Herrin der Finsternis

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Kapitel 3

Erschöpft von dem langen Flug und durch ihre Erinnerungen in ihrer Hoffnung bestärkt stieg Monique aus dem Flugzeug. Der Flughafen war, wie sie bereits erwartet hatte, hoffnungslos überfüllt. Hunderte von Touristen und Einheimischen tummelten sich auf den Gängen und der Lärm war beinahe unerträglich. Das Unwetter, das den ohnehin schon langen Flug unnötig verlängert hatte, war vorüber und die Luft war schwül, als die Sonne den Regen auf den Straßen wieder verdampfen ließ.

Als sie den Flughafen verließ lag vor ihr die japanische Hauptstadt Tokio. Auf dem Parkplatz wartete bereits eine Limousine auf sie. Der Fahrer winkte Monique zu sich heran. „Hallo junge Frau. Sie müssen Miss van Helsing sein.“ Monique nickte und lächelte dem jungen japanischen Fahrer freundlich zu. Er schien nervös zu sein und sich in seiner Uniform nicht so recht wohl zu fühlen. „Ist dies ihr erster Tag als Fahrer für unsere Organisation?“ Der Mann nickte und seine Anspannung schien zuzunehmen. „Hat man ihnen die Regeln ausgehändigt?“ Wieder nickte der Fahrer und spielte nervös mit seiner Mütze. Seine Haare waren dunkel und kurz geschnitten. Inzwischen wurde Moniques Lächeln noch breiter. „Wie heißen sie?“ Der Fahrer erschrak, so als hätte man ihn bei einem Verbrechen ertappt. „Ich…ich heiße Jake Matsuo.“ Seine Aussprache war beinahe Akzentfrei. „Kommen sie aus Japan?“ Der Fahrer schien sichtlich verwirrt über diese Frage. „Nein. Meine Familie hat bis vor fünf Jahren in New York gelebt. Mein Vater hat eine Stelle bei einer neuen Computerfirma hier in Tokio angenommen.“ „Also Jake. Ich habe Regeln noch nie besonders gemocht. Am besten nehmen sie das Regelbuch und kicken es sofort in die nächste Tonne. Seien sie einfach sie selbst.“

Die Anspannung des jungen Mannes schien wie verflogen. Jake lächelte erfreut. „Steigen sie ein Miss.“ Monique ging an der geöffneten Tür vorbei, die Jake ihr offen hielt. „Ich sitze gerne vorne.“ Damit setzte sie sich auf den Beifahrersitz der schwarzen Limousine. Jake lachte. „Hätte ich mir denken können. Sie sind der Boss.“ Er schloss die Hintertür und setzte sich auf den Fahrersitz. „Eine Frage hätte ich noch.“, wandte sich Jake an Monique. „Ja?“ „Kann ich diese alberne Mütze abnehmen?“

Monique streckte ihre Hand aus und nahm Jake die Mütze ab und warf sie auf den Rücksitz. „So sehen sie ohnehin viel besser aus.“ Monique lächelte. „Danke Miss.“ Damit startete Jake den Wagen und fuhr los. „Zum Hioshito Hotel. Nehmen sie die Jokuostraße. Dort ist um diese Zeit am wenigsten Verkehr.“ Jake sah sie verwirrt an. „Waren sie schon öfters in Tokio Miss Helsing?“, fragte er verblüfft. Monique versuchte ein Lachen zu unterdrücken und lächelte stattdessen nur. „Nein. Dies ist meine erste Reise nach Japan.“ Jake war nun deutlich verwirrt. „Woher wussten sie dann…?“ Er brachte den Satz nicht zu Ende. „Sagen wir mal, ich habe mich gut informiert.“ Natürlich war Monique sehr überstürzt aufgebrochen und hatte sich vorher kaum mit ihrem Reiseziel beschäftigt. Manchmal machte es ihr heute noch Angst, dass sie solche Dinge einfach wusste und den Menschen in ihrem Umfeld ging es ebenso. Daher versuchte sie die Wahrheit ein wenig abzuändern, um so niemanden unnötig zu beunruhigen. Seit den Ereignissen vor neun Jahren hatte sich ihr ganzes Leben verändert. Sie wusste Dinge, von denen bisher noch nie jemand gehört hatte. Zudem konnte sie Ereignisse sehen, bevor sie stattfanden. Diese Gabe hatte es ihr ermöglicht ein Vermögen mit Aktien zu machen. Der Helsing Konzern war einer der bekanntesten Konzerne der Welt geworden und hatte großen Einfluss gewonnen. Doch Monique ging es nicht um das Geschäft. Ein Großteil des Einkommens wurde für die Suche nach den prophezeiten Kämpfern eingesetzt, von denen sie vor neun Jahren zum ersten Mal gehört hatte. Bisher jedoch ohne großen Erfolg. Doch vor zwei Tagen hatte Abraham endlich einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des ersten Kämpfers entdeckt. Er sollte irgendwo in Japan sein, dem Land der aufgehenden Sonne. Monique hatte ihre Kräfte eingesetzt, um die Suche etwas einzugrenzen. Schließlich hatten ihre Fähigkeiten sie nach Tokio geführt. Schon als sie auf dem Flughafen gelandet war hatte sie gespürt, dass sie auf dem richtigen Weg war. Sie fühlte, dass sie hier fündig werden würde. Allerdings wusste sie noch nicht genau, wonach sie genau Ausschau halten sollte.

