Der Dritte Weg in der Retrospektive

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4.Zwischenergebnis

Kollektive arbeitsrechtliche Instrumente entstanden außerhalb der Kirche zu einer Zeit, als die Kirchen erst in geringem Umfang mittels privatrechtlicher Arbeitsverträge Mitarbeiter rekrutierten und einstellten.257 Bis auf den Angestelltenausschuss und den Betriebsrat beim Caritasverband sowie einzelne Versuche, Tarifverträge in der verfassten katholischen Kirche durchzusetzen, sind bei beiden Akteuren keine weiteren, insbesondere flächendeckenden Maßnahmen und Initiativen im Hinblick auf die Etablierung kollektiver arbeitsrechtlicher Elemente während der Zeit der Weimarer Republik bekannt. Trotz der Etablierung kollektiver arbeitsrechtlicher Instrumente im weltlichen Bereich blieb es in katholischer Kirche und Caritas bei der einseitigen Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch den jeweiligen Arbeitgeber.

Sofern hier vereinzelte Mitbestimmungsmaßnahmen aufgezeigt werden konnten, so hat sich zur Zeit der Weimarer Republik, weder im weltlichen noch im kirchlichen Bereich, eine kollektive Regelungsfindung im Arbeitsrecht flächendeckend durchgesetzt. So schreibt Löhr Anfang der 1930er Jahre: „…es ist eben seit unvordenklicher Zeit Brauch, daß der Kirchenvorstand oder der Pfarrer diese Gebühren der Kirchendiener festsetzt. Das erkennt der Kirchendiener an und unterwirft sich dem, wenn er mit dem Kirchenvorstande den Anstellungsvertrag schließt“.258 Da die neu geschaffenen staatlichen Regelungen unstreitig auch auf die Kirchen und ihre Einrichtungen Anwendung finden sollten, wurden zu dieser Zeit auch keine eigenen Regelungen zum kollektiven Arbeitsrecht von Caritas und verfasster katholischer Kirche geschaffen, an denen man sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs hätte orientieren können. Auch das in der Weimarer Reichsverfassung verankerte Selbstbestimmungsrecht ist zu diesem Zeitpunkt nicht als Grundlage für die Entscheidung, welche Dienste es in kirchlichen und caritativen Einrichtungen in welcher Rechtsform geben soll, interpretiert worden. Erst viel später entwickelte sich dieses Argument.259

168§ 147 PKV: [1] Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. [2] Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. [3] Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; eine Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.

169Unruh in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art.137 WRV, Rn. 2.

170Gusy, 100 Jahre Weimarer Verfassung, S. 24; zu den einzelnen Landesverfassungen Wittreck, Weimarer Landesverfassungen.

171Dazu näher Wittreck, Weimarer Landesverfassungen, Einl. S. 23 f.

172Gusy, 100 Jahre Weimarer Verfassung, S. 24.

173Arleth, Das Recht kirchlicher Arbeitnehmer auf Streik, S. 73; Heinig, Prekäre Ordnungen, S. 35 ff.

174Hillgruber, KuR 2018, 4 m.w.N.

175Art. 137 Abs. 5 WRV; Hillgruber, KuR 2018, 4 mwN; Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik, S.3 f.

176Hillgruber, Kur 2018, 4 m.w.N.

177Jeand`Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, § 3, Rn. 30.

178Jeand`Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, § 3, Rn. 30; Classen, Religionsrecht, § 2 Rn. 24 beide mit Verweis auf Stutz, bei Jeand`Heur/Korioth zitiert § 3 Rn. 31, Fn. 3.

179Unruh in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art.137 WRV, Rn. 22 m.w.N.

180Dazu etwa: Arleth, das Recht kirchlicher Arbeitnehmer auf Streik, S. 101; von Campenhausen/deWall, Staatskirchenrecht, § 14, S. 99; Korioth, Die Entwicklung des Staatskirchenrechts in Deutschland seit der Reformation, in: Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 39 ff. (S. 48 ff.); Unruh in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV, Rn. 22.

181Unruh in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV, Rn. 27.

182Zusammenfassend: Hesse, HdbStKirchR 1995, Bd. I, S. 538 m.w.N.; dazu auch Arleth, Das Recht kirchlicher Arbeitnehmer auf Streik, S. 86. Arleth geht hier, wie auch Wieland, DB 1987, 1633, 1636auf die Auffassungen von Anschütz und Ebers ein.

