Buch lesen: «Praxis und Methoden der Heimerziehung»
Richard Günder | Katja Nowacki
Praxis und Methoden der Heimerziehung
Entwicklungen, Veränderungen und Perspektiven der stationären Erziehungshilfe
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6. überarbeitete und ergänzte Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© 2020, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau
Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil
Umschlagbild: Fabienne Sophie Brasch, Wolfegg
Druck: Elanders GmbH, Waiblingen
ISBN: 978-3-7841-3295-2
ebook ISBN: 978-3-7841-3296-9
Inhalt
Vorwort zur sechsten Auflage
Einleitung
1Entwicklungen und Veränderungen der Heimerziehung
Das Negativimage der Heimerziehung
Die Entwicklung der Heimerziehung in ihrem historischen Kontext
Heimerziehung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR; 1949 – 1990)
Der Runde Tisch Heimerziehung
Reformen und ihre Auswirkungen
Quantitative Entwicklung der Heimerziehung seit 1991
Quantitative Veränderungen/Träger der Einrichtungen
Resümee
Indikationen für Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen
Aus welchen Familien kommen Heimkinder?
Wie war die Situation in der Herkunftsfamilie?
Wo hatten sich die jungen Menschen vor der stationären Hilfegewährung aufgehalten?
Wer hat den Heimaufenthalt angeregt?
Die Problemlagen der Kinder und Jugendlichen
Die besondere Situation unbegleiteter minderjähriger geflüchteter Kinder und Jugendliche (UMF) in der stationären Erziehungshilfe
Hilfen für junge Volljährige und „Care Leaver“
2Heimerziehung im Kontext des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG)
Die generelle Zielsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG)
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
Erziehungshilfen im KJHG
Heimerziehung im Kinder- und Jugendhilfegesetz
Einbezug seelisch Behinderter
Sozialdatenschutz
Betroffenenbeteiligung bei der Hilfeauswahl
Partizipation von Kindern und Jugendlichen im gesamten Hilfeprozess
Hilfeplanung
Finanzierung
3Das differenzierte Leistungsangebot der stationären Erziehungshilfe
Heimerziehung hat sich verändert
Außenwohngruppen und Wohngruppen
Betreutes Wohnen
Erziehungsstellen
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung
Flexible Erziehungshilfen
4Heimerziehung aus der Sicht der Betroffenen
Die Einflussgröße von Standardsituationen auf die persönliche Entwicklung
Wie haben Betroffene ihre Heimerziehung erlebt?
5Folgerungen für die pädagogischen Mitarbeiter*innen
Woran kann sich Heimerziehung orientieren?
Rollenveränderungen und Identifikation der Heimerzieher*innen
Rollenveränderungen und Qualitätsanforderungen
6Folgerungen für pädagogische Beziehungsaspekte
Beziehungsaspekte bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Zwischen Selbstverwirklichung und Orientierungslosigkeit
Bindungsaspekte bei jüngeren Kindern in der Heimerziehung
Pädagogische Aspekte und Konzepte der Heimaufnahme
Die Heimaufnahme aus der Sicht der Mitarbeiter*innen
Die Heimaufnahme aus der Sicht der Gruppe
Pädagogische Methoden der Heimaufnahme
Die Gefahr der Festschreibung von Negativsymptomen
Das pädagogische Prinzip des Neubeginns und die Annahme des „guten Grundes“
Aufnahmerituale
Das Recht auf Schwierigkeiten
Resümee
Umgang mit Regeln und Strafen in der Heimerziehung
Umgang mit Regeln und Strafen unter Berücksichtigung motiv- und lerntheoretischer Perspektiven
Resümee
Räumliche Merkmale in ihrer Auswirkung auf pädagogische Prozesse
Die Frage der Angemessenheit
Räumliche Rahmenbedingungen und Ausstattungsmerkmale
Milieutherapeutische Heimerziehung
Folgerungen für die Heimerziehung
Bewertung
Resümee
7Ausbildungsprobleme und Grundhaltungen der Fachkräfte in der stationären Heimerziehung
Professionelles Handeln in der stationären Erziehungshilfe
Studie zu professionellem Handeln in der stationären Erziehungshilfe
Untersuchungsdesign
Praktika während der Ausbildung
Praxisnähe der Ausbildung
Fortbildungen
Supervision
Motivation und Zufriedenheit mit der beruflichen Situation
Ausrichtung/methodischer Schwerpunkt in den Einrichtungen
Literatur zur pädagogischen Ausrichtung bzw. zum methodischen Schwerpunkt
Resümee
Fachkräfte in der stationären Erziehungshilfe brauchen (pädagogische) Grundhaltungen
Pädagogische Grundvoraussetzungen
Nicht das Symptom, sondern die Person steht im Mittelpunkt
Übertragung auf den Heimbereich
8Methodisches Vorgehen in der Heimerziehung
Ausgangslage
Methoden in der Heimerziehung
Welche Methoden werden in der Heimerziehung praktiziert?
