Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 2

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Aus der Reihe: maritime gelbe Buchreihe #127
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Teil II – Expedition Lapérouse's

Kapitel II – Expedition Lapérouse's


Jean Francois Golpau de Lapérouse – 1741 – 1788

Expedition Lapérouse's. – Die Insel St. Katharina. – Conception. –

Die Sandwichs-Inseln. – Entdeckung der Küste Amerikas. –

Der Hafen der Franzosen. – Verlust zweier Fahrzeuge. –

Monterey und die Indianer Kaliforniens. – Aufenthalt in Macao. –

Cavite und Manilla. – Unterwegs nach China und Japan. – Formosa. – Die Insel Quelpaert. – Die Küste der Tatarei. – Die Bai von Ternay. – Die Tataren von Saghalien. – Die Orotchys. – Die Lapérouse-Straße – Ball auf Kamtschatka. – Der Archipel der Schiffer. –

Ermordung de Langle's und mehrerer seiner Begleiter. – Botany-Bai. – Ausbleiben aller Nachrichten von der Expedition. –

d'Entrecasteaux wird zur Aufsuchung Lapérouse's entsendet. –

Falsche Nachrichten. – Der Kanal d'Entrecasteaux'. –

Die Küste von Neu-Caledonien. – Das Land der Arsaciden. –

Die Eingeborenen von Buka. – Aufenthalt im Carteret-Hafen. –

Die Admiralitäts-Inseln. – Aufenthalt in Amboine. – Das Leuwin-Land. – Nuyts'-Land. – Aufenthalt in Tasmanien. –

Festlichkeiten auf den Inseln der Freunde. –

Einzelheiten von dem Besuche Lapérouse's in Tonga-Tabu. –

Aufenthalt in Balade. –

Spuren von der Fahrt Lapérouse's nach Neu-Caledonien. – Banikoro. – Trauriges Ende der Expedition.

Die Reise Cook's war kaum nach dem Tode des großen Seefahrers bekannt geworden, als sich die französische Regierung bemühte, die Muße zu benutzen, welche der eben geschlossene Friede ihrer Flotte gewährte. Unter den Offizieren erhob sich ein endloser Wettstreit; alle schienen neidisch auf die Erfolge zu sein, die ihre alten Rivalen, die Engländer, auf einem anderen Schauplatz errungen hatten. Die Frage, wem man das Kommando einer so wichtigen Expedition anvertrauen solle, machte nur deshalb Schwierigkeiten, weil zu viele Personen vorhanden waren, deren Verdienste sie zur Anwartschaft auf ein solches Ehrenamt berechtigten.

Die Wahl des Ministeriums fiel auf Jean Francois Golpau de Lapérouse, der sich durch hervorragende militärische Dienste schnell zum Grade eines Schiffskapitäns emporgeschwungen hatte. Während des letzten Krieges war er beauftragt gewesen, die englischen Niederlassungen an der Hudsons-Bai zu zerstören, und entledigte sich damals dieser Mission mit gleichviel militärischem wie seemännischem Geschick, während er die Gebote der Menschlichkeit mit den Anforderungen der Notwendigkeit glücklich zu vereinigen wusste.

Als zweiter Offizier ward ihm de Langle beigegeben, der ihn schon bei dem Zuge nach der Hudsons-Bai getreu und wirksam zur Seite gestanden hatte.

Auf den beiden Fregatten „ASTROLABE“ und „BOUSSOLE“ wurde ein zahlreicher Generalstab mit eingeschifft. Auf der letzteren befanden sich Lapérouse selbst, ferner Clonard, als Führer des Schiffes, der Ingenieur Monneron, der Geograph Bernizet, der Chirurg Rollin, der AsThronom Lepaute-Dagelet von der Akademie der Wissenschaften, der Physiker Lamanon, die Zeichner Duché de Vanzy und Prevost der Jüngere, der Botaniker Collignon und der Uhrmacher Guerg. Auf der „ASTROLABE“ fuhren, außer dem Kommandanten de Langle, der Lieutenant de Monti, der während der Expedition zum Schiffskapitän avancierte, und der berühmte Monge, der sich zum Heil für die Wissenschaft am 29. August 1785 in Teneriffa wieder ausschiffte.

Die Akademie der Wissenschaften und die Gesellschaft der Medizin in Paris hatten dem Marine-Ministerium Schriftstücke überreicht, in welchen sie die Aufmerksamkeit der Reisenden nach gewissen Punkten hinzulenken suchten. Fleurieu, jener Zeit Direktor der Häfen und Seearsenale, endlich, hatte eigenhändig die für die Fahrt bestimmten Karten entworfen und mit einem ganzen Bande gelehrter Anmerkungen, sowie mit Auszügen der Resultate aller Reisen seit der Zeit des Columbus begleitet.

