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Old Surehand I

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»Nein, noch nie! Aber denken wir nach! Sollte es wirklich möglich sein, daß weder Old Shatterhand noch Winnetou auf den richtigen Gedanken kommt?«

»Ich möchte mich allerdings fast schämen! Also nachdenken! Das nächste Ende der Wüste liegt grad nördlich von hier, nach Helmers Home zu, und das weiß Mba, der Häuptling der Chickasaws, ganz gewiß. Mag er nach rechts oder nach links reiten, so braucht er in beiden Fällen wenigstens einen halben Tag länger, um aus dem Llano zu kommen; das weiß er auch. Ich denke nicht, daß er einen solchen Umweg macht. Oder glaubst du daran?«

»Nein.«

»Wenn er sich von den Weißen trennt, so hat er sich mit ihnen gezankt. Er reitet allein, weiß aber jedenfalls auch, wohin sie reiten. Dabei hat er sie über seine Richtung getäuscht, indem er von der richtigen abgewichen ist und sie sehr bald, wenn sie ihn nicht mehr sehen konnten, wieder eingeschlagen hat. Wenn wir also keiner von diesen beiden Fährten folgen, sondern geradeaus reiten, werden wir unbedingt wieder auf die seinige kommen.«

»Uff, das ist richtig!«

»Dann ist die andere Fährte natürlich diejenige, der wir zu folgen haben. Wir suchen sie auf und können dann sicher sein, daß wir den General vor uns haben. Ich glaube, daß mein Bruder Winnetou mir da recht giebt.«

»Es ist so, wie du sagst. Wir werden jetzt also keiner von den Spuren folgen.«

Wir stiegen auf und ritten weiter, ganz gerade aus, so daß wir die beiden, sich rechts und links von uns entfernenden Fährten bald nicht mehr sahen. Ich glaubte, meiner Sache sicher zu sein, war aber doch gespannt darauf, ob meine Voraussetzung sich bewahrheiten werde. Und richtig, schon nach einer halben Stunde sahen wir die Fährte, welche nach rechts geführt hatte, sich uns wieder nähern und sich dann nördlich wenden.

»Uff!« ließ sich Winnetou in frohem Tone hören. »Das ist also die Fährte der Chickasaws, welche genau nach Helmers Horne führt.«

»Und wir müssen also,« fuhr ich fort, »die andere aufsuchen, welche nun auf alle Fälle diejenige der Weißen ist.«

»Ja, reiten wir jetzt links hinüber nach der andern Spur! Wenn wir das thun, können wir uns dann gar nicht mehr irren und werden dann – — —«

Er hielt plötzlich mitten im Satze inne. Er hatte, während er sprach, sein Auge der Linie des Horizontes nachgehen, lassen und schien etwas gesehen zu haben, denn er griff in die Satteltasche, zog sein Fernrohr heraus und richtete es nach Norden. Schnell hatte ich das meinige auch in der Hand und sah durch die Gläser einige Pferde und Männer, welche im Sande lagerten.

»Wer mag das sein?« fragte ich.

»Die Chickasaws,« antwortete er.

»Warum sind sie nicht fortgeritten? Welchen Grund haben sie, dort zu sitzen?«

»Uff! Sie warten auf uns!«

»Sehr möglich!« stimmte ich bei. »Mba schien ein ehrlicher Mann zu sein. Er hat erst unterwegs bemerkt, daß der General uns bestohlen hat, und ist scharfsinnig genug, sich zu sagen, daß wir den Dieb verfolgen werden.

Da hat er sich von ihm getrennt. Selbst wenn die Ehrlichkeit ihm dies nicht geboten hätte, müßte er es aus Sorge um sich selbst gethan haben. Er mußte dafür sorgen, von uns nicht für einen Mann gehalten zu werden, welcher mit Dieben im Einvernehmen steht und ihnen sogar seinen Schutz verleiht. So wird es sein.«

