Es war, als hätt' der Himmel die Erde still geküsst

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DER ARMEN SCHÖNHEIT LEBENSLAUF

Die arme Schönheit irrt auf Erden,

So lieblich Wetter draußen ist,

Möcht’ gern recht viel gesehen werden,

Weil jeder sie so freundlich grüßt.

Und wer die arme Schönheit schauet,

Sich wie auf großes Glück besinnt,

Die Seele fühlt sich recht erbauet,

Wie wenn der Frühling neu beginnt.

Da sieht sie viele schöne Knaben,

Die reiten unten durch den Wind,

Möcht’ manchen gern am Arme haben,

Ach, hüte dich, du armes Kind!

Da ziehn viel redliche Gesellen,

Die sagen: Hast nicht Geld, noch Haus,

Wir fürchten deine Augen helle,

Wir haben nichts zum Hochzeitsschmaus.

Von andern tut sie sich wegdrehen,

Weil keiner ihr so wohlgefällt,

Die müssen traurig weiter gehen,

Und zögen gern ans End’ der Welt.

Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,

Ich wünscht’, ich wäre lieber blind,

Da alle furchtsam von mir gehen,

Weil so gar schön mein’ Augen sind. –

Nun sitzt sie hoch auf schlichtem Schlosse,

In schöne Kleider putzt sie sich,

Die Fenster glühn, sie winkt vom Schlosse,

Die Sonne blinkt, das blendet dich.

Die Augen, die so furchtsam waren,

Die haben jetzt so freien Lauf,

Das Kränzlein ist fort aus den Haaren,

Und hohe Federn stehn darauf.

Das Kränzlein ist herausgerissen,

So ohne Scheu sie dich anlacht,

Sie wird dich süß und heimlich grüßen,

Lockt dich zu einer schönen Nacht.

Da sieht sie die Gesellen wieder,

Die fahren unten auf dem Fluß,

Es singen laut die lustgen Brüder,

So furchtbar schallt des Einen Gruß:

„Was bist du für ’ne schöne Leiche!

So wüste wird mir meine Brust.

Wie bist du nun so arm, du Reiche,

Ich hab’ an dir nicht weiter Lust!“

Der Wilde hat ihr so gefallen,

Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,

Vom Schloß möcht’ sie hinunterfallen,

Und unten ruhn im kühlen Fluß.

Sie blieb nicht länger mehr da oben,

Weil alles anders worden war,

Das Herz ist ihr so hoch erhoben,

Da wars so kalt und doch so klar.

Kein Stern wollt’ nicht die Nacht erhellen,

Da mußte die Verliebte gehn,

Es rauscht’ der Fluß, fern Hunde bellen,

Die Fenster still erleuchtet stehn.

Da legt sie ab die goldnen Spangen,

Den falschen Putz und Ziererei,

Aus dem verstockten Herzen drangen

Die alten Tränen wieder frei.

„Zu lieben und geliebt zu werden,

Ging ich bei schönem Wetter aus,

Jetzt liebt mich Keiner mehr auf Erden,

Jetzt ists so still, wär’ ich zu Haus!“

Nun bist du frei von allen Sünden,

Die Lieb’ zog triumphierend ein,

Du wirst noch hohe Gnade finden,

Die Seele geht im Hafen ein. –

Der Liebste war ein Jäger worden,

Der Morgen schien so rosenrot,

Da blies er lustig auf dem Horne,

Blies immerfort in seiner Not.

KLAGE

Ich hab manch Lied geschrieben,

Die Seele war voll Lust,

Von rechtem Tun und Lieben,

Das Beste, was ich wußt’.

Was mir das Herz bewogen,

Das sagte treu mein Mund,

Und das ist nicht erlogen

Was kommt aus Herzensgrund.

Liebchen wußt’s nicht zu deuten

Und lacht mir ins Gesicht,

Dreht’ sich zu andern Leuten

Und achtet’s weiter nicht.

Und spielt mit manchem Tropfe,

Weil ich so tief betrübt,

Mir ist so dumm im Kopfe,

Als wär’ ich nicht verliebt.

Ach Gott, wem soll ich trauen,

Will sie mich nicht verstehn,

Tun all’ so fremde schauen,

Und alles muß vergehn.

