Buch lesen: «Schatzkiste der Simple Things»
Schatzkiste der
SimpleThings
Eine Sammlung erlebnisorientierterAktivitäten mit Alltagsmaterial
Jule Hildmann
In Zusammenarbeit mit Claudia Seuffert
Illustrationen von Claudia Herbig
Dieser Titel ist auch als Printausgabe erhältlich
ISBN 978-3-944 708-52-2
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ISBN 978-3-944 708-53-9 (eBook)
Verlag: | ZIEL – Zentrum für interdisziplinäres erfahrungsorientiertes Lernen GmbH Zeuggasse 7– 9, 86150 Augsburg, www.ziel-verlag.de 1. Auflage 2017 |
Grafik und Layoutgestaltung: | Friends Media Group GmbH Zeuggasse 7, 86150 Augsburg |
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
SimpleThings – Wieso, weshalb, warum?
Was macht dieses Buch so wertvoll?
Quellennachweise und Würdigung
Einführung ins Buch
Das Leben kann so einfach sein! Ein Plädoyer für die Einfachheit
SimpleThings – Erlebnispädagogik mit Alltagsmaterial
Gebrauchsanweisung – unbedingt lesen!
Buchkapitel und „Schnellsuchfunktion“
Teil 1: Naturnahe Räume
Teil 2: Städtische Räume
Qualitätsmerkmale für gute Erlebnispädagogik
Erlebnispädagogik ist in erster Linie Pädagogik
Ziel- und Prozessorientierung
Erlebnispädagogische Veranstaltungen sinnvoll aufbauen
Trainerkompetenzen
Sicherheits- und Notfallmanagement
Teil 1: Naturnahe Räume
Park und Wiese
Park und Wiese
Einleitung
Spezielle Lernziele
Sicherheit und Rechtliches
Literaturempfehlung
Wiesenfenster
Der längste Grashalm
Flugsimulator
7 up
Papierthron
Flitzebogen blind
Stocktanz
Kopfüber kopfunter
Lobbyarbeit
Frösche und Schlangen
Wald
Wald
Einleitung
Spezielle Lernziele
Sicherheit und Rechtliches
Literaturempfehlung
Spaziergang in drei Schritten
Wer bin ich?
Frühstück am Baum
Gleich und gleich gesellt sich gern
Puzzlebaum
Blätterrennen
Team-Mobile
Dr. Baum
Knörzchens großer Tag
Mein Ich-Baum
Nacht
Nacht
Einleitung
Spezielle Lernziele
Sicherheit und Rechtliches
Literaturempfehlung
Alle, die …
Beleuchtet
Diamantenraub
Taschenlampenschnitzeljagd
Kerzenlöschen
Stille bei Nacht
Lichtmorsen
Kreaturen der Nacht
Personenraten
Hänsel und Gretel
Teil 2: Städtische Räume
Innenstadt
Innenstadt
Einleitung
Spezielle Lernziele
Sicherheit und Rechtliches
Literaturempfehlung
Lächeln zu verschenken
Müll-Sinfonie/Trash Symphony
Fußgängerbrücke
Allein unter Menschen
Versandhaus
Sozialportrait
Naturkunst in der Stadt – Urban LandArt
Gezielt verirren
Blinde Kuh
Flash Mob
Seminar- und Gruppenräume
Seminar- und Gruppenräume
Einleitung
Spezielle Lernziele
Sicherheit und Rechtliches
Literaturempfehlung
Flucht aus dem Haus des Riesen
Stuhlmikado
Papier, Bleistift, Spitzer
Wechselbahnhof
Stuhlkreisel
Zeitungsmärchen
Lava-Latschen
Katz und Maus
Flip-Chart Flip
Kartendeck
Turnhalle
Turnhalle
Einleitung
Spezielle Lernziele
Sicherheit und Rechtliches
Literaturempfehlung
Schatzkästchen
Abenteuerland
Sprung aus dem Weltraum
Dschungelbrücke
Plötzliche Landung
Schlomp AG – die Bewegungsfabrik
Berufsverkehr
Ritterburgen
Plutoniumübergabe
Gefangenenausbruch
Schnellsuchfunktion
Übersicht der Aktivitäten
Literaturverzeichnis
Die Autorin
Vorwort
Erlebnispädagogik ist vielseitig, lehrreich und macht Spaß! Was will man mehr. Der einzige Nachteil am erlebnispädagogischen Arbeiten ist, dass man für viele der tollen Aktivitäten aufwendiges fachliches Equipment und strenge Qualifikationen braucht: Kanu fahren, klettern, rafting, Wildniscamps … Material und Fortbildungen kosten leider Geld, und das steht eben nicht allen Pädagogen gleichermaßen zur Verfügung.