»Ja, so ist‘s, reiten wir hin!«

Wir setzten unsre Pferde in Galopp und kamen den Männern schnell so nahe, daß wir sie erkennen konnten. Ja, es war Mba, aber nur mit zweien seiner Indianer. Sie hatten zwei Saumpferde bei sich. Wo war der vierte Chickasaw? Als die drei Roten uns erkannten, standen sie auf, legten ihre Waffen in den Sand und kamen uns entgegen. Das war ein friedliches Benehmen; dennoch nahm ich den Revolver in die Hand. Als wir sie erreichten und unsre Pferde vor ihnen parierten, sagte Mba:

»Old Shatterhand mag seine Drehpistole wieder in den Gürtel stecken, denn wir sind seine Freunde. Wir haben gewußt, daß er kommen werde, und auf ihn gewartet.«

»Ah, ihr habt es gewußt?«

»Ja. Oder sind Winnetou und Old Shatterhand Krieger, welche sich ihre Gewehre stehlen lassen, ohne daß sie sich dieselben wieder holen?«

»Das ist richtig. Wann hat Mba, der Häuptling der Chikkasaws, erfahren, daß man uns bestohlen hat?«

»Erst heute früh, als der Tag anbrach.«

»Wirklich nicht eher?«

»Nein. Ich spreche die Wahrheit. Würde ich auf euch gewartet haben, wenn ich euch belügen wollte oder gar den Diebstahl mit begangen hätte?«

»Nein. Ich habe dich gleich, als ich dich sah, für einen ehrlichen Mann gehalten. Erzähle!«

»Wir stießen im Süden vor dem Llano auf die vier Bleichgesichter, und ich gab ihnen mein Versprechen, sie durch die Wüste zu führen. Da kamen wir mit euch zusammen. Ich freute mich, Old Shatterhand, Winnetou und Old Surehand zu sehen, und ahnte nicht, daß der General Böses gegen euch im Schilde führte. Wir ritten mit euch bis zu dem Wohnsitze des »blutigen Fuchses« und wollten die ganze Nacht dortbleiben, um auszuruhen; da kam der General und sagte, wir müßten schnell fort, weil er sich mit euch verfeindet habe. Wir thaten ihm den Willen und ritten die ganze Nacht und den ganzen Tag – — —«

»Ohne daß dein Mißtrauen erwachte?« fiel ich fragend ein. »Hegtest du gar keinen Verdacht?«

»Ich hegte welchen; er kam gleich beim Beginn unsers Rittes, weil der General seinen Weg erst nach Westen nahm, wohin wir doch gar nicht wollten. Dann am Tage bemerkte ich ein Paket, welches er vorher nicht gehabt hatte und sehr sorgfältig behandelte. Auch fiel es mir auf, daß er gar so große Eile hatte. Als wir uns gestern abend lagerten, richtete ich es so ein, daß mir das Paket in die Hände kam; er entriß es mir aber gleich; doch hatte ich bemerkt, daß es schwer war und Gewehre enthielt.«

»Welche Beschaffenheit hatte das Paket?«

Es war seine Decke, in welche er die Gewehre geschlagen und mit Riemen zusammengebunden hatte. Ich wollte wissen, was für Gewehre es seien; aber die Bleichgesichter schliefen erst gegen Morgen so fest, daß ich es unbemerkt nehmen und aufbinden konnte. Ich erschrak, als ich sah, was es enthielt, denn ich wußte, daß ihr uns verfolgen würdet.«

»Warum behieltest du das Paket nicht, um es uns zurückzustellen?«

»Weil wir vier rote Krieger gegen fünf weiße waren und weil ihr den Dieb dann nicht gefangen hättet, denn er wäre entflohen.«

»Hm, ja, nämlich wenn du ihn hättest entfliehen lassen!«

»Ich hatte einen bessern Plan.«

»Welchen?«

»Als wir heut ein Stück geritten waren, hielt ich an und sagte den Bleichgesichtern, daß ich die Gewehre gesehen hätte und nicht weiter mit ihnen reiten möge, weil ihr jedenfalls bald kommen würdet. Sie wurden zornig und zankten sich mit uns. Als ich aber bei meinem Vorsatze blieb, baten sie mich, ihnen wenigstens einen meiner Krieger als Führer zu lassen, weil sie den Weg durch den Llano nicht kennen. Ich that ihnen den Willen, hatte aber diesem Krieger schon vorher gesagt, wie er sich zu verhalten hat. Er wird euch die Diebe in die Hände führen.«

»Auf welche Weise?«

»Ich ritt nur eine kleine Strecke weiter und blieb dann halten, um auf euch zu warten, denn ich will euch dahin bringen, wo ihr sie fangen sollt.«

»Wo ist das?«

»Dort im Norden liegt am Rande des Llano estacado die Wohnung eines weißen Mannes – — –«

»Welche Helmers Home heißt,« fiel ich ein.

