Moderation & Kommunikation

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Moderation & Kommunikation
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Josef W. Seifert

Moderation & Kommunikation

Josef W. Seifert

Moderation & Kommunikation

9. Auflage


Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Titel-Illustration: Peter Kaste, Erlangen

Cover: +malsy, Kommunikation und Gestaltung, Bremen

Illustrationen: Peter Kaste, Erlangen

9. Auflage 2014

© 2015 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf der 9. Auflage des Titels „Moderation & Kommunikation“ von Josef W. Seifert, ©2006 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

ISBN Buchausgabe: 978-3-89749-003-1

ISBN epub: 978-3-95623-281-7

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,

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Inhalt

Zum Buch

Gruppengespräche bedürfen in aller Regel der Leitung, der Moderation. Der Leiter / Moderator des Gespräches ist dabei Spezialist für Methodik und Prozeßsteuerung. Seine Aufgabe ist es, das Miteinander in der Gruppe zu steuern, das heißt, der Gruppe zu helfen, arbeitsfähig zu werden und zu bleiben. Dies kann er dadurch erreichen, daß er einerseits in der Sache methodisch „sauber“ arbeitet und andererseits den emotionalen Prozeß der Gruppe gekonnt steuert.

Erfolgreich war eine Moderation immer dann, wenn nach der Zusammenkunft alle Beteiligten mit den Ergebnissen „leben können“. Gerade die Steuerung des emotionalen Gruppenprozesses leistet hierzu einen großen Beitrag. Anders ausgedrückt: Eine wenig geschickte Leitung auf der emotionalen Seite des Geschehens kann den von der Sache her durchaus verdienten Erfolg deutlich erschweren, ja sogar unmöglich machen.

In der Aus- und Weiterbildung von Moderatoren wurde ich immer wieder mit dem Wunsch konfrontiert, für diesen „feinstofflichen“ Bereich des Moderierens ebenso „griffige“ Methoden an die Hand zu bekommen, wie sie für die sachliche Arbeit bereits vorliegen.

Mit dem Buch „Moderation & Kommunikation“ komme ich diesem Wunsch nach. Es ist eine Erweiterung der entsprechenden Teile in meinen Büchern „Visualisieren - Präsentieren - Moderieren“ und „Besprechungs-Moderation“. Es enthält Bekanntes und Neues. Es gibt einen kurzen Überblick zur „Technik des Moderierens“ und eine strukturierte Darstellung der wesentlichen Wissensinhalte und Techniken zur Steuerung von Gruppenprozessen auf der emotionalen Ebene.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre und ebensoviel Erfolg für die Umsetzung der Inhalte in Ihre persönliche Praxis!

Noch ein Hinweis: In diesem Buch ist vom Moderator, Teilnehmer, Gruppenmitglied … die Rede. Ich habe diese Schreibweise gewählt, weil sie sowohl das Schreiben als auch das Lesen sehr erleichtert. Gemeint ist natürlich jeweils „die Moderatorin / der Moderator“ die „Teilnehmerin / der Teilnehmer“ …

Puch, im Mai 2003

Josef W. Seifert

Kommunikation und Moderation

Zwischenmenschliche Kommunikation gestaltet sich relativ einfach, wenn nur einer „das Sagen“ und die Macht hat, sich durchzusetzen. Wenn es aber darauf ankommt, im Team zu arbeiten, Betroffene zu Beteiligten zu machen, das Know-how von Mitarbeitern zu aktivieren und zu nutzen …, drohen anstrengende Gruppengespräche, Besprechungen, Sitzungen, Meetings. Anstrengend deshalb, weil es in den Gesprächen darauf ankommt, alle Beteiligten in die Meinungs- und Willensbildung einzubeziehen. Jeder muß sich einbringen können, mit-„streiten“ dürfen und zu Beschlüssen gefragt werden. Und hier sind wir auch schon beim Problem: Je stärker sich der einzelne einbringt, je „hitziger“ die Diskussion wird, desto weniger ist er in der Lage, Interessen abzuwägen, (sich) zu mäßigen, (sich) zu moderieren. Ein Gruppengespräch bedarf deshalb eines Leiters, eines Moderators.