Die Fahrt zum Hotel hatte nicht lange gedauert. „Wir sind da Miss Helsing. Soll ich auf sie warten?“ Monique schüttelte den Kopf. „Ich werde sie anrufen, wenn ich sie brauche.“ „Wie sie meinen, Miss.“ Monique stieg aus dem Wagen und schloss die Beifahrertür. Als Jake losgefahren war, stieg sie die Stufen zum Haupteingang hinauf. Sie freute sich schon auf ein gemütliches Bett und etwas Erholung nach den unbequemen Sitzen des Flugzeugs. Als sie die Halle betreten hatte, klingelte ihr Handy. Es war ein unaufdringlicher Ton, der keinem sofort aufgefallen wäre. Mit einem sicheren Griff holte sie ihr Handy aus der Halterung an ihrem Gürtel. Sie drückte die Annahmetaste. „Abraham, hast du noch irgendwelche Informationen für mich? Diese Stadt ist ganz schön überfüllt, wenn du mich fragst.“ Am anderen Ende der Leitung hörte sie ein unterdrücktes Lachen. „Wenn ich nur wüsste, wie du das immer nur machst.“ „Was denn?“ „Ist auch egal. Ich habe tatsächlich Neuigkeiten. Anscheinend handelt es sich beim ersten Krieger um einen Schüler.“ „Gut das grenzt die Sache schon erheblich ein. Sonst noch was?“ „Ich habe außerdem herausgefunden, dass dieser Kämpfer die Elemente Erde und Luft beherrscht. Halte nach ungewöhnlichen Anzeichen Ausschau. Und, Kleines, pass auf dich auf. Bye.“ Damit war die Verbindung unterbrochen. Monique musste lachen. Inzwischen war sie 25 Jahre alt, doch ihr Onkel nannte sie noch immer Kleines. Für ihn würde sie wohl immer seine Kleine bleiben. Gut gelaunt steckte sie das Handy zurück in die Halterung und hielt direkt auf den Empfangsschalter zu. Zum Glück befand sich keine Schlange vor dem Schalter. Monique trat an den langen hölzernen Tisch heran und drückte auf die Klingel. Eine junge japanische Frau trat an den Schalter heran. „Herzlich willkommen im Hioshito Hotel. Was kann ich für sie tun?“ „Ich habe ein Zimmer reserviert.“ „Wie ist der Name?“ „Monique van Helsing.“ Die junge Frau schien aufgeregter zu werden. „Oh, wir haben sie bereits erwartet. Ihr Zimmer steht bereit. Hier ist ihre Schlüsselkarte. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“ Schließlich beugte sie sich ein wenig vor und hob ihre linke Hand vor den Mund, damit man nicht sehen konnte, was sie sagte. „Es ist mir eine Ehre sie kennen zu lernen. Ich bewundere sie schon seit Jahren. Ich würde gern so sein wie sie.“, sie schien ein wenig verlegen zu werden. „Ich weiß, das klingt jetzt ein wenig albern.“ „Nicht doch. Aber sie brauchen mir nicht nachzueifern. Ich weiß, dass sie eine große Zukunft vor sich haben. Sie werden schon bald Erfolg haben.“ „Im Ernst? Glauben sie?“ Monique nickte und lächelte freundlich. „Ich weiß es.“ Damit ließ sie den Empfang hinter sich und suchte nach dem nächsten Fahrstuhl.