183Hesse, HdbStKirchR 1995, Bd. I, S. 544; Unruh beschreibt das Verständnis des Schrankenvorbehalts in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV, Rn. 39 ff.; eine weitergehende Skizzierung der Auslegungen zu den Merkmalen des Art. 137 Abs. 3 WRV soll hier nicht erfolgen. Dieser Überblick über die Neuordnungen des Staatskirchenrechts in Weimar soll genügen, um den Ursprung der heute für das kirchliche Arbeitsrecht relevanten staatskirchenrechtlichen Bestimmungen zu erkennen.

184Düwell, RdA 2010, 129, 135.

185Düwell, RdA 2010, 129, 130.

186Siehe B. III. 3. a).

187So kritisiert auch Schatz, Arbeitswelt Kirche, S. 25, 29, in ihrer Untersuchung über die Arbeitsbeziehungen im evangelischen Bereich, „ob die Masse [der Mitarbeiter] wirklich Gradmesser für die Relevanz der Fragestellung sein kann“ und betont, dass die Zeit der Weimarer Republik für das spätere Verständnis der Entstehung des Dritten Weges durchaus Relevanz haben könnte.

188So weist Hromadka zutreffend darauf hin, dass bereits „in der Besatzungszeit, erst recht dann in der Bundesrepublik, wieder da angeknüpft wurde, wo die Nazis 1933/34 die Entwicklung unterbrochen hatten.“ Zu Recht habe man „den Gedanken der sozialen Geborgenheit, der sich in Sozialpartnerschaft und Betriebsverfassung äußert, als entscheidenden deut-schen Beitrag zum Staatstyp der westlichen Demokratie bezeichnet“, Hromadka, AuA (Arbeit und Arbeitsrecht) 2019, 132.

189Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 10.

190Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst v. 5.12.1916, RGBl., S. 1333.

191Jansen, Der Einfluss staatlicher Arbeitsmarktpolitik auf die Entwicklung der Tarifautonomie, S. 334.

192Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland, S. 513.

193Jansen, Der Einfluss staatlicher Arbeitsmarktpolitik auf die Entwicklung der Tarifautonomie, S. 334.

194Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 738; Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 11; Däubler in: ders. (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 4, Rn. 7 ff.

195Betriebsrätegesetz v. 20.04.1920, RGBl. I S. 147-174.

196Däubler in: ders. (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 4, Rn. 8.

197Waltermann, Arbeitsrecht, Rn.738.

198Däubler in: ders. (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 4, Rn. 9.

199Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 6.

200Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 7.

201Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 7; Jansen, Der Einfluss staatlicher Arbeitsmarktpolitik auf die Entwicklung der Tarifautonomie, S. 22.

202Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 9, abweichende Zahlen bei Waltermann, Arbeitsrecht, § 25, Rn. 532 mit Verweis auf Hueck/Nipperdey/Stahlhacke, TVG, 4. Aufl., 1964, S. 8 ff.: dort ist die Anzahl der Tarifverträge 1913 mit 12.369, von denen 193.000 Betriebe erfasst wurden angegeben. Wiederum abweichende Zahlen bei Jansen, Der Einfluss staatlicher Arbeitsmarktpolitik auf die Entwicklung der Tarifautonomie, S. 46 mit Verweis auf Küppers, Gerechtigkeit in der modernen Arbeitsgesellschaft und Tarifautonomie, S. 228: Ende 1913 demnach 10.885 Tarifverträge für 143.088 Betriebe.

203Nr. 1 und Nr. 6 der Zentralarbeitsgemeinschaftsvereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vom 15.11.1918, Reichs-Arbeitsblatt 1918, S. 874.

204Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten, RGBl. 1918, S. 1456.

205Jansen, Der Einfluss staatlicher Arbeitsmarktpolitik auf die Entwicklung der Tarifautonomie, S. 48.

206Jähnichen Arbeitswelt Kirche – Überblick über die Geschichte der Gestaltung der kirchlichen und diakonischen Arbeitsbeziehungen während des 20.Jahrhunderts, in: Jähnichen/Meireis/Rehm/Reihs/Reuter/Wegner (Hrsg.), Jahrbuch Sozialer Protestantismus, Bd. 8, 2015, S. 25.

207Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, § 1, Rn. 12.

208Jansen, Der Einfluss staatlicher Arbeitsmarktpolitik auf die Entwicklung der Tarifautonomie, S. 48, 79 ff.