Die beiden Fahrzeuge führten eine reichliche Menge Tauschobjekte mit sich, dabei ungeheure Vorräte an Lebensmitteln und Effekten aller Art, sowie zwei gedeckte Boote von je zwanzig Tonnen Gehalt, zwei Biscaya'sche Schaluppen, außer Masten und Segel und Takellage zum Ersatz u. s. w.

Am 1. August 1785 gingen die beiden Fregatten unter Segel und dreizehn Tage später bei Madeira vor Anker.


Funchal auf Madeira

Die Franzosen fanden hier seitens des englischen Statthalters eine höchst zuvorkommende und freundliche Aufnahme, welche sie ungemein erfreute. Am 19. lag Lapérouse vor Teneriffa.

„Die verschiedenen Beobachtungen von Fleurieu, Verdun und Borda über die Inseln Madeira, Salvages und Teneriffa“, sagt er, „lassen nach keiner Seite hin zu wünschen übrig. Die von uns angestellten beziehen sich deshalb nur auf die Berichtigung unserer Instrumente...“

Dieser abgerissene Satz beweist, dass Lapérouse der Mann war, den Arbeiten seiner Vorgänger alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, eine Annahme, die wir später noch öfters bestätigt finden werden.

Während die Astronomen die Zeit damit ausfüllten, den Gang der astronomischen Uhren zu beobachten, unternahmen die Naturforscher in Begleitung mehrerer Offiziere einen Ausflug nach dem Pic (von Teneriffa) und brachten mehrere merkwürdige Pflanzen von demselben mit. Monneron gelang es auch, diesen Berggipfel mit größerer Genauigkeit zu messen, als seine Vorgänger Herberdeen, Feuillén, Bouguer, Verdun und Borda, welche dessen Höhe zu zweitausendvierhundertneun, zweitausendzweihundertdreizehn, zweitausendeinhundert, respektive tausendneunhundertvier Toisen bestimmten. Leider ist diese Arbeit, die aller Ungewissheit über jenen Punkt ein Ende bereitet hätte, niemals nach Frankreich gekommen.

Am 16. Oktober kamen die Inseln oder vielmehr die Felsen von Martin-Vas in Sicht. Lapérouse bestimmte deren Lage und segelte darauf nächsten Weges nach der Insel Trinidad, die nur neun Meilen im Westen lag. In der Hoffnung, daselbst Wasser, Holz, vielleicht auch einige Nahrungsmittel zu finden, sandte der Befehlshaber der Expedition ein Boot mit einem Offizier ans Land. Letzterer verhandelte mit dem portugiesischen Gouverneur, dessen Truppenmacht aus nahe zweihundert Mann bestand, von denen nur fünfzehn eine wirkliche Uniform trugen, während die Übrigen nur in Hemden gingen. Der Platz litt aber selbst Mangel an allem, und die Franzosen mussten umkehren, ohne etwas erhalten zu haben.

Nach vergeblicher Aufsuchung der Insel Ascension steuerte die Expedition nach der Insel St. Katharina, an der Küste von Brasilien.

„Nach sechsundneunzigtägiger Seefahrt, heißt es in dem vom General Millel-Mureau veröffentlichten Berichte, hatten wir nicht einen einzigen Kranken; weder der Wechsel des Klima, noch die Regen und Nebel erschütterten die Gesundheit unserer Leute, da wir stets Nahrungsmittel von bester Qualität besaßen. Ich vernachlässigte keine der Vorsichtsmaßregeln, welche Erfahrung und Klugheit vorschrieben; so sorgten wir unter Anderem vorzüglich dafür, unsere Mannschaft in heiterer Stimmung zu erhalten, und ließen sie, wenn es die Witterung irgend erlaubte, jeden Abend von acht bis zehn Uhr auf dem Decke tanzen.