»Uff! Old Shatterhand kennt diesen Ort?«

»Wir kennen ihn. Helmers ist unser Freund.«

»Das ist gut; das ist sehr gut, denn dorthin wird er die Weißen führen.«

»Warum reitet er nicht gerade aus, sondern macht einen Umweg?«

»Damit wir eher hinkommen als sie und sie ohne allen Kampf festnehmen können.«

»Schön! Ich sehe, daß Mba, der Häuptling der Chickasaws, ein kluger Krieger ist. Aber hast du auch bedacht, daß es für uns Gründe giebt, dir zu mißtrauen?«

»Giebt es solche Gründe?«

»Ja. Dein Krieger kann die Diebe uns entführen, so daß wir sie gar nicht zu sehen bekommen!«

»Wenn du das denkst, so wollen wir euch unsere Waffen ausliefern und uns selbst euch zum Pfande geben!«

»Ist nicht nötig. Wir vertrauen euch. Aber werden die Weißen sich nicht noch besinnen und einen andern Weg einschlagen?«

»Nein. Mein Krieger wird ihnen vor den andern Richtungen solche Angst machen, daß sie ihm gewiß folgen.«

»Gut! Sind eure Pferde sehr ermüdet?«

»Sie halten es bis zu Helmers Home aus, auch wenn wir nicht langsam reiten.«

»So wollen wir keine Zeit verlieren. Wenn ich mich nicht verrechne, so können wir schon am Nachmittage dort sein. Wann werden die Weißen dort ankommen?«

»Ich habe dem Führer befohlen, es so einzurichten, daß er Helmers Home gegen Abend erreicht.«

»Das ist sehr umsichtig gehandelt; aber eins will ich dich fragen: Was hättest du gethan, wenn wir jetzt nicht gekommen wären?«

»Gekommen wäret ihr ganz gewiß, wenn nicht jetzt, so dann später. Ich wäre ohne euch zu Helmers geritten, hätte ihm alles erzählt und ihn gebeten, uns beizustehen, den Dieben die Gewehre abzunehmen. Wenn ihr dann gekommen wäret, hätten wir sie euch gegeben. Glaubt Old Shatterhand diese Worte?«

»Ich glaube sie und lobe dich dafür. Deine Ehrlichkeit wird nicht unbelohnt bleiben. Jetzt wollen wir fort. Was noch zu sagen ist, können wir auch unterwegs besprechen.«

Die Chickasaws stiegen auf ihre Pferde und ritten mit uns weiter. Weil sie nicht gleichen Schritt halten konnten, ging es langsamer als vorher, dennoch war der Mittag noch nicht lange vorüber, als wir schon einzelne Zeichen davon entdeckten, daß wir uns dem Ende des Llano näherten. Während nur gefiedertes Raubzeug über das Innere der Wüste streicht, sahen wir jetzt körnerfressende Vögel fliegen, und hier und da gab es eine Salbeipflanze, welche zu ihrem Fortkommen nur des nächtlichen Taues bedurfte. Dann spitzten einzelne Gräser aus dem Sande, die sich nach und nach zu grünen Stellen vereinigten, aus denen später ein zusammenhängender Rasen gebildet wurde. Dann kamen Büsche und Sträucher, selbst Bäume, und als wir gar das erste Maisfeld vor uns sahen, hatten wir den Llano vollständig hinter uns.