209Däubler, Arbeitskampfrecht, § 4 Rn. 11, 14, zur Praxis der Arbeitskämpfe dort auch § 4 Rn. 27 f.

210Däubler, Arbeitskampfrecht, § 4 Rn. 11, 14, zur Praxis der Arbeitskämpfe dort auch § 4 Rn. 23.

211Kessler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 43.

212Wahsner, Kirchlicher Dienst als Lohnarbeit, in: Paech/Stuby (Hrsg.), Wider die „herrschende Meinung“, S. 86; Zur Entstehungsgeschichte des weltlichen Arbeitskampfrechtes Däubler, Arbeitskampfrecht, Teil 1, § 4.

 

213Wahsner, Kirchlicher Dienst als Lohnarbeit, in: Paech, Norman/Stuby, Norman (Hrsg.): Wider die „herrschende Meinung“, S. 87, Fn. 39.

214Wahsner, Kirchlicher Dienst als Lohnarbeit, in: Paech, Norman/Stuby, Norman (Hrsg.): Wider die „herrschende Meinung“, S. 87; auch in der 1924 von Peerenboom erschienen Statistik lässt sich erkennen, dass die Pflegekräfte in den Einrichtungen weit überwiegend aus Ordensangehörigen bestehen, nur vereinzelt findet sich hier in der Spalte: „Pflegekräfte“ das Wort „Laie“, Peerenboom, Die katholischen Einrichtungen der geschlossenen Fürsorge Deutschlands, S. 33.

215Hammerschmidt, Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, S. 90 ff.

216Lührs, Kirchliche Arbeitsbeziehungen – die Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse in den beiden großen Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden, Working paper Wirtschaft und Politik, S. 30.

217Aufgaben der Angestellten-Ausschüsse, ADCV R 20c Fasz. 01.

218Aufgaben der Angestellten-Ausschüsse, ADCV R 20c Fasz. 01.

219Kuper, Caritas Jahrbuch 1978, S. 71 u Fn. 1.

220Schreiben des Caritasdirektors an den Angestellten-Ausschuss vom 6.2.1920, ADCV R 20c Fasz. 01.

221Teuteberg, Geschichte der Industriellen Mitbestimmung in Deutschland, S. 514.

222Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst, S. 41; vgl. auch Herschel, Kirche und Koalitionsrecht, S. 14.

223Richardi, Die arbeitsrechtliche Regelungsautonomie der Kirchen, in: Gamillscheg/Hueck/Wiedemann (Hrsg.), 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 429.

224Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter an der Gestaltung kirchlicher Ordnung in den deutschen evangelischen Landeskirchen und ihren Zusammenschlüssen, unter besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts, S. 13.

225ADCV R 20c Fasz.01.

226Nitsche, in: Däubler (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 18, Rn. 112.

227Siehe B. III. 2. a).

228Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst, S. 42.

229Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter an der Gestaltung kirchlicher Ordnung in den deutschen evangelischen Landeskirchen und ihren Zusammenschlüssen, unter besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts, S. 15; Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 84; Richardi, ZevKR 1978, S. 367 (373); Keßler kritisierend Schatz, Arbeitswelt Kirche, S. 25, denn über derartige Initiativen gebe es keine Untersuchungen.

230RGBl. 1918, S. 1456, siehe auch B. III. 2. b).

231Dörrwächter, Tendenzschutz im Tarifrecht, S. 87.

232Dörrwächter, Tendenzschutz im Tarifrecht, S. 69.

233Dörrwächter, Tendenzschutz im Tarifrecht, S. 88.

234Dörrwächter, Tendenzschutz im Tarifrecht, S. 88, mit Verweis auf den Entwurf eines Arbeitstarifgesetzes: RArBl. 1920/21 (Amtl. Teil), S. 494 und den Gegenentwurf von Nipperdey.

235Siehe B. III. 3. a)

236Schatz, Arbeitswelt Kirche.

237Jähnichen, Arbeitswelt Kirche – Überblick über die Geschichte der Gestaltung der kirchlichen und diakonischen Arbeitsbeziehungen während des 20. Jahrhunderts, in: Jähnichen/Meireis/Rehm/Reihs/Reuter/Wegner (Hrsg.), Jahrbuch sozialer Protestantismus Bd. 8, S. 25, 26; siehe auch: Kleine-Vennekate, Dienstgemeinschaft und das kirchliche Arbeitsrecht in der evangelischen Kirche in Deutschland, S. 78; Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 43 f.

