Der Dritte Weg in der Retrospektive

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a)Die Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) ist der gem. cc. 447-459 CIC bestehende Zusammenschluss der deutschen Diözesanbischöfe und wurde zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, zu gegenseitiger Beratung, zur notwendigen Koordinierung der kirchlichen Arbeit und zum gemeinsamen Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen Bischofskonferenzen eingerichtet.88 Ihre Vorgängerorganisationen reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück, damals kam es im Oktober 1848 in Würzburg zu einer „Versammlung der deutschen Bischöfe“, die nächste Versammlung fand aufgrund politischer Ereignisse 1867 in Fulda statt.89 Für lange Zeit blieb die Zusammenkunft der Bischöfe „eine Konferenz ohne feste Institution und ohne Statuten“, die Fuldaer Bischofskonferenz war eine frei gewählte Zusammenkunft zur Beratung wichtiger Fragen der Kirchenleitung und der Seelsorge.90 Mit can. 292 CIC (1917) erfolgte erstmals die rechtliche Verpflichtung, in jedem Metropolitanbezirk wenigstens alle fünf Jahre eine Bischofskonferenz durchzuführen. Das Konzilsdekret „Christus Dominus“ vom 28. Oktober 1965 griff diese Bestimmungen wieder auf und definierte, was eine Bischofskonferenz ist, wer ihr angehört und dass sie sich ein Statut geben soll. In Ausführung dieses Dekrets gaben sich die deutschen Bischöfe ein Statut, nach dem sich am 2. März 1966 die Deutsche Bischofskonferenz konstituierte.91 So wurde aus dem vormals lose zusammengeschlossenen bischöflichen Beratungsgremium die in jedem Lande vorgeschriebene Bischofskonferenz als „auctoritas territorialis“.92 Im Aufbau der katholischen Kirche bilden die nationalen Bischofkonferenzen Mittelinstanzen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem einzelnen Bistum mit selbständigen Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungskompetenzen.93

Das oberste Gremium der DBK ist die Vollversammlung, die zweimal im Jahr zusammenkommt. An der Vollversammlung nehmen alle Mitglieder94 der Bischofskonferenz sowie der Sekretär und sein Stellvertreter teil, inhaltlich erstreckt sich ihr Aufgabengebiet auf den Erlass allgemeiner Dekrete sowie Entscheidungen im Einzelfall.

Um die Vollversammlung der DBK zu entlasten und einen kontinuierlichen Austausch der Diözesanbischöfe zu gewährleisten, existiert darüber hinaus seit 1974 der Ständige Rat, in dem jede Diözese durch den Bischof mit Sitz und Stimme vertreten ist.95 Mit der Zeit entwickelte sich der Ständige Rat zum eigentlichen Führungsgremium des Episkopates, da er öfter als die Vollversammlung zusammentritt und im Gegensatz zu ihr kein Forum des unverbindlichen Gedankenaustausches ist, sondern (im Rahmen der von der Vollversammlung erlassenen Richtlinien) laufende Aufgaben bearbeitet und Entscheidungen in dringlichen Angelegenheiten trifft.96

Die DBK hat auf ihrer Vollversammlung vom 18. bis 21. September 1972 die Einrichtung von Arbeitskonferenzen beschlossen, die Hauptkommission der DBK hat am 20. Dezember 1972 die Zusammensetzung von vier Arbeitskonferenzen beschlossen: Pastoral, Bildung, Medien und die Arbeitskonferenz Caritas und Soziales. Im März 1975 hatte die Arbeitskonferenz Caritas und Soziales eine Kommission gebildet, die aufgrund mehrerer aktueller Anlässe prüfen sollte, welche Regelungen der Dienst- und Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Bereich möglich und zweckmäßig seien, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen die Kirche autonom entsprechende Regelungen treffen kann und in welcher Form die Mitwirkung der Mitarbeiter bei der Erarbeitung solcher Regelungen sowohl hinsichtlich der zu behandelnden Gegenstände als auch hinsichtlich des Verfahrens vorgesehen werden könnte.97 Damit steht fest, dass noch bevor der VDD eine Kommission zur Entwicklung eines Arbeitsrechtsregelungsverfahrens einsetzte, sich ein Gremium der DBK mit dieser Frage befasst hatte.98

