Bleeding Cherries

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Bleeding Cherries
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Juliane Liebetreu

Bleeding Cherries

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Der Anfang

2. Es geht los

3. Im Land der Kobolde

4. Die Reise geht weiter

5. Die letzten Gegenstände

6. Unerwarteter Besuch

6. Der Kampf beginnt

Impressum neobooks

1. Der Anfang

Die letzten Tage, oder waren es Wochen, waren anstrengend und unglaublich. Noch immer kann ich nicht begreifen, was eigentlich geschehen ist. Mein Weltbild wurde auf den Kopf gestellt, in jeder Hinsicht.

Ich war nie besonders beliebt, geschweige denn attraktiv, übermäßig intelligent, humorvoll oder dergleichen. Ich bin wie jeder andere auch. Absoluter Durchschnitt.

Viele Menschen hier im Dorf haben meine Großmutter und mich stets gemieden. Sie hatte einen merkwürdigen Ruf. Die Menschen hielten sie für... für was eigentlich? Eine Hexe. Wobei ich immer dachte, dass dieser Begriff zusammen mit den Verbrennungen im Mittelalter ausgestorben sei. Nur in unserem Dorf nicht. Aber hier steht die Welt auch still. Wenn sich mal ein Städter in dieses Kaff verirrt glaubt er unweigerlich er hätte eine Zeitreise gemacht. Hier gibt es kein McDonalds, Burger King, Media Markt oder irgendwas, das das Leben verschönern könnte. Hier gibt es nur alte, teils baufällige Häuser, jede Menge Land, ein kleines Lebensmittelgeschäft und einen Haufen Dorftrottel.

Wirklich, es sind Trottel! Absolut engstirnig und festgefahren in ihren Ansichten. Alles was von ihrer Norm abweicht, wird als nicht normal angesehen. Etwas, das ich bis heute nicht verstehen kann.

Es fing vor zwei Wochen an. Meiner Großmutter, man habe sie selig, ging es immer schlechter. Es zeichnete sich mehr und mehr ab, dass ihr langes Leben bald enden würde. Ich rief den Dorfdoktor hinzu, doch er machte mir keine Hoffnung mehr.

„Fräulein Susan, sie wissen, dass ihre Großmutter alt ist. Wir können nichts mehr tun. Machen sie sich auf das Unvermeidliche gefasst und holen sie mich, wenn es soweit ist.“

Ich nickte, während mir Tränen in die Augen stiegen. Dieses unvermeidliche Brennen, wenn sich die Augen füllen, kurz bevor man spürt, wie es die Wangen herunterläuft. Doktor Schneider ging so schnell er gekommen war und ließ mich mit meiner sterbenden Großmutter zurück.

Ich ergriff ihre kalte, geäderte Hand. Ihre Fingerspitzen waren ganz blau. Ich legte ihre Hand an meine Wange um ihr ein wenig Wärme zu schenken.

„Susan, das Buch.“ Ich erschrak. Meine Großmutter öffnete ihre Augen einen kleinen Spalt, gerade genug, dass man erkennen konnte, dass sie nicht mehr schlief. Ich war mir nicht sicher, sie richtig verstanden zu haben. Aber noch weniger wusste ich, welches Buch sie meinen könnte. In diesem Haushalt standen gefühlte Millionen von Büchern. Großmutter neigte ihren Blick zum Nachtschrank, nur ein klein wenig, soweit es ihre Kraft zuließ.

Ich öffnete die Schublade und sah ein altes in ledergebundenes Irgendwas. Als Buch hätte ich es wohl eher nicht bezeichnet. Es fiel fast auseinander, die Seiten waren vergilbt.

„Susan, bring meine Aufgabe zu Ende.“ Irritiert sah ich zwischen ihr und dem Buch umher. Was sollte schon die Aufgabe einer alten Frau sein? Tagebuch führen?

„Rette die Welt.“ Okay, nun war ich mir sicher, dass Großmutter im Wahn sprach.