 

Helmers‘ Home wurde mehr besucht als andere Ansiedelungen in der Einsamkeit des wilden Westens. Wer in den Llano estacado wollte oder wer aus demselben kam, der pflegte hier einzukehren und auszuruhen. Darum führte Helmers stets einen Vorrat von solchen Gegenständen, welche einem Westmanne oder Reisenden nötig sind. Er war nicht bloß Farmer, sondern nebenbei auch Kaufmann und Restaurateur. Ich hatte bei ihm schon manches Glas texanisches Bier getrunken, welches nach deutschem Rezepte gebraut worden war.

Ein schmaler Bach, den wir erreichten, führte uns nach dem Hause, in dessen Nähe er vorüberfloß. Es war aus Stein gebaut – denn hier gab es wirklich Steine, trotz der Nähe der Sandwüste – und bestand nur aus dem Parterre. Vor der Thür waren unter schattigen Bäumen einige Tische und Bänke angebracht. Hinter dem Hause befanden sich der Viehhof, der Stall und die Wirtschaftsschuppen. Als wir um die Ecke bogen, stand ein Schwarzer unter der Thür. Als er uns erblickte, stutzte er einen Moment, dann that er einen Freudensprung und brüllte mit schallender Stimme in das Haus hinein:

»Massa Helmers herauskommen, gleich schnell, gleich! Massa Winnetou und Massa Shatterhand sein da!«

Dann sprang er in langen, weiten Sätzen auf uns zu, packte mich beim Arme und beim Beine und riß mich vor Freude beinahe vom Pferde herunter.

»Nur sachte, sachte, guter Herkules!« sagte ich. »Ich höre, daß Mr. Helmers zu Hause ist?«

»Massa sein da und auch Missus,« antwortete er. »Da schon kommen beide gelaufen.«

Ja, da erschien Helmers‘ hohe, kräftige Gestalt unter der Thür, und seine Frau zeigte sich mit strahlenden Augen hinter ihm. Die beiden Alten liebten sich außerordentlich, sie hieß Barbara; er pflegte sie nicht anders als »mein liebes Bärbchen« zu nennen.

War das eine Freude über unsere Ankunft! Das Händedrücken wollte gar nicht aufhören, und die Stimmen schallten weit hinaus ins Freie, denn alle übrigen männlichen und weiblichen Bewohner des Home waren herbeigekommen, uns zu begrüßen. Deshalb warnte ich:

»Nicht so laut, Gents! Unsere Anwesenheit muß vorerst noch verborgen bleiben.«

»Verborgen? Warum?« fragte Helmers.

»Weil wir hier einige Spitzbuben fangen wollen, die nicht wissen dürfen, daß wir da sind. Ich hoffe, daß Ihr uns behilflich seid, Mr. Helmers.«

»Das versteht sich ganz von selbst. Habe ja vor allen Dingen hier am wilden Llano die Pflicht, mein Haus von solchem Gesindel frei zu halten. Wer ist‘s, Mr. Shatterhand?«

»Werde es Euch drin sagen. Wir müssen nämlich in die Stube, damit wir nicht gesehen werden. Herkules mag unsere Pferde in den Stall bringen und ihnen vor allen Dingen Wasser und dann tüchtig Futter geben. Nachher aber muß er den Stall zuschließen, weil auch die Pferde nicht gesehen werden dürfen.«

»Ihr macht mich neugierig, höchst neugierig, Sir! Aber was ist denn das? Ihr habt eure Gewehre nicht mit?«

»Das ist ja eben die Sache! Sie sind uns gestohlen worden, und die Diebe werden hierherkommen.«

»Thunder-storm! Das ist ja ein – — —«

»Bitte, nicht hier! Drin können wir besser darüber sprechen.«

»Ja, kommt herein, kommt herein! Und du, mein liebes Bärbchen, mach dich schnell in die Küche, und trage alles auf, was du hast; hörst du, alles, und wenn die Tische krachen!«

Ich sagte seinen Leuten schnell noch, wie sie sich zu verhalten hatten, und dann gingen wir in die Stube. Mutter Barbara that ihr möglichstes, um die Tische »krachen« zu lassen, und während wir aßen und tranken, erzählte ich Helmers, was geschehen war. Kaum war ich fertig, so sprang er auf und ging hinaus. Als er wiederkam, erklärte er uns den Grund:

»Habe sogleich meine beste Hand[49], fortgeschickt, um nach den Halunken auszuschauen. Er mag sie beobachten; sie könnten sich auf die Seite drücken wollen.«

Er kannte Bloody-Fox wie ein Vater den Sohn und war hocherfreut darüber, daß die bösen Absichten der Comantschen auf eine so gelungene Weise vereitelt worden waren. Um schnell zu sein, hatte ich meinen Bericht so kurz wie möglich gemacht, und nahm mir nun jetzt erst Zeit, ausführlicher zu erzählen. Die drei Chickasaws saßen natürlich auch dabei. Wir hatten uns so plaziert, daß wir von draußen nicht gesehen werden konnten, selbst wenn jemand den kleinen, halb offen stehenden Schiebefenstern nahe kam.

Noch war ich nicht fertig, so hörten wir den Hufschlag von Pferden. Sechs Reiter stiegen draußen ab; es waren die Erwarteten. Helmers ging hinaus.

»Good day, Sir!« grüßte der General. »Habt Ihr schon Gäste hier, Sir?«

»Gäste?« antwortete Helmers. »Woher sollen die hier in diese Einsamkeit kommen?«

»Well! Gebt unsern Pferden Wasser und Futter und uns etwas Kräftiges zu essen nebst einer gehörigen Flasche Feuerwasser.«

»Sollt alles haben, Sir. Werdet ihr heut hier bleiben?«

»Warum fragt Ihr das?«

»Werdet mir die Frage wohl nicht übelnehmen! Ich muß es wissen, weil ich mich als Wirt darauf einzurichten habe.«

»So! Wir werden essen und trinken und dann weiterreiten.«

»Um diese Zeit? Es wird bald Nacht sein!«

»Das ist uns gleich.«

»Kommt Ihr aus dem Estacado, Sir?«

»Fragt nicht so viel, sondern thut, was ich Euch befohlen habe!«

»Hört, Ihr scheint mir ein außerordentlich großer Herr zu sein! Werd‘wohl auf meinem Grund und Boden fragen dürfen! Und befehlen? Das kenne ich nicht!«

»Werdet es aber jetzt kennen lernen! Ich bin nämlich General, Sir, ja, General! Habe bei Bull-Run gefochten, bei Fort Hatteras, bei Harpers-Ferry, bei Gettysburg und in vielen andern Schlachten, in denen ich stets Sieger gewesen bin!«

»Good lack! Da muß ich mich freilich beeilen, eure Befehle auszuführen! Entschuldigt nur einen Augenblick! Ihr werdet sofort bedient werden, wie es solchen Herren, wie ihr seid, angemessen ist!«

Der Doppelsinn dieser Worte entging ihnen. Sie setzten sich an einen der Tische, ohne zu ahnen, was für eine Art von »Gehorsam« ihrer wartete. Helmers kam wieder herein und sagte leise:

»Jetzt kommt, Mesch‘schurs! Ich werde euch durch die Hinterthür führen. Eure Gewehre liegen eingewickelt auf dem Tische; die ihrigen nehmen wir ihnen sofort weg. Das muß das erste sein, damit sie sich nicht wehren können.«

»Das ist nicht nötig, Mr. Helmers,« antwortete ich; »sie werden es gar nicht wagen, nach ihnen zu greifen.«

Wir folgten ihm durch die Küche hinter das Haus nach der einen Giebelecke, hinter welcher seine Leute schon standen, bewaffnet und zum Zuspringen bereit. Dann ging er durch das Haus zurück und zu ihnen hinaus. Wir hörten deutlich, was gesprochen wurde, denn der Tisch, an welchem sie saßen, stand nicht sehr weit von unsrer Ecke.

»Ihr bringt nichts mit?« fragte der General. »Wo bleibt der Brandy? Und wer sorgt für die Pferde?«

»Geduld, Mesch‘schurs! Es ist alles besorgt.«

»Aber Ihr thut nichts, wie es scheint!«

»Ist auch nicht nötig, habe meine Leute dazu.«

»Aber wir können nicht warten!« fiel Old Wabble zornig ein. »Wir sind gewöhnt, schnell bedient zu werden!«

»Keine Sorge, Sir! Ihr werdet schnell bedient werden, schneller noch, als ihr es denkt. Darf man wissen, wohin ihr von hier reiten werdet?«

»Geht Euch das etwas an?«

»Eigentlich nicht.«

»So fragt auch nicht! Was einem nichts angeht, das soll einem auch nichts angehen; th‘is clear!«

»Ich frage nicht aus Neugierde, sondern um euch nötigenfalls zu warnen.«

»Vor wem?« fragte der General.