Zur Spezialisierung und Verteilung der Arbeit innerhalb der DBK bestanden bereits zur Zeit der Fuldaer Bischofskonferenz Kommissionen.99 Gegenwärtig bearbeiten 14 Kommissionen, weitere Unterkommissionen und Arbeitsgruppen der DBK die Fragen ihrer jeweiligen Sachbereiche.100

b)Der Verband der Diözesen Deutschlands

Der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) ist ein Zusammenschluss der Diözesen für besondere Aufgaben. Anders als die DBK ist der VDD keine Institution von Personen, sondern von Bistümern.101 Der VDD wurde durch Beschluss der DBK vom 4. März 1966 für gemeinsam zu fördernde Aufgaben im rechtlichen und finanziellen Bereich geschaffen, bedingt durch die Erfahrungen der 1960er Jahre, dass die DBK sich immer weitgehender mit finanziellen, wirtschaftlichen und juristischen Fragestellungen auseinandersetzen musste und sich nicht mehr mit der erforderlichen Zeit pastoralen Fragen widmen konnte.102 Zudem bereitete das Fehlen eines Rechtsträgers für die Wahrnehmung der überdiözesanen Aufgaben der DBK Schwierigkeiten, insbesondere dann, wenn diverse Verträge abgeschlossen oder Mitarbeiter eingestellt werden sollten, für die kein juristischer Träger als Arbeitgeber existierte.103 Daher beabsichtigte man zur Wahrnehmung dieser überdiözesanen wirtschaftlichen und weltlich-rechtlichen Fragen, einen überdiözesanen Verband mittels Vertragsschluss aller deutschen Diözesen zu gründen. Der Vertrag zur Gründung des VDD wurde am 4. März 1968 von allen westdeutschen Diözesen der BRD unterzeichnet und trat gemeinsam mit einer Satzung und einer Geschäftsordnung am 1. Juli 1968 in Kraft.104 Der VDD ist als Zusammenschluss der Bistümer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der VDD ist nach weltlichem Recht organisiert und kein kirchenrechtlich vorgesehenes Organ.105 Bereits wenige Jahre nach seiner Gründung kam es aufgrund der Bestrebungen einer Organisationsreform der DBK Mitte der 1970er Jahre106 und dem Ziel der Vereinfachung der Arbeitsweise des VDD, zu Reformüberlegungen. Resultat war eine Neustrukturierung inklusive Verabschiedung einer neuen Satzung, welche am 1. Januar 1977 in Kraft trat.107 Diese Umstrukturierung hatte auch für diejenigen Gremien Bedeutung, die den Dritten Weg ab Mitte der 1970er Jahre entwickelt hatten.108

Der VDD nimmt seit seiner Gründung 1968 die Aufgaben wahr, die ihm von der Deutschen Bischofskonferenz im rechtlichen und wirtschaftlichen Bereich übertragen sind.109 Den Dritten Weg betreffend übernimmt der VDD heute die Geschäftsführung der zentralen Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts im kirchlichen Dienst (Zentral-KODA), darüber hinaus ist er für die Geschäftsführung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes verantwortlich und verabschiedet Fassungen der GrO und der Rahmen-MAVO.

