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Kapitel 4

Meinen geleerten Teller bringe ich auf eine Ablage. Mein gut gefüllter Magen braucht jetzt ein wenig Bewegung. Ich vertrete mir die Beine und schlendere auf dem Hausboot umher, bis ich mich auf Höhe des kleinen Ruderbootes befinde.

Dort betrachte ich mir die vorbeifahrenden Schiffe, die auf dem Fluss unterwegs sind. Dem einen oder anderen winke ich. Meistens haben die Passagiere gute Laune und wollen ihr Glück teilen.

Stimmen dringen an mein Ohr. Sie stören die angenehme Stille, die bis eben nur durch das glucksende Wasser unterbrochen wurde. Die Wellen der Ausflugsdampfer brachen sich am Hausboot und lösten sich klatschend auf, als hätten sie nie existiert. Ich lehne den Kopf zurück, doch die Stille kehrt nicht zurück, denn die Stimmen werden deutlicher. Sie scheinen aus dem angelehnten Fenster zu kommen, das sich neben meinem Kopf befindet.

»Sag ihr, sie soll sie wegschicken!« Das ist die Platinblonde.

»Das werde ich nicht machen.« Ich erkenne die Stimme von Yanick.

Ich sehe mich schnell um. Niemand ist in der Nähe und ich werde nicht beim Lauschen erwischt.

»Nicky!«, quengelt Ninette und ich verziehe angewidert mein Gesicht.

»Ninette, heute ist ihr Wunsch-Geburtstag und sie hat sich nun einmal die Kleine vom Steg gewünscht. Da kann und werde ich nicht tun, was du mir hier versuchst einzuflüstern. Das würde ich übrigens auch nicht, wenn Lisa kein Geburtstag hätte. Also hör auf!«

Offensichtlich ging es hier um mich, was mich neugierig werden lässt. Ich spitze meine Ohren. Unauffällig rücke ich dichter zum Fenster und lausche ihrem Gespräch weiter.

»Ich mag sie nicht. Vorhin auf der Brücke hat sie echt aufgedreht. Ich wette, ihre Haare sind Extensions und überhaupt, sie ist … billig. Du hast doch schließlich auch Geburtstag. Es ist auch deine Feier!«, schmeichelnd soll das Klingen, hört sich aber trotzig an. Angeekelt schüttele ich meinen Kopf und verziehe noch angewiderter meinen Mund. Die Frau ist der reinste Albtraum.

Moment mal! Er hat auch Geburtstag?

Zwillinge? Zweieiige.

»Das ist dein Problem, Ninette. Sei fein artig!«

Es ist eine Weile still, dann höre ich, wie etwas klirrend umgestoßen wird. Als ob jemand in Ärger oder Eile, auf einem vollgestelltem Tisch Dinge bei Seite fegt. Vorsichtig und zögernd spähe ich nun durch das Fenster, aus dem die Stimmen kommen.

Es ist eine Küche.

Ich sehe Ninettes Hinterkopf. Sie sitzt mit dem Rücken zu mir auf der Arbeitsplatte. Neben ihrer Hüfte sehe ich eine Hand, die nur von Yanick sein kann. Ich trete einen kleinen Schritt weiter. Ninette sitzt vor ihm. Ihre Beine umklammern seine Hüfte und ihre Hände arbeiten unter seinem Shirt. Sie haben offensichtlich Verkehr miteinander. Oder würden gleich.

Ups! Wäre ich Kai, würde ich jetzt meine Arbeitsplatte desinfizieren und überhaupt: Wer war hier billig?

»Liebst du mich?«, fragt Ninette nach Luft schnappend. Yanick reagiert nicht. Seine Augen sind geschlossen. Er bewegt sich nicht. Still ruhen seine Hände auf der Arbeitsplatte, während Ninette aufreizend, aber künstlich stöhnt.

Ich bekomme jetzt Panik, dass ich entdeckt werde. Schließlich muss er ja nur seine Augen öffnen. Aber gegen alle Vernunft verharre ich bewegungslos und versteinert auf ihn sehend. Einzig mein Kopf senkt sich leicht voll Abscheu und Ekel. Selbst das kann ich mir überhaupt nicht erklären.

Ninette krallt ihre Nägel in seine Oberarme. Mir ist, als nehme ich es in meinen Eigenen wahr. Eine rätselhafte Aversion steigt in mir auf, der von ihren flehenden Worten unterbrochen wird.