„Die Insel St. Katharina – auf welche wir noch mehrere Male zurückzukommen Gelegenheit haben – erstreckt sich von 27°19' bis 27°49' südlicher Breite; ihr Durchmesser von Osten nach Westen beträgt nur zwei Meilen; von dem Festlande ist sie an der engsten Stelle nur durch einen Kanal von zweihundert Toisen Durchmesser getrennt. Am Eingang dieser engen Wasserstraße liegt die Stadt Nostra-Senora-Del-Destero, der Hauptort der Statthalterschaft, in dem auch der Gouverneur residiert; er zählt höchstens dreitausend Seelen in ungefähr vierhundert Häusern, und bietet einen recht hübschen Anblick. Nach dem Berichte Frézier's diente diese Insel im Jahre 1712 vielen Landstreichern, die sich aus verschiedenen Teilen Brasiliens hierher flüchteten, als Aufenthaltsort; diese waren Portugal nur dem Namen nach unterworfen und erkannten überhaupt keine Obrigkeit an. Der Boden der Insel ist so außerordentlich fruchtbar, dass jene ohne Beistand der benachbarten Kolonien leicht Unterhalt finden konnten. Alle Schiffe, welche bei ihnen anliefen, versorgten die Bewohner auch im Austausch gegen Lebensmittel stets nur mit Kleidungsstücken und Hemden, die ihnen gänzlich fehlten.“

Diese Insel ist wirklich ausnehmend fruchtbar, und ihr Boden würde sich gewiss zur Kultur des Zuckerrohres eignen; die Armut der Einwohner hindert diese aber, die nötigen Waren einzukaufen.

Die französischen Schiffe fanden hier alles, was sie brauchten, und die Offiziere wurden von den portugiesischen Beamten sehr wohlwollend empfangen.

„Folgende Tatsache erscheint geeignet, eine Vorstellung von der Gastfreundschaft dieses guten Volkes zu geben: In einer Bucht, wo ich Holz schlagen ließ“, sagte Lapérouse, „war ein Boot von der Brandung umgeworfen worden; die Einwohner, welche behilflich waren, dasselbe zu retten, zwangen fast unsere schiffbrüchigen Matrosen, sich in ihr Bett zu legen, während sie sich selbst mit Matten begnügten, die sie auf dem Boden der Zimmer ausbreiteten. Einige Tage später brachten sie Segel, Masten, Schiffshaken und die Flagge des Bootes nach meinem Schiffe, für sie lauter wertvolle Gegenstände, die ihnen für ihre Piroggen von großem Nutzen gewesen wären.“

Am 19. November lichteten die „BOUSSOLE“ und „ASTROLABE“ die Anker und segelten in der Richtung nach dem Cap Horn ab. Nach Überstehung eines heftigen Sturmes, bei dem sich die Fregatten sehr gut bewährten, und nach vierzigtägiger vergeblicher Aufsuchung der von dem Franzosen Francois Antoine de la Roche entdeckten Insel Grande, welche Kapitän Cook Georgien taufte, passierte Lapérouse die Lemaire-Straße. Da ihn der Wind, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit, ungemein begünstigte, verzichtete er auf einen Besuch der Bai des guten Erfolges und beeilte sich lieber, das Cap Horn zu umschiffen, um eine möglicherweise eintretende Verzögerung zu vermeiden, welche seine Schiffe leicht in Gefahr bringen und die Mannschaft nutzlos anstrengen musste.

 

Auch das freundliche Auftreten der Feuerländer, der Überfluss an Walfischen, deren Ruhe hier noch niemand gestört hatte, wie die unzähligen Scharen von Albatrossen und Sturmvögeln, vermochten seinen Entschluss nicht zu ändern.


Das Cap Horn wurde unter günstigeren Umständen umschifft, als man hoffen zu dürfen glaubte. Schon am 9. Februar befand sich die Expedition gegenüber dem Ausgange der Magelhaens-Straße und am 24. ging sie im Hafen Conception vor Anker, dem Lapérouse wegen des drohenden Mangels an Nahrungsmitteln jenem vom Juan-Fernandez den Vorzug gab. Der vortreffliche Gesundheitszustand der Besatzung verwunderte den spanischen Kommandanten nicht wenig. Vielleicht noch niemals war ein Fahrzeug nach Umschiffung des Cap Horn ohne Kranke nach Chile gekommen und jetzt befand sich auf beiden Fregatten nicht ein einziger.

Die im Jahre 1751 durch ein Erdbeben zerstörte Stadt hatte man am Ufer des Flusses Biobio, drei Meilen vom Strande entfernt, wieder aufgebaut. Die nur ein Stockwerk hohen Häuser gaben Conception eine ziemlich beträchtliche Ausdehnung, während es doch kaum 10.000 Einwohner zählte. Die Bai derselben ist eine der bequemsten der Welt; das ruhige Meer darin hat fast gar keine Strömung.