Und alles irrt zerstreuet,

Sie ist so schön und rot,

Ich hab’ nichts, was mich freuet,

Ach wär’ ich lieber tot!

LIED

In einem kühlen Grunde,

Da geht ein Mühlenrad,

Mein’ Liebste ist verschwunden,

Die dort gewohnet hat.

Sie hat mir Treu versprochen,

Gab mir ein’n Ring dabei,

Sie hat die Treu gebrochen,

Mein Ringlein sprang entzwei.

Ich möcht’ als Spielmann reisen

Weit in die Welt hinaus,

Und singen meine Weisen

Und gehn von Haus zu Haus.

Ich möcht’ als Reiter fliegen

Wohl in die blut’ge Schlacht,

Um stille Feuer liegen

Im Feld bei dunkler Nacht.

Hör’ ich das Mühlrad gehen,

Ich weiß nicht, was ich will,

Ich möcht’ am liebsten sterben,

Da wär’s auf einmal still.

HEIMKEHR

Sinds die Häuser, sinds die Gassen?

Ach, ich weiß nicht, wo ich bin,

Hab’ ein Liebchen hier gelassen,

Und manch Jahr ging seitdem hin.

Aus den Fenstern schöne Frauen

Sehn mir freundlich ins Gesicht,

Keine kann so frischlich schauen,

Als mein liebes Liebchen sicht.

An dem Hause pocht’ ich bange –

Doch die Fenster stehen leer,

Ausgezogen ist sie lange

Und es kennt mich Keiner mehr.

Und ringsum ein Rufen, Handeln,

Musikanten fiedeln drein,

Herrn und Damen gehn und wandeln

Zwischendurch in bunten Reihn.

Zierlich bücken, freundlich blicken,

Manches flücht’ge Liebeswort,

Händedrücken, heimlich Nicken –

Nimmt sie all der Strom mit fort.

Und mein Liebchen sah ich eben,

Traurig in dem lust’gen Schwarm,

Und ein schöner Herr daneben

Führt sie stolz und ernst am Arm.

Doch verblaßt war Mund und Wange,

Und gebrochen war ihr Blick,

Seltsam schaut’ sie, stumm und lange,

Lange noch auf mich zurück.

Und es endet Tag und Scherzen,

Durch die Gassen pfeift der Wind,

Keiner weiß, wie unsre Herzen

Wild von Schmerz zerrissen sind.

WALDESGESPRÄCH

Es ist schon spät, es ist schon kalt,

Was reit’st du einsam durch den Wald?

Der Wald ist groß, du bist allein,

Du schöne Braut, ich führ’ dich heim!

„Groß ist der Männer Trug und List,

Vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,

Wohl irrt das Waldhorn her und hin,

O flieh, Du weißt nicht wer ich bin!“

So reich geschmückt ist Roß und Weib,

So wunderschön der junge Leib,

Jetzt kenn’ ich dich – Gott steh mir bei!

Du bist die Hexe Lorelay.

„Du kennst mich wohl – vom hohen Stein

Schaut still mein Schloß in tiefen Rhein;

Es ist schon spät, es wird schon kalt,

Kommst nimmermehr aus diesem Wald!“

AN DIE DICHTER

Wo treues Wollen, redlich Streben

Und rechten Sinn der Rechte spürt,

Das muß die Seele ihm erheben,

Das hat mich jedesmal gerührt.

Das Reich des Glaubens ist geendet,

Zerstört die alte Herrlichkeit,

Die Schönheit weinend abgewendet,

So Götterlos ist unsre Zeit.

O Einfalt gut in frommen Herzen,

Du züchtge, schöne Gottesbraut!

Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,

Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.

Wo findst Du nun ein Haus, vertrieben,

Wo man Dir Deine Wunder läßt,

Das treue Tun, das schöne Lieben,

Des Lebens still unschuldig Fest?

Wo findst Du Deinen alten Garten,

Dein Spielzeug, wunderbares Kind,

Der Sterne heilge Redensarten,

Das Morgenrot, den blauen Wind?

Wie hat die Sonne schön geschienen,

Nun ist so müd’ und alt die Zeit,

Wie stehst so jung Du unter ihnen,

Wie wird mein Herz mir stark und weit!