SimpleThings – wieso, weshalb, warum?
Meine Kollegen und ich arbeiten seit Jahren in der Prozessbegleitung von Einzelpersonen und Teams mit verschiedenen fachsportlichen und anderen Methoden. Nach und nach wurden wir auch für Fortbildungen angefragt und bilden seit 2008 Erlebnispädagogen grundständig aus. Dabei wurde zunehmend deutlich, dass ein großer Bedarf an Ideen und Übungen besteht, die man auch ohne großen Material- und Kostenaufwand durchführen kann. Ca. 2007 entstand im Rahmen meiner Promotion daher das Konzept der SimpleThings – Erlebnispädagogik mit Alltagsmaterial. Inzwischen weitaus gereifter und vielfach erprobt umfasst dieses Buch eine Auswahl erlebnisorientierter Angebote, für die nicht mehr benötigt wird, als leicht zu besorgende Gegenstände des Alltags und das, was die Teilnehmer1 zufällig bei sich haben oder um sich herum finden. Die Vorteile daraus sind einleuchtend:
Hohe Mobilität und verhältnismäßig schnelle Vorbereitung.
Geringe Kosten.
Die Pädagogen/Trainer können mit leichtem Gepäck anreisen.
Große Flexibilität und Variationsmöglichkeiten.
Ein scheinbarer Nachteil ist, dass Alltagsmaterial weniger abenteuerlich wirkt als ein Berg von Outdoor Equipment. Dieser Eindruck täuscht allerdings. Erstens hängt die Präsentation der Aktivität sowie der Hilfsmittel vom Trainer ab. Ein wenig Geschick in der Moderation und Gruppenleitung, z.B. mit Rahmengeschichten oder einem guten Spannungsaufbau können auch den blanken Fuß- oder Waldboden in ein packendes Szenario verwandeln.
Und zweitens haben wir vielfach beobachtet, wie der adrenalinreiche Wow-Effekt eines Hochseilgartens oder die körperliche Anstrengung einer Mountainbike-Tour ein Erlebnis stark dominieren kann. Dagegen können schlichte und scheinbar unspektakuläre Aufgaben ganz empfindliche und versteckte Themen aufdecken, um die es in Trainings für Schlüsselqualifikationen und Teamentwicklung ja oft geht. Denn einfach (simple) heißt keinesfalls banal! Ideal ist, wenn die Aufgabenstellung und das Material möglichst einfach sind, die Lösungsfindung dagegen eine anspruchsvolle und reizvolle Herausforderung.
Was macht dieses Buch so wertvoll?
Gedruckte und online verfügbare Auflistungen von Übungen gibt es viele. Mehr als genug, wie ich finde. Was dieses Buch dagegen bietet, konzentriert sich wirklich auf das, was wenig kostet und schnell zu beschaffen ist, bzw. idealerweise sogar vor Ort frei zugänglich ist. Zudem führt die Unterteilung in Handlungsräume dazu, dass Sie schnell eine ganze Reihe von Aktivitäten finden können, die sich für die Räumlichkeiten eignen, die Ihnen speziell zur Verfügung stehen. Die Übersicht am Ende des Buches soll dies zusätzlich erleichtern.
Quellennachweise und Würdigung
Die Übungen und Gedanken, die hier zusammen getragen sind, stammen nur zum Teil von mir. Mehrere wertvolle Quellen sind hier ausdrücklich zu nennen und zu würdigen.