Organe des VDD sind die Vollversammlung, der Verwaltungsrat, der Verbandsausschuss und der Geschäftsführer. Die Vollversammlung ist das oberste Organ des Verbandes, ihr obliegen alle Aufgaben, die nicht nach der Satzung des VDD anderen Organen übertragen sind, u.a. Grundsatzentscheidungen und die Verabschiedung des Haushaltsplanes. Gem. § 5 der Satzung des VDD110 haben in ihr alle Diözesanbischöfe bzw. die Koadjutoren oder Diözesanadministratoren Stimmrecht. Beratend gehören ihr heute die drei dem Verbandsausschuss angehörenden Generalvikare, der Geschäftsführer des Verbandes sowie der Geschäftsstellenleiter des Verbandes an. Seit 1977 kann die Vollversammlung des VDD Kommissionen einrichten, denen bestimmte Zuständigkeiten zur ständigen Bearbeitung übertragen werden.111 Die Kommissionen haben die Aufgabe, die Organe des VDD zu beraten. In diese Kompetenz fällt die Errichtung der Personalwesenkommission, welche mit der Umstrukturierung der Aufgabenwahrnehmung beim VDD ab 1978 für die Weiterentwicklung der KODA-Ordnungen zuständig war und ist.

Die Kommission, welche die KODA-Ordnungen entwickelte, die sog. „Krautscheidt-Kommission“112, wurde allerdings nicht von der Vollversammlung des VDD eingesetzt, sondern vom Verwaltungsrat. Die zum Zeitpunkt des Einsetzens der Krautscheidt-Kommission (1975) geltende Fassung der Satzung des VDD sah vor, dass der damalige Verwaltungsrat und der Verbandsausschuss des VDD zur Vorbereitung einzelner Beratungsgegenstände befristete Ausschüsse einsetzen konnten.113 Der Verwaltungsrat des VDD berät die Vollversammlung und bereitet die Beschlüsse der Vollversammlung, die der Einstimmigkeit bedürfen, vor. Jedes Bistum hat im Verwaltungsrat eine Stimme, beratend gehören ihm die im Verbandsausschuss vertretenen drei Generalvikare, der Geschäftsführer und der Geschäftsstellenleiter des Verbandes sowie der Leiter des Prüfungsamtes an.

Neben Verwaltungsrat und Vollversammlung gibt es den Verbandsausschuss und den Geschäftsführer. Letzterem obliegen die laufenden Geschäfte des Verbandes. Der Verbandsausschuss berät u.a. den Haushalt des Verbandes und kontrolliert den Geschäftsführer.

Anhand dieser Struktur zeigt sich, dass die Kompetenz für das Verfahren des kirchlichen Arbeitsrechts bei den Gremien des VDD lag und liegt. Dort wurden und werden die entsprechenden Beschlüsse der Vollversammlung in Kommissionen und Arbeitsgruppen vorbereitet. Im Hinblick auf die Rolle des Diözesanbischofs als Gesetzgeber114 lässt sich die Frage stellen, woher diese Normsetzungskompetenz der Organe des VDD resultiert. Denn ausdrücklich ist nicht mitgeteilt, dass die Bischöfe dem VDD die Zuständigkeit etwa für die Zentral-KODA-Ordnung übertragen hätten.115 Diese Frage muss man sodann allerdings mit den Strukturen, welche die katholische Kirche besitzt, beantworten: Rechtsträger im Bereich des staatlichen Rechts sind die Bistümer und der VDD als Körperschaften des öffentlichen Rechts. In der Vollversammlung des VDD wird der Diözesanbischof folglich im sozietären Bereich der Kirche normgebend tätig.116

 

