Als noch (fast ) alles möglich war

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Als noch (fast ) alles möglich war
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In einer Epoche, in der der sexuell aktive Mensch die entsprechende Interaktion am Laptop vornimmt (garantierte Ansteckungsfreiheit von Infektionen aller Art), man eine Frau möglichst in Gegenwart seines Anwalts fragt, ob sie geneigt wäre, sich küssen zu lassen, Speed-Dating und Partnerbörsen wie „Tinder“ nach dem „Wisch und Weg-Prinzip“ helfen, auf der Suche nach einem Partner Zeit zu sparen, lehnt sich der schon etwas reifere Mensch zurück und blickt augenzwinkernd in die Vergangenheit, in der natürlich alles „viel besser“ war.



Was in den sechziger Jahren mit Flower-Power begann, dem Drang der Jugend, verstaubte Konventionen in Frage zu stellen, sich von (vor allem auch sexuellen) Zwängen zu befreien, entwickelte sich zu einem regen Schlagabtausch zwischen Männern und Frauen im Zuge der Emanzipationsbewegung, welcher noch durch die sehr frauenfreundliche Änderung des Scheidungsrechts von 1977 befeuert wurde. Frauen der siebziger Jahre befreiten sich von allem, was sie einengte, wie etwa von ihren BHs und Ehemännern. Die Libertinage der damaligen Zeit lässt sich gut verdeutlichen mittels des Spontispruchs: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ Die zunehmende Unzufriedenheit der Frauen mit ihrer nur sehr schleppend vorankommenden Emanzipation äußerte sich in dem hässlichen Angriff gegen die Männer:“ Was ist ein Mann in Salzsäure? Die Lösung eines Problems.“



Das Bewusstsein über die Existenz der Seuche AIDS begann dann Anfang der achtziger Jahre den Spaß am freien Sex deutlich zu trüben.



Aber zwischen diesen ganzen gegenseitigen Gemeinheiten gab es wunderbare zwischenmenschliche und natürlich auch erotische Erlebnisse, die Joachim Schmierflink hier aufgeschrieben hat, um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ob als Lehrling, Taxifahrer (Joe le taxi gab es schon vor Vanessa Paradis), Student oder Berufstätiger – das Leben der Siebziger und Achtziger hielt für Joe eine Unmenge spannender Erlebnisse bereit. Die Füßelei unter einem Biertisch mit einer Unbekannten, die fast zum Orgasmus kam, ohne, dass ihr Partner das bemerkte, die merkwürdigsten Bekanntschaften, die Joe im „Vagabund“ in der Knesebeckstraße machte, das eine oder andere gleichzeitige Vergnügen mit zwei Frauen, aber auch peinliche Pleiten, die Joe, wie wohl den meisten Männern irgendwann einmal, nicht erspart blieben, machen die Lektüre dieses eBooks zu einem schmunzelnden Erlebnis. (363)




Impressum



Als noch (fast) alles möglich war



Joachim Schmierflink



published by epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de



Copyright: © 2016 Joachim Schmierflink



ISBN: 978-3-7375-8161-5






Inhaltsverzeichnis







Voßberg







Renate







Hamburg, Rudi und ein Irokese







Mit erhobenem Daumen durch Europa







FU Berlin







Miss Denmark







Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd’







Die Arndtstraße 22







Joe le taxi







Wenn das Glück gleich zweimal zuschlägt







2:2 und der R 4 war Schuld







Eifersucht







Das Terzo Mondo







Duplizität der Ereignisse







Ein unmoralischer Ausritt







„Siebzehn Jahr, blondes Haar“







Es geht nichts über eine /in einer Hängematte







Schecksperre !!!







Schau mir in die Augen, Kleines







Das gibt’s doch gar nicht!







Eine wahrlich erotische Geschichte







2:1







2:1 (2)







Kontrastprogramm







Im „Vagabund“ ging’s meistens rund







Sollte es das schon gewesen sein?







Ein positiver Nebeneffekt eines negativen Ergebnisses







Hauptsache gesund







Tu felix Austria







„Mon Chéri“, die teuerste Kirsche der Welt







Gibt es eine Steigerung von „erotisch“?







Wenn der „Schein“ trügt







Unverhofft kommt oft und öfter







Wenn der Lack so langsam bröckelt







Fußnoten






Als noch (fast) alles möglich war






ein erotischer Streifzug durch die wilden siebziger Jahre














von Joachim Schmierflink







Voßberg



Lange bevor Joe sich entschied, über seine erotischen Erlebnisse in den 70ern und 80ern zu berichten, hatte er natürlich, wie wohl jeder Junge auch, mehr oder weniger sexuelle Erfahrungen oder besser: Begegnungen verschiedenster Art.



Da gab es durchaus homoerotische Phantasien, die mit 14 den einen oder anderen (nicht unbedingt hochliterarischstilistischen) Erguss hervorriefen. Die böse Drohung, dass Onanie Gehirnerweichung und Dämlichkeit hervorrufen könnte, verführte Joe erstmalig, sich in eine Zockersituation zu begeben: „Na das wollen wir doch mal sehen“. Es hat einfach viel zu viel Spaß bereitet, das konnte doch nicht falsch sein.



Es gab da einen Lehrer, der diese zeitweilige sexuelle Orientierungsschwäche seiner Schüler ausnützte, um seine eigenen homosexuellen Neigungen zu befriedigen.



Voßberg war klein, gemütlich, freundlich und als Lehrer eher eine Katastrophe. Die meiste Zeit der Mathestunden wurden (zu Joe’s Freude