Allen voran geht ein großer Dank an Claudia Seuffert vom Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg (CEP), die eine Phase lang an der Entstehung dieses Buches maßgeblich beteiligt war, und z.B. mit dem Kapitel „Nacht“ einen zentralen Beitrag geleistet hat. Auch im Kapitel „Wald“ und an anderen Stellen sind wertvolle Erfahrungen und Ideen von ihr eingeflossen. Die Einteilung der Kapitel in Handlungsräume entstand ebenfalls in Zusammenarbeit mit ihr. Mein ausdrücklicher Dank hierfür.
Unseren langjährigen Kollegen Annekatrin Vogler, Holger Haug, Carsten Waider und Florian Fries vom Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg (CEP) sei ein herzlicher Dank für die wertvolle Teamarbeit und die Bereitschaft zum Ausprobieren und Weiterentwickeln einiger der hier präsentierten Übungen. Aus dem CEP-Lehrtrainerteam stammt auch das Wellenmodel, das in der Einleitung verkürzt vorgestellt wird.
Die restlichen Übungen wurden in SimpleThings-Seminaren und/oder von mir entwickelt, oder stammen aus nicht mehr ganz nachzuvollziehenden Quellen. Soweit sie uns bekannt waren, sind fremde Quellen am Ende einer Übung angegeben. Wie bei den meisten Trainern basiert allerdings vieles in unserem Methodenkoffer auf Erfahrungen, die man als Teilnehmer oder Trainer über die Jahre hinweg irgendwo miterlebt, sich aneignet, und die wir dann nach unseren eigenen Neigungen verändern und weiter entwickeln. Ein Quellennachweis ist also oft schwierig, und wir bitten dafür um Verständnis.
Abschließend sind noch drei Menschen zu würdigen, die ebenfalls einen maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung und Qualität dieses Buches hatten: Claudia Herbig, die die großartigen Illustrationen gezaubert hat, welche die folgenden Kapitel zieren und die beschriebenen Aktivitäten zu erklären helfen. Heike Hildmann, die die Texte immer wieder einer konstruktiv kritischen Korrektur unterzogen hat, und sie dadurch sprachlich und inhaltlich immens aufgewertet hat. Und Werner Michl, der mir mit warmen, warnenden und beratenden Worten auch für dieses Projekt ein unschätzbarer Mentor war. Euch gilt mein herzlicher Dank!
Viel Freude beim Lesen und praktisch Anwenden!
Jule Hildmann
1 = Lediglich damit es sich leichter lesen lässt, wird in diesem Buch grundsätzlich die männliche Form verwendet. Weibliche Teilnehmerinnen, Trainerinnen und ich selbst sind dabei stets mit eingeschlossen.
Einführung ins Buch
Das Leben kann so einfach sein! Ein Plädoyer für die Einfachheit.
Das Ende der großen Materialschlachten ist eingeläutet! Der Minivan mit Seilkisten und Gurtzeug für erlebnispädagogische Veranstaltungen kann zu Hause bleiben und die Trainer können bequem und umweltfreundlich mit einer überschaubaren Reisetasche und der Bahn anreisen. Eine Anregung dessen, was in dieser Reisetasche – wahlweise auch Roll- oder Moderationskoffer im Baukastenprinzip – enthalten sein könnte, ist in Abb. 1 dargestellt. Solche und ähnliche, einfach zu beschaffende Gegenstände reichen aus, um die hier vorgestellten Übungen zu ermöglichen. Und zumindest einiges davon sollte auch am jeweiligen Handlungsort vorhanden sein, so dass es nicht einmal eingepackt werden muss.
Abb. 1: Solche einfachen Gegenstände – und das, was am jeweiligen Ort verfügbar ist – benötigen wir für die Aktivitäten in diesem Buch. Mehr nicht!