Der Dichter kann nicht mit verarmen,

Wenn alles um ihn her zerfällt,

Hebt ihn ein göttliches Erbarmen,

Der Dichter ist das Herz der Welt.

Den dunklen Willen aller Wesen,

Im Irdischen die heilge Spur,

Soll er durch Liebeskraft erlösen,

Der schöne Liebling der Natur.

Drum hat ihm Gott das Wort gegeben,

Das schnell das Dunkelste benennt,

Den frommen Ernst im schönen Leben,

Die Freudigkeit, die keiner kennt.

Da soll er singen frei auf Erden,

In Lust und Not auf Gott vertraun,

Daß alle Herzen lustig werden

Und innerlichst sich still erbaun.

 

Der Ehre sei er recht zum Horte,

Der Sünde leucht’ er ins Gesicht,

Viel Wunderkraft ist in dem Worte,

Das hell aus reinem Herzen bricht.

Vor Eitelkeit soll er vor allen

Streng hüten sein unschuldges Herz,

In eitlem Witz sich nicht gefallen,

Das Höchste duldet keinen Scherz.

O laßt unedle Mühe fahren,

O spielt in Wortgeklinge nicht,

Nicht mit der Gnad’, die ihr erfahren,

Zur Sünde wird sonst das Gedicht.

Den lieben Gott laß in dir walten,

Aus frischer Brust nur treulich sing’,

Was wahr an dir, wird sich gestalten,

Das andre ist erbärmlich Ding. –

Den Morgen seh ich fröhlich scheinen,

Die Oder ziehn im grünen Grund,

Mir ist so wohl – die’s redlich meinen

Die grüß ich all’ aus Herzensgrund!

DIE FREUNDE
I.

Wer auf den Wogen schliefe

Ein sanft gewiegtes Kind,

Kennt nicht des Lebens Tiefe,

Vor süßem Träumen blind.

Doch wen die Stürme fassen

Zu wildem Tanz und Fest,

Hoch auf den dunklen Straßen

Die falsche Welt verläßt:

Der lernt sich wacker rühren,

Durch Nacht und Klippen hin

Lernt der das Steuer führen

Mit sichrem, ernsten Sinn.

Der ist vom echten Kerne,

Erprobt zu Lust und Pein,

Der glaubt an Gott und Sterne,

Der soll mein Schiffmann sein!

II.

An L.

Vor mir liegen Deine Zeilen,

Sind nicht Worte, Schriften nicht,

Pfeile, die verwundend heilen,

Freundes-Augen, treu und schlicht.

Niemals konnte so mich rühren

Noch der Liebsten Angesicht,

Wenn uns Augen süß verführen,

Und die Welt voll Glanz und Licht:

Als in Freundes-Augen lesen

Meiner eignen Seele Wort,

Fester Treue männlich Wesen,

In Betrübnis Trost und Hort.

So verschlingen in Gedanken

Sich zwei Stämme wundertreu,

Andre dran sich mutig ranken

Kron’ an Krone immer neu.

Prächt’ger Wald, wo’s kühl zu wohnen,

Stille wachsend Baum an Baum,

Mit den brüderlichen Kronen

Rauschend in dem Himmelsraum!

Es saß ein Mann

Es saß ein Mann gefangen

Auf einem hohen Turm,

Die Wetterfähnlein klangen

Gar seltsam in den Sturm.

Und draußen hört’ er ringen

Verworr’ner Ströme Gang,

Dazwischen Vöglein singen,

Und heller Waffen Klang.

Ein Liedlein scholl gar lustig:

Heisa, so lang Gott will!

Und wilder Menge Tosen,

Dann wieder totenstill.

So tausend Stimmen irren,

Wie Wind’ im Meere geh’n,

Sich teilen und verwirren,

Er konnte nichts versteh’n.

Doch spürt’ er, wer ihn grüße

Mit Schaudern und mit Lust,

Es rührt ihm wie ein Riese

Das Leben an die Brust.

GEISTESGRUSS

Nächtlich dehnen sich die Stunden,

Unschuld schläft in stiller Bucht,

Fernab ist die Welt verschwunden,

Die das Herz in Träumen sucht.

Und der Geist tritt auf die Zinne,

Und noch stiller wird’s umher,

Schauet mit dem starren Sinne

In das wesenlose Meer.