238Wacke, Das Dienstrecht der Behördenangestellten, S. 71. Diesen zitierend auch Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 43; Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 3.

239Schmadtke, Arbeitsrecht im Bereich kirchlicher Selbstbestimmung, 1950.

240AEK, Gen. II 6.17c, 8/199 v. 25.07.1949; Schmadtke, Arbeitsrecht im Bereich kirchlicher Selbstbestimmung, S. 19, Anm. 29.

241Schmadtke, Arbeitsrecht im Bereich kirchlicher Selbstbestimmung, S. 19, Anm. 29.

242Schmadtke, Arbeitsrecht im Bereich kirchlicher Selbstbestimmung, S. 19, Anm. 29.

243Kessler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 43 f.

244Kessler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 43, 44, Fn. 98; Das Schlichtungswesen 1922, S. 244 ff.

245Kessler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 44, Fn. 98; Arbeitsrecht und Schlichtung 1928, S. 83 f.

246Im Bereich der Diözesen NRW ist der Verband durch das Entsendungsrecht von Mitgliedern heute unmittelbar beteiligt am Verfahren der Regional-KODA.

247Teleu, Beitrag zum 50-jährigen Verbandsjubiläum, veröffentlicht im September 1955 in: Im Dienste der Kirche, S. 188-192, AEK Gen. II 6.17 c, 9/91 f. Die Darstellung der Anfänge des damaligen Reichsverbandes sind diesem Beitrag Teleus entnommen.

248Zahn, Amtsträger, Beamte, Angestellte und Arbeiter im katholischen Kirchendienst, S. 23, 24.

249Frank, Dienst- und Arbeitsrecht in: Friesenhahn/Scheuner (Hrsg.) HbStKR, Bd. I, 1974, § 15, S. 670, Fn. 5.

250Löhr, Die rechtliche Stellung der Kirchendiener in Preußen.

251Zahlen nach Lührs, Die Zukunft der Arbeitsrechtlichen Kommissionen, S. 275, 276.

252Feldhoff, Die Regional-KODA Nordrhein-Westfalen – Zu ihrer Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung, in: Bergold/Nitsche (Hrsg.), Dienst in der Kirche, S. 158.

253Feldhoff, Die Regional-KODA Nordrhein-Westfalen – Zu ihrer Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung, in: Bergold/Nitsche (Hrsg.), Dienst in der Kirche, S. 159.

254Feldhoff, Die Regional-KODA Nordrhein-Westfalen – Zu ihrer Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung, in: Schwaderlapp (Hrsg.) Aus der Praxis des Arbeitsrechts und Personalwesens in den deutschen Bistümern, S. 138 f.

255Feldhoff, Die Regional-KODA Nordrhein-Westfalen – Zu ihrer Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung, in: Bergold/Nitsche (Hrsg.), Dienst in der Kirche, S. 159.

256https://www.zkd-online.de/zkd/6-grundsatzprogramm?showall=&start=3, (aufgerufen am 26.11.2018).

257Wahsner, Kirchlicher Dienst als Lohnarbeit, in: Paech/Stuby (Hrsg.), Wider die „herrschende Meinung“, S. 86.

258Löhr, Die rechtliche Stellung der Kirchendiener in Preußen, S. 34.

259Siehe E. II; dazu auch Wieland, DB 1987, 1633, 1636, der in Fn. 28 auf erste Entwicklungen dieses Gedankens in der Literatur Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre verweist.

IV.Arbeit und Arbeitsrecht während des NS-Regimes
1.Reichskonkordat und die Kirchenpolitik des „Dritten Reiches“

