Buch lesen: «Berliner Industriekultur»
Berliner Industriekultur
Geschichtstouren für Entdecker
Einleitung: Einladung zur Spurensuche
Ein Überblick: Berliner Industriegeschichte und ihre Besonderheiten
Berlins ungehobener Kulturschatz
Geschichtstour 1: ›Feuerland‹ und die AEG am Humboldthain
Station 1: Die Maschinenbauanstalt und Neue Eisengießerei von Franz Anton Egells
Vertiefung: Elende Wohnverhältnisse – ein zeitgenössischer Bericht von Bettina v. Arnim
Station 2: Borsig’sches Verwaltungsgebäude
Vertiefung: Theodor Fontane über die Oranienburger Vorstadt
Station 3: Edisonhöfe
Vertiefung: Aller Anfang ist mühsam – elektrisches Licht von der AEG
Station 4: AEG am Humboldthain
Vertiefung: Die AEG-Story
Station 5: Mietskasernen – Wohnungselend – sozialer Wohnungsbau
Vertiefung: Auf der Suche nach dem besseren Wohnen
Geschichtstour 2: Kreuzberger Mischung einst und jetzt
Station 1: Die Maschinenbauanstalt Hoppe
Vertiefung: Die Angst vor der »Gentrifizierung« in Kreuzberg
Station 2: Lagerhaus Süd-Ost
Vertiefung: Die Mauer vor Augen…
Station 3: U-Bahnhof Schlesisches Tor
Vertiefung: Einwandererquartier von Anfang an
Station 4: Höfe am Osthafen
Vertiefung: Zuses erster Computer
Station 5: Industriehaus Schlesische Brücke
Vertiefung: Ein Eierspeicher für Musik
Geschichtstour 3: Oberschöneweide – die »AEG-Stadt«
Station 1: Transformatorenfabrik
Vertiefung: Interview mit einem Trojaner
Station 2: Kraftwerk Oberspree
Vertiefung: Das Zwangsarbeiterlager in Niederschöneweide
Station 3: Kabelwerke Oberspree
Vertiefung: Das Attentat auf Walther Rathenau 1922
Station 4: Fabrik »Nationale Automobilgesellschaft«
Vertiefung: Zum Leben von Peter Behrens
Station 5: AEG-Reihenhaussiedlung
Vertiefung: Sport und Freizeit in Oberschöneweide
Orte außerhalb der Touren
Borsigwerke Tegel
Siemensstadt
Kulturbrauerei
Osram-, Narvawerke
Reichsbahnausbesserungswerk / RAW-Temple
Wasserwerk Friedrichshagen
Serviceteil
Literatur
Adressen
Anmerkungen
Abbildungsverzeichnis
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN (eBook, epub) 978-3-940621-51-1
Lektorat: Waltraud Greczmiel
Grafisches Gesamtkonzept, Titelgestaltung, Satz und Layout: Stefan Berndt – www.fototypo.de
© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2009
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen oder digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Einleitung: Einladung zur Spurensuche
Einladung zur Spurensuche
Berlins Industriekultur ist ein wahrer Schatz, den es zu entdecken gilt. An eindrucksvollen und spannenden Relikten des Fabrikzeitalters hat sie mehr zu bieten als jede andere europäische Stadt: Um 1900 war Berlin das größte und modernste Industriezentrum Europas. Ausgedehnte Mietshausquartiere für die zahlreichen Zuwanderer machten es zur »Steinernen Stadt«. Das Gesicht der Spreemetropole ist von dieser Epoche wie von keiner anderen geprägt. Doch dieses faszinierende Kulturerbe der deutschen Hauptstadt wird oft vernachlässigt und ist, ganz zu Unrecht, nur wenig bekannt. Bisher fehlt auch ein Wegweiser für ein breites Publikum, der einerseits zu eindrucksvollen Denkmalen der Berliner Industrie führt, diese andererseits im historischen Zusammenhang verständlich macht. Das möchte diese Geschichtstour für Entdecker ändern.