Das Zimmer war luxuriös eingerichtet und umfasste etwa die Hälfte der gesamten Etage. Es kostete ein halbes Vermögen. Doch Monique hatte nicht vor sehr lange zu bleiben. Sie musste sich unbedingt auf die Suche machen. Schon seit geraumer Zeit fühlte sie, dass sich etwas zusammenbraute. Es war ein schwaches und sehr schwer zu erfassendes Gefühl, aber Monique war sich sicher, dass ihr die Zeit allmählich davon lief. Rasch schlüpfte sie aus ihren vom Schweiß feuchten Klamotten. Eine Dusche war jetzt genau das Richtige. Mit umgewickeltem Handtuch betrat sie das Bad und stellte die Dusche an. Elegant ließ sie das Handtuch auf einen Hocker gleiten und betrat die geräumige Duschkabine. Das warme Wasser war eine Wohltat für ihre Haut. Der ganze Stress schien zusammen mit dem Wasser im Abfluss zu verschwinden.

Nach einer kleinen Stärkung und in frischen Klamotten verließ Monique das Hotel. Jake wartete bereits vor dem Ausgang. „Sie sehen reizend aus, Miss.“ Doch Monique hatte gerade nicht den Kopf, um sich auf ein solches Gespräch einzulassen. „Fahren sie mich zu den Schulen in Tokio.“ „Zu welcher denn?“ „Zu allen.“ Jake sah sie mit großen Augen an. „Es gibt über dreißig Schulen in Tokio. Es wird Tage dauern, bis wir alle aufgesucht haben.“ „Fahren sie. Ich weiß, was ich tue.“ „Sicher Miss. Wie sie wünschen.“ Damit bog Jake in den fließenden Verkehr ein. Es dauerte nicht lange, bis sie die erste Schule erreicht hatten. Es war eine kleine Grundschule, gegenüber einem Sportplatz. „Darf ich eigentlich fragen, wonach sie genau suchen Miss?“ „Wenn sie es wirklich wissen wollen…ich bin auf der Suche nach der Zukunft.“ Nach diesen Worten schwieg Jake. Er versuchte zu verstehen, was Monique mit ihren Worten meinte. „Fahren sie weiter.“ Damit setzte sich die Limousine wieder in Bewegung. Monique spürte die Gegenwart von etwas Mächtigem. Es musste einer der legendären Kämpfer sein. Doch wo konnte er sich nur aufhalten? Die Emissionen der Kraft schwankten ständig. Monique konnte nicht genau ausmachen, wo sich die Quelle befand. In diesem Moment klingelte wieder ihr Handy. „Ja, Abraham?“ „Hi Monique. Ich habe Neuigkeiten, eine Gute und eine Schlechte.“ Monique seufzte. Sie ahnte schon, worum es sich bei der schlechten Nachricht handelte. „Zuerst die Schlechte.“ „Ok. In Tokio wirst du leider keinen der legendären Kämpfer finden. Es handelte sich um einen Übersetzungsfehler, der wohl schon Hunderte von Jahren zurückliegt. Ich habe mir das Original noch einmal angesehen.“ „Hab ich mir bereits gedacht. Was ist die gute Nachricht?“ „Das Gute daran ist, dass du nicht umsonst nach Tokio gefahren bist. Ich habe den Urtext neu übersetzt und seine wahre Bedeutung herausgefunden. Es war kein Hinweis auf den Aufenthaltsort des Kämpfers, sondern ein Hinweis auf ein Buch, das uns weiterhelfen könnte. Es ist ein sehr altes Buch, etwa aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Es ist ein Buch mit Weissagungen und Legenden. Ein japanischer Mönch hat es einst geschrieben, als er von einer Reise aus dem Westen zurückkam. Dieses Buch ist der Schlüssel. Dort werden wir endlich ein paar Antworten finden.“ Monique musste lächeln. Es war nicht das erste Mal, dass Abraham Fehler an Übersetzungen aufgefallen waren. So hatte er sich seinen unverkennbaren Ruf als pedantischer Nörgler verdient. Jeder Sprachwissenschaftler fürchtete ihn, da sie fürchteten, er würde ihnen ihre Fehler vorhalten. Aber niemand missgönnte ihm seine Leistungen. Ohne ihn wären immer noch viele Texte verfälscht überliefert. Und wenn er sagte, dass dieses Buch wichtig sei, dann glaubte Monique auch daran. „Hast du einen Hinweis auf den Verbleib des Buches?“ „Aber sicher. Der Mönch hatte all seine Schriften in einem alten Tempel im altertümlichen Tokio gelagert. Doch dieser Tempel existiert heute nicht mehr. Im mittelalterlichen Japan, ist er bei einem Brand vernichtet worden.“ „Und was hilft uns das jetzt?“ „Lass mich doch mal ausreden. Viele der Bücher konnten damals vor dem Feuer gerettet werden. Die sichergestellten Bücher wurden in Verwahrung genommen und in die Kaiserliche Bibliothek gebracht.“ „Na wunderbar. Wo wir dann mal wieder bei den Mythen und Sagen wären. Die Kaiserliche Bibliothek hat niemand mehr seit über tausend Jahren gesehen. Keiner weiß, ob sie jemals existiert hat.“ Doch noch bevor sie ihren Vortrag fortsetzen konnte, überkam sie ein neues unklares Gefühl. Ohne Vorwarnung verfinsterte sich der Himmel und Blitze zuckten vom Himmel. Doch etwas war merkwürdig. Die Blitze schienen alle an ein- und demselben Ort einzuschlagen. Dies war ein unverkennbares Zeichen. „Jake folgen sie den Blitzen.“ „WAS?!“, brachte er entsetzt hervor. „Keine Fragen. Tun sie es einfach.“ „Wie sie meinen. Aber ich halte es nicht für sehr klug.“ Damit gab Jake Gas und folgte der Straße in Richtung der Blitze. „Ich muss Schluss machen Abraham. Bis später.“