Ergebnisse einer Umfrage
Zur Methodik der Studie
Ergebnisse der Studie
Resümee
Die Umsetzung methodischer Vorgehensweisen
Zuständigkeiten abstimmen
Erziehungsziele und -aufgaben transparent machen
Den Alltag analysieren – das Chaos ordnen
Individuelle Pädagogik und Alltag miteinander verbinden
Die Gruppe einbeziehen
Konsequenz in der pädagogischen Realisierung
Bewusste Kontrollen einplanen
Methoden für den Umgang mit Gewalt und Aggressionen in der stationären Erziehungshilfe
Methodische Interventionen bei Gewalt und Aggressionen
Verhaltenstherapeutische Verfahren
Verbindung mit Entspannungsverfahren
Coolnesstraining
Weitere Maßnahmen im Umgang mit aggressivem Verhalten
Die Notwendigkeit von Teamarbeit als wichtigem methodischen Ansatz
Begründung der Teamarbeit
Die verschiedenen Aspekte der Teamarbeit
Kooperation zwischen Heim und Schule
9Partizipation von Eltern und Familienangehörigen
Zur Situation
Begründung der Elternarbeit
Rechtliche Grundlagen der Elternarbeit
Ressourcenorientierung
Der systemische und familientherapeutische Ansatz
Der psychoanalytische und der bindungstheoretische Ansatz
Die unterschiedlichen Zielsetzungen der Elternarbeit
Elternarbeit in der Form von Kontaktpflege
Grundsätzliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Elternarbeit
Einstellungen und Haltungen der Betreuer*innen zur Elternarbeit
Elternarbeit ohne Eltern
Elternarbeit als Trauerarbeit
Folgerungen für die Elternarbeit
Elternarbeit zur Unterstützung des Ablösevorgangs
Wer leistet Elternarbeit?
Professionelle Grundstandards in der Eltern- und Familienarbeit
Kontinuierlich hilfreiche Gespräche realisieren
Elterngruppenarbeit
Familientherapeutische Arbeit im Heim
Stationäre Familienarbeit im Heim
Resümee
10Sexualität in Heimen und Wohngruppen
Grundannahmen und Praxisbeispiele
Ausgangsüberlegungen
Zum Begriff der sexuellen Sozialisation
Ausgangslage der Sexualerziehung im Heim
Zum Begriff der Sexualität
Beispiele aus der Praxis der Heimerziehung
Inhaltsbereiche und Anforderungen einer Sexualerziehung in Heimen und Wohngruppen
Voraussetzungen der sexuellen Sozialisation
Einstellungen und Haltungen der Betreuer*innen innerhalb der Sexualerziehung
Förderung der sexuellen Sozialisation und Entwicklung unter dem Aspekt der Wohnbedingungen
Das eigene Zimmer
Die Frage der Schlüsselgewalt
Sexuelle Sozialisation als integrierter Bestandteil der Erziehung
Sexuelle Erziehung unter Berücksichtigung der besonderen Ausgangslage
Erzieherisches Vorbildverhalten
Enttabuisierung der Sexualität
Koordination partieller Erziehungseinflüsse
Einbezug der Eltern und Familien
Stellenwert der Sexualerziehung
Spezielle Fragestellungen der Sexualerziehung
Koedukative Erziehung, Mädchen- oder Jungenpädagogik
Homosexualität
Wann dürfen Jugendliche sexuelle Beziehungen aufnehmen?