Auf drei exemplarischen Geschichtstouren lädt Sie dieses Buch zu Erkundungen ein: Der Beginn des Fabrikzeitalters im 19. Jahrhundert lässt sich anhand der Spuren im so genannten »Feuerland«, im heutigen Szeneviertel vor dem Oranienburger Tor, nacherleben. Unmittelbar benachbart liegt das ehemalige AEG-Gelände am Humboldthain mit einzigartigen Schätzen der Fabrikarchitektur. Besonders schöne Gewerbehöfe, die für Kreuzberg so typisch sind, finden sich im Osten des Bezirks direkt an der Spree. Hier siedeln sich inzwischen junge Kreative mit Vorliebe an. Schließlich fasziniert die »ungeschliffene Perle« Oberschöneweide, einst Standort der AEG, heute eine Gegend zwischen Tristesse und Aufbruch, in der sich moderne Betriebe, Wissenschaft und Kultur niedergelassen haben. Insgesamt bieten diese drei Touren einen ungewöhnlichen Blick auf Berliner Geschichte und gegenwärtige Umbrüche.
Dieser Führer nimmt Sie auf eine Entdeckungsreise. Jede der drei Touren ist in mehrere Stationen unterteilt: Ein Stationstext beschreibt einen sehenswerten Anlaufpunkt der Tour, der darauf folgende Vertiefungstext stellt einen bestimmten historischen Aspekt näher dar und liefert Hintergrundinformationen. Kurze Überleitungstexte (»Auf dem Weg…«) erklären den Weg zur nächsten Station.
Die Bilder sind integraler Bestandteil des Buches – sie sollen nicht nur illustrieren, sondern liefern einen eigenständigen inhaltlichen Beitrag zur Geschichte der Berliner Industriekultur.
Die Informationen werden von einer Reihe ausgesuchter gastronomischer Tipps ergänzt. Hier können Sie während Ihres Spaziergangs einkehren, in diesem Buch schmökern oder sich einfach nur ausruhen. Die Touren sind so angelegt, dass sie in ca. zwei bis drei Stunden zu Fuß bewältigt werden können.
Ich wünsche Ihnen eine spannende und informative Geschichtstour!
Katja Roeckner
Ein Überblick: Berliner Industriegeschichte und ihre Besonderheiten
Berliner Industriegeschichte und ihre Besonderheiten
Berlin war durch die eifrige Förderung des Staates bereits Anfang des 19. Jahrhunderts eines der ersten Industriezentren in Deutschland. Diese frühe Epoche hat jedoch nur wenige Spuren im Zentrum der Stadt hinterlassen. Denn die preußische Hauptstadt und die Industrie wuchsen ab Mitte des 19. Jahrhunderts so rasant, dass die Betriebe aus dem Zentrum an den Stadtrand wanderten. Mit dieser »Stadtrandwanderung« entstanden Ende des 19. Jahrhunderts die für Berlin so typischen Großansiedlungen von Betrieben außerhalb der historischen Stadtgrenzen: Die Borsigwerke mit der bis heute erhaltenen Werkssiedlung »Borsigwalde« zogen nach Tegel, in Spandau entstand die Siemensstadt, in Oberschöneweide die AEG-Stadt.
Ein Großteil der Berliner Infrastruktur wurde in diesen »Gründerjahren« geschaffen: ausgedehnte Mietshausquartiere, die sich, wie beispielsweise in Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Friedrichshain, zur Zeit wieder großer Beliebtheit erfreuen; aber auch das einzigartig ausgedehnte S- und U-Bahnnetz der Stadt. Viele Kirchen, Schulgebäude, Rathäuser, Gerichte und andere öffentliche Gebäude aus diesen Aufbruchjahren sind bis heute erhalten.
Berlin war um 1900 – nach damaligen Maßstäben – von besonders modernen Industriezweigen geprägt: die Maschinenbauindustrie, für die der preußische Staat, der »Lokomotivenkönig« Borsig und andere die Grundlagen gelegt hatten; die Elektroindustrie mit den bald zu internationalen Großkonzernen aufgestiegenen Berliner Gründungen AEG und Siemens; schließlich die Chemie- und Pharmaindustrie, noch heute mit Schering als Teil des Bayer-Konzerns prominent in Berlin vertreten. Diese damals »neuen Industrien« profitierten von der vorherigen staatlich geförderten technisch-naturwissenschaftlichen Forschung, für die insbesondere Peter Christian Beuth als Direktor der »Technischen Deputation für das Gewerbe« als wichtigster preußischer Industrieförderer verantwortlich gezeichnet hatte.