 

Das Zentrum der Blitzeinschläge befand sich am anderen Ende der Stadt, etwas Außerhalb der Wohnsiedlungen. Es war eine weite mit Gras bedeckte Ebene, aus der mehrere große Felsen ragten. Im Hintergrund ragten der Fuji-san und das Mikuni-sammyaku Gebirge empor. Doch sonst war nichts zu erkennen. „Warten sie hier. Ich bin gleich wieder da.“ Damit verließ Monique den Wagen. Mit ihrem Blick suchte sie die Gegend nach einem Zeichen ab. Schließlich hatte sie es gefunden. Dicht neben einem Felsen war deutlich eine verbrannte Stelle zu sehen. Hier mussten die Blitze eingeschlagen haben. Vorsichtig näherte sie sich der Stelle. Hier musste sie richtig sein. Die mystischen Schwingungen waren hier am stärksten. Sie musste ganz in der Nähe des gesuchten Buches sein. Doch wo genau war es? Etwa unter einem der Felsen begraben? Doch als sie genau auf der Stelle stand, an welcher der Blitz eingeschlagen hatte, wusste sie, was sie tun musste. Wie immer spürte sie den Strom des Wissens in sich. Es war eine unerschöpfliche Quelle der Weisheit. Sie starrte auf den Felsen und erkannte die schwachen Umrisse einer uralten Gravur. Es war das mittelalterliche Kaiserliche Siegel. Hier musste der Eingang liegen. Zielstrebig schritt sie auf den Stein zu. Mit der Hand wischte sie das Moos von der Oberfläche und legte so ein weiteres Symbol frei. Doch es handelte sich dabei nicht um ein buddhistisches oder schintoistisches Symbol. Es war eine keltische Rune. Monique drückte auf die Rune, so fest sie konnte. Schließlich gab die Rune nach und sie versank im Felsen. Ein schleifendes Geräusch entstand, als Felsen übereinander schabten und so einen dunklen und modrigen Gang freigaben. Was würde Monique wohl dort Unten erwarten?