Wer ihn sah bei Wetterblicken

Steh’n in seiner Rüstung blank:

Den mag nimmermehr erquicken

Reichen Lebens frischer Drang. –

Fröhlich an den öden Mauern

Schweift der Morgensonne Blick,

Da versinkt das Bild mit Schauern

Einsam in sich selbst zurück.

DIE BRAUT

Wann die Bäume blüh’n und sprossen

Und die Lerche kehrt zurück,

Denkt die Seele der Genossen,

Fühlet fern’ und nahes Glück.

Selig Weinen sel’ger Herzen!

Wenn das Herz nichts weiter will,

Nicht weiß, ob es Lust, ob Schmerzen,

Aber fröhlich ist und still.

Frischer sich die Hügel kränzen,

Heitrer lacht das weite Blau,

Alle Blumen schöner glänzen

Durch des Auges süßen Tau.

Und soll denn das Lieben leiden,

Und, wer leidet, krank auch sein,

Ach, so will ich keine Freuden,

Und mag nicht gesund mehr sein!

Ach, von dem weichen Pfühle

Ach, von dem weichen Pfühle

Was treibt dich irr umher?

Bei meinem Saitenspiele

Schlafe, was willst du mehr?

Bei meinem Saitenspiele

Heben dich allzusehr

Die ewigen Gefühle;

Schlafe, was willst du mehr?

Die ewigen Gefühle,

Schnupfen und Husten schwer,

Ziehn durch die nächt’ge Kühle;

Schlafe, was willst du mehr?

Ziehn durch die nächt’ge Kühle

Mir den Verliebten her,

Hoch auf schwindlige Pfühle;

Schlafe, was willst du mehr?

Hoch auf schwindligem Pfühle

Zähle der Sterne Heer;

Und so dir das mißfiele:

Schlafe, was willst du mehr?

Die Welt ruht

Die Welt ruht still im Hafen,

Mein Liebchen, gute Nacht!

Wann Wald und Berge schlafen,

Treu’ Liebe einsam wacht.

Ich bin so wach und lustig,

Die Seele ist so licht,

Und eh’ ich liebt’, da wußt’ ich

Von solcher Freude nicht.

Ich fühl’ mich so befreiet

Von eitlem Trieb und Streit,

Nichts mehr das Herz zerstreuet

In seiner Fröhlichkeit.

Mir ist, als müßt’ ich singen

So recht aus tiefster Lust

Von wunderbaren Dingen,

Was niemand sonst bewußt.

O könnt’ ich alles sagen!

O wär’ ich recht geschickt!

So muß ich still ertragen,

Was mich so hoch beglückt.

DER KRANKE

Soll ich Dich denn nun verlassen,

Erde, heit’res Vaterhaus?

Herzlich Lieben, mutig Hassen,

Ist denn alles, alles aus?

Vor dem Fenster durch die Linden

Spielt es wie ein linder Gruß,

Lüfte, wollt ihr mir verkünden,

Daß ich bald hinunter muß? –

Liebe, ferne, blaue Hügel,

Stiller Fluß im Tales-Grün,

Ach, wie oft wünscht’ ich mir Flügel,

Über euch hinweg zu zieh’n!

Da sich jetzt die Flügel dehnen

Schaur’ ich in mich selbst zurück,

Und ein unbeschreiblich Sehnen

Zieht mich zu der Welt zurück.

GEBET

Gott, inbrünstig möcht’ ich beten,

Doch der Erde Bilder treten

Immer zwischen dich und mich,

Und die Seele muß mit Grauen

Wie in einen Abgrund schauen,

Strenger Gott, ich fürchte dich!

Ach, so brich auch meine Ketten!

Alle Menschen zu erretten,

Gingst du ja in bittern Tod.

Irrend an der Hölle Toren,

Ach, wie bald bin ich verloren,

Hilfst du nicht in meiner Not!

AUF DEM RHEIN

Kühle auf dem schönen Rheine,

Fuhren wir vereinte Brüder,

Tranken von dem goldnen Weine,

Singend gute deutsche Lieder.

Was uns dort erfüllt die Brust,

Sollen wir halten,

Niemals erkalten

Und vollbringen treu mit Lust!