c)Die Rolle des Diözesanbischofs

Dem Diözesanbischof kam lange Zeit eine starke Bedeutung im System des Dritten Weges zu.117 Konkret verfügte der jeweilige Diözesanbischof bis 2012 über ein Notverordnungsrecht118, welches es ihm bei Vorliegen eines unabweisbaren Regelungsbedürfnisses auch ohne KODA Beschluss ermöglichte, eine arbeitsvertragliche Regelung selbst zu erlassen. Das sahen die Rahmenordnung zur Bistums-/Regional-KODA-Ordnung sowie alle Bistums- und Regional-KODA-Ordnungen mit Ausnahme der Ordnung der Bayerischen Regional-KODA vor.119 Im Gegensatz zur heute noch bestehenden Möglichkeit des Einspruchs gegen Beschlüsse der Kommissionen war das Notverordnungsrecht ein echtes Gestaltungsrecht, weil der Bischof auch bei fehlender Kommissionsentscheidung Arbeitsvertragsbedingungen setzen konnte.120 Mit der Novellierung der Rahmen-KODA-Ordnung im November 2012121 wurde dieses Notverordnungsrecht abgeschafft. Damit sollte der Kritik begegnet werden, die in diesem Recht des Bischofs ein der Parität widersprechendes Element sah, da der Bischof nicht neutral, sondern als Dienstgeber handle und so „das Gleichgewicht der Kräfte in den arbeitsrechtlichen Kommissionen grundlegend gestört und der Weg des Konsenses verlassen werde“.122

Für das Arbeitsrechtsregelungsverfahren kommt dem Bischof aber nach wie vor eine bedeutende Rolle zu: Die Beschlüsse der arbeitsrechtlichen Kommissionen bedürfen weiterhin der bischöflichen Inkraftsetzung. Damit ist die kirchenrechtlich begründete Befugnis zur Erfüllung seiner Hirtenaufgabe gesichert.123 Frühere Fassungen der Rahmen-KODA-Ordnung gewährten den Bischöfen in normativer Hinsicht eine relativ große Entscheidungsfreiheit, die von der Arbeitsrechtlichen Kommission gefassten Beschlüsse in Kraft zu setzen oder dies nicht zu tun, allerdings erfolgte die Inkraftsetzung in der Praxis durchgängig.124

Nach dem BAG Urteil 2012125 haben beide Akteure ihre Anforderungen an eine mögliche Weigerung des Bischofs, die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommissionen in Kraft zu setzen, in ihren Ordnungen erhöht. Diese ist nur noch möglich, wenn der Bischof aus Gründen der Wahrung des kirchlichen Sendungsauftrags handelt. Das Prüfrecht des Bischofs ist also mittlerweile auf eine beschränkte Rechtskontrolle reduziert, ob die Schlüsse zweckmäßig, tarifpolitisch sinnvoll, wirtschaftlich vertretbar oder arbeitsrechtlich angemessen sind, ist nicht Gegenstand der bischöflichen Prüfung.126 Schließlich ist mit Dütz darauf zu verweisen, dass dem Diözesanbischof verschiedene Funktionen zukommen: er ist nach dem CIC Gesetzgeber, er setzt als Organ des KODA-Systems die KODA-Beschlüsse in Kraft, er ist Gesamtverantwortlicher für die Diözese („Hirtenfunktion“) und er hat Arbeitgeberfunktionen.127

2.Entstehung organisierter Caritas

„Der Begriff der Caritas bezeichnet zunächst die christliche Nächstenliebe allgemein, der Begriff des Caritasverbandes die konkrete Organisation, die durch ihre Ziele, Struktur, Mitglieder, Helfer und Aufgaben definiert ist“.128 Für die Entwicklung karitativer Einrichtungen ist charakteristisch, dass sie nur zum geringen Teil von bestehenden kirchlichen Organisationsformen getragen wurden, sondern auf dem Weg freiwilliger Zusammenschlüsse entstanden.129 Dabei kann man im Caritasbereich drei Entwicklungspfade festmachen: die Gründung von Frauenorden und -kongregationen, die Bildung lokaler Caritaskreise und die Anstaltsgründungen.130 Für die karitativen Anstalten bediente man sich unter anderem der Formen des bürgerlichen Rechts, sie wuchsen neben der Amtskirche auf, mit der sie aber personell und ideell verbunden blieben.131 Dem Staat gegenüber waren sie freie Vereinigungen, die sich zunächst selbst aus eigener Kraft finanzierten.132