Kapitel 4

Trübes Licht fiel in das alte Lagerhaus, welches direkt am verlassenen Pier in Cardiff lag. Seit Jahren hatte hier kein Schiff mehr angelegt. Langsam versank die Sonne am Horizont und tauchte das Land in ein tiefes Rot. Eine leichte Brise wehte vom Meer her und brachte kühle Luft mit sich. Die ersten Lichter in den entfernten Hochhäusern begannen zu leuchten. Die Nacht brach herein. Ein Leuchtturm warf seinen Lichtkegel aufs Meer hinaus, um den Schiffen, die in der Nacht die Bucht erreichten einen sicheren Weg zu leuchten. Ab und zu streifte der Lichtkegel das Dach, des alten Lagerhauses und enthüllte unzählige Stellen, an denen die Farbe und sogar der Putz von den Wänden abbröckelte, um sie kurz darauf wieder im Schleier der Dunkelheit zu verbergen. Die gewaltigen Rolltore waren verrostet und Stellenweise durchlöchert. Neben dem großen Gebäude lag das alte Trockendock, in dem früher Schiffe gewartet und gebaut worden waren. Doch nun war die Vertiefung mit Schrott und Unrat angefüllt. Ein dunkler Wagen näherte sich dem alten Lagerhaus. Die Scheinwerfer waren abgestellt. Langsam rollte der Wagen vor den Toren aus und wartete, bis die alten Tore quietschend nach oben gezogen wurden. Schließlich verschwand es in der Finsternis, die im Inneren noch stärker zu sein schien. Als kurz darauf de Lichtkegel des Leuchtturms erneut das Gebäude streifte, war das Tor wieder geschlossen und nichts deutete mehr darauf hin, dass hier vor wenigen Augenblicken etwas geschehen war, was eigentlich nicht hätte sein können.