Zur Zeit des Nationalsozialismus verdrängte die Willkür des NS-Staates die Religionsfreiheit. Die Kirchenpolitik der NSDAP folgte keinem System, in das sich die Begriffe der Trennung und Verbindung von Staat und Kirche einordnen lassen.260 Das Verhältnis von Kirche und Staat war zur Zeit des NS-Regimes vor allem durch das Reichskonkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geprägt, dieses wurde zu einem „Markstein für die Kirchenpolitik des Dritten Reiches“.261 Mit dem bis heute geltenden262 Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 war zum ersten Mal auf Reichsebene eine einheitliche Regelung zwischen der katholischen Kirche und dem Gesamtstaat geschlossen worden.263 Vertragsgegenstände des Reichskonkordats waren u.a. die Anforderungen an die Geistlichenausbildung und Modalitäten der Bischofsausbildung, der Erhalt von Religionsunterricht und theologischen Fakultäten, die Garantie von Bekenntnisschulen sowie die Militär- und Anstaltsseelsorge.264 Art. 1 Abs. 2 des Konkordates regelte das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen.265 Im Vergleich mit Art. 137 Abs. 3 WRV geht Art. 1 Abs. 2 des Reichskonkordates über die Formulierung in der Weimarer Reichsverfassung hinaus und baut das katholische Kirchenrecht in die Rechtsordnung des deutschen Gemeinwesens ein.266 Im Verlaufe der Zeit sollte sich herausstellen, dass die nationalsozialistische Gesetzgebung die Betätigungsfreiheit der Kirchen erheblich einschränkte und so Art. 1 des Reichskonkordates weithin gegenstandslos wurde.267 Nachdem die NSDAP zunächst eine Verständigungsbereitschaft mit den Kirchen durch programmatische Aussagen signalisiert hatte, um Vorbehalte in kirchlichen Kreisen abzubauen und auch in christlich geprägten Kreisen das Vertrauen in die Partei zu stärken, verfolgten die Nationalsozialisten bald den offenen Kampf gegen die Kirchen.268 Nicht wenige Gesetze und Erlasse des NS-Staates schränkten die Gewährleistungen des Art. 1 des Reichskonkordates weitgehend ein.269 Tatsächlich wurden die Verpflichtungen des Konkordats nicht erfüllt, das NS-Regime nahm auch hier die Totalität für sich in Anspruch und beabsichtigte die Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens, denn aus seiner Sicht gefährdeten die Kirchen und ihr Wirken in der Öffentlichkeit die Volksgemeinschaft.270 Der Kampf gegen die Kirchen bedeutete ein Verbot der Doppelmitgliedschaft in kirchlichen Verbänden und nationalsozialistischen Zwangsorganisationen, eine Auflösung der Gewerkschaften und einen Verlust bedeutender Teile der Caritasorganisation.271 Viele Bestimmungen des Konkordats wurden durch Vertragsumdeutungen, Umgehungen und Vertragsverletzungen außer Kraft gesetzt.272 So wurde u.a. der Religionsunterricht durch einen politischen Weltanschauungsunterricht ersetzt, konfessionelle Jugendverbände aufgehoben und die Wohlfahrts- und Krankenpflege verweltlicht.273 In einer Denkschrift vom 13. Januar 1937 an das Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten274 setzten sich die deutschen Bischöfe mit der Durchführung des Reichskonkordates auseinander und kennzeichneten in dieser durch Ausdrücke wie: „nach dem Reichskonkordat“ und „in Wirklichkeit“ die Vertragsbrüche des NS-Regimes.275 Die Bischöfe erkannten mehr und mehr in Übergriffen auf konkordatsgeschützte Verbände, Bekenntnisschulen und Orden den Vorwand des Regimes, die NS-Weltanschauung auf das Gebiet der Religion auszuweiten und baten schließlich den Papst um eine offene Stellungnahme.276 Mit seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ vom 21. März 1937 kam Papst Pius XI. dieser Bitte nach und „entlarvte schonungslos den kirchenfeindlichen Kurs des Regimes“.277 In der Folge nahmen die antikirchlichen Übergriffe weiter zu, dennoch erfolgte der „große Schlag gegen den Katholizismus und Privatisierung der Kirchen“ nicht, da das Regime davor im Hinblick auf die Kriegsmobilisierung und die Stimmung in der Bevölkerung zurückschreckte.278

Für die Caritas und ihre Einrichtungen waren vor allem die Art. 13, 15, 25, 29 und 31 von Bedeutung.279 Die caritativen Organisationen280 fielen schließlich nach Verhandlungen zwischen dem deutschen Episkopat und der Reichsregierung unter den Schutz von Art. 31 Abs. 1 des Konkordates, der Regelungen zu katholischen Organisationen und Verbänden enthielt.281 Dadurch wurde ihnen weitest gehender Schutz vor einer „Gleichschaltung“ durch den Staat zuteil, denn die Einrichtungen, die von Art. 31 Abs. 1 erfasst waren, sollten nach den damaligen Auslegungsgrundsätzen der Reichsregierung „ihr Eigenleben völlig in sich führen können. Der Staat hat ihnen gegenüber keine weitergehenden Einmischungsbefugnisse, als sie sich aus der allgemeinen Treuepflicht der Staatsbürger gegenüber dem Staat an sich ergeben“.282 So konnte die Caritas zunächst aufgrund des Konkordats weiter bestehen. Die in Art. 31 Abs. 3 vorgesehene Vereinbarung zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Episkopat über diejenigen Organisationen und Verbände, die unter Art. 31 fallen sollten, wurde nicht beschlossen.283