Dieser Teil Chiles zeichnet sich durch eine wahrhaft wunderbare Ergiebigkeit des Bodens aus. Getreide liefert hier den sechzigfachen Ertrag, der Wein gedeiht ebenso über alle Maßen, und auf den Feldern tummeln sich zahllose Herden, die sich mit erstaunlicher Schnelligkeit vermehren.

Trotz dieser günstigen Verhältnisse machte das Land doch in Folge des jener Zeit herrschenden Prohibitiv-Systems nicht die geringsten Fortschritte. Chile, das mit seinen Erzeugnissen halb Europa hätte ernähren, mit seiner Wolle alle Fabriken Englands und Frankreichs versehen und ungeheure Mengen Fleisches in gesalzenem Zustand hätte verwerten können, trieb so gut wie gar keinen Handel. Dabei erreichten auch die Einfuhrzölle eine ganz außerordentliche Höhe, weshalb das Leben daselbst ein sehr teures war. Ein Mittelstand, entsprechend unserer heutigen Bourgoisie, existierte überhaupt nicht. Die Bevölkerung zerfiel nur in zwei Klassen, in Reiche und Arme, wie aus Folgendem hervorgeht:

„Die Kleidung der Frauen besteht aus einem faltigen Rocke aus jenen alten Gold- und Silberstoffen, die man ehedem in Lyon erzeugte. Diese übrigens nur bei gewissen Gelegenheiten benutzten Röcke erben wie Diamanten in den Familien fort und gehen von den Großmüttern auf die Enkelinnen über. Eine solche Kleidung können sich nur wenige verschaffen; die anderen wissen kaum, wie sie ihre Blöße decken sollen.“

Wir begleiten Lapérouse nicht bis in die Details seiner enthusiastischen Aufnahme und übergehen die Beschreibungen der Bälle und Toiletten, welche ihn keinen Augenblick den eigentlichen Zweck seiner Reise aus den Augen verlieren ließen. Bisher war die Expedition nur in bekannten Gegenden gesegelt, welche schon manches europäische Schiff besucht hatte. Es wurde hohe Zeit, ein dankbareres Feld aufzusuchen. So lichtete man am 15. März die Anker und am 9. April liefen die beiden Fregatten nach glücklicher Seefahrt in die Cook-Bai an der Osterinsel ein.

Lapérouse führt an, dass Hodges, der Maler, der den großen englischen Seehelden begleitete, die Physiognomie der Insulaner hier sehr falsch wiedergegeben habe. Sie ist im Allgemeinen nicht unangenehm, entbehrt dagegen jedes eigentümlichen Charakters.

Das ist übrigens nicht der einzige Punkt, in dem der französische Seefahrer mit Kapitän Cook nicht übereinstimmt. Er hält z. B. die berühmten Statuen, von denen einer seiner Maler eine interessante Abbildung lieferte, für das Werk der damals lebenden Generation, die er auf etwa zweitausend Seelen schätzte. Ihm schien der vollständige Mangel an Bäumen und, als notwendige Folge davon, an Wasseransammlungen und Bächen von der sinnlosen Ausbeutung der Wälder seitens der früheren Bevölkerung herzurühren. So lange er hier verweilte, lief alles ziemlich friedlich ab. Diebstähle kamen zwar häufig genug vor; die Franzosen hielten sich aber angesichts ihres kurzen Aufenthaltes nicht für verpflichtet, der Bevölkerung der Insel richtige Begriffe über das Eigentum beizubringen.

Von der Osterinsel aus folgte Lapérouse ungefähr demselben Wege wie Cook, als dieser von Tahiti nach der amerikanischen Küste steuerte; er hielt sich aber gegen hundert Meilen weiter im Westen. Lapérouse schmeichelte sich, in dieser wenig bekannten Partie des Pazifischen Ozeans irgendeine Entdeckung machen zu können, und hatte demjenigen Matrosen, der zuerst Land sehen würde, eine Belohnung zugesichert.

Am 29. Mai erreichte man den Havaï-Archipel.

