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Der Gitano

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»Sage noch ein solches Wort Mensch, und Du bist verloren!« herrschte der Andere ihn an. »Siehst Du denn nicht, daß wir Soldaten Seiner tapferen Majestät, des Königs Carlos sind und das Recht haben, Dich sofort über den Haufen zu schießen?«

»Oho, wen nanntet Ihr als König? Doch, das geht mich ja Nichts an; Euren edlen Ritter Don Quixote mögt Ihr meinetwegen nennen, wie Ihr wollt. Wenn sich aber Gesindel hier herumtreibt, so werde ich, der weitbekannte Mulero Fernando Lunez, mit meiner ehrenwerthen Gesellschaft einen anderen Ort suchen, wo wir ruhen und der Gefahr, zu diesen Leuten gezählt zu werden, entgehen können. Geht uns also aus dem Wege und – «

»Halt,« fiel ihm der Carlist, denn ein solcher war es, in die Rede. »Du bleibst und gehst keinen Schritt von hier! Du hast den König beschimpft und also ein todteswürdiges Verbrechen begangen. Don Enrico de Calanda y Munilla, welcher im Heere Sr. Majestät des Königs Carlos die Stelle eine Colonels bekleidet und uns vorausgeschickt hat, um ihm hier einen Ruheplatz zu bereiten, wird in einer Viertelstunde hier sein und über Dein Schicksal entscheiden. Du bist unser Gefangener!«

Ueber das Gesicht des Mulero glitt jenes stolze Lächeln, welches nur der Spanier in dieser mimischen Vollendung in der Gewalt hat. Seine Hand näherte sich dem Gürtel, aus welchem der Griff des Dolches hervorragte, und mit einer geringschätzenden Drehung des Kopfes begann er:

»Die Sonne hat Euch den Verstand verbrannt! Wer ist denn Euer Don Enrico de Calando y Munilla eigentlich? Ich kenne ihn nicht. Jedenfalls auch einer von den Bandisto‘s welche die armen Muleros überfallen, um ihnen Sack und Pack abzunehmen. Macht Platz hier!«

»Keinen Schritt weiter!«

»Wahrt Euch! Wer mich anrührt, bekommt sechs Zoll kaltes Eisen in den Leib. Mein Eigenthum zwar habt Ihr mir schon geraubt; mich selbst aber bekommt Ihr nicht!«

Er zog den Dolch; aber in demselben Augenblicke krachte auch ein Schuß, welcher bestimmt war, ihn zu treffen. Doch hatte er sich blitzschnell zur Seite gewandt, und so flog die Kugel an ihm vorbei und in die Mauer. Im nächsten Moment stak sein Dolch in der Brust Dessen, der auf ihn geschossen hatte, und es entspann sich ein Kampf, der, da die Zahl der Gegner zu groß war, mit der Niederlage des Maulthiertreibers endete.

Während dieses Vorganges hatte ich weniger ihn, als vielmehr den Gitano beobachtet.

Bei den muthigen Worten unseres Führers leuchteten seine Augen, und seine Gestalt zuckte unter der Absicht, sich blitzschnell zu erheben. Aber ebenso schnell legte sich die Hand des Mädchens auf seinen Arm, und als er die Angst erblickte, welche sich in ihren Mienen aussprach, ließ er sich langsam aus der schon halb erhobenen Stellung wieder niedersinken, und ich hörte jetzt zum ersten Male deutlich seine Worte:

»Nur aus Rücksicht für Euern Wunsch und Eure Sicherheit, Sennora!«

Der Mulero wurde unter den gräßlichsten Mißhandlungen gebunden, und auch uns hätte ein ähnliches Schicksal getroffen, wenn die Leute nicht für ihren Colonel zu sorgen gehabt hätten. So aber begnügte man sich, uns streng zu bewachen und richtete, nachdem die Leiche des Erstochenen unter Drohungen und Verwünschungen bei Seite geschafft worden war, einen Ruheplatz für den erwarteten Offizier her.

Kaum war dies vollendet, so bemerkten wir einen Trupp Reiter, deren müde Pferde sich den steilen Berg heraufarbeiteten. An ihrer Spitze ritt auf einem andulusischen Rapphengste, dessen zierlich kraftvollen Bewegungen man nicht die mindeste Ermüdung ansah, ein Offizier, welcher seinen militairischen Abzeichen nach der Colonel sein mußte. Den Schluß der kleinen Cavalkade bildeten einige Maulthiere, welche hoch und schwer belastet waren.

