Mit Schaudern denke ich daran zurück, wie es war, wenn ich zu wenig verdiente, oder es mir so schlecht ging, dass ich nicht arbeiten konnte, mir dann mit Alkohol helfen musste, um den Entzug einigermaßen zu überstehen.

Ich hatte mich in einen Kreislauf hinein manövriert, aus dem ich allein nicht mehr herauskam.

Doch ich wollte raus aus dem Milieu und sah in dem Angebot der Kripo meine letzte Chance, ich spielte mit und ließ den Kopf der Bande hochgehen.

Viktor Sarow, ein Menschenhändler der übelsten Sorte, wurde bei dem Prozess zu einer dreizehnjährigen Haftstrafe verurteilt, zwei seiner Männer „fürs Grobe“, zu fünf und sieben Jahren.

Viktor lockte blutjunge Mädchen mit den Versprechen auf tolle Jobs aus Russland nach Deutschland, organisierte ihre Einreise und versprach ihnen gute Verdienstmöglichkeiten. Manchen erklärte er, sie könnten in Deutschland als Models arbeiten, anderen versprach er Arbeitsstellen im Haushalt. Weder das eine noch das andere haben die Mädchen bekommen.

Nur mit einem behielt er Recht, verdient haben die Mädchen sicherlich gut, aber das Geld floss ausschließlich in seine Taschen. Wenn sie Glück hatten, wurde ihnen nur der Pass abgenommen und sie konnten sich nach einer Weile freikaufen.

Leider war dies jedoch nicht seine lukrativste Einnahmequelle.

Ich schaffte es damals, mich in seine Organisation einzuschleusen, bin sehr nah an ihn herangekommen und konnte herausfinden, dass Viktor noch viel schlimmere Geschäfte tätigt.

Richtig Geld machte er damals mit dem Vermitteln und teilweise auch Verkauf von hauptsächlich minderjährigen Mädchen.

Unter den ganz gut betuchten Freiern gibt es einige wirklich sehr widerliche Exemplare, die darauf abfahren, Mädchen oder Frauen nicht nur sexuell zu missbrauchen, sondern sie regelrecht zu quälen, es bereitet den Typen Freude den Mädchen größtmöglichen Schmerz zu zufügen, unter der Hand spricht man sogar davon, dass einige dies nicht überlebten.

Viktor hatte in ganz Deutschland ein Netzwerk für diese Klientel aufgebaut.

Nach meiner Aussage, als Hauptbelastungszeugin, im Prozess gegen ihn, wurde ich ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen.

Das heißt, von heute auf morgen in eine andere Stadt ziehen, alle Kontakte, ob Familie oder Freude aufzugeben, ohne Erlaubnis, ihnen mitzuteilen, wo man sich aufhält. Man lässt das alte Leben komplett hinter sich.

Stellte ich mir anfangs viel einfacher vor als es war.

Dieses Programm dient dazu, insbesondere „Kronzeugen“, also Personen, wie mich, die maßgeblich zur Verurteilung eines Täters beitragen können, zu schützen, wenn ernsthaft befürchtet werden muss, dass die Aussage zu einer Gefährdung, für Leib und Leben, führen würde.

Gerade bei organisierter Kriminalität können oft nicht alle Beteiligten verhaftet und vor Gericht gestellt werden. So ist die Gefahr für den „Kronzeugen“ sehr hoch, dass dieser durch eine Bedrohung der Handlanger des Täters, an einer Aussage gehindert wird, oder oft auch mit dem Tod bedroht wird.

Je nach Gefährdungsstufe kann es nötig werden, den Zeugen nur für die Dauer des Verfahrens aus seinem persönlichen Umfeld zu entfernen und ihn in einer geheimen Wohnung unterzubringen.

Kommt es dann zu einer Verurteilung, ist die Gefährdung, für die Zeit der Inhaftierung des Täters, in der Regel vorbei.

Nicht so in meinem Fall.

Insbesondere im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität, wie dies bei Viktor Sarow der Fall war und heute noch ist, zeigte es sich, dass die Rache des organisierten Verbandes, es nötig machte, mich lebenslang, in irgendeiner Form zu schützen.