Die See-Chronometer erwiesen sich nun von größtem Vorteil bezüglich der Berichtigung jeder sonst nur abgeschätzten Entfernung. So fand Lapérouse bei der Ankunft an den Sandwichs-Inseln einen Unterschied von fünf Längengraden zwischen der abgeschätzten und der beobachteten Länge. Ohne jene Uhren würde er diese Inselgruppe um fünf Grade weiter nach Osten verlegt haben. Hieraus erklärt sich auch, dass die von den Spaniern, wie von Mendona, Quires und anderen entdeckten Inseln alle der Küste Amerikas vorgeblich viel näher liegen sollten, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Er schloss daraus auch auf das Vorhandensein der von den Spaniern la Mesa, los Majos und la Dispeaciada genannten Gruppe. Man hat umso mehr Ursache, diese Gruppe für nichts Anderes als die Sandwichs-Inseln anzusehen, als Mesa in der spanischen Sprache so viel wie Tisch bedeutet und Kapitän King den von den Ureinwohnern Mauna-Loa genannten Berg mit einer Hochebene, einem „Tafel-Land“ vergleicht. Auch ohne Rücksichtnahme auf diese mehr spekulativen Gründe hatte er die Stelle, wo los Majos liegen sollte, direkt gekreuzt, ohne eine Spur von Land zu finden.

„Der Anblick von Mowen, sagt Lapérouse, ist wahrhaft entzückend... In herrlichen Fällen sahen wir das Wasser vom Gipfel der Berge herabstürzen und nach Bewässerung der indischen Anpflanzungen nach dem Meere hinabeilen. Die Wohnungen liegen in so großer Anzahl beieinander, dass ein einziges Dorf einen Raum von vier bis fünf Meilen einnimmt. Alle Hütten drängen sich jedoch am Gestade des Meeres zusammen, an das die Berge so nahe herantreten, dass das bewohnbare Land nur eine Tiefe von einer halben Meile zu haben scheint. Man muss selbst Seemann und in der Lage gewesen sein, sich unter diesen glühenden Himmelsstrichen mit einer Flasche Wasser täglich zu begnügen, um unsere Gefühle zu verstehen. Die Bäume auf der Höhe, das saftige Grün, die Bananen in der Nähe der Ansiedlungen – alles erfüllte uns mit unbeschreiblicher Freude; an der Küste brandete das Meer aber so heftig, dass wir, neue Tantalusse – zunächst darauf beschränkt blieben, mit den Augen zu genießen, was wir nicht im Stande waren zu erlangen.“

Kaum gingen die beiden Fregatten vor Anker, als sie von einer Menge Eingeborener in Piroggen umringt wurden, auf denen jene Schweine, Pataten, Bananen, Taro und dergleichen mehr zuführten. Sehr geschickt im Handeln, legten sie den größten Wert auf kreisförmige Stücke alten Eisens. Schon die Kenntnis des Eisens und seiner Verwendung, die sie Cook nicht verdankten, ist ein neuer Beweis für die Beziehungen, welche diese Völker ehedem mit den Spaniern unterhielten, denen jedenfalls die ersten Entdeckungen dieses Archipels zuzuschreiben sind.

Lapérouse fand selbst die herzlichste Aufnahme, trotz des militärischen Apparates, mit dem er sich umgeben zu müssen geglaubt hatte. Obgleich die Franzosen die Ersten waren, welche an der Insel Mowen ans Land gingen, sah Lapérouse doch von der Besitzergreifung derselben ab.

„Das Verfahren der Europäer ist in dieser Beziehung ein wahrhaft lächerliches. Alle Denkenden können gewiss nur mit Bedauern sehen, dass Menschen, einzig deshalb, weil sie Kanonen und Bajonette besitzen, sechzigtausend ihres Gleichen für gar nichts achten; dass sie ohne Rücksicht auf die heiligsten Rechte, ein Land sofort als ihr Besitztum betrachten, das dessen Bewohner mit ihrem Schweiße befruchtet haben und das seit Jahrhunderten schon die Vorfahren derselben in seinem Schosse birgt.“

Lapérouse lässt sich auf Einzelheiten über die Bewohner der Sandwichs-Inseln nicht weiter ein. Er verweilte hier nur wenige Stunden, während die Engländer vier Monate daselbst zubrachten. Er verweist hierüber einfach auf den Bericht Cook's.

Während des sehr kurzen Aufenthaltes kaufte man noch mehr als hundert Schweine, Matten, Früchte, eine Pirogge mit Auslegern, allerlei kleine Gegenstände aus Federn oder Muscheln und schöne mit roten Federn geschmückte Mützen ein.

Lapérouse's Instruktionen schrieben ihm vor, die Küste Amerikas zu untersuchen, von der ein Teil, bis zum St. Elias-Berge, höchstens mit Ausnahme des Hafens von Nootka, außer von Cook noch von niemand eingehender erforscht worden war.