Sexismus und Pornografie
Die pädagogische Situation sexuell missbrauchter Mädchen und Jungen in den Institutionen der Jugendhilfe
Ursachen und Auswirkungen sexueller Gewalt
Anforderungsbereiche der Heim- und Wohngruppenerziehung bei sexuell missbrauchten Kindern und Jugendlichen
Sensibilität entwickeln, Projektionen und Überreaktionen vermeiden
Die Akzeptanz und Annahme der Persönlichkeit
Ein Vertrauensverhältnis aufbauen
Für ein therapeutisches Milieu sorgen
Neue Lebensperspektiven entwickeln
Die Sexualerziehung für Betroffene als Erziehung zur Liebesfähigkeit
11Maßnahmen stationärer Erziehungshilfe im Umgang mit herausforderndem Verhalten von Kindern und Jugendlichen
Geschlossene Heimerziehung
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung
Adressat*innen der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung
Methoden und Organisation der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung
Ein intensivpädagogisches Projekt als Alternative zur geschlossenen Heimerziehung
Erlebnispädagogik und Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung
Alternative pädagogische Konzepte und Praxiserfahrungen
Zur Kritik an der Erlebnispädagogik
Literatur
Stichwortverzeichnis
Die Autoren
Zusatzmaterialien online auf
•Übungsfragen zur Sicherung des Lernerfolgs für Lernfelder der Fachschule für Sozialpädagogik
•Kontaktmöglichkeit mit den Autor*innen
Vorwort zur sechsten Auflage
Zeit für Veränderungen
Die erste Auflage dieses Buches erschien im Jahr 2000 beim Lambertus-Verlag. Jede weitere Auflage berücksichtigte die aktuellen Veränderungen im Praxisfeld der Heimerziehung. Die statistischen Daten waren jeweils anzupassen und neu zu interpretieren, die neuen Ergebnisse der eigenen Forschung flossen in die Neuauflagen ein.
Nach 20 Jahren und insgesamt fünf überarbeiteten Auflagen stehen nun größere Veränderungen an:
Schon vor meiner Pensionierung als Professor für Erziehungswissenschaft musste überlegt werden, wie die weitere Überarbeitung und Aktualisierung dieses so gut angenommenen Lehrbuches bewerkstelligt werden könnte.
Ich konnte eine jüngere Kollegin meines Fachbereichs (Angewandte Sozialwissenschaften/FH Dortmund) dafür gewinnen, diese und auch die zukünftigen Neuauflagen zu gestalten. Frau Dr. Katja Nowacki ist Professorin für Psychologie und mit der Thematik stationäre Erziehungshilfen auch aus ihrer Praxis als Dipl. Sozialpädagogin bestens vertraut. Sie unterhält zahlreiche entsprechende Praxiskontakte und forscht zu unterschiedlichen Fragestellungen dieses Arbeitsfeldes.
Insofern bin ich sicher, dass das Buch „Praxis und Methoden der Heimerziehung“ sehr von der Professionalität der neuen Co-Autorin profitieren und so auch zukünftig den aktuellen Stand der Forschung widerspiegeln wird.
Für die Leser*innen und insbesondere für die Ausbildung dürfte diese Veränderung von großem Nutzen sein.