Ich? Die Welt retten? Alles klar. Das ist, als würde man verlangen, meinen Eltern zum Geburtstag zu gratulieren. Ja, herzlichen Glückwunsch, aber Moment, ihr seid schon seit sechzehn Jahren tot. Dieser Widerspruch.

„Großmutter, meinst du das ernst?“

Sie nickte. Kaum merklich, aber sie tat es.

„Das Buch wird dir helfen. Es weist dir den Weg.“

Ich verstand... gar nichts mehr. Doch ehe ich meine Großmutter fragen konnte, was genau sie mir damit sagen wollte, schloss sie ihre Augen erneut. Es war das letzte Mal, dass sie das tat. Ihr Atem ging flacher und ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht.

„Großmutter?“ Ich schüttelte leicht ihre Schulter.

„Jetzt sag doch was. Du kannst noch nicht gehen. Lass mich doch nicht allein. Großmutter, bitte wach wieder auf. Das kannst du mir nicht antun. Das darfst du nicht. Bitte bleib.“

Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich weinend an ihrem Bett, ehe ich es schaffte Doktor Schneider zu verständigen. Er erklärte Großmutter für tot und rief das einzige Bestattungsunternehmen im Dorf an, damit man sie abholte.

2. Es geht los

Zwei Tage später fand bereits ihre Beerdigung statt. Es kamen nicht viele Leute.

Ich selbst befand mich fast in einer Starre, unfähig zu denken, geschweige denn zu handeln. Deswegen fiel mir vermutlich auch nicht der gutaussehende junge Mann auf, der am Grab meiner Großmutter stand. Erst als ich nach Hause ging und ihn plötzlich vor der Tür antraf, wurde mir bewusst, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben.

Seine bleiche Haut verriet, dass er nicht sonderlich viel Sonne bekam und seine dunklen Haare umrahmtem sein kantiges Gesicht. Die tiefliegenden dunklen Augen strahlten eine längst vergessene Romantik aus und seine Kleidung war... altertümlich. Es passte nicht zu seinem jungen Aussehen.

„Entschuldigt mich, aber seit Ihr Susan?“ Er fragte mit tiefer Stimme.

Ich schenkte dem fremden Mann ein Lächeln, nickte höflich und versuchte an ihm vorbei ins Haus zu kommen. Es gestaltete sich schwieriger als erwartet, weil ich über den kleinen Blumentopf stolpern musste, der vor der Tür stand.

Ich sah es in Zeitlupe vor mir, wie ich jeden Moment mit meinem Kopf an die Tür schlagen würde und wartete gespannt auf das Geräusch. Aber es kam nicht. Mister Unbekannt packte mich am Arm, zog mich hoch und ehe ich mich versah stand ich Brust an Brust, Nase an Nase mit diesem Mann.

„Ähm, danke.“, stotterte ich und versuchte seinem stechenden Blick auszuweichen. Seine eiskalten Hände, die mich an Großmutter erinnerten, ließen mich erschaudern.

„Ich denke wir sollten Konversation betreiben.“, meinte er und ließ mich wieder los. Ich musterte ihn verwundert und von ein wenig Neugier gepackt. Schließlich nickte ich zaghaft und ging voran ins Haus. Er kam nicht hinterher.

„Ich denke, sie wollen mit mir reden. Kommen sie rein.“

Er schritt über die Türschwelle, eine Mischung aus Eleganz und Überheblichkeit spiegelte sich in seinen Augen wieder und kaum schloss er die Tür hinter sich, breitete sich sein Mund zu einem Grinsen, welches ich nicht recht einordnen konnte. Für einen kurzen Moment schoss mir der Gedanke „Lauf“ durch den Kopf, aber ich blieb einfach stehen und setzte um, was ich von Großmutter gelernt hatte – sei freundlich zu deinen Gästen.

Einen Augenblick standen wir uns schweigend gegenüber.

„Das mit Ihrer Großmutter tut mir leid. Sie war eine gute Frau.“ Ich holte Luft und bemühte mich um ein zustimmendes Lächeln.