»Sag mir, dass du mich liebst!« Ein neues Gefühl mischt sich dazu. Benennen kann ich es nicht.

Yanick öffnet seine Augen. Die Bernsteine treffen direkt in meine. Ihn erkennend, hebe ich meinen Kopf und sehe ihn an. Ich habe sie schon einmal gesehen und überlege fieberhaft, wo es war.

Nun weiß ich, warum ich hier wie angewurzelt stehe und mich nicht von der Stelle rühren kann. Es fühlt sich an, als sei es das Selbstverständlichste und Natürlichste von der Welt. So, als sehen wir uns jeden Tag unseres Lebens in die Augen und als wollten wir es auch gar nicht anders. Keine Überraschung, Erstaunen, Schreck oder ob der seltsam komischen Situation, gar Befremden.

Mein Gesicht entspannt sich zeitgleich mit seinem. Wie an einem unsichtbaren Band fühle ich mich zu ihm hingezogen und nähere mich ihm. Mein Körper scheint sich dabei seltsam gleitend aufzulösen. Ich schwebe auf ihn zu und nur noch wir existieren. Die Welt dreht sich einzig und allein für uns.

Ganz sicher, ich kenne ihn. Er öffnet seinen Mund und formt die Worte: »Ich liebe dich.«

Ich sehe sie, höre sie aber nicht, denn mit diesen Worten lässt das Band los und ich schnelle wieder zurück an das Fenster. In die Wirklichkeit. Habe ich eben meine Hand gehoben, damit ich noch eine Weile bleiben kann, um diese innige und intensive Verbindung mit ihm nicht zu verlieren?

Doch der Augenblick ist ebenso schnell vorbei, wie er entstanden ist. Zurück bleibt eine Leere, die der ähnlich ist, als das Boot sich entfernte.

Aus der Lähmung befreit, ziehe ich mich aufgewühlt vom Fenster zurück.

Das muss ich verarbeiten. Kein Zweifel – ich habe das seltsamste Erlebnis in meinem Leben gehabt. Ich kann das absolut nicht einsortieren. Werde ich verrückt?

Neben dem Fenster lehnend, hole ich tief Luft. Das Herz ist übervoll mit Gefühlen und Denken noch immer unmöglich. Mein Puls rast und ich muss mich beugen, weil ich nicht weiß, was hier mit mir geschehen ist.

Das muss ein Traum gewesen sein, denn nur im Traum kann so etwas passieren und fühlt sich dann auch noch wie die Realität an.

Mein erhöhter Herzschlag sagt mir etwas anderes. Ein Traum war das nicht, so viel steht fest. Oder schlägt ein Puls so heftig nach einem Traum, welcher Art auch immer?

Etwas an ihm war mir bekannt erschienen. Seine Augen, so selten in seiner Farbe und dem intensiven Leuchten darin. Wie mein Bernstein zu Hause.

Langsam, in Gedanken, bewege ich mich in Richtung Terrasse zurück. Keine Spaziergänge mehr heute Abend!

»Ella! Ella, wo bist du?«, ruft Lisa aufgeregt und kommt um die Ecke geflitzt. »Oh, da. Ich habe dich gesucht. Gleich beginnt das Feuerwerk. Komm schnell!«

Sie winkt mich ungeduldig mit der Hand zu sich. »Eine Überraschung!«

Das wäre für mich dann heute die zweite Überraschung. Die Erste habe ich gerade von ihrem Bruder bekommen. Doch Lisa ahnt das nicht und wie soll ich ihr das erklären? Das könnte ich noch nicht einmal Uta erklären, die an Übersinnliches und all diesem Humbug glaubt.

An der Terrasse angekommen, stelle ich mich brav zu den anderen Gästen. Ich sehe mit ihnen in den Himmel und warte auf das versprochene Feuerwerk. Egal wie sehr ich mich abmühe, an etwas anderes zu denken, es gelingt mir nicht. Das gibt es doch gar nicht!

Ich fühle noch einmal, wie ich zu ihm gezogen werde, ohne mich ernsthaft dagegen wehren zu können. Was ist mit mir geschehen?

Ich schließe meine Lider. Weil sich bei dieser Erinnerung eine Wärme in meinem Herzen ausbreitet, die mich übermannt. Sie breitet sich in mir aus. Warm und angenehm. Sie verzehrt mich. Das ist ein wahnsinnig intensives Gefühl.