Ich habe heute eine starkes Argument dabei

Der Moderator eines Gruppengespräches seinerseits muß das „Handwerk“ der Moderation erlernt haben, das heißt, er muß Techniken zum Gestalten des Sachprozesses beherrschen und Techniken zur Gestaltung des emotionalen Gruppenprozesses zur Verfügung haben.

Wichtig ist dabei, daß diese Techniken mit dem Bewußtsein eingesetzt werden, daß eine Gruppe ein soziales System ist und nicht gesteuert werden kann, wie ein technisches System.

Doch was ist ein System und wo liegt der Unterschied zwischen einem technischen und einem sozialen System?

Systemisch Denken

□ Das technische System

Ein technisches System besteht aus einzelnen Elementen, die zusammenwirken. Durch die Art und Weise des Zusammenwirkens erhält das System eine bestimmte Funktion. Technische Systeme kann man exakt steuern. Der Druck auf's Gaspedal eines Automobils etwa hat zur Folge, daß das Fahrzeug beschleunigt; der Druck auf's Bremspedal führt dazu, daß der Wagen seine Geschwindigkeit verringert. Die Einstellung des „Tempomat“ garantiert die Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit. Das System regelt die Geschwindigkeit selbsttätig, gemäß der jeweiligen Vorgabe. Auf den Impuls „X“ folgt (mit Sicherheit) die Reaktion „Y“.

□ Das soziale System

Auch soziale Systeme bestehen aus einzelnen Elementen, die zusammenwirken.

Diese Elemente sind aber Menschen, weshalb soziale Systeme im Gegensatz zu technischen Systemen nicht (exakt) steuerbar sind; sie führen ein Eigenleben. Auf einen Impuls „X“ folgt die Reaktion „Y“ oder die Reaktion „Z“ oder eine andere Reaktion …

Dies soll aber nun nicht heißen, daß man eine Gruppe nicht steuern kann. Man kann sie steuern, nur eben nicht exakt, und man kann nichts „erzwingen“.

Auch durch noch so gute Techniken kann man den Verlauf eines Gruppenprozesses nicht exakt steuern - aber ohne Techniken kann man ihn gar nicht steuern! nicht exakt steuern - aber ohne Techniken kann man ihn gar nicht steuern!

Das Steuern eines Gruppenprozesses fällt dabei um so leichter, je besser „die Bühne bereitet“ wurde, oder anders ausgedrückt, je besser die Vorbereitung darauf ist.


Soziale Systeme kann man nur bedingt steuern

Vorbereitung der Moderation

Da sich soziale Systeme nur bedingt steuern lassen, wird ein vorausschauender Moderator darauf achten, die Situation, in die er sich begibt, vorab(!) so zu gestalten, daß die Rahmenbedingungen den Erfolg seiner Arbeit fördern.

Er sollte dazu unbedingt darauf achten, daß folgende „Erfolgsvoraussetzungen“ gegeben sind:

□ Klarer Auftrag

Vor jeder Moderation sind einige „harte Fragen“ zu klären, um sich nicht wie Don Quijote auf einen Kampf gegen Windmühlenflügel einzulassen. Handelt es sich nicht um eine Routinesitzung (für die Anlaß, Teilnehmer … klar definiert sind), so ist zu fragen:

■ Aus welchem Anlaß soll die geplante Moderation stattfinden?

■ Wer will die Moderation und warum?

■ Gibt es jemanden, der sie nicht will und ggf. aus welchem Grund?

■ Wie lautet das Thema?

■ Wurde an diesem Thema / Problem bereits gearbeitet; von wem und mit welchem Ausgang?

■ Was ist die Zielsetzung; was konkret soll mit der geplanten Moderation erreicht werden?

■ Ist die Zielsetzung realistisch?

Sollte sich im Rahmen der Auftragsklärung herausstellen, daß die Moderation (zu diesem Thema, zu diesem Zeitpunkt, mit dieser Zielsetzung …) keinen Sinn ergibt, also wenig Aussicht auf eine erfolgreiche Veranstaltung besteht, sollte man von der Moderation Abstand nehmen.

Zur Bearbeitung des Themas ist ja vielleicht ein Training, ein Coaching … die sinnvollere Vorgehensweise.