Er erreichte jene am 23. Juni unter der Breite von sechzig Grad und entdeckte inmitten einer langen, schneebedeckten Gebirgskette Behring's St. Eliasberg. Nachdem er die Küste eine Strecke weit gefolgt, entsendete Lapérouse drei Boote unter Führung eines seiner Offiziere, de Monti mit Namen, nahe gegen das Land, wo Letzterer dabei einen geräumigen Meerbusen entdeckte, dem er seinen Namen gab. Immer segelte man nur in möglichster Nähe der Küste hin und vollendete eine Menge einzelner Aufnahmen derselben, welche in ununterbrochener Aufeinanderfolge bis zu einem bedeutenden Strome reichen, der den Namen Behring-Strom erhielt. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das derselbe, den Cook ebenso getauft hatte.

Am 2. Juli wurde unter 58° 36' der Breite und 140° 31' der Länge ein Einschnitt in das Festland entdeckt, der eine prächtige Bai zu bilden schien. Sofort sendete man unter dem Befehl de Pierrevert's, de Flassans und Boutervillier's einige Boote ab, um dieselbe näher zu untersuchen. Da der Bericht dieser Offiziere sehr günstig lautete, segelte die Fregatte nach dem Eingang der Bai heran; da ward aber die „ASTROLABE“ von einer heftigen Strömung zurückgeworfen und die „BOUSSOLE“ musste ihr folgen. Um sechs Uhr morgens näherten sich die Schiffe nach einer unter Segel verbrachten Nacht dem Eingange aufs Neue.

„Um sieben Uhr morgens aber“, heißt es in dem Bericht, „als wir eben einfahren wollten, sprang der Wind nach Westnordwest und nach Nordwest ein Viertel-West um, so dass wir brassen mussten. Glücklicherweise trug die Strömung unsere Schiffe in die Bucht hinein, wobei wir freilich vor deren Felsen an der Ostspitze kaum in halber Pistolenschussweite vorüber kamen. Im Innern der Ausbuchtung ging ich bei dreiundeinhalb Faden Wasser und felsigem Grunde eine halbe Kabellänge vom Ufer vor Anker. Die „ASTROLABE“ hatte bei derselben Wassertiefe Anker geworfen. Während meiner dreißigjährigen Seereisen sah ich niemals zwei Schiffe in so gefahrdrohender Lage... Unsere Lage wäre nicht so besonders beunruhigend gewesen, wenn wir nicht auf einem felsigen Boden, der sich auch nach allen Seiten mehrere Kabellängen weit ausdehnte, geankert hätten, was dem Bericht Flassen's und Boutervillier's allerdings völlig widerspricht. Da war aber keine Zeit zu Überlegungen, es handelte sich nur darum, diesen gefährlichen Grund möglichst bald zu verlassen, wobei die kräftige Strömung nicht wenig Hindernisse bot...“

Lapérouse gelang das endlich, dank seiner geschickten Schiffsführung.

Kaum in die Bai eingelaufen, wurden die Schiffe übrigens von zahlreichen, mit Wilden bemannten Piroggen umringt. Von allen Tauschgegenständen, die man ihnen für Fische, Otter- und andere Felle anbot, gaben dieselben dem Eisen den Vorzug. Die Anzahl der Eingeborenen nahm mit jedem Tage zu und wurde endlich, wenn auch nicht gefährlich, doch ziemlich unbequem.

Lapérouse hatte auf einer Insel der Bai ein Observatorium errichtet und Zelte für die Segelmacher und die Schmiede aufschlagen lassen.

 

Trotz der sorgfältigsten Bewachung gelang es einigen Eingeborenen, welche wie Schlangen auf dem Bauche herankrochen und dabei kaum ein Blättchen in Bewegung setzten, doch, uns verschiedene Gegenstände zu stehlen. Zuletzt wurden sie so kühn, während der Nacht in das Zelt einzudringen, in dem de Lauriston und Darbaud als Wächter des Observatoriums schliefen, wobei sie eine mit Silber beschlagene Flinte und die Kleidungsstücke dieser beiden Offiziere raubten, welche dieselben aus Vorsicht unter ihrem Kopfkissen verborgen hatten. Ein Wachposten von zwölf Mann bemerkte weder die Diebe, noch wachten die beiden Offiziere aus dem Schlafe auf.“

Die für den Aufenthalt in dem „Hafen der Franzosen“ bestimmte Zeit neigte sich inzwischen zu Ende. Die Sondierungsarbeiten, Küstenaufnahmen, Plänezeichnungen und astronomischen Beobachtungen waren nahezu fertig. Vor der definitiven Abfahrt wollte Lapérouse indes auch den Grund der Bai genau in Augenschein nehmen. Er vermutete daselbst die Ausmündung eines größeren Flusses, der es ihm gestatten würde, in das Innere des Landes vorzudringen. Am Ende der Sackgasse, in die er sich hineinwagte, traf Lapérouse indes nichts als ausgedehnte Gletschermassen, welche bis zum Gipfel des Berges Beau-Temps hinauf reichten.