 

Im Laufe der Zeit aber beanspruchten die Nationalsozialisten auch das Gebiet der Wohlfahrtspflege. So wurden 1.200 katholische Kindergärten geschlossen oder von der NSV übernommen, ebenso 300 Stationen für ambulante Krankenpflege, 156 Bahnhofsmissionen, 136 Arbeitsvermittlungsstellen des Katholischen Mädchenschutzes, 35 Kindergärtnerinnen- und Jugendleiterinnenseminare, zwei Soziale Frauenschulen und das Institut für Caritaswissenschaften an der Universität Freiburg, welches als wissenschaftliche Propagandastelle des DCV betrachtet wurde, wurde 1938 aufgehoben.284 Von 3.917 Anstalten des DCV wurden bis 1945 1.871 vorübergehend oder dauernd beschlagnahmt oder zweckentfremdet.285 Dennoch überstand der DCV mit seinen Einrichtungen diese Verfolgungszeit, wenn auch mit großen, auch finanziellen, Verlusten.286 Insbesondere während des Krieges nutzte das NS-Regime dessen Fürsorgeleistungen, es fiel den damaligen Machthabern nicht leicht, einen Verband aufzulösen, der vor allem im Krankenhauswesen umfangreiche und nicht so schnell zu ersetzende Dienste leistete und auf dessen personelle und materielle Ressourcen man nicht verzichten konnte.287 Auch die anderen Wohlfahrtsdienste (Innere Mission und Deutsches Rotes Kreuz) blieben bestehen. Am 25. Juli 1933 wurden die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV), die Innere Mission, das Deutsche Rote Kreuz und der Deutsche Caritasverband (DCV) durch Verordnung des Reichsarbeitsministers und des Reichsinnenministers als Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege anerkannt und zur Reichsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege Deutschlands zusammengefasst.288 Wenig später kam es mit einer Verlautbarung vom 4. März 1934 zur Bildung der „Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege“, unter Führung des Amtes für Volkswohlfahrt.289 Ihre Aufgabe war es, „die Leistungen und Erfahrungen der ganzen freien Wohlfahrtspflege zusammenzufassen und ihre einheitliche und planwirtschaftliche Gestaltung im Sinne des nationalsozialistischen Staates sicherzustellen“.290 Diese Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Reichsspitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege sollte die Selbständigkeit der neben der NSV bestehenden Mitgliedsverbänden (DCV, Innere Mission und Deutsches Rotes Kreuz) nicht beeinträchtigen und ermöglichte den beiden konfessionellen Verbänden, sich der „Gleichschaltung“ durch den NS-Staat zu entziehen.291 Ab 1936 wurde die Arbeitsgemeinschaft immer weniger tätig, bis sie schließlich wenige Jahre später aufgelöst wurde.292

Insgesamt erwies sich das Konkordat für die katholische Kirche und die Caritas als zumindest beschränkte Sicherung gegenüber dem NS-Staat, so oft dieser Vertrag auch gebrochen wurde.293 So erwähnt Jestaedt in seiner Schlussbetrachtung zum Reichskonkordat die rechtlichen Vorteile dieses Vertragswerkes für die katholische Kirche: ohne das Konkordat hätte diese ihre Vorzugsrechte, wie etwa das Besteuerungsrecht verloren, auch die Zuschüsse des Staates zum Haushalt der Kirche wären nicht mehr gewährt worden, die kirchlichen Feiertage wären abgeschafft und theologische Fakultäten aus den Hochschulen verdrängt worden.294 Auch wenn die katholische Kirche eine Vertragsposition nach der anderen aufzugeben hatte, so genügte die verbleibende Basis des Konkordates, „um die Kirche im Wesentlichen unversehrt als geistig-moralische Größe des öffentlichen Lebens in Deutschland zu erhalten“.295 Gleiches lässt sich für die organisierte Caritas festhalten: so viele Einrichtungen und Anstalten letztlich auch beschlagnahmt oder in ihrer Arbeit beeinträchtigt wurden, insgesamt war es der Caritas doch gelungen, die Zeit des NS-Regimes zu überstehen, ohne gleichgeschaltet zu werden.296

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