Hagen, im Frühjahr 2020
Prof. Dr. Richard Günder
Einleitung
Heimerziehung ist eine sehr kostenintensive Hilfe zur Erziehung. Die Kostenträger – also vor allem die Kommunen und Kreise – haben damit ihre Probleme. Bei vielen Kindern, Jugendlichen und Eltern ist Heimerziehung mit Ängsten besetzt, denn das mit ihr verbundene Image ist eher negativ und sie bedeutet eine zumindest vorübergehende Trennung von der Herkunftsfamilie. Ein Blick in die Geschichte der Heimerziehung zeigt sehr viel Leid. Die öffentliche Aufarbeitung der Heimerziehung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu den 1970er-Jahren hat pädagogische Unfähigkeiten, Willkür sowie Missachtung der Menschenwürde offenbart. Dennoch ist die Anzahl der jungen Menschen, die in der stationären Erziehungshilfe leben, relativ gleich geblieben. In den letzten 30 Jahren lag der Anteil der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich jeweils am Jahresende in Heimerziehung befanden, in Bezug zur Bevölkerung im Alter von 0–20 Jahren, bei 0,37 bis 0,40 %. Dies bedeutet: Von 1.000 jungen Menschen sind durchschnittlich vier auf die Erziehungshilfe Heimerziehung angewiesen, was sich 2016 auf 0,6 % erhöht hat (also durchschnittlich sechs von 1.000 jungen Menschen).
Heimerziehung war also kontinuierlich notwendig und wird es voraussichtlich auch zukünftig sein. Daher geht es in diesem Buch vor allem um die Professionalität dieses Teilgebiets der Sozialen Arbeit. Denn der pädagogische und der finanzielle Aufwand sollten sich auch lohnen.
Veränderungs- und zunehmend auch Spezialisierungsprozesse der stationären Erziehungshilfe haben das Praxisfeld seit den 1970er-Jahren geprägt. Heimerziehung muss sich heute vielfältigen Qualitätskriterien stellen. Hierzu gehört auch eine im Nachhinein erfolgende Beurteilung des Aufenthalts in einem Heim oder in einer sonstigen betreuten Wohnform durch den Betroffenen. Heimerziehung hat sich sehr stark differenziert, es wurden alternative Möglichkeiten innerhalb der Praxis entwickelt. Insofern ist unter stationärer Erziehungshilfe keinesfalls nur die Erziehung in einem Heim zu verstehen. Diese Differenzierung in ihrer Entwicklung und Praxis aufzuzeigen, ist ein Anliegen dieser Schrift. Dabei ist davon auszugehen, dass die Erziehung in Heimen und in sonstigen betreuten Wohnformen nicht ein notwendiges Übel darstellt, sondern für bestimmte Kinder und Jugendliche, jetzt und in absehbarer Zukunft, eine unabdingbare Lebensform zur Verbesserung sozialer Chancen innerhalb unseres Gesellschaftssystems bedeutet. Hier gibt es in Deutschland mit dem differenzierten Hilfesystem innerhalb des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG auch als Sozialgesetzbuch VIII = SGB VIII bezeichnet) im internationalen Vergleich mehr Möglichkeiten, auf individuelle Bedarfe zu reagieren (Simpson/Nowacki 2018). Die Erziehung in Heimen und in sonstigen betreuten Wohnformen verlangt heute mehr denn je eine hohe Professionalität der Fachkräfte, welche diesem Anspruch innerhalb des sozialpädagogischen Arbeitsfeldes in der Regel auch entsprechen können. Die vielfältigen Veränderungen, Herausforderungen und Perspektiven dieses sozialpädagogischen Arbeitsfeldes, vom Waisenhaus über die Heimerziehung hin zu einer differenzierten stationären Erziehungshilfe unter Berücksichtigung traumatischer Vorerfahrungen und Grundbedürfnissen von Nähe und Unterstützung, sind Inhalt dieser Publikation.