Das Leben kann bzw. sollte auch insofern einfach sein, weil großer (Material)Aufwand tieferen Entwicklungsprozessen sogar im Wege stehen kann. In der Praxis mit verschiedenen Zielgruppen lassen sich action-intensive Sportangebote mit solchen vergleichen, die auf den ersten Blick deutlich weniger reizvoll wirken, wie etwa Achtsamkeitsübungen und Kommunikationsaufgaben mit einfachem Arbeitsmaterial. Die Adrenalinausschüttung und Geschwindigkeit, Lautstärke und Bewegungsintensität bei Abenteuer-Aktivitäten vermag zwar nachhaltige und besonders eindrückliche Erlebnisse schaffen. In erster Linie beziehen sich diese allerdings meist auf körperliche Grenzerfahrungen (z.B. Höhe beim Klettern) und Wow-Effekte. Je minimalistischer – und manchmal, aber nicht immer, ruhiger – eine Aktivität dagegen ist, umso weniger Ablenkungen gibt es für die Teilnehmer, und die Auseinandersetzung mit sich selbst und den anderen Gruppenmitgliedern rückt deutlich in den Vordergrund. Hier entsteht in der Regel viel schneller und zuverlässiger der geschützte Rahmen, in dem tiefer liegende Bedürfnisse, Erlebens- und Deutungsprozesse aufgedeckt und wachstumsorientiert bearbeitet werden können. Welches davon später mehr als „Erlebnis“ erinnert wird, ist zum Teil erstaunlich. Denn nicht selten sind es diese letzteren Momente und Erfahrungen, die von den Teilnehmern als besonders einprägsam und nachhaltig rückgemeldet werden. Dieses Wissen können wir bei der Gestaltung von Programmen gezielt nutzen.
SimpleThings – Erlebnispädagogik mit Alltagsmaterial
Diese aufkommende Erkenntnis war einer der zentralen Motoren, die zur Entwicklung des SimpleThings-Konzepts geführt hat. Der andere war der wachsende Wunsch von Lehrern, Jugendarbeitern und anderen finanziell eher schwachen Anbietern, mit ihren Zielgruppen erlebnispädagogisch zu arbeiten. Solange dafür ein kostspieliger Materialaufwand und umfassende Fachsportqualifikationen erforderlich waren, waren viele Anbieter automatisch von diesem erfolgreichen pädagogischen Ansatz ausgeschlossen. Daher begann die Suche und aktive Entwicklung von Aktivitäten, die erlebnispädagogische Grundprinzipien und Ziele verfolgen, und die man mit einfachsten Mitteln aus dem Hut zaubern kann (vgl. Hildmann, 2015). Als Alltagsmaterial gelten dabei alle Dinge und ggf. Besonderheiten, die an einem vor Ort ohne Weiteres verfügbar sind. Dass dies in einem Schulungsraum anderes umfasst als in einer Fußgängerzone oder im Wald, erklärt sich von selbst und ist durchaus beabsichtigt. Es geht also darum, die vorhandenen Ressourcen zunächst einmal wahrzunehmen und dann kreativ zu nutzen.
Über die Jahre hinweg habe ich dieses Konzept erheblich weiterentwickelt, so dass inzwischen nicht nur Kooperationsaufgaben darunter gefasst sind, sondern alle möglichen Aspekte prozessorientierter Erlebnispädagogik, wie z.B. die Gestaltung fließender Übergänge zwischen einzelnen Übungen, Auswertungsmethoden, die Entwicklung von Metaphern und Rahmengeschichten, ein leicht verständliches Sicherheitskonzept, u.v.A.m. Diese sind z.T. an anderen Stellen veröffentlicht (Hildmann, vorr. 2017), und werden in Fortbildungen und einer Ausbildung am Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg vermittelt.
Gebrauchsanweisung – unbedingt lesen!
Dieses Buch soll ein schnell und einfach zu nutzendes Nachschlagewerk für Trainer und Pädagogen sein, die bereits Sicherheit haben in der Durchführung und Auswertung erlebnispädagogischer Angebote. Die Übungsbeschreibungen selbst sind auf einige zentrale Punkte beschränkt und thematisch wie optisch durchstrukturiert. Genaueres dazu siehe im nächsten Abschnitt. Dies soll das Nachschlagen und Anwenden einzelner Aktivitäten erleichtern.