»Vor einigen weißen Spitzbuben, die sich hier in der Nähe herumtreiben.«

»Spitzbuben? Was sind es für Kerls?«

»Schufte, die es besonders auf die Gewehre andrer Leute abgesehen haben.«

»Wie – — —? Was – — —?«

»Ja, Gewehrdiebe!«

»Das – — – das – — – wäre doch sonderbar!«

»Es ist aber so! Erst vor zwei Tagen haben sie einen solchen Diebstahl ausgeführt.«

»Vor zwei Tagen! Wo denn?«

Am Llano. Dort haben sie die drei berühmtesten Gewehre gestohlen, die es giebt.«

Ich zog meine beiden Revolver, denn der Augenblick der Ueberrumpelung war da. Winnetou spannte die seinigen auch. Wir konnten die Kerls nicht sehen, aber es war ihnen jetzt wahrscheinlich nicht sehr wohl zu Mute, denn die Stimme des Generals klang sehr gepreßt, als er fragte:

»Welche Gewehre sind das gewesen?«

»Die Silberbüchse Winnetous und Old Shatterhands Stutzen und Bärentöter.«

»Alle Teufel! Ist das wahr?«

»Sehr wahr!«

»Von wem wißt Ihr das?«

»Von den Bestohlenen selbst.«

»Also – — – von – — – Winnetou – — —?«

»Yes.«

»Und – — – von – — – Old – — – Old Shatterhand?«

»Yes.«

»Da müßt – — müßt Ihr doch mit – — mit diesen beiden Männern – — Männern gesprochen haben!«

Ein rascher Schritt um die Ecke, drei Sprünge weiter, und wir standen vor ihnen. Im nächsten Augenblicke waren auch Helmers‘Leute bei uns.

»Natürlich hat Mr. Helmers mit uns gesprochen!« sagte ich. »Rührt euch nicht! Ihr seht alle Waffen auf euch gerichtet; sie gehen augenblicklich los, wenn ihr die geringste Bewegung macht!«

Der Schreck dieser Menschen war unbeschreiblich. Sie starrten uns wie Gespenster an und wagten nicht, sich zu rühren.

»Herkules, ich sagte dir, du solltest Stricke oder Riemen bringen. Hast du sie?« fragte ich den Neger.

»Riemen sein da, ganze Menge,« antwortete er. »Hier in Händen sie haben.«

»Binde die Kerls!«

»Was? Binden?« rief Douglas. »Einen General binden, einen General, der in zahlreichen Schlachten – — –!«

»Schweigt!« unterbrach ich ihn. »Ihr seid der erste, welcher gefesselt wird, und wenn Ihr widerstrebt, so schieße ich Euch auf der Stelle nieder! Gebt sofort die Hände her!«

Da wagte er keinen Widerstand; er wurde gefesselt und die andern nach ihm. Ich wendete mich an Old Wabble:

»Ihr habt Euch eine saubere Gesellschaft gewählt! Eigentlich sollte ich kein Wort mit Euch sprechen; ich will mich aber einmal überwinden und Euch fragen: Habt Ihr Euch bei dem Diebstahle beteiligt?«

»Nein,« antwortete er, indem er ein Paar Augen auf mich richtete, in welchen der Zorn und der Haß funkelten.

»Ihr seid nicht mit im Häuschen gewesen, als die Gewehre geholt wurden?«

»Nein.«

»Ist das wahr?« fragte ich den General.