Dies ist nicht ungewöhnlich, kommt jedoch seltener vor als man denken könnte.

Zunächst greift der Identitätsschutz, bei dem die persönlichen Daten einem sehr strengen Datenschutz unterliegen.

So können zum Beispiel in Deutschland, Personenauskünfte der Meldeämter, durch einen Sperrvermerk von allgemeinen Anfragen ausgenommen, oder gänzlich gesperrt werden, je nach Gefahrenpotenzial.

Ich erhielt eine dauerhafte Tarnidentität, die sich auf alle gängigen Dokumente erstreckte.

Es wurde eine neue Geburtsurkunde, neue Zeugnisse, sowie ein neuer Führerschein erstellt und sogar eine komplett neue Identität, plus eine Legende über meine Vergangenheit erfunden.

Eine völlig neue Vita sozusagen.

Es besteht im Rahmen des Zeugenschutzprogramms sogar die Möglichkeit der Tarnung durch eine Todeserklärung.

Soweit ist man bei mir jedoch nicht gegangen.

Diese letzte und auch sehr drastische Maßnahme wird jedoch nicht selten bei Zeugen in Mafiaprozessen angewandt.

Bei einem Identitätswechsel ist es dringend erforderlich, das komplette Umfeld zu verlassen und den Kontakt zu Freunden und Verwandten abzubrechen, um die eigene, wie auch eine eventuelle Gefährdung der Nahestehenden, völlig auszuschließen.

Das Programm sieht selbstverständlich auch finanzielle und berufliche Hilfen vor, da ein Umfeld Wechsel immer mit einer neuen beruflichen Tätigkeit einhergeht, ebenso wie das Finanzieren einer neuen Wohnung, inklusive der Einrichtung und aller Kosten, die mit dem Start in ein neues Leben verbunden sind.

Dabei sollte man sich aber keine gut ausgestattete, im gehobenen Preissegment ausgestattete Zwei- oder Dreizimmerwohnung vorstellen, ein kleines Apartment trifft es schon eher. Der Gedanke, man könnte einen finanziellen Vorteil aus der Flucht in ein Zeugenschutzprogramm ziehen, klappt vielleicht im Fernsehen, die Realität sieht ganz anders aus.

Der zu Beschützende, also ich, bekommt, außer in finanzieller Hinsicht jegliche Starthilfe, muss sich jedoch verpflichten, mit der Vergangenheit komplett abzuschließen und jeglichen Kontakt zu ehemaligen Bekannten, Freunden oder Familie, rigoros abzubrechen. Falls vorhanden, werden Kinder oder Partner, in den meisten Fällen, ebenfalls ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen.

In meinem Fall handelte es sich um meinen Bruder und meine Schwester samt Anhang.

Diese Personengruppe, wie es im Amtsdeutsch so schön heißt, erhält eine geraume Zeit Polizeischutz, alle ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen, ist möglich, jedoch in meinem Fall nicht vorgesehen.

Allerdings wird von mir, eine totale Kontaktsperre verlangt und da dies vor Gericht auch so kommuniziert wird, wird davon ausgegangen, dass diese Personengruppe, also meine Geschwister, dadurch geschützt werden.

Ein kleines Restrisiko bleibt demnach, welches ich im Grunde nicht eingehen wollte. Ich machte deshalb meine Aussage vom Einverständnis meiner Geschwister abhängig. Doch die Entscheidung wurde mir abgenommen.

Denn als die Kripo meine Geschwister über das Zeugenschutzprogramm aufklärte, wiedersprachen sie einstimmig, sie verzichteten auf jeglichen Schutz und für mich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, gegen diesen Menschen auszusagen.

Mir war und ist auch heute noch nicht wohl bei der Sache, aber man kann niemanden dazu zwingen, ins Zeugenschutzprogramm zu gehen. Diesen Schutz kann man nur freiwillig annehmen. Sicher man gibt viel auf, aber im Zweifel bleibt man am Leben.

Es bleibt der Polizei jedoch vorbehalten, mich jederzeit wieder aus dem Programm heraus zu nehmen, sollte ich die Kontaktsperre brechen und mich bei meinen Geschwistern melden, so würde ich sie damit nicht nur in Gefahr bringen, sondern das Programm wäre sofort beendet.