Der Deutsche Caritasverband wurde unter dem Namen „Charitasverband für das katholische Deutschland“ am 9. November 1897 gegründet und am 31. August 1903 ins Vereinsregister des Amtsgerichtes Freiburg i. Br. eingetragen.133 Er trägt heute den Namen „Deutscher Caritasverband e. V.“ und ist die von den deutschen Bischöfen anerkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in Deutschland.134 Er umfasst die Diözesancaritasverbände und deren Untergliederungen, diesen sind zentrale Fachverbände angeschlossen, die sich als Einrichtungen oder Personalverbände zusammengeschlossen haben.135

Bis zur Gründung des DCV gab es eine unübersehbare und unökonomische Vielfalt caritativer Betätigung. Die Förderung der Armenhilfe wurde aber zentral vom deutschen Katholikentag betrieben, dem seit 1849 ein Ausschuss für die Werke der Caritas angehörte.136 Das Forum der Katholikentage nutzte Lorenz Werthmann137, um das Konzept einer caritativen Gesamtorganisation zu realisieren.138 Ziel des DCV, dessen erster Präsident Werthmann wurde, war die Förderung sozial-caritativer Bestrebungen im katholischen Deutschland und die Gründung weiterer Caritasverbände.139 Zu Zeiten Werthmanns hatte es noch keine Diözesancaritasverbände gegeben, Werthmann fasste vielmehr diejenigen Organisationen zusammen, die aus freien Vereinigungen einzelner Katholiken bestanden. Die Zahl der Caritasverbände blieb zunächst gering, denn diese entstanden erst allmählich in der Zeit von 1903-1915.140 Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es sechs Diözesancaritasverbände und 25 Ortsverbände,141 diesen Zahlen stehen im Jahr 1913 10.827 Einrichtungen der Caritas gegenüber.142 Zu dieser Zeit wurde die katholische Armen- und Anstaltsfürsorge zum großen Teil durch die Orden betrieben, die offene Sozialarbeit durch katholische Vereine mit ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen.143

Die Fuldaer Bischofskonferenz erkannte den Caritasverband für das katholische Deutschland 1916 als „die legitime Zusammenfassung der Diözesanverbände zu einer einheitlichen Organisation“ an144 und sicherte ihm ihre Förderung zu.145 Nun wurde für alle Bistümer die Errichtung von Diözesancaritasverbänden vorgeschrieben. Werthmann versuchte während des Ersten Weltkrieges, die Verlegung der Zentrale des Caritasverbandes nach Berlin durchzusetzen, was 1919 zur Bildung einer „Generalvertretung“ in die Reichshauptstadt führte, deren Leitung Benedict Kreutz übernahm.146 Dieser Kontakt zur Politik in der Reichshauptstadt sollte sich, vor allem unter Kreutz, noch als wichtiger Kontakt erweisen.147

Im „Inflationsjahrzehnt“ 1914-1924 gelang es dem Verband sich zu einem Spitzenverband der deutschen Wohlfahrtspflege zu entwickeln, bedingt durch die Anerkennung durch die Bischöfe 1916 und die neue Fürsorgegesetzgebung.148 Im letzten Jahr der Weimarer Republik waren 82.000 hauptamtliche Kräfte in der Caritas tätig.149

Wichtige Organe des DCV waren zu dieser Zeit der Zentralvorstand, der Zentralrat und der Zentralausschuss.150 Der Zentralvorstand bestand damals aus insgesamt 18 Personen und ihm waren die unmittelbare Leitung der Geschäfte, die Aufsicht über die Einrichtungen des Verbandes und die Ausführung der Beschlüsse der höheren Organe übertragen.151 Der Zentralausschuss umfasste die Mitglieder des Zentralvorstandes und des Zentralrates, die wissenschaftlichen Beamten der Zentralstelle Freiburg und je zwei Vertreter der dem Gesamtverband angeschlossenen Fachorganisationen, die Mitglieder der Fachausschüsse im Zentralausschuss und zahlreiche zugewählte Caritasfreunde, insgesamt um die 350 Personen. Damit stellte der Zentralausschuss die Gesamtvertretung der katholischen Caritas in Deutschland dar, der Zentralrat hatte ihm Rechenschaft abzulegen.152