Gleichzeitig erfordert es vom Leser und Anleiter einiges an Kompetenzen, auf die hier ausdrücklich hingewiesen seien (s. u., Abschnitt Qualitätsmerkmale für gute Erlebnispädagogik). Da das Verständnis von Erlebnispädagogik in der Fach- und Laienwelt sehr vielfältige Ausformungen annimmt, sind zudem einige zentrale Aspekte ausgeführt, die aus meiner Sicht entscheidende Kriterien für „gute“ Erlebnispädagogik sind – im Sinne von verantwortungs- und wirkungsvoll.
Buchkapitel und „Schnellsuchfunktion“
Sicher gäbe es viele sinnvolle Unterteilungen für die Übungen in diesem Buch. In Zusammenarbeit mit Claudia Seuffert entstand letztlich die Entscheidung, sie in Handlungsräume zu untergliedern, die den meisten Trainern und Pädagogen ohne großen organisatorischen Aufwand zur Verfügung stehen. Auf diese Weise können Sie gezielt zu der Räumlichkeit blättern, in der Sie vorhaben sich mit Ihrer Gruppe aufzuhalten, und einzelne Übungen oder ganze Übungssequenzen entnehmen. Die Nacht verstehen wir dabei übrigens ebenfalls als – genialen, da zuverlässigen und kostenfreien – Handlungsraum, nur eben nicht im herkömmlichen Sinne.
Ein paar grundsätzliche Informationen zu den einzelnen Räumen sind hier in der Einleitung zu finden, speziellere Infos und Hinweise sind jeweils am Anfang eines Kapitels aufgeführt.
Viele der Übungen lassen sich allerdings auch – mit zum Teil kleinen Abwandlungen – an anderen Orten durchführen. Die Einteilung in Handlungsräume ist lediglich eine Hilfsfunktion, kein Gesetz. Daher ist am Ende dieses Buches eine tabellarische Übersicht als Schnellsuchfunktion eingefügt, in der die Übungen nach verschiedenen Kriterien sortiert sind.
Teil I: Naturnahe Räume
Natur ist ein dehnbarer Begriff. Ist nur die Wildnis Natur? Oder alle Pflanzen und Tiere? Was ist mit angelegten Landschaften und Gewässern? Und der Mensch, in wie weit sind wir Natur?! Dies sind spannende und wichtige Fragen. Allerdings haben andere darüber bereits ausführlich diskutiert, und unser Hauptziel ist hier weder philosophisch noch wissenschaftlich zu sein, sondern rein praxisorientiert. In diesem Buch bezeichnet „Natur“ daher solche Räume, in denen Pflanzen, Erde, Steine etc. vorhanden sind, als Arbeitsmaterial, als Bewegungsraum und zur Interaktion (hoppla, doch philosophisch). Dazu gehören natürlich Wald, Wiese und Felder genauso wie Bachläufe und andere Gewässer, Feldränder, bis hin zu angelegten Parks, und städtischen Grünflächen. Und genau bei letzteren wird die Abgrenzung zu den anderen Kapiteln mitunter fließend. Hier kann wie gesagt die Schnellsuchfunktion am Ende des Buches einen Überblick bieten, welche Übungen sich für welche Orte eignen. Auch die Nacht wird hier als naturnaher Raum verstanden.
Teil II: Städtische Räume
Unter diesem Thema sind Räume zusammen gefasst, die mehr oder weniger stark von Zivilisation und menschlicher Bebauung beeinflusst sind. So gehören hierhin Seminar- und Gruppenräume, ebenso wie die Turnhalle oder allgemein eine bebaute und belebte Innenstadt.
Qualitätsmerkmale für gute Erlebnispädagogik
Wie einleitend bereits gesagt, ist dieses Buch als einfach zu nutzendes Nachschlagewerk für erfahrene Trainer und Pädagogen gedacht, die bereits Sicherheit haben in der Durchführung und Auswertung erlebnispädagogischer Aktivitäten. Die Erläuterungen zu den hier vorgestellten Übungen sind bewusst knapp und übersichtlich gehalten, um den Leser nicht mit einer Flut von Texten und Hinweisen abzuschrecken. Dies bedeutet allerdings auch, dass viele kleine Aspekte nur angedeutet sind oder gänzlich in den Händen der Anwender liegen.