Bisher hatte die Expedition weder ein Unfall betroffen noch Krankheit bedroht.

„Wir sahen uns selbst“, sagt Lapérouse, „für die glücklichsten Seefahrer an, die so weit von Europa weggekommen waren, ohne einen einzigen Kranken, einen einzigen Fall von Skorbut zu haben. Gerade da sollte uns jedoch ein größeres und völlig unerwartetes Unglück treffen.“

Auf der von Monneron und Bernizet entworfenen Karte des Hafens der Franzosen waren nur noch die Ergebnisse der Sondierungen nachzutragen, womit mehrere Offiziere betraut wurden. Unter dem Befehl d'Escures', de Marchainville's und Boutins liefen zu diesem Zwecke drei Boote aus. Lapérouse, der vorzüglich d'Escures' waghalsigen Übereifer schon von früher her kannte, empfahl denselben noch besonders, stets mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und die Sondierungen der Einfahrt nur dann vorzunehmen, wenn das Meer daselbst nicht heftiger brandete.

Um sechs Uhr morgens stießen die Boote ab, allem Anschein nach mehr zu einer Spazierfahrt als zu dienstlichen Zwecken, wobei man unter lauschigen Bäumen zu jagen und zu frühstücken hoffte.

„Um zehn Uhr vormittags“, sagt Lapérouse, „sah ich unser kleinstes Boot zurückkehren. Etwas erstaunt, weil ich es so zeitig nicht erwartete, fragte ich Boutin, noch bevor er an Bord stieg, ob etwas Neues vorgefallen sei. Ich befürchtete zuerst einen Überfall der Wilden. Boutins Gesichtsausdruck schien mir auch nichts Gutes zu versprechen, denn seine Züge waren von Schmerz entstellt.

„Er berichtete mir über einen schrecklichen Schiffbruch, dessen Zeuge er gewesen und dem er nur selbst entgangen war, weil er Überlegung genug behielt, gegenüber der drohenden Gefahr keinerlei Vorsichtsmaßregeln außer Acht zu lassen. Während er nämlich dem ersten Führer folgte, geriet er mitten in die Brandung an der Einfahrt, durch welche bei der Ebbe das Wasser mit der Schnelligkeit von drei bis vier Meilen in der Stunde hinausströmte. Da fiel es ihm ein, sein Boot, um es vor dem Eindringen der Wellen zu schützen, umdrehen zu lassen, wobei ihn die Strömung immer rückwärts trieb, während er den Wogen das Vorderteil zukehrte.

„Bald sah er die Brandung vor sich und befand sich also im offenen Meere, während von den anderen Booten nichts zu sehen war. Mehr auf die Rettung seiner Kameraden als auf seine eigene Bedacht nehmend, wagte er sich noch einmal in die Brandung, um vielleicht jemand retten zu können. Trotz redlichsten Bemühens wurde er jedoch von dem Ebbestrom zurückgetrieben. Er stieg sogar auf die Schultern eines Matrosen, um eine größere Fläche übersehen zu können – vergeblich, alles war verschlungen worden – Boutin kehrte in der Zwischenzeit zwischen Ebbe und Flut bei ruhigem Wasser zurück.

„Da der Seegang weniger hoch war, hegte der Offizier noch immer einige Hoffnung für das biscaysche Boot der „ASTROLABE“, da er nur das unsrige hatte untergehen sehen. De Marchainville befand sich zur Zeit des Unglücks nur eine Viertelmeile von der betreffenden Stelle entfernt, in ebenso ruhigem Wasser wie in dem besten Hafen; der junge Offizier eilte, getrieben durch einen etwas unklugen Edelmut, da eine Hilfeleistung unter den gegebenen Umständen ganz unmöglich war, ohne der Gefahr zu achten, dem anderen Boote nach, drang in die furchtbare Brandung ein und kam darin, ein Opfer seines Mutes und des Ungehorsams gegen die Befehle des Chefs, ebenfalls ums Leben.