Dabei will ich nichts, als noch einmal entfachen, was dieser Augenblick in mir ausgelöst hat. Und ihn dann ewig bei mir halten.

Ich liebe dich.

Und ich habe in diesem Moment nicht daran gezweifelt. Ich muss mich beugen, weil mich sonst etwas niederstreckt, was mir Angst einflößt. Dieses Gefühl ist so sehr intensiv, dass mir schwindlig wird. So urgewaltig, dass ich die Befürchtung habe dem nichts entgegenzusetzen zu können. Ich fühle mich schwach.

Nach schnellen, kurzen Atemzügen ist es besser und ich richte mich wieder auf. Niemand hat etwas bemerkt. Keiner starrt mich an oder sieht besorgt zu mir. Gut. Alles ist in Ordnung und mein Blick schweift ziellos durch die Menge.

Und doch …

Nichts ist in Ordnung. Eben ist meine Welt aus den Fugen geraten. Dies spüre ich am ganzen Körper. Wehren zwecklos.

Ninette, stolpert dämlich lächelnd auf die Terrasse und wird von Yanick eskortiert. Ich möchte ihr Gesicht zu Brei schlagen. Andererseits aber auch nicht. Ich fürchte, dass ich gleich wahnsinnig werde. Ich finde mich selbst irritierend.

Interessiert beobachte ich Yannick. Er stellt sich zu den Gästen. Mit einem wechselt er Worte, zum anderen Gast lächelt er. Und ich schmelze. Kann doch nicht wahr sein!

Das Feuerwerk geht los und ich sehe hinauf in den Himmel.

Wer veranstaltet ein Feuerwerk bei Tageslicht?

OH! AH!

Augen wie Bernstein, die mich vertraut in Augenschein nehmen. Nur ihn habe ich wahrgenommen.

Ich liebe dich.

OH! AH! Klatschen. Beifall.

Was war da am Fenster mit mir passiert?

OH! AH! Applaus.

Ich senke den Kopf und denke über meine Frage nach. Das Feuerwerk ist mir egal. Am ganzen Körper richteten sich meine Härchen auf und ich sehe zu der Stelle, an der sich Yanick vorhin mit Gästen unterhalten hat.

Er steht weiterhin dort und sieht zu mir. Ich erschaudere erneut und weiß sofort, dass er in der Küche, wie ich gefühlt hat. Zaghaft lächelt er und mein Herz stolpert.

Alle klatschen begeistert in die Hände. Das Feuerwerk ist vorbei. Die Menge setzt sich wieder in Bewegung und die Sicht auf ihn wird versperrt. Vermutlich hätte ich es ohnehin keine Sekunde länger ausgehalten. Gleich wäre ich in die Fluten gesprungen. Benommen suche ich nach einer Erklärung, finde aber keine logische.

 

Kais Stimme erklingt. Lautstark ertönt sie über die klatschende Menge.

Ich stelle ihn mir unter seinen Angestellten vor. Er ist der Boss. Er passt sehr gut zu Lisa, die ebenso wie er eine Selbstsicherheit ausstrahlt, von der so manch einer träumt.

»So, und gleich im Anschluss verlosen wir einen Lostanz mit jedem Geburtstagskind.« Lisa verteilt schon kleine Zettel und Stifte an alle. »Schreibt euren Namen auf das Papier und faltet es zusammen! Bringt mir eure Zettel und denkt dran, bitte keine Pseudonyme wie Bugs Bunny oder so!«

Er steht mit zwei schmalen Glasvasen vor seiner Brust inmitten der Menge. Eine Vase ziert eine rosa Schleife, die Andere eine hellblaue. Auf dem Zettel, den mir Lisa reicht, schreibe ich meinen Namen. Doch anders als die übrigen Gäste gehe ich nicht zu Kai und lege ihn in die Vase, die mit der hellblauen Schleife geschmückt ist. Stattdessen suche ich mir einen entlegenen Platz und will dort warten, bis sich die Aufregung legt. Bislang hängen meine Gedanken am Fenster und das Letzte, was ich will, ist jetzt ausgelost zu werden, um mit Yanick zu tanzen. Es würde ohne jeden Zweifel niemanden auffallen, wenn mein Zettel in der Vase fehlt.