Um einem hohen Qualitätsanspruch gerecht zu werden, sind im Folgenden einige Aspekte ausgeführt, die hoffentlich jeder Leser als Grundlagen guter erlebnispädagogischer Arbeit kennt. Sie sind erforderlich, um die vorgestellten Übungen ziel- und zielgruppenorientiert, sicher und wachstumsorientiert durchzuführen. Die dahinter stehende Fachliteratur mit Gedankenmodellen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, etc. ist im Literaturverzeichnis an Ende des Buches enthalten.
Erlebnispädagogik ist in erster Linie Pädagogik
Das Erlebnis ist in der Erlebnispädagogik der zentrale Lernträger. Klettern, Rafting, und andere Natursportarten können allerdings nur dann als erlebnispädagogische Medien gelten, wenn sie bewusst ausgewählt und durchgeführt werden, um pädagogische Lernziele zu fördern. Einen Hochseilgarten zu besuchen, weil es Spaß macht und eine tolle sportliche Aktivität ist, ist absolut berechtigt und als individuelles oder Gruppenerlebnis auch gut nachvollziehbar. Erlebnispädagogische Arbeit ist es deshalb noch lange nicht! Da Erlebnispädagogik erfolgreich und beliebt ist, wird die Bezeichnung gerne als werbeträchtiges Label verwendet oder gar missbraucht, um auch rein kommerzielle Angebote zu vermarkten. Auf den daraus resultierenden Imageschaden für alle seriösen Anbieter möchten sei an dieser Stelle nur hingewiesen. Sie Sind als Leser zu kritischen Blicken aufgefordert, wenn sie sich – in welcher Funktion auch immer – auf dem erlebnispädagogischen Markt bewegen.
Ziel- und Prozessorientierung
Lernprozesse lassen sich weder garantieren noch berechnen. Individuen – und Gruppen von Individuen noch einmal mehr – lassen sich in ihren Reaktionen auf spezielle Situationen nicht eindeutig vorhersagen. Mit einem wachsenden Erfahrungsschatz und damit geschulter professioneller Intuition bekommt man als Trainer ein zunehmend sicheres Gefühl dafür, geeignete Herausforderungen und Übungen anzubieten, die die Teilnehmer in Richtung ihrer gesetzten Lernziele voran bringen. Wenn wir in Bezug auf diese Lernziele nicht sinnvoll begründen können, weswegen wir eine Aktivität durchführen, dann sollten wir lieber nach einer geeigneten Alternative suchen, um nicht wertvolle Zeit und Energie zu vergeuden.
Gleichzeitig stellt sich in dieser Nicht-fest-Planbarkeit auch die Frage, wer oder was im Programmablauf als Richtungsweiser gelten darf. Und noch einmal kommt die Intuition ins Spiel, diesmal gepaart mit Wahrnehmungsfiltern, die sich gezielt schulen lassen. Die Lernziele und Kernthemen, die im Vorfeld und zu Beginn einer Veranstaltung ermittelt wurden, sind nicht immer jene, die sich im Laufe einer Veranstaltung als die dringendsten herausstellen. Dies hängt meistens mit unaufgedeckten Kommunikationsmustern, verschiedenen Erwartungen oder Bedürfnissen und ähnlich eher Unbewusstem zusammen. Unsere Aufgabe ist es daher, ständig wachsam zu sein und mit sensiblen Antennen nach diesen heimlichen Themen zu horchen, da sie oft die Arbeit an den offiziellen Zielen behindern. Der Schlüssel zur Wirksamkeit ist dabei, möglichst zügig vom oberflächlichen Eindruck in die darunter liegenden Bedürfnisse und Themen einzutauchen und solche stillen Schätze behutsam an die Oberfläche zu bringen.
Die ursprüngliche Zielvereinbarung mit dem Auftraggeber und den Teilnehmern ist dabei jedoch zu berücksichtigen, und ggf. muss eine erneute Auftragsklärung durch eine Gesprächsrunde, Punktbewertung oder auf andere Weise vorgenommen werden. Auch sollten sich die Trainer immer wieder kritisch hinterfragen, wo ihre eigenen Kompetenzen enden und ein offizieller oder geheimer Auftrag besser abgelehnt und ggf. an eine andere Form von Unterstützung (z.B. Teamsupervision, Einzelberatung) verwiesen werden sollte. Diese eigenen Grenzen zu erkennen und zu wahren, ist ein Zeichen von Professionalität.