□ Die richtigen Teilnehmer

Die Auswahl der Teilnehmer ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein Gruppengespräch. Nur wenn „die richtigen Leute“ vollzählig versammelt sind, kann das Gruppengespräch erfolgreich werden. Der Moderator muß deshalb darauf achten, daß folgende Punkte für die Teilnehmerauswahl ausschlaggebend waren:


Die Auswahl der Teilnehmer ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein Gruppengespräch

■ Alle Betroffenen sind in die Themenbearbeitung einbezogen.

■ Es kommen alle Teilnehmer, die für eine qualifizierte Themenbearbeitung erforderlich sind, persönlich.

■ Die Teilnehmer wurden über Anlaß, Thema und Zielsetzung sowie über die organisatorischen Details der Zusammenkunft vorab informiert.

■ Die Teilnehmer möchten das Thema bearbeiten. Die Themenbearbeitung liegt ihnen am Herzen oder sie sind zumindest bereit, sich einzubringen.

 

□ Optimale Gruppengröße

Die Teilnehmer wurden nach dem Motto: „Soviel wie nötig und sowenig wie möglich!“ eingeladen. Jeder Teilnehmer mehr erschwert die Arbeit! Für eine Gruppe von 10 Personen ist in aller Regel ein Moderator ausreichend. Ab der elften Person sollte ein Co-Moderator zur Verfügung stehen.

Für den Fall der Moderation im Team ist es wichtig, daß man den Partner kennt und weiß, daß man mit ihm (gut) zusammenarbeiten kann. Es besteht sonst die Gefahr, daß der Moderator während der Moderation mehr mit seinem Partner beschäftigt ist als mit der Gruppe!

Soll eine große Gruppe von mehr als zwanzig Personen moderiert werden, so muß diese in mehrere kleinere Gruppen aufgeteilt werden. Im Plenum werden dann die Informationen darüber ausgetauscht, was die jeweilige Untergruppe erarbeitet hat. Es sind zusätzliche Moderatoren einzuplanen; als Daumenregel gilt: ein Moderator für zehn Teilnehmer.

□ Positive Rahmenbedingungen

Wenn eine Gruppe miteinander arbeiten will, muß dieses „Miteinander-Arbeiten“ auch stattfinden können, das heißt:

■ Es dürfen keine Störungen und damit Ablenkungen oder gar unerwünschte Unterbrechungen vorkommen. Es muß also sichergestellt sein, daß die Gruppe ungestört arbeiten kann.

■ Es müssen die benötigten Moderationsutensilien zur Verfügung stehen (vgl. Der Sachprozeß).


Die Teilnehmer sollten nach dem Motto: „Soviel wie nötig und sowenig wie möglich!“ eingeladen werden.

■ Der gewählte Raum ist eher zu groß als zu klein. Man kann im offenen Stuhlkreis sitzen, und er bietet ggf. die Möglichkeit, zwischendurch in Kleingruppen zu arbeiten, ohne dazu den Raum verlassen zu müssen.

■ Es ist für das „leibliche Wohl“ gesorgt: Kaffee, Tee, Wasser …

■ Der Zeitrahmen muß realistisch gewählt sein. Achtung: In der Regel nimmt man sich zuviel vor!

Zu den genannten Voraussetzungen muß eine leistungsfähige „Technik der Gruppensteuerung“ auf der sachlichen und der emotionalen Ebene hinzukommen.

Was es mit diesen beiden Ebenen auf sich hat, zeigt der folgende Abschnitt.


Die Gestaltung des Umfeldes sollte mit größter Sorgfalt geschehen!

Die Sache mit den zwei Ebenen


Ob in einer Moderation oder in sonstigen Lebenslagen: Immer wenn Menschen sich einander mitteilen, tun sie dies gleichzeitig auf zwei Ebenen.

Einerseits sagen sie etwas über die Sache, um die es gerade geht, und andererseits sagen sie immer auch etwas über sich und den / die anderen.

Für die Moderation von Gruppengesprächen bedeutet dies, daß der Moderator stets auf zwei Ebenen gleichzeitig agieren muß - ob ihm das nun recht ist oder nicht. Einerseits auf der „Sach- oder Inhaltsebene“, wo es um die zu besprechenden Sachen oder Inhalte geht, und andererseits auf der „Gefühls- oder Beziehungsebene“, wo es darum geht, wie man sich gerade fühlt und wie man die Beziehung zu dem / den anderen sieht. In der Regel läuft der sachliche Teil offen, der emotionale Teil aber „unter der Hand“ ab.