Doch Kai erscheint lächelnd vor mir. Er sieht in meine Hand, in der versteckt der gefaltete Zettel liegt. Lange sieht er darauf.

»Ella, dein Los!«, fordert er mich leise aber eindringlich auf. Ich sehe ihn an und sein Blick wird durchdringender, weil ich zögere. Zerknirscht, dass ich mich nicht herauswinden kann, beuge ich mich vor und drücke ihm meinen Zettel in seine geöffnete Hand. Er dreht sich um und lässt mich, mit Daumen und Zeigefinger an meiner Unterlippe zupfend, zurück. Mist! Aber das bedeutet ja nicht zwangsläufig auch, dass mein Zettel gezogen wird.

»Beide Geburtstagskinder dürfen jetzt ihren Tanzpartner losen«, erklärt Kai die Spielregeln weiter. Er stellt sich gut sichtbar in die Mitte der Terrasse. »Nun denn. Wer will anfangen? Lisa?«

Lisa tritt zu ihm. Sie zieht, ihn anlächelnd, ein Los aus der Vase mit der rosa Schleife.

Kai nickt zufrieden und sie entfaltet ihr Los. Sie liest laut: »Per.«

Danach schreitet sie zu einem Mann, der breit grinsend und mit einer knappen Badehose bekleidet den Zettel ansieht, den Lisa ihm hinhält. Er strafft sich stolz und geht mit ihr in Position. Eine langsame Rumba beginnt und beide schweben über die Terrasse.

Im Anschluss an diesen Tanz wird Yanick seine Tanzpartnerin ziehen. In den Gesichtern, der anwesenden Frauen sehe ich die pure Anspannung. Vor allen in Ninettes. Die stehen bestimmt Schlange bei ihm. Wenn er genug Zeit hätte, dann könne sicher rund um die Uhr ein Lostanz stattfinden.

Fiebrig erwarten sie die Verlosung und schauen verstohlen zu ihm herüber. Wen wundert's, alle hoffen auf sich. Sie lecken sich alle Finger nach ihm und ich drehe meine Augen in seine Richtung.

Er verfolgt den Tanz seiner Schwester mit rhythmisch wippendem Fuß. Sicher tanzt er gerne, denn manchmal bewegt er die Hüfte mit. Sie steckt in einer abgeschnittenen Jeans. Er lacht kurz amüsiert auf, als Per aus Versehen mit Lisa zusammenprallt, weil die Tanzschritte ihm Mühe bereiten. Zu gut kann ich jede Frau verstehen, die vor ihm auf dem Boden liegt und ihn anhimmelt. Sein Lachen klingt bezaubernd und angenehm, nicht hämisch. Er beugt sich leicht nach hinten und lacht aus tiefsten Herzen. Sein Gelächter steckt mich an und ich hebe unweigerlich meine Mundwinkel hoch.

Genau in diesem Moment sieht er her. Mein Herz stolpert wieder erschrocken, doch ich kann meinen Blick nicht züchtig oder verschämt senken. Ich schaffe es nicht. Am Ende glaubt er noch, ich mag ihn. Es genügt doch, wenn alle anderen Frauen das so offenkundig tun.

Erst der Beifall für Lisa und Per unterbricht unsere Blicke.

Yanick schreitet auf die Tanzfläche und positioniert sich für seine Verlosung. Kai stellt sich mit der Vase, an der die hellblaue Schleife befestigt ist vor ihm.

»Yanick. Jetzt du. Warte, ich mische noch einmal!«

Kai rührt mit seiner Hand in der Vase und mischt den Zettelhaufen darin kräftig durch. Gut, geht es mir durch den Kopf. Mische meinen Zettel ruhig nach ganz unten, damit er mich nicht zieht.

Yanick schaut ihm dabei zu. Anschließend greift seine Hand in die Vase und er hält das Los nun in seiner Hand. Kai tritt zufrieden lächelnd bei Seite. Yanick faltet sein Los auseinander und verliest laut meinen Namen.

»Ella.«

Oh nein!

Er kommt auf mich zu und zeigt mir zum Beweis den Zettel, auf dem mit meiner Handschrift mein Name steht. Ich selbst schrieb und faltete ihn. Zaudernd und ungläubig sehe ich vom Zettel in Yanicks Gesicht auf. Der schweigt und sieht mich nur an. Er lächelt nicht einmal.