So richtete er unter anderem eine Technische Schule ein, später umbenannt in Technische Gewerbeschule, an der ein Großteil der frühen Berliner Ingenieur-Unternehmer ausgebildet wurde. Aus dieser ersten technischen Bildungsstätte ging die heutige Technische Universität Berlin hervor. Berlin entdeckt sich erst gerade als Wissenschaftsstandort wieder und kann dabei auch auf dieses frühe Erbe zurückgreifen. Die Bezüge zwischen damals und heute lassen sich sogar anhand des materiellen und erinnerungskulturellen Erbes der Stadt nachverfolgen. So ist das letzte Überbleibsel der Borsig’schen Lokomotivenfabrik an der Chausseestraße 1 vor dem Oranienburger Tor – ein Arkadengang – auf dem Gelände der Technischen Universität aufgestellt. Ein Denkmal an die rasante industrielle Entwicklung, die erst durch die Teilung der Stadt als Folge von nationalsozialistischer Diktatur und dem von ihr begonnenen Zweiten Weltkrieg einen herben Rückschlag erlitt. Den Unternehmen der »Insel West-Berlin« fehlte das Umland, zudem war die politische Situation unsicher. So verlegten zuvor in Berlin beheimatete Großkonzerne, beispielsweise Siemens, ihre Zentralen nach Westdeutschland. Auch die großen deutschen Banken und Versicherungen, deren Hauptsitze zuvor meist in Berlin lagen, verließen die »Frontstadt«. Zwar wurden die verbleibenden Betriebe von Seiten der Bundesregierung großzügig subventioniert, das hatte aber auch eine stetige Überalterung der West-Berliner Industriestruktur zur Folge. Als die Subventionen nach dem Fall der Mauer eingestellt wurden, erwiesen sich viele als nicht konkurrenz- und überlebensfähig.1
Im Ostteil der Stadt erschwerten die Demontagen seitens der Sowjetunion den Wiederaufbau. Der Neuanfang unter planwirtschaftlichen Vorzeichen war mit zahlreichen Schwierigkeiten versehen: Nicht immer funktionierten Materialversorgung und Produktionszeiten so, wie in den Papieren der Planer vorgesehen. Trotzdem gelang auch in der DDR zunächst ein »kleines Wirtschaftswunder«, ehe der wirtschaftliche und industrielle Niedergang der DDR spätestens seit den 1970er Jahren begann. Nach dem Mauerfall mussten die meisten Ost-Berliner Industriebetriebe mangels Konkurrenzfähigkeit, auch wegen des raschen Zusammenbruchs ihrer Absatzmärkte in Ost- und Mittel-Ost-Europa, die Produktion einstellen. Ost- und West-Berlin vereint bis heute die aus diesem Erbe der Teilungszeit entstandene hohe Arbeitslosenquote. Nach 1990 fielen innerhalb weniger Jahre hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Industrie weg. Vergeblich hoffte man, dass Konzerne wie Siemens ihren Sitz wieder in die neue Hauptstadt zurückverlegen würden.2
Inzwischen gibt es einen neuen Aufbruch in der Stadt. Große Hoffnungen werden auf Kunst, Kultur und Wissenschaft gesetzt. Aber auch die stolze industrielle Tradition Berlins wirkt bis heute fort: Siemens produziert weiterhin in der Siemensstadt in Spandau, Berlin wächst als Standort der Chemie-, besonders der Pharmaindustrie. Und auch der Maschinen- und Automobilbau ist ein wichtiger Faktor der Berliner Wirtschaft bzw. der des angrenzenden Umlands: Mercedes lässt weiterhin am traditionellen LKW-Produktionsstandort in Ludwigsfelde fertigen, das Bombardier-Werk in Hennigsdorf ist ein führender Produzent von Eisenbahnzügen, U- und Straßenbahnen, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein Blick zurück in die Vergangenheit ist also durchaus hilfreich, um diese spezielle Situation des heutigen industriellen Bildes Berlins zu verstehen.