Prozessorientierung bedeutet also anzuerkennen, dass Veränderung und Wachstum in Einzelpersonen und Gruppen nicht linear und zuverlässig planbar sind. Vielmehr sind sie bedingt vom Zusammenspiel bewusster und unbewusster, äußerer und innerer Einflussfaktoren. Prozessorientiert arbeitende Trainer schulen ihre Wahrnehmung hierauf und haben methodische Alternativen parat, die sie flexibel anwenden können. Als Trainer strukturieren und begleiten wir also die Veranstaltung, lassen uns aber inhaltlich davon leiten, wie die Gruppe sich und ihre Themen entwickelt.
Erlebnispädagogische Veranstaltungen sinnvoll aufbauen
Ganz willkürlich sind die Entwicklungsprozesse von Gruppen natürlich nicht. Je nachdem, ob wir mit einer neu zusammengesetzten oder bereits miteinander vertrauten Gruppe arbeiten, sind typische Phasen und Rhythmen zu erwarten, nach denen die Teilnehmer sich zusammenfinden, ihre Unterschiede aushandeln und ihre Energie zur Erreichung gemeinsamer Ziele kanalisieren. Ein klassisches und oft zitiertes Modell solcher Gruppenphasen ist das von Bruce Tuckman (Tuckman, 1965; Tuckman & Jensen, 2010; 1977) mit den Phasen Forming/Annäherung, Storming/Positionssuche, Norming/Organisation, Performing/ Realisierung und Adjourning/Ablösung (dt. Bezeichnungen von König & König, 2002, 142f.). Die Bedürfnisse der Personen in den jeweiligen Phasen bestimmen verschiedene Faktoren prozessorientierten Arbeitens, wie etwa das Maß, in dem die Leitung eher durch die Trainer oder die Gruppe erfolgt. Unsicherheiten der Teilnehmer am Anfang einer Maßnahme erfordern z.B. eine deutlich höhere Präsenz und Steuerung der Trainer als in einer Phase der Höchstleistung eines eingespielten Teams. Auch der Schwierigkeitsgrad der gestellten Herausforderungen und andere Aspekte werden hierdurch entscheidend mitbestimmt.
Diese typischen strukturellen Merkmale können und sollten bei der Konzeption und Planung einer erlebnispädagogischen Maßnahme berücksichtigt werden, und die Auswahl der Übungen und Aktivitäten entsprechend erfolgen. Das Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg hat dafür das Wellenmodell entwickelt (Abb. 2): In einer Einführungsphase werden Ziele, der Auftrag und ähnliches innerhalb der Gruppe ausgehandelt. In den folgenden Aktionsphasen I und II werden diverse Lernsituationen mit steigendem Anforderungsgrad und Zielorientierung geschaffen. Die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse werden dann gebündelt und münden in eine Phase des Ausblicks, die abschließende Schritte zur Transferunterstützung und – je nach Gruppenart – zur Gestaltung des Abschieds umfasst. Dieselben Schritte finden sich auf der Mikroebene auch innerhalb der einzelnen Lernszenarien (z.B. einer Kooperationsaufgabe).