»Ich antworte Euch kein Wort!« erklärte er. »Wer darf es hier wagen, einen General ins Verhör zu nehmen!«

»Well, so sind wir einstweilen mit Euch fertig, aber auch nur einstweilen. Wir werden Euch gar nicht verhören, denn Eure Schuld ist erwiesen. Es bleibt uns nur noch übrig, Eure Strafe zu bestimmen.«

»Strafe? Wagt es, Euch an mir zu vergreifen! Ich würde mich blutig rächen, so blutig, daß – — –«

Ich hörte seine Worte nicht mehr, denn ich hatte Winnetou, Helmers und dem Chickasawhäuptling gewinkt, mit mir zu kommen. Wir gingen hinter das Haus, um über die Bestrafung des Diebes zu beraten. Wir wurden schnell einig und kehrten zu den Gefangenen zurück, die inzwischen von Helmers‘ Leuten und den Chickasaws bewacht worden waren. Weder Winnetou noch ich wollte mit der Ausführung des Urteiles etwas zu thun haben; wir hatten das dem Besitzer des Home übertragen. Er verkündigte ihnen unsern Entschluß mit den Worten:

»Ihr seid auf meinem Grund und Boden erwischt worden, und darum bin ich es, der euch sagt, was wir über euch bestimmt haben. Ihr bleibt alle bis morgen früh hier und werdet dann über meine Grenze geschafft. Wer sich dann wieder hier sehen läßt, wird erschossen. Der edle Gentleman, welcher sich für einen General ausgiebt, ist der Dieb. Nach den Gesetzen des wilden Westens wird ein solcher Diebstahl mit dem Tode bestraft; wir sind aber so gnädig gewesen, diese Strafe in fünfzig Hiebe umzuwandeln, denn es scheint uns, daß – — —«

»Hiebe!« brüllte Douglas. »Ich werde – — —«

»Nichts wirst du, Schuft!« donnerte ihn Helmers so an, daß er schwieg. »Grad weil du Offizier sein willst, wirst du gehauen werden! Und da außer euch nur lauter Gentlemen da sind, von denen keiner dieses Amt übernehmen möchte, so wird Old Wabble dir diese fünfzig Hiebe geben.«

»Das – — das – — werde ich nicht thun!« stieß der alte, einstige »king of the cowboys« hervor.

 

»Du wirst es thun, alter Boy, denn wir haben es so beschlossen. Wenn du dich weigerst, auf mein Kommando zuzuschlagen, oder wenn du nicht aus Leibeskräften zuschlägst, so bekommst du selbst erst fünfzig Hiebe und dann eine Kugel in den Kopf. Ich scherze nicht; laß dir das gesagt sein!«

»Der, der soll mich schlagen?« rief Douglas. »Er ist ja selbst mit dabei gewesen. Ich kannte ja das Häuschen gar nicht; er hat mich hineingeführt!«

So leid mir das um Old Wabble that, aber ich bezweifelte nicht, daß der General die Wahrheit sagte. Also das war der Dank für die Teilnahme, Zuneigung und wiederholte Nachsicht, die ich dem Alten entgegengebracht hatte; er war aus Aerger und niedriger Rachsucht zum Diebe an mir geworden. Dennoch bestimmte Helmers:

»Das geht uns jetzt nichts mehr an. Hättest du es vorhin gesagt; du wolltest dich aber nicht verhören lassen; nun ist‘s zu spät! Ich habe nur noch hinzuzufügen, daß wir mit den andern nichts zu thun haben wollen; ihnen wird also nichts weiter geschehen, als daß wir sie bis morgen früh hier festhalten; da ist es Tag, und wir können uns überzeugen, daß sie sich wirklich entfernen. Die Dienste, welche euch die Chikkasaws geleistet haben, werden wir ihnen von dem bezahlen, was wir bei euch finden. Jetzt bindet den ehrenwerten General hier an die Postoak[50], macht Old Wabble die Hände frei, daß er zuschlagen kann, und schneidet da drüben von den Sträuchern einige gute hazel-switches[51] ab, die hübsch stark, doch biegsam sind! Der General soll seine Orden bekommen, aber nicht vorn auf die Brust!«

Ich ging mit Winnetou fort, um nicht Zeuge der Vollstreckung dieses Urteiles zu sein. Ein Ebenbild Gottes prügeln zu sehen, ist nicht jedermanns Sache. Leider aber giebt es Menschen, bei denen selbst eine solche Strafe ohne alle Wirkung bleibt, und hätte ich jetzt gewußt, was ich später erfuhr, so wären mir selbst hundert Hiebe für diesen gott- und gewissenlosen Schurken noch viel zu wenig gewesen. Wir hörten nach unsrer Rückkehr, daß Old Wabble sich zwar erst gesträubt, dann aber angesichts des drohenden Revolvers tüchtig zugeschlagen hatte. Dann wurden die Kerls miteinander so sicher eingesperrt, daß sie nicht fliehen konnten.