Verstöße, gegen weniger schwerwiegende Verbote, wie zum Beispiel, die Anmeldung bei Facebook, mit Foto versteht sich, um nur ein Beispiel zu nennen, hätten ebenso einen Rauswurf zur Folge.

Ich habe sieben lange Jahre durchgehalten.

Anfangs war es leicht.

Ich war fast ein Jahr in einer Drogenklinik auf Entzug, man hatte mich mit einer neuen Identität nach Bremen verfrachtet. Doch je weniger Drogen sich in meinem Körper befanden, umso klarer wurde mein Kopf und umso schlimmer und einengender, empfand ich mein neues Leben.

Die totale Isolation.

Der einzige Mensch, mit dem du ehrlich sprechen kannst und darfst, ist der Kontaktbeamte, der dir durch das Programm zugewiesen wurde.

Neue Freundschaften schließen?

Gar nicht daran zu denken.

Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch, der schon immer Probleme damit hatte, jemanden anzulügen, das war mir immer viel zu anstrengend und umständlich.

Wie beginnt man eine Freundschaft und festigt diese später, wenn man nichts von sich erzählen kann, darf?

Sicher, ich hatte meine erfundene Legende, doch ganz ehrlich, wenn es nicht nur bei netten, oberflächlichen Bekanntschaften bleiben soll, dann stellt das Gegenüber doch recht schnell fest, dass man mit irgendetwas hinter dem Berg hält.

Du musst ständig lügen, dir eine komplett erfundene Lebensgeschichte aus den Fingern saugen, das ist anstrengend.

Die Vita, die du vom Zeugenschutz bekommst ist lediglich ein Gerüst aus Daten.

Wo und wann geboren.

Eltern, Geschwister, evtl. Verwandtschaft.

Wohnhaft in, Schulbildung, Ausbildung und Berufsweg.

Diese Vita mit Erlebtem auszufüllen ist deine Aufgabe.

Für mich viel zu anstrengend.

Was bleibt sind lockere Bekanntschaften, wie man sie vielleicht mit netten Arbeitskollegen unterhält.

Beides nicht nach meinem Geschmack, also bleibe ich vorwiegend allein.

Ich machte in Bremen eine Ausbildung zur Bürokauffrau und arbeitete nach der Ausbildung einige Jahre in diesem Beruf.

Für meinen damaligen Chef war ich ein absoluter Glücksgriff, mangels sozialer Kontakte, war ich froh um jede Überstunde die Anstand und immer die Erste, die sich für Mehrarbeit freiwillig meldete.

Doch irgendwann ging es einfach nicht mehr, ich war am Ende meiner Kräfte und wusste nicht warum.

Ich fühlte mich in Bremen so unwohl und fehl am Platz, dass dies irgendwann Auswirkungen auf meinen Körper hatte.

Ich nahm immer mehr ab.

Zuletzt wog ich noch 42 Kilogramm, bei einer Körpergröße von 1,68 Meter.

Nach langen Untersuchungen kam meine Allgemeinärztin irgendwann auf die Idee, dass ich vielleicht Heimweh haben könnte.

Sie hatte natürlich an meinem Dialekt und durch einige Gespräche erfahren, dass ich ursprünglich aus Süddeutschland komme.

Ihre Vermutung war für mich wie ein Befreiungsschlag, eine Initialzündung.

Ich wusste auf einmal genau was ich zu tun hatte, ich wollte wieder nach Hause, zurück nach Bayern.

Als ich diese, mir wirklich ernsthaft durchdachte Entscheidung, den Beamten vom Zeugenschutz übermittelte, sind sie fast durchgedreht.

Lange Rede – kurzer Sinn.

Man legte mir nahe, dies nicht zu tun und da ich mich nicht an diese Anweisung gehalten hatte, flog ich aus dem Zeugenschutzprogramm.

Von nun an war ich auf mich allein gestellt, trage von diesem Tag an, ein Kopftuch und gebe mich als gläubige Muslima aus.

4,99 €