Berlins ungehobener Kulturschatz
Lange war es unbestrittener Konsens: Fabrikgebäude, die ihre Funktion als Produktionsstätten verloren hatten, wurden abgerissen. Wozu sollte man sich mit überflüssig gewordenen Zweckbauten beschäftigen? Nostalgische Gefühle hatte kaum jemand. Selbst für ehemalige Arbeiterinnen und Arbeiter waren diese Orte oft mit unangenehmen Erinnerungen verbunden: schwere, teilweise sogar gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung, Ohnmachtsgefühle beim Verlust des Arbeitsplatzes. Der langsame Abschied von der Industrie seit den I960er/I970er Jahren, das Abwandern vieler Produktionszweige ins Ausland, die Rationalisierung, Automatisierung und der folgende Arbeitsplatzabbau ließen allerdings industrielle Relikte in steigenden Zahlen anfallen und neue Nutzungskonzepte notwendig erscheinen.
So regte sich langsam Widerstand gegen die umfassenden Abrisspläne in vielen Industrieländern, in Deutschland seit Ende der 1960er Jahre. Denn viele Städte drohten ihr Gesicht zu verlieren. Im Ruhrgebiet fehlten plötzlich die Zechentürme und -gerüste als Landmarken im flachen Terrain, in anderen Städten vermisste man schmerzlich die charakteristischen Schornsteine, Fassaden und die beeindruckenden »Kathedralen der Arbeit«. Industriebauten wurden zunehmend für ihre architektonischen Qualitäten geschätzt und als Kulturphänome wahrgenommen, als Ausdruck der Geschichte und des Geistes einer die Gesellschaft stark prägenden Epoche.
In Deutschland war zweifellos das Ruhrgebiet in den 1970er Jahren der industriekulturelle Vorreiter. Schon früh wurden hier Fabrik- und Zechengebäude unter Denkmalschutz gestellt und erhalten oder Industriemuseen in stillgelegten Industrieanlagen eingerichtet. Der Montanregion wurde damit eine eigene kulturelle Identität zugestanden. Andere Städte und Regionen folgten – oder entwickelten zur gleichen Zeit eigene Herangehensweisen an die Zeugnisse des Industriezeitalters. Die Industriekultur ist heute stärker angesagt denn je: Das Ruhrgebiet mit Essen als Zentrum ist 2010 europäische Kulturhauptstadt.3
Ungehobene Schätze, vernachlässigtes Industrieerbe: AEG-Halle in Berlin-Oberschöneweide
In Berlin wurde und wird dieses Erbe vergleichsweise wenig beachtet, was mit der besonderen Situation durch die Teilung der Stadt leicht erklärbar wird.
Viele Fabrikgebäude wurden hier in Ost wie West relativ lange weiter genutzt. Zudem hatte man vor und nach dem Mauerfall andere Probleme, die politische Situation stand hier stärker im Vordergrund. Und in einer Stadt mit dem kulturellen Reichtum wie der Spreemetropole hatte und hat es die Industriekultur schwer gegen andere Kulturbereiche: seien es hochkarätige Museen und Sammlungen, Galerien, Theater, Opern, eine vielfältige Subkulturszene oder die Welt des Films. Um sich seiner eigenen Identität zu vergewissern, ist Berlin längst nicht so stark auf die Industriekultur angewiesen wie beispielsweise das Ruhrgebiet.
Dennoch prägt das Fabrikzeitalter die alte und neue deutsche Hauptstadt ganz besonders. Außerdem ist hier ein viel größerer Teil alter Industriegebäude als in den meisten deutschen Städten noch erhalten – ein wahrer Glücksfall angesichts der wechselvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts mit seinen zahlreichen Brüchen. Wo gibt es schon solch ausgedehnte und auch ästhetisch beeindruckende Stadt- und Industriequartiere wie das ehemalige AEG-Gelände am Humboldthain, die Siemensstadt in Spandau oder die AEG-Stadt in Oberschöneweide?