Im Laufe der Jahre erfuhr die Satzung des DCV immer wieder Änderungen, insbesondere auch im Hinblick auf die innere Organisation und die Organe des DCV.153 Für die Entstehung und Entwicklung des Dritten Weges ist insbesondere die Arbeit des Zentralrates des DCV prägend, der lange Zeit das höchste Entscheidungsgremium des katholischen Spitzenverbandes bildete. Der Zentralrat wurde durch die Satzungsänderung 1917 zur Kontrolle der Verbandsführung geschaffen, ihm gehörten je zwei Vertreter der Diözesancaritasverbände und vier Vertreter der Zentrale des DCV an und ihm oblag die Finanz- und Wirtschaftsverantwortung, er hatte die Geschäftsführung des Zentralvorstands zu überwachen und alle wichtigen Angelegenheiten zu beraten.154 Während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr der Zentralrat einen Bedeutungszuwachs: er war das überregionale Caritas-Gremium mit der höchsten Arbeitskontinuität, die Bischöfe nahmen in den ersten Jahren nach 1945 häufiger und in größerer Anzahl an seinen halbjährlich stattfindenden Tagungen teil, was zu reger Unterstützung der Caritasarbeit durch den Episkopat führte und der Zentralrat öffnete sich externen Gästen, mitunter Vertretern der Militärregierungen.155

Mit der Satzungsreform 1966 gehörten dem Zentralrat die stimmberechtigten Mitglieder des Zentralvorstandes, die Vertreter der Diözesancaritasverbände, die Abteilungsleiter der Zentrale des DCV, die Vertreter zentraler Verbände, Vereine und Werke sowie die Vertreter caritativer Genossenschaften und Vereinigungen an.156 Als dem wichtigsten Verbandsorgan oblagen dem Zentralrat die Beratung und Entscheidung über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.157 Der Zentralrat konnte zur vorübergehenden oder dauernden Aufgabenwahrnehmung Fachausschüsse bilden und über deren Zusammensetzung bestimmen, diese Ausschüsse hatten dem Zentralrat Bericht zu erstatten und unterlagen seinen Weisungen.158 Die Anfang der 1950er Jahre geschaffene arbeitsrechtliche Kommission war ein ständiger Ausschuss des Zentralrats.159

Heute übernimmt die Delegiertenversammlung die Beratung und Entscheidung über Fragen grundsätzlicher Bedeutung. In ihr sind alle Mitgliedsgruppen des Verbandes repräsentativ vertreten.160 Die Delegiertenversammlung wählt den Caritasrat. Dieser trifft wichtige verbandspolitische Entscheidungen, genehmigt den Haushalt, nimmt den Haushaltsbericht entgegen und entlastet den Vorstand. Dem Caritasrat gehören neben dem Präsidenten und dem Generalsekretär zwölf Vorsitzende und Direktoren der Diözesan-Caritasverbände sowie Vertreter der Fachverbände, Vereinigungen, Orden und der Ortsebene der Caritas an.161 Der Präsident des DCV wird von der Delegiertenversammlung auf sechs Jahre gewählt und repräsentiert den Deutschen Caritasverband gegenüber Kirche und Öffentlichkeit.162

Heute erfüllt der DCV übergeordnete Aufgaben der Koordinierung, Interessenvertretung und Qualitäts- und Strukturentwicklung. Nicht der DCV selbst, sondern seine Mitglieder und deren Untergliederungen sind Träger karitativer Einrichtungen. Die Richtlinien für das Arbeitsrecht sind aber ausgehend vom Spitzenverband entwickelt worden. Die selbständigen Einrichtungen sollten diese anwenden, was zunächst nicht ohne Schwierigkeiten blieb.