Bildlich dargestellt ist das wie bei einem Eisberg. Ein Teil ist sichtbar und der andere ist unter der Oberfläche - er ist verdeckt, aber trotzdem vorhanden. Meist wird über die verdeckte Beziehungs-Ebene nicht (offen) gesprochen.

Diese beiden Ebenen kommen dadurch zustande, daß wir, wenn wir etwas über eine Sache sagen (ES-Botschaft), gleichzeitig auch etwas über uns (ICH-Botschaft) und etwas über den / die Gesprächspartner sagen (DU-Botschaft). Die Sach- oder ES-Botschaft entsteht durch das gesprochene Wort, also das, was wir mitschreiben könnten. Die Beziehungsbotschaft (ICH- und DU-Botschaft) wird durch Gestik, Mimik, Tonfall etc. und durch die Situation erzeugt, in der etwas (so und nicht anders) gesagt wird.

Das folgende Schaubild zeigt diesen unvermeidlichen „kommunikativen Eisberg“.

Der bekannte Appell: „Sachlich bleiben!“ suggeriert die Möglichkeit, die emotionale Ebene abschalten / weglassen und ausschließlich auf der sachlichen Ebene kommunizieren zu können. Dies aber ist unmöglich!

Wenn der Moderator die Teilnehmer etwa mit den Worten: „Ich freue mich, daß Sie alle kommen konnten!“ begrüßt, so sagt er damit …


□ auf der Sachebene:
■ ES-Botschaft: „Es ist gut, daß alle erschienen sind!“


□ auf der Beziehungsebene:
■ ICH-Botschaft: „Ich bin hier der, der die Gruppe leitet!“
vielleicht auch: „Gott bin ich froh, daß heute alle kommen konnten!“
■ DU-Botschaft: „Du bist der / Ihr seid die Teilnehmer!“
vielleicht auch: „Du bist es mir wert, daß ich freundliche, offizielle Begrüßungs worte an Dich richte!“

Schon an diesem einfachen Beispiel wird deutlich, daß die ES-Botschaft erst durch die zugehörigen Botschaften auf der Beziehungsebene gedeutet werden kann. Diese wiederum kann man nur aus der Art und Weise erschließen, wie etwas gesagt wurde, wann, wo, vor wem und zu wem, und erst alles zusammen läßt eine relativ sichere Entschlüsselung des Gesagten zu.

Wenn wir erfolgreich kommunizieren wollen - und ein Moderator ist auf erfolgreiche Kommunikation angewiesen(!) - müssen wir darauf achten, daß unsere …

□ ES-Botschaften verständlich sind!

Verständlichkeit (in der Sache) entsteht durch Einfachheit in der Sprache, gegliederte Vortragsweise, Kürze, Prägnanz und zusätzliche Stimulanz, wie z.B. Visualisierung (vgl. Schulz von Thun, 1987).

□ ICH-Botschaften ehrlich sind!

Ehrlichkeit meint hier, dem Gesprächspartner nichts vorzuspielen, sondern offen und direkt zu sagen, was ich zu sagen habe (vgl. „Feedback-Technik“).

□ DU-Botschaften wertschätzend sind!

Wertschätzend ist Kommunikation dann, wenn der Gesprächspartner sich sicher sein kann, daß er als Mensch angenommen und nicht mit Argwohn oder Geringschätzung konfrontiert wird.


verständlich - ehrlich - wertschätzend


Der Moderator muß zwei Prozesse simultan steuern!

Für die Moderation von Gruppengesprächen bedeutet dies,

A daß der Moderator auf seine eigenen „Botschaften“ achten muß, um ein konstruktives Arbeitsklima zu erzeugen und zu erhalten, und

B daß der Moderator es in der Gruppe stets mit zwei gleichzeitig ablaufenden Prozessen zu tun hat, dem „Sachprozeß“ und dem „Gruppenprozeß“ . Beide greifen ineinander und müssen vom Moderator simultan gesteuert werden.

Im folgenden werden die beiden Prozesse - der Sach- und der Gruppenprozeß - näher erläutert.

Zunächst aber geht es kurz um die Rolle und die Aufgaben des Moderators.