Zu diesem kulturellen Erbe Berlins erschienen bereits in den 1980er Jahren zwei reichhaltig ausgestattete Bände (»Exerzierfeld der Moderne« und »Die Metropole«), das Deutsche Technikmuseum Berlin pflegt und präsentiert umfangreiche Sammlungen zur Berliner Industrie. Zudem hat das Landesdenkmalamt mehrere Schriften und Verzeichnisse über herausragende Berliner Industriequartiere veröffentlicht. Jüngst ist ein Verzeichnis samt Kurzbeschreibungen der 115 wichtigsten Bauten des Industriezeitalters in Berlin erschienen.4 Einen kleinen Beitrag zur Entdeckung eines ausgewählten Ausschnitts dieser spannenden Facette der Berliner Kultur, Geschichte und Gegenwart möchte das vorliegende Buch ebenfalls liefern.
Geschichtstour
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Geschichtstour 1: ›Feuerland‹ und die AEG am Humboldthain
Bertolt-Brecht-Gedenkstätte, noble Restaurants und schicke Büros der neuen Kreativdienstleister prägen heute die Szene in Berlin-Mitte. Doch dass an der Chausseestraße vor dem ehemaligen Oranienburger Tor die ersten Fabriken Berlins standen, ist kaum noch bekannt. ›Feuerland‹ nannten die Berliner das Viertel bald: Die rauchenden Schornsteine und vor allem der nächtliche Feuerschein der vielen Eisengießereien wirkten beeindruckend und beängstigend zugleich. Vor 200 Jahren begann hier für Berlin eine neue Ära: Mit der massenweisen Produktion von Dampfmaschinen und Lokomotiven startete die preußische Metropole ins Industriezeitalter.
Den Anfang machte der Staat, ganz im Reformeifer der Zeit: 1804 nahm die Königliche Eisengießerei Berlin – kurz: Berliner Eisen – in der Invalidenstraße den Betrieb auf. Die Gegend lag damals noch vor den Toren der Stadt, zwischen unbebauten Feldern.
Das Schinkel’sche Nationaldenkmal beispielsweise ist ein Werk von Berliner Eisen. Man kann es noch heute auf dem Kreuzberg im gleichnamigen Bezirk bewundern. Vom Gebäude der Königlichen Eisengießerei dagegen, auf deren Gelände an der Invalidenstraße 43 heute das Naturkundemuseum steht, ist nichts erhalten. Das Beuth’sche Gewerbeinstitut in der Klosterstraße, eine Vorgängerin der heutigen Technischen Universität Berlin, zog wegen der guten Ausbildung viele künftige Industriepioniere in die Stadt. So auch Franz Anton Egells, bei dem der spätere ›Lokomotivenkönig‹ August Borsig seine Lehrjahre absolvierte.
Der Grundpfeiler der Berliner Industrie war also mit dem Maschinenbau in ›Feuerland‹ gelegt. Doch von dieser Keimzelle ist außer wenigen Spuren nichts erhalten. Schon ab 1850 wurde es für die immer größeren Fabriken zu eng, die Stadt wuchs, und so wanderten sie an den damaligen Rand der Stadt, an den Humboldthain und nach Moabit, später auch sehr viel weiter in die als reine Industriestandorte neu geplanten ›Städte in der Stadt‹ Borsigwerke Tegel, Oberschöneweide und Siemensstadt. Die ehemaligen Industriegrundstücke vor dem Oranienburger Tor wurden dringend für den Bau von Wohnhäusern –Mietskasernen – gebraucht. Berlin gewann in rasantem Tempo an Einwohnern, die zu Tausenden täglich in die aufstrebende Metropole kamen, um hier ihr Glück zu suchen – und auch dringend als Arbeitskräfte benötigt wurden.
1 – Maschinenbauanstalt Egells
2 – Borsig’sches Verwaltungsgebäude
3 – Edisonhöfe
4 – AEG am Humboldthain
5 – Mietskasernen