Die nun vorliegende sechste aktualisierte und ergänzte Auflage berücksichtigt neue Daten und Forschungsergebnisse sowie zusätzlich relevante Themen wie den Umgang mit Diversität im Kontext stationärer Erziehungshilfe, die Betreuung von Care Leavern, traumapädagogische Standards und auch internationale Perspektiven. Die Bedeutung der Beziehungsarbeit im Kontext von Fremdunterbringungen wird noch stärker herausgestellt.
Zunächst wird die Heimerziehung in ihrer historischen Dimension und Entwicklung, auch vor dem Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung 1991, betrachtet und es wird aufgezeigt, welche strukturellen Veränderungen und inhaltlichen Reformen in den letzten Jahren vollzogen worden sind. Hierbei werden auch Aspekte der Qualitätsdebatte und der Finanzierung berücksichtigt.
Um das Aufgabengebiet der heutigen stationären Erziehungshilfe zu begreifen, müssen wir uns mit den Schwierigkeiten und Problemen von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, die diese als Hilfeform benötigen. Es geht also darum zu klären, welche Indikationen die Maßnahme der stationären Erziehungshilfe legitimieren.
Weiterhin werden methodische Aspekte und Konzepte der Heimerziehung angesprochen, vor allem, wenn es um Orientierungen der pädagogischen und zielgerichteten Vorgehensweise in der konkreten Alltagspraxis oder in speziellen therapeutischen Situationen geht. Methodische Vorstellungen kommen aber auch bei der Zusammenarbeit zwischen Heim und Schule, bei der Elternarbeit, bei der Sexualerziehung in Heimen und in Wohngruppen sowie bei der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung und der geschlossenen Heimerziehung zur Sprache. Außerdem nehmen die Problemlagen der jungen Menschen und die Anforderungen an die pädagogischen Mitarbeiter*innen einen großen Stellenwert ein. Die Fachkräfte der stationären Erziehungshilfe haben häufig eine Ausbildung als Erzieher*in abgeschlossen, aber viele haben auch ein Studium der Sozialen Arbeit absolviert. Insofern wird häufig von den pädagogischen Fachkräften als Betreuer*innen der Kinder und Jugendlichen gesprochen, teilweise werden aber auch die spezifischen Berufsbezeichnungen verwendet, um den Fachhintergrund zu verdeutlichen.
Strukturelle und räumliche Rahmenbedingungen der Heimerziehung werden nicht nur exemplarisch behandelt; die architektonischen Bedingungen und Ausgestaltungsmerkmale von Heimen und Wohngruppen stellen wesentliche Faktoren des pädagogischen Alltags dar. Struktur, Gestaltung und Pädagogik beeinflussen sich ständig wechselseitig. Relativ breiten Raum nimmt auch das Kapitel „Sexualität in Heimen und Wohngruppen“ ein. An diesem so ungemein wichtigen Erziehungs-, Sozialisations- und Lebensbereich kann exemplarisch aufgezeigt werden, ob die institutionalisierte Erziehung elementare Sozialisationsprozesse eher behindert oder fördert. Da außerdem in Heimen und Wohngruppen häufig Kinder und Jugendliche leben, die in ihren Herkunftsfamilien sexuelle Gewalterfahrungen erleiden mussten, war der sich hieraus ableitende Aufgabenbereich für die Heimerziehung ausführlich zu behandeln. Hier werden auch Perspektiven von sexueller Orientierung und Identität in ihrer ganzen Breite berücksichtigt.
Das Buch will zu wesentlichen Entwicklungen, Aspekten und Perspektiven der stationären Erziehungshilfe Stellung nehmen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigten, dass diese Schrift vor allem im Bereich der Ausbildung und des Studiums sehr gut angenommen wurde. Sie wendet sich darüber hinaus sowohl an die Praktiker*innen, die in diesem Arbeitsfeld tätig sind oder sich darüber informieren wollen, als auch an Leser*innen, die mehr ein wissenschaftliches Interesse an der Methodik und Struktur eines sozialpädagogischen Handlungsfeldes zum Lesen motiviert.