Abb. 2: Das Wellenmodell (CEP 2016) zum Aufbau einer erlebnispädagogischen Maßnahme
Dieses Modell kann als grobe Richtlinie nicht für alle, aber doch viele Veranstaltungen dienen. Faktoren der Prozessbegleitung richten sich dabei grundsätzlich nach den typischen Bedürfnissen der Teilnehmer in den jeweiligen Gruppenphasen, müssen allerdings flexibel umgesetzt werden. Auf die Bedeutung der eigenständigen Vor- und Nachbereitung der Trainer für die Qualität der Veranstaltung wird hierin zudem hingewiesen. Weitere Details sind im Skript der Ausbildung nachzulesen (CEP 2016). Entscheidend bei der Anwendung dieses Modells und prozessorientierter Pädagogik allgemein ist, dass nicht einfach Kernaktivitäten (wie Kooperationsaufgaben oder Natursporteinheiten) aneinander gereiht werden. Um die Schätze im oben gezeichneten Bild an die Oberfläche zu holen und zu nutzen, sind Nachfragen, Metaphern, Auswertungs- und Transferunterstützende Maßnahmen von zentraler Bedeutung. Diese und andere Zwischen-den-Zeilen-Methoden zur Prozessbegleitung sind allerdings nicht Inhalt dieses Buches, sondern werden von den Autoren an anderen Stellen behandelt (Hildmann, vorr. 2017; Hildmann in review; Hildmann, 2015; Hildmann & Moseley, 2012; Busch, Hildmann, Steinicke & Trobisch, 2012; Hildmann & Seuffert, 2010).
Trainerkompetenzen
Dass der Trainer eine ganz zentrale Bedeutung im pädagogischen Prozess hat, ist einleuchtend. Wie vielseitig und vielschichtig dieser Einfluss – z.B. eben durch die diversen Anforderungen prozessorientierten Arbeitens – ist, wird allerdings oft zu wenig bedacht.
Stapelweise Fachbücher und -artikel stellen Anforderungsprofile für Erlebnispädagogen vor (König & König, 2002; Paffrath, 2013; Heckmair & Michl, 2004; BE, 2015a/b; Reiners, 1995; 2003; Martin, Cashel, Wagstaff, & Breunig, 2006; Shooter, Sibthorp, & Paisley, 2009; Priest & Gass, 2005). Worüber sich alle einig sind, ist, dass eine Kombination verschiedenartiger Kompetenzen erforderlich ist, um gute Erlebnispädagogik zu leisten. Dazu gehört, dass man neben den konkreten Aktivitäten, die durchgeführt werden sollen, auch allgemeine Methoden der Moderation und Gruppenleitung beherrscht. Weiterhin sind (Er-) Kenntnisse über oben genannte Gruppenprozesse und typische Themen in Gruppen erforderlich, und wie diese wachstumsorientiert begleitet werden können (siehe die Abschnitte Ziel- & Prozessorientierung und Sicherheits- und Notfallmanagement). Die Anwendung dieser Kompetenzen basiert auf einer ethischen Grundhaltung der Trainer, die von einem ressourcenorientierten Menschenbild und einem ganzheitlichen und systemischen Bildungsverständnis geprägt ist.
Obwohl es noch weitere Anforderungen an das Trainerprofil gibt, sei es jedem Leser ans Herz gelegt, sein Kompetenzspektrum kontinuierlich zu reflektieren und zu erweitern. Ein Bereich, der besonders von Anfängern oft hinten angestellt wird, ist der Ausbau solider Kompetenzen im Umgang mit Krisen- und Notfallsituationen.
Sicherheits- & Notfallmanagement
Es kann immer etwas schief gehen, egal wie gut wir ausgebildet und vorbereitet sind. Und sobald wir uns in die Natur bewegen, setzen wir uns von vorne herein einer Vielzahl an Risiken und Unsicherheiten aus. Das nehmen wir zwar in Kauf in der Erlebnispädagogik, in der es gezielt darum geht, Herausforderungen zu schaffen und bekannte, sichere Wege zu verlassen. Gleichzeitig haben wir jedoch auch eine Verantwortung für die psychische und körperliche Unversehrtheit unserer Teilnehmer. Diesen Spagat zu leisten, ist oft nicht einfach, wie die aktuelle Diskussion um Risiko und Wagnis demonstriert (z.B. Siebert, 2003; Gill, 2010; Leberman & Martin, 2003).
Ein ausgereiftes Sicherheits- und Notfallmanagement kann erstens viele Notfall- und Krisensituationen von vorne herein vermeiden, zweitens dafür sorgen, dass im Falle eines Notfalls schnell und kompetent gehandelt wird, und drittens für die Veranstalter und Trainer als wertvoller Schutz im Falle eines Rechtsstreits dienen.