„Ich weiß, Ihr seid verwirrt über mein Erscheinen und vermutlich auch über mein Erscheinungsbild. Aber ich habe Euch ein wichtiges Anliegen vorzutragen.“

„Okay.“ Ich versuchte krampfhaft das Lachen zu unterdrücken, welches sich gerade versuchte den Weg ins Freie zu bahnen. Ich wusste nicht, wann und ob dieser Mann das letzte Mal in den Spiegel gesehen hat. Aber er sah nicht nur so aus, als hätte er einmal zu viel „Romeo und Julia“ gelesen, sondern er hörte sich auch so an.

„Hat Eure werte Großmutter Euch in Eure Aufgabe eingeweiht?“ Verwundert sah ich den fremden Mann an.

Aufgabe? Aufgabe? Die einzige Aufgabe, von der ich wusste, war nicht ernst zu nehmen. Mir blieb also nichts anderes übrig als den Kopf zu schütteln.

„Wer sind sie eigentlich oder woher kennen sie meine Großmutter?“

„Ich bin Graf Alexander und..“

„Sie meinen wie Graf Dracula?“

„Der Vergleich erscheint mir treffend, ob gleich wir nie Freunde waren. Ihr kennt den Grafen?“ Der Typ musste verrückt sein. Graf Dracula kennen?

„Ich habe über ihn gelesen. Vampir, böse, tötet Menschen, eine Legende, mehr nicht.“

„Nun gnädigste Dame. Ihr solltet Euer Weltbild überdenken, wenn Ihr die Aufgabe Eurer Großmutter zu Ende bringen möchtet.“

Ich musste mich setzen. Ich ließ mich in unseren alten Ledersessel fallen und versuchte diesen Irrsinn zu verstehen. Vermutlich war das irgendein Typ aus dem Dorf, der an das Hexengerede glaubte und nun, da Großmutter gestorben war, beweisen wollte, dass sie wirklich eine Hexe gewesen sei. Aber Graf Dracula? Da musste er sich etwas Besseres einfallen lassen.

 

„Gut, Graf Alexander. Ich weiß nicht, was sie hier wollen, wovon sie reden oder sonst was. Es ist mir auch egal, okay? Total egal. Meine Oma ist tot, meine Eltern sind tot und ich sitze hier alleine in diesem Haus rum. Die Leute im Dorf mögen mich nicht, ich sie auch nicht und ich habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll.“ Ich redete mich richtig in Fahrt. „Ich weiß nicht, wo ich hin soll und was aus meinem Leben wird. Ich bin siebzehn und genauso lange Single. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit siebzehn auf mich gestellt sein würde. Ich warte gerade darauf, dass das Jugendamt an meine Tür klopft, weil ich noch nicht volljährig bin. Aber die kommen aus der Stadt, da hab ich wohl noch ein paar Tage. Mein Leben ist beschissen, okay? Und wenn sie nur hier sind, um mich zu nerven oder auf den Arm zu nehmen. Da ist die Tür! Gehen sie!“

Graf Alexander stand sichtlich geschockt da. Es hatte ihm wohl zum ersten Mal seine Sprache verschlagen. Er kam langsam auf mich zu und nahm meine Hand. Mir liefen mittlerweile die Tränen herunter, wie Wasserfälle.

„Bitte weint nicht. Ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Es liegt mir fern Sie zu verletzten. Doch mit jeder Minute, die wir untätig unsere Zeit vergeuden, kann der Schwarze Lord mehr Macht gewinnen.“

„Bitte was?“

„Das Buch ihrer Großmutter, wo ist es?“

Er wollte das Buch. Gut, sollte er es haben. Ich wollte nur noch meine Ruhe. Das war mir einfach zu viel des Guten. Ich ging an ihren Nachtschrank und holte das vergilbte Irgendwas heraus.