Noch war der Offizier nicht abgestiegen, so machte man ihm schon die Meldung des Vorgefallenen. Ohne den Rapport vollständig anzuhören, riß er das Pferd herum und drängte es zu dem Orte, wo die Leiche lag. Nachdem er sich mit einem raschen Blicke von der Wahrheit des Gemeldeten überzeugt hatte, spornte er den Hengst über die nächstliegende Mauerbresche und hielt nach einem kühnen Satze dicht vor unseren Augen. Den Mulero mit flammenden Blicken messend, rief er:

»Du bists also, der es gewagt hat, einen Soldaten meines Regimentes zu ermorden? Bete zur heiligen Madonna, in einer Viertelstunde hast Du ausgelebt!«

»Sorgt für Eure eigene Seele, Sennor! Die meinige wird ihren Weg schon finden.«

Der Offizier schien diese derbe Antwort keiner Entgegnung werth zu halten und wandte seinen Blick auf uns Anderen. Nachdem sein Auge mit verächtlichem Ausdrucke über die beiden Zigeuner hinweg geglitten war, haftete es forschend auf mir.

»Erhebt Euch, Mann! oder wißt Ihr nicht, daß man mit einem königlichen Offiziere nicht im Liegen spricht?«

»Entschuldigung, Sennor; das Sprechen soll wohl erst beginnen.«

»Unternehmt es ja nicht etwa, mich zu corrigiren! Wer seid Ihr?«

Statt aller Antwort gab ich ihm die Passierkarte, welche mir von meinem Chef ausgewirkt worden war.

Ich machte ihn mit der Ursache meiner Reise bekannt und theilte ihm mit, daß ich beabsichtige, nach Saragossa zu gehen.

»Das ist nicht wahr! Wie kommt Ihr sonst an diesen Ort hier, da Euch Euer Weg doch nach Pamplona führen würde. Ihr seid kein Spanier. Wo ist Euer Vaterland?«

»Ich bin ein Deutscher und stehe unter dem Schutze meiner Regierung.«

»Laßt Euch nicht auslachen! Wenn Eure Regierung Euch schützen soll, so müßt Ihr fein hübsch zu Hause bleiben und dürft Euch nicht in Gesellschaft von Mördern hier in den Bergen herumtreiben. Macht Euch gefaßt, mit – «

Er stockte mitten in der Rede. Sein Blick war auf die gegenüberliegenden Höhen gefallen und schien dort auf Etwas zu haften, was Wichtigkeit genug haben mußte, seine gespannte Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen.

Ich folgte der Richtung seines Auges und bemerkte eine kleine Truppe Militairs, welche seitwärts zwischen den Bergen hervorgekommen war und nun denselben Weg einschlug, welchen wir geritten waren. Sie bestand aus einem Offizier mit sechs Mann Soldaten und war jedenfalls bestimmt, eine Recognition der umliegenden Gegend vorzunehmen. Wir befanden uns auf einem höheren Punkte als sie, und da die Carlisten durch die Trümmer der Ruine und nebenstehendes Gesträuch Deckung fanden, konnten sie nicht bemerkt werden.

»Habt Acht, Leute; da drüben kommt der Feind!« kommandirte der Colonel, welcher in den Nahenden sofort Regierungstruppen erkannt hatte. »Es ist eine Streifpatruille, welche wir aufheben müssen. Nunez, Du gehst mit drei Mann zurück bis an die Stelle, wo sich der Weg um die Felsen biegt und schießest Jeden nieder, der uns etwa entkommen sollte, und Du, Petrillo, schleichst Dich vorwärts, bis Du etwa genügende Deckung zu einem Hinterhalte hast, um dafür zu sorgen, daß dem Feinde der Rückweg abgeschnitten ist. Ich selbst lege mich mit den Uebrigen hin in die Ruine, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn uns Einer von ihnen entginge. Schafft die Thiere bei Seite und haltet ein scharfes Auge auf die Gefangenen. Wer sich von ihnen rührt, wird niedergeschossen.«

Es wurde dem Befehle mit der größten Schnelligkeit Folge geleistet, und kaum waren einige Sekunden vergangen, so lag der kleine freie Platz leer vor dem Gemäuer und tiefe Stille herrschte ringsumher.