Und so wollen wir uns teilen,

Eines Fels verschiedne Quellen,

Bleiben so auf hundert Meilen

Ewig redliche Gesellen!

Es waren zwei junge Grafen

Es waren zwei junge Grafen

Verliebt bis in den Tod,

Die konnten nicht ruh’n noch schlafen

Bis an den Morgen rot.

O trau’ den zwei Gesellen,

Mein Liebchen, nimmermehr,

Die geh’n wie Wind und Wellen,

Gott weiß: wohin, woher. –

Wir grüßen Land und Sterne

Mit wunderbarem Klang,

Und wer uns spürt von Ferne,

Dem wird so wohl und bang.

Wir haben wohl hienieden

Kein Haus an keinem Ort,

Es reisen die Gedanken

Zur Heimat ewig fort.

Wie eines Stromes Dringen

Geht unser Lebenslauf,

Gesanges Macht und Ringen

Tut helle Augen auf.

Und Ufer, Wolkenflügel,

Die Liebe hoch und mild –

Es wird in diesem Spiegel

Die ganze Welt zum Bild.

Dich rührt die frische Helle,

Das Rauschen heimlich kühl,

Das lockt dich zu der Welle,

Weil’s draußen leer und schwül.

Doch wolle nie dir halten

Der Bilder Wunder fest,

Tot wird ihr freies Walten,

Hältst du es weltlich fest.

Kein Bett darf er hier finden.

Wohl in den Tälern schön

Siehst du sein Gold sich winden,

Dann plötzlich Meerwärts dreh’n.

AN –

Was lebte, rollt’ zum Himmel aus dem Tale,

Des Ritters Mut, Gesanges feur’ge Zungen,

Und aus den Felsen Münster kühn geschwungen,

Das Kreuz erhebend hoch im Morgenstrahle.

Versunken sind die alten Wundermale,

Nur eine Waldkapelle unbezwungen,

Blieb einsam stehen über Niederungen,

Die läutet fort und fort hinab zum Tale.

Was frägt die Menge, ob’s der Wind verwehe, –

Nur Ein’ge trifft der Laut, die stehn erschrocken,

Und mahnend lockt’s wie Heimweh sie zur Höhe.

Ein heit’rer Greis zieht oben still die Glocken,

Reicht fest die Hand und führt aus der Verheerung

Durch’s alte Tor die Treuen zur Verklärung.

ZORN
1810

Seh’ ich im verfall’nen, dunkeln

Haus die alten Waffen hangen,

Zornig aus dem Roste funkeln,

Wenn der Morgen aufgegangen,

Und den letzten Klang verflogen,

Wo im wilden Zug der Wetter,

Auf’s gekreuzte Schwert gebogen,

Einst gehaust des Landes Retter.

Und ein neu Geschlecht von Zwergen

Schwindelnd um die Felsen klettern,

Frech, wenn’s sonnig auf den Bergen,

Feige krümmend sich in Wettern,

Ihres Heilands Blut und Tränen

Spottend noch einmal verkaufen,

Ohne Klage, Wunsch und Sehnen

In der Zeiten Strom ersaufen;

Denk’ ich dann, wie Du gestanden

Treu, da niemand treu geblieben:

Möcht’ ich, über unsre Schande

Tiefentbrannt in zorn’gem Lieben,

Wurzeln in der Felsen Marke,

Und empor zu Himmels Lichten

Stumm anstrebend wie die starke

Riesentanne mich aufrichten.

NACHTFEIER
1810

Decket Schlaf die weite Runde,

 

Muß ich oft am Fenster lauschen,

Wie die Ströme unten rauschen,

Räder sausen kühl im Grunde,

Und mir ist so wohl zur Stunde;

Denn hinab vom Felsenrande

Spür’ ich Freiheit, uralt Sehnen,

Fromm zerbrechend alle Bande,

Über Wälder, Strom und Lande

Keck die großen Flügel dehnen.

Was je Großes brach die Schranken,

Seh’ ich durch die Stille gehen,

Helden auf den Wolken stehen,

Ernsten Blickes, ohne Wanken,

Und es wollen die Gedanken

Mit den guten Alten hausen,

Sich in ihr Gespräch vermischen,

Das da kommt in Waldes-Brausen.

Manchem füllt’s die Brust mit Grausen,

Mich soll’s laben und erfrischen!