Geduldig wartete Ashara darauf, dass ihre Begleitung die Wagentür öffnete und ihr beim Aussteigen behilflich war. Warum mussten Männer immer nur so kompliziert sein? Anstand und Sitte waren doch ohnehin nur Fassade. Wenn Männer eine Frau verführen wollten, so konnten sie zu sehr guten Schauspielern werden. Doch wenn sie erreicht hatten, was sie wollten, dann kam ihre wahre Natur zum Vorschein. Aber Ashara kam es nicht auf so etwas an. Sie fühlte sich dadurch auch nicht gekränkt. Im Gegenteil, diese Eigenschaft der Männer, machte es ihr unglaublich leicht an ihre Beute zu kommen. Heute Abend hatte sie sich einen jungen und gut gebauten Mann geangelt. Ein Immobilienmakler, wie er ihr erzählt hatte. Er hatte kurzes dunkelbraunes Haar und grüne Augen. Er hatte sofort auf Asharas Anwesenheit reagiert. Manchmal war es einfach zu leicht. Langsam führte sie ihren Begleiter in einen der Nebenräume. Doch noch bevor sie die Türe öffnen konnte kam ihr schon ein in schwarz gekleideter Mann entgegen. „Na süße. Warst mal wieder auf Beutezug. Wie ich sehe hast du einen guten Fang gemacht. Wie wäre es, wenn wir zwei uns dieses Muttersöhnchen teilen würden. Ich bin sicher, dass wir zwei viel Spaß haben werden.“ Ashara sah ihrem Begleiter kurz in die Augen und ließ ihn stehen. Sein Blick war trüb und er rührte sich nicht von der Stelle. Es schien, als wäre er in Trance. Ashara trat auf den in schwarz gekleideten Mann zu und lächelte mit ihren schwarzen Lippen. Ihre Blicke trafen sich. „Mardock. Du wirst es wohl nie lernen, oder?“ Mit einem schnellen Schlag beförderte sie Mardock in einen Haufen alter Kartons, die in einer Ecke des Lagerhauses standen. „Lieber würde ich verdursten, als mit dir meine Beute zu teilen. Hast du das endlich verstanden?“ Mardock rappelte sich wieder auf, stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab und lächelte Ashara verschmitzt zu. „Na komm schon Kleine. Ich weiß, dass du auf mich stehst. Ich sehe es in deinen Augen.“ Erneut wandte sich Ashara an Mardock, der gerade aus dem Kistenhaufen heraus kletterte. „Das hättest du wohl gerne. Du verwechselst da etwas. Es ist nicht Begierde, die du siehst, sondern Hass. Ich weiß nicht, warum du eigentlich noch bei uns bist. Unsere Gebieterin muss, was dich angeht etwas falsch gemacht haben, oder du bist einfach ein hoffnungsloser Fall. Und jetzt lass mich in Ruhe.“ Doch Mardock wollte nicht so schnell aufgeben. Da packte ihn jemand an der Schulter und schleuderte ihn gegen die Wand. „Hast du nicht gehört, Casanova? Ashara möchte nicht gestört werden.“ Cero sah Ashara kurz an und wandte sich dann ab. Rasch verschwand er wieder im Schatten. Seine dunkel blaue Jacke flackerte im Wind und verbarg sein Gesicht, als er sich noch einmal kurz umwandte. Ashara nickte ihm hinterher und kümmerte sich nun endlich wieder um ihren Begleiter. Sie führte ihn in den Nebenraum. Als sie die Türe hinter sich geschlossen hatte, umschlang sie seinen Hals und fühlte seinen Puls. Sanft glitten seine Finger über ihren Körper. Nun legte Ashara ihren Kopf auf seine Brust und arbeitete sich langsam zu seinem Hals hoch. Als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, begann sie sich zu verändern. Als sie den Mund öffnete, zeigten sich lange Fangzähne, die sie genüsslich in den Hals ihres Opfers schlug. Der Mann riss entsetzt seine Augen auf, als er endlich merkte, in welcher Situation er sich befand. Doch es war zu spät. Ashara hatte bereits den letzten Tropfen Blut aus seinem Körper gesaugt. Achtlos warf sie den Leichnam zur Seite, während sie noch den Geschmack des Blutes auf ihren Lippen genoss. Doch in diesem Moment sagte ihr Instinkt, dass etwas passierte. Nervös blickte sie sich um. Es war Niemand zu sehen. Dann spürte sie es erneut. Es war viel intensiver, als beim ersten Mal. Jemand rief sie, doch diesen Ruf hatte sie schon lange nicht mehr vernommen. Ihre Gebieterin rief nach ihr. Sie musste zur Kristallkugel. Ohne großen Kraftaufwand öffnete sie eine Bodenplatte des Raumes. Unter der Platte befand sich eine Öffnung. Ashara griff hinein und holte eine schwarze Kugel heraus. Sie glühte schwach. Mina rief nach ihren Dienern. Konnte es sein, dass endlich der Tag gekommen war, auf den sie so sehnsüchtig gewartet hatte? Mit der Kugel in der Hand lief sie in ihr Zimmer, wo sich der Halter für die Kugel befand. Sanft ließ sie die Kugel in die Fassung gleiten. Sofort verstärkte sich das Leuchten und tauchte den Raum in ein unheimliches Zwielicht. Eine dunkle Gestalt erschien im Inneren der Kugel. Doch das Gesicht konnte Ashara nicht erkennen. „Meisterin Mina, sind sie es?“ „Ja. Meine Treue Dienerin. Ich habe einen Auftrag für dich und die Anderen.“ Ashara verbeugte sich knapp. „Ich verstehe, worum geht es?“ Die dunkle Gestalt in der Kristallkugel schien sich zu Bewegen. „Ich spüre, dass der entscheidende Tag kurz bevorsteht. Wir müssen uns darauf vorbereiten. Die Welt wird erneut unter unserer Macht erzittern. Doch vorher müssen wir die drei magischen Amulette finden. Mit ihnen wird unsere Macht unendlich sein.“ „Aber Meisterin. Die magischen Amulette sind seit mehr als zweitausend Jahren verschollen. Niemand weiß, ob sie überhaupt noch existieren. Wie sollen wir sie überhaupt finden?“ „Ich spüre, dass die Kräfte der Amulette erwacht sind. Sie suchen nach ihren Trägern, den legendären Kämpfern. Ich spüre deutlich ihre Kräfte. Wir müssen sie vorher finden. Wenn sie den legendären Kämpfern in die Hände fallen, sind sie nutzlos für uns. Macht euch auf den Weg nach Australien, dort werdet ihr das erste Amulett finden. Macht schnell. Meine Visionen zeigen mir, dass unsere Widersacher auch schon auf der Suche nach den Amuletten sind. Verliert keine Zeit.“ „Ja Gebieterin. Wir werden das nächste Flugzeug nehmen. Wir werden nicht versagen.“ „Ich melde mich bald wieder bei euch. Enttäuscht mich nicht.“ Damit verschwand Minas Gestalt und die Kugel war wieder schwarz. Endlich war die Zeit der Rache gekommen. Seit dem Tod von Minas altem Meister, warteten sie auf den Tag, an dem die alte Prophezeiung endlich erfüllt würde. Der Kampf zwischen Dunkelheit und Licht. Mehrere hundert Jahre waren die Mächte der Dunkelheit zerschlagen und über die ganze Welt verstreut gewesen. Mit dem Erwachen der Amulette hatte der Countdown zur letzten Schlacht begonnen. Nun konnten sie endlich aus ihren Verstecken hervor. Die Zeit der Schwäche war vorbei und Ashara spürte, wie ihre alten Kräfte wiederkehrten. Sie hatten endlich ein neues Ziel. Doch nun mussten sie unverzüglich aufbrechen. Sie durften keine Zeit verlieren.

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