Das muss ihm doch jetzt peinlich sein. Also mir ist es jetzt peinlich. Seine Hand streckt sich aus und charmant beginnt er zu lächeln. Freut er sich etwa über meine Reaktion?

Einige Gäste werden ungeduldig. Ich lege meine Hand in die Dargebotene und er zieht mich aus meiner Sitzhaltung auf.

Er macht sich nicht die Mühe mit mir in die Mitte der Terrasse zu schreiten. Anders als Lisa will er gleich hier loslegen und stellt sich in Position auf. Die Musik beginnt und die ersten Takte sagen mir, dass es ein langsamer Merengue ist. Na Klasse! Vergebens bemühe ich mich, an ihm vorbeizusehen.

»Bereit?«, fragt er mich leise. Ohne meine Antwort abzuwarten, beginnt er mit den ersten Tanzschritten. Automatisch stelle ich mich auf meine Ballen. Ich folge den gemütlichen, aber sinnlichen Schritten.

Wie ich schon bei seinem Tanz mit Lisa beobachtet habe, beherrscht er weit mehr als die Grundschritte. Innerhalb weniger Augenblicke bin ich auf seine Schrittweite eingestellt. Ich folge ihm mühelos.

»Du hast heute auch Geburtstag?«, frage ich unterkühlt, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

»Ja«, antwortet er.

»Gratuliere!«

»Danke«, sagt er, meine Eiseskälte überhörend und zieht mich dichter zu sich heran.

»Habe mein Geschenk am Steg liegen lassen. Die Taschen am Bikini sind leider immer viel zu klein«, sage ich und löse mich für mehrere Schritte rückwärts. Er sieht an mir hinab. Ich komme, meine Hüfte wippend wieder auf ihn zu. Meine Hände halte ich so, dass er sie bequem greifen kann.

»Ja, ich sehe«, raunt er, beugt sich für eine Wickelfigur und dreht mich ein. Doch ich befreie mich aus seiner Umarmung und wir tanzen jetzt unsere Schritte diagonal.

»Dann schenkst du mir eben etwas, das du dabei hast. Ich bin sicher, du weißt, was mir gefallen könnte.«

Er hebt meine rechte Hand und führt sie über meinen Kopf. Dort hält er sie für einen kleinen Moment, bevor er sie lächelnd loslässt. Sein Satz in Kombination zu der sehr verführerischen Bewegung bringt mich fast aus dem Konzept. Wirklich, er tanzt gut und weiß es zu genau. Das Einzige, was ich dabei habe ist mein Bikini.

»Vorhin hast du doch gesagt, dass dir mein Bikini gar nicht gefällt«, sage ich. Dabei gehe ich einen Schritt zurück und drehe mich. So gedreht, steht er hinter mir.

Er legt seine Hand auf meinen Bauch und ich höre ihn hinter mir lachen. Geht’s noch? Ich habe Gänsehaut, weil er neben mir lacht.

Dicht an seinen Körper geschmiegt fahre ich abwärts kreisend meine Hüfte hinab und er macht mit. Das Publikum klatscht. Es wirkt eindeutig und ich unterbreche zufrieden mit einem Ausfallschritt. Doch er holt mich zurück und zieht mich dicht und aufrecht zu sich. Seine Hand ruht auf meinem oberen Rücken und sein Bein drängelt sich zwischen meine.

Er beginnt seine Hüften kreisen zu lassen. Das wirkt keineswegs plump, denn er schlägt gekonnt eine Bewegung zwischen den Kreisen ein. Die wirkt sexy. Aber das Frivole der Geste unterbricht er, indem er zu einer neuen Wickelfigur überleitet. Wieder sind die Zuschauer begeistert, denn sie kommen voll auf ihre Kosten.

»Dann verstehe ich nicht, warum du ihn dann geschenkt haben willst?«, frage ich und übergehe damit seine Reize.

Yanick beugt mich leicht nach hinten, ohne mir zu antworten.

Stand nicht hinter mir an irgendeiner Stelle Ninette? Gut, dann aber nur so weit beugen, dass Yanick auch mein Gesicht sehen kann.

Tatsächlich, sie steht dort und sieht griesgrämig zu mir herab. Ninette ist es deutlich anzusehen, dass sie sich stark darüber ärgert, diesen Tanz nicht mit Yanick zu tanzen. Offenbar ist es für sie sogar unerträglich, dass ich mit dem Mann tanze, bei dem sie sich liebestoll anbiedert.