Tag und Regung war entflohen,

Über’n See nur kam Geläute

Durch die monderhellte Weite,

Und rings brannten auf den hohen

Alpen still die bleichen Lohen,

Ew’ge Wächter echter Weihe,

Als, erhoben vom Verderben

Und vom Jammer, da die Dreie

Einsam traten in das Freie,

Frei zu leben und zu sterben.

Und so wachen heute Viele

Einsam über ihrem Kummer;

Unerquickt von falschem Schlummer,

Aus des Wechsels wildem Spiele

Schauend fromm nach Einem Ziele.

Durch die öde, stumme Leere

Fühl’ ich mich Euch still verbündet;

Ob der Tag das Recht verkehre,

Ewig strahlt der Stern der Ehre,

Kühn in heil’ger Nacht entzündet.

HEIMKEHR
1810

Heimwärts kam ich spät gezogen,

Nach dem väterlichen Haus,

Die Gedanken weit geflogen

Über Berg und Tal voraus.

Nur noch hier aus diesem Walde!

Sprach ich, streichelt’ sanft mein Roß,

Gold’nen Haber kriegst du balde,

Ruh’n wir aus auf lichtem Schloß.

Doch warum auf diesen Wegen

Sieht’s so still und einsam aus?

Kommt denn keiner mir entgegen,

Bin ich nicht mehr Sohn vom Haus?

Kein’ Hoboen hör’ ich schallen,

Keine bunte Truppe mehr

Seh’ ich froh den Burgpfad wallen –

Damals ging es lust’ger her.

Über die verguld’ten Zinnen

Trat der Monden eben vor,

Holla ho! ist niemand drinnen?

Fest verriegelt ist das Tor.

Wer will in der Nacht mich weisen,

Von des Vaters Hof und Haus!

Mit dem Schwert hau’ ich die Eisen,

Und das Tor springt rasselnd auf.

Doch was seh’ ich! wüst, verfallen

Zimmer, Hof und Bogen sind,

Einsam meine Tritte hallen,

Durch die Fenster pfeift der Wind.

Alle Ahnenbilder lagen

Glanzlos in den Schutt verwühlt,

Und die Zitter drauf zerschlagen,

Auf der ich als Kind gespielt.

Und ich nahm die alte Zitter,

Trat an’s Fenster voller Gras,

Wo so ofte hinter’m Gitter

Sonst die Mutter bei mir saß:

Gern mit Märlein mich erbaute,

Daß ich still saß, Abendrot,

Strom und Wälder fromm beschaute –

Mutter, bist du auch schon tot?

So war ich in’ Hof gekommen, –

Was ich da auf einmal sah,

Hat den Atem mir benommen,

Bleibt mir bis zum Tode nah:

Aufrecht saßen meine Ahnen,

Und kein Laut im Hofe ging,

Eingehüllt in ihre Fahnen,

Da im ewig stillen Ring.

Und den Vater, unter ihnen

Sah ich sitzen an der Wand,

Streng und steinern seine Mienen,

Doch in tiefster Brust bekannt;

Und in den gefalt’nen Händen

Hielt er ernst ein blankes Schwert,

Tät die Blicke niemals wenden,

Ewig auf den Stahl gekehrt.

Da rief ich aus tiefsten Schmerzen:

Vater, sprich ein einzig Wort,

Wälz’ den Fels von deinem Herzen,

Starre nicht so ewig fort!

Was das Schwert mit seinen Scheinen,

Rede, was dein Schauen will;

Denn mir graust durch Mark und Beine,

Wie du so entsetzlich still. –

Morgenleuchten kam geflogen,

Und der Vater ward so bleich,

Adler hoch darüber zogen

Durch das klare Himmelreich,

Und der Väter stiller Orden

Sank zur Ruh in Ewigkeit,

Steine, wie es lichte worden,

Standen da im Hof’ zerstreut.

Nur der Degen blieb da droben

Einsam liegen über’m Grab;

„Sei denn Hab’ und Gut zerstoben,

Wenn ich dich, du Schwert, nur hab’!“

Und ich faßt’ es. – Leute wühlten

Über’n Berg, hinab, hinauf,

Ob sie für verrückt mich hielten –

Mir ging hell die Sonne auf.

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