„Ihr Grimoar. Wunderbar.“

„Grimo-was?“

„Grimoar. Das Zauberbuch ihrer Großmutter. Vor fünfzig Jahren schaffte sie es hiermit den Schwarzen Lord zu besiegen, besser zu verbannen. Den Schwarzen Lord zu besiegen ist sehr schwer. Die meisten Hexen in ihrer Familie schafften es nur ihn für fünfzig Jahre zu bannen. Doch es war wahrlich ein meisterhafter Anblick.“

„Wie Anblick?“

„Eure Großmutter damals im Kampf zu sehen war wunderbar. Sie war trotzig, selbstbewusst und kämpfte bis zum Letzten. Ich war wahrhaft beeindruckt. Ich hätte nicht erwartet, sie siegen zu sehen.“

„Sie sind höchstens fünf Jahre älter als ich. Wie wollen sie sie da vor fünfzig Jahren haben kämpfen sehen?“

„Rüstet Euch, Fräulein. Es wird ein langer anstrengender Weg. Doch ich kämpfe an Eurer Seite.“

Ich weiß nicht, ob es aus Einsamkeit, Verzweiflung oder aus welchem Gefühl auch immer geschah. Doch allmählich begann ich dem Fremden fasziniert zu glauben.

Er erzählte von meiner Oma in den besten Tönen, was für eine große Hexe sie gewesen war und das es nur den Frauen ihrer Linie möglich war, den Schwarzen Lord zu besiegen. Vermutlich war es einfach nur absurd, albern und kindisch. Doch tief in meinem Herzen wusste ich schon immer, dass Großmutter anders gewesen war.

„Dieser Schwarze Lord, was hat er vor?“

„Die Macht über alle Welten erlangen. Das müssen wir verhindern.“

„Alle Welten?“

„Eure Welt, meine Welt, die Welt der Kobolde, Werwölfe, Einhörner. Wir sollten

beginnen, Fräulein. Im Buch steht der Zauber, den Eure Großmutter damals anwandte, um den Lord zu bannen.“

Ich blätterte vorsichtig die schweren Seiten um und tatsächlich gab es einen solchen Eintrag:

„Der Schwarze Lord – der ärgste Feind aller Welten – zu vernichten nicht möglich – Bannzauber – man nehme das Blut eines Vampirs; das Gold eines Koboldes; das Haar eines Werwolfes; die Knolle einer schwarzen Rose unter der Zucht eines Zwerges; den Huf eines Einhornes; das Blatt der Eiche, stehend unter dem Schutze der Waldelfen; man koche alles in einem Sud aus Kirschen und benetze damit die Klinge des goldenen Schwertes. Man spreche den Bann, wenn man dem Schwarzen Lord das Schwert ins Herz sticht und er verschwindet für fünfzig Jahre.“

„Toll, und wo soll ich die Zutaten herbekommen?“

Graf Alexander holte ein Messer aus der Tasche. Die Klinge blitzte gefährlich im Licht und meine Knie drohten nachzugeben. Sollte es das gewesen sein? Endete mein Leben hier und jetzt? Doch er schnitt sich nur selbst in die Hand.

„Was? Verdammt! Was machen sie da?“

„Nehmt mein Blut. Das Blut eines Vampirs.“

Erschrocken sah ich ihn an und sprang rückwärts gegen das Bücherregal. Mal wieder bewahrheitete sich meine Tollpatschigkeit und ein Buch fiel mir auf den Kopf.

„Autsch.“

Der angebliche Vampir kam mit blutender Hand auf mich zu. Seine Hand kam näher und ich hielt die Luft an. Ich sah dieses verschmierte Ding, es war fast in meinem Gesicht. Ich konnte das Blut riechen, diesen leicht metallischen Gestank.

Alexander griff zu.

Einen Moment später hielt er eine Phiole in der Hand und ließ vorsichtig sein Blut hinein tropfen. Kurz danach verschloss sich seine Wunde, als wäre sie nie da gewesen. Er überreichte mir stolz die Phiole, als wäre nichts geschehen.

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