Nach zwei Tanzschritten biege ich mich erneut herab. Ich lächele sie offen an. Yanick hält mich in meiner Hüfte und zwingt so unsere Unterkörper aneinander. Mein Bein eng an seinem gedrückt, ziehe ich es, so weit ich kann hoch. Dabei öffne ich meinen Mund.

Ich schließe lasziv meine Augen, zucke mit meinem Oberkörper so, als hätte ich in seiner Hose etwas sehr Hartes gespürt. In diesem Moment tue ich so, als wäre ich darüber sehr entzückt. Meine Lippen öffnen sich einen Spalt weiter.

Lang gezogene Pfiffe ertönen aus den Reihen der Zuschauer. Wie ich erwartet und gehofft habe, ist das zu viel für Ninette. Sie sieht zu ihm auf. Was auch immer sie dort entdeckt, es erzürnt sie, denn sie sieht zu mir hinunter und läuft rot an.

Männer sind so berechenbar! Wer in der Küche mit der vögelt, den kann man ganz leicht anheizen. Ninette schnaubt verächtlich aus und stürmt durch die Menge davon. Zufrieden und schmunzelnd werde ich in Standposition hochgezogen. Die Musik verstummt.

Doch Yanick bleibt stehen, wie er ist und betrachtet mich. Alles, was ich erwartet und gehofft habe, als ich Ninette so wütend machen wollte, lese ich in seinen Augen. Die Platinblonde war demzufolge nicht ohne Grund getürmt.

Yanick musste mich überaus verzückt angesehen haben. Sein Blick verändert sich und wird ernst. Fast schon beängstigend und ich möchte mich jetzt besser aus seiner Umklammerung lösen. Doch das geht nicht. Er hält mich an sich gedrückt und engt mich damit ein. Je mehr ich versuche, von ihm abzurücken, desto fester wird sein Griff. Seine Augen mustern mich dabei vergnügt. Unmöglich auch nur eine Handbreit von ihm abzurücken.

»Was sagst du? Du stammst aus dem gleichen Gestüt wie Ninette?«, raunt er mir zu:

Jetzt hat er meine Aufmerksamkeit, denn ich stehe still und spitze meine Ohren. Er legt seinen Kopf leicht schief, als ob er skeptisch ist. Eine Ewigkeit sieht er mir so an und sucht in meinen Augen etwas.

Mir wird flau, denn ich weiß, dass er gleich etwas sagen wird, was einem Faustschlag gleichkommt. Ich halte still. Gut. Augen zu und durch. Ich bemühe mich, ihn freundlich anzulächeln, habe aber eher das Gefühl, dass ich mir das nur einbilde.

»Mag sein. Wer aber genau hinsieht, erkennt, dass deine Nuancen sehr viel eher aus einem Edelgestüt stammen.«

Ich spüre förmlich, wie mir alle meine Gesichtszüge entgleiten. Obwohl sich sein Griff um mich löst, kann ich mich nicht bewegen. Es ist unglaublich! Mit allem habe ich gerechnet, damit nicht.

Er hat mit mir gespielt, als wäre ich eine dumme kleine Göre. Er hat mich ertappt, mich durchschaut und mein Spiel gegen Ninette sogar noch mitgespielt! Wollte sogar mitspielen.

Wer war hier auf wen hereingefallen?

Ich will ihn von mir wegstoßen. Aber er bewegt sich keinen Zentimeter. Stattdessen katapultiere ich mich einen Schritt zurück. Irritiert sehe ich ihn an. Er lächelt nach wie vor. Dreist wie vorhin auf der Brücke sehen mich seine flammenden Augen an, als wäre ich ein Lustobjekt.

»Dein Platinpudel ist sauer«, belle ich in sein gebräuntes Gesicht. Ich bin mir ganz sicher, auch er bekommt immer das, was er sich wünscht. Das Problem bei Menschen, die Geld besitzen, ist, dass sie Kriecher und Schmeichler gewöhnt sind, die alles für einen kleinen Anteil am Reichtum tun würden.

»Ja«, antwortet er sehr gedämpft.

»Na, dann lauf nur schnell hinterher! Sie ist sicher in der Küche und wartet dort mit gespreizten Beinen auf der Arbeitsplatte«, zische ich ihn an und trete seitlich an ihm vorbei. Ich rempele ihn absichtlich an und verleihe damit meiner Verachtung Ausdruck.