Als man sie am andern Morgen aus ihrem Gewahrsam brachte, sahen die Gesichter des Generals und Old Wabbles blutig aus. Sie waren trotz ihrer Fesseln aneinander geraten. Douglas hatte sich in einer ganz unbeschreiblichen Wut darüber befunden, daß der Alte sich hatte zwingen lassen, ihm die fünfzig Hiebe zu geben. Als wir ihn jetzt losbanden, wollte er sich wieder auf ihn stürzen, und als wir ihn davon abhielten, schrie er ihm zu:

»Nimm dich vor mir in acht, du Hund! Sobald ich dich treffe, bezahlst du mir diese Schläge mit dem Leben. Ich schwöre es dir mit allen Eiden zu, die man nur schwören kann!«

Das war sehr ernst gemeint; Old Wabble sah es ein und bat Helmers, ihn eher als den General fortzulassen. Er scheute sich, diese Bitte an mich oder an Winnetou zu richten; wir hielten uns von ihm fern. Sie wurde ihm gewährt. Herkules, der Neger, brachte ihn fort, und erst als hierauf eine Stunde vergangen war, wurde Douglas mit seinen drei weißen Begleitern über die Grenze geführt. In welcher Weise er von uns Abschied nahm, braucht nicht gesagt zu werden. Er floß von Drohungen und Verwünschungen förmlich über. Sein Zorn war dadurch bis zum höchsten Grade gesteigert worden, daß wir ihnen allen die Waffen und die Munition genommen und den Chickasaws als Belohnung gegeben hatten. Was Winnetou und mich betrifft, so konnten wir mit dem Ausgange unsres Rittes sehr zufrieden sein. Wir hatten unsere Gewehre wieder, die sich in demselben guten Zustande wie vorher befanden.

Als wir dann erzählend am Vormittage vor dem Hause am Tische saßen, stand Helmers plötzlich auf, ging zu dem Baume, an welchem der General gestern angebunden war, hob dort etwas vom Boden auf und sagte:

»Da sah ich etwas blinken. Es ist ein goldener Ring, ein Trauring, wie es scheint. Seht ihn einmal an!«

Der Ring ging von Hand zu Hand. Ja, es war ein Trauring, und auf seiner Innenfläche sahen wir zwei Buchstaben und ein Datum eingegraben.

»Wie kommt der Ring dorthin?« fragte Frau Barbara. »Wer mag ihn verloren haben?«

»Der General,« antwortete Helmers. »Seine Hand war festgebunden und hat sich, als ihn die Hiebe schmerzten, so unter den Riemen gewunden, daß der Ring abgestreift worden ist. Anders kann es nicht sein.«

Wir gaben ihm recht und meinten, daß er den Ring als Andenken an den gestrigen Strafvollzug aufbewahren möge; er aber legte ihn mir in die Hand und sagte:

»Was soll ich mit ihm? Er ist nicht mein; ich komme nicht von hier fort und werde den General wohl nicht wiedersehen. Bei Euch aber, Mr. Shatterhand, ist es möglich, daß Ihr ihm einmal begegnet. Steckt ihn ein.«

Ich hatte keinen Grund, mich zu weigern, und steckte den Ring an meinen Finger, wo er sicherer als in der Tasche war. Vorher betrachtete ich ihn genau und las: E. B. 5. VIII. 1842. Wie wichtig dieser Ring mir und Old Surehand später werden sollte, das konnte ich jetzt nicht ahnen.

49Knecht, Gehilfe, Arbeiter.
50Pfahl- oder Pfosteneiche.
51Haselruten.