„Bald erschien dann de Langle bei mir an Bord, vom Schmerz ebenso überwältigt als ich selbst, und berichtete mit tränenden Augen, dass das Unglück noch weit größer wäre, als ich glaubte. Seit der Abfahrt hatte er es sich zum unverletzlichen Gesetz gemacht, die beiden Brüder La Borde-Marchainville und La Borde-Boutervilliers, niemals gleichzeitig zu einem Dienste zu verwenden, und nur bei dieser Gelegenheit ihrem Wunsche nachgegeben, zusammen fahren und jagen zu dürfen, denn wir alle sahen den Ausflug der Boote mehr als eine Spazierfahrt an, bei der jene so sicher wären, wie bei schönem Wetter im Hafen von Brest.“

Sofort wurden andere Boote zur Aufsuchung der Schiffbrüchigen ausgesendet und den Eingeborenen Belohnungen versprochen, wenn es ihnen gelänge, einen oder den anderen zu retten; mit der Rückkehr dieser Schaluppen schwand auch die letzte Hoffnung... Alle hatten einen jämmerlichen Tod gefunden.

Achtzehn Tage nach dieser Katastrophe verließen die Fregatten den Hafen der Franzosen. In der Mitte der Bai, auf der Insel, welche aus jener Veranlassung den Namen des „Cenotaphiums“ erhielt, ließ Lapérouse noch ein Denkmal zur Erinnerung an die Verunglückten errichten.

Auf demselben las man folgende Inschrift:

„Am Eingange zu diesem Hafen kamen einundzwanzig brave Seeleute um!

Wer ihr auch seid, mischt eure Tränen mit den unseren.“

Am Fuße des Monumentes wurde eine Flasche mit dem Berichte über das traurige Ereignis eingegraben.

Der Hafen der Franzosen, gelegen unter 58° 37' nördlicher Breite und 139° 50' westlicher Länge, bietet unleugbare Vorteile, freilich auch sehr bedeutende Schwierigkeiten, wozu vorzüglich die starke Strömung im Fahrwasser desselben zu zählen ist.

Das Klima ist weit milder als das in der unter gleicher Breite gelegenen Hudsons-Bai; auch die Vegetation entwickelt sich hier weit üppiger. Fichten von sechs Fuß Durchmesser und hundertvierzig Fuß Höhe sind hier keine Seltenheiten; Sellerie, Sauerampfer, verschiedene Bohnen, wilde Erbsen, Wegwart und Rachenblumen findet man allerwegen neben einer großen Menge Gemüsepflanzen, welche zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft nicht wenig beitrugen.

Das Meer lieferte Lachse, Forellen, Zwergdorsche und Schollen in Überfluss.

In den Wäldern der Nachbarschaft hausen braune und schwarze Bären, Luchse, Hermeline, Marder, Fehs, Eichhörnchen, Biber, Murmeltiere, Füchse, Elenntiere und Steinböcke; das kostbarste Pelzwerk stammt von den Seeottern, den Seewölfen und Seebären.

„Wenn diese Gegend“, sagt Lapérouse, „bezüglich des Pflanzen- und Tierreiches auch nicht allein steht, so bietet sie doch gewiss einen Anblick ohne Gleichen und ich glaube kaum, dass die tiefen Täler der Alpen oder Pyrenäen ebenso großartige und pittoreske Bilder aufzuweisen haben; ja, sie verdiente gewiss den Besuch aller Naturfreunde, wenn sie nur nicht am äußersten Ende der Erde läge.“

Lapérouse's Aufzeichnungen über die Eingeborenen verdienen gleichfalls der Vergessenheit entrissen zu werden.

„In ihren Piroggen schwärmten stets Indianer um unsere Fregatten herum; sie ruderten meist zwei bis drei Stunden hier- und dorthin, bevor sie sich zum Verkauf einiger Fische oder weniger Otternfelle entschlossen; dabei ergriffen sie jede Gelegenheit, uns zu bestehlen; jedes Stück Eisen, welches nicht gar zu sehr befestigt war, rissen sie los und suchten unsere Aufmerksamkeit auf jede Weise zu täuschen. Ich ließ die hervorragenderen Persönlichkeiten derselben zu mir an Bord kommen und überhäufte sie mit Geschenken; dieselben Leute aber, die ich mit solcher Auszeichnung behandelte, schämten sich nicht, einen Nagel oder ein altes Beinkleid zu stehlen. Wenn sie einen heiteren und freundlichen Gesichtsausdruck annahmen, konnte ich sicher sein, dass sie sich heimlich etwas angeeignet hatten, und häufig stellte ich mich absichtlich, als habe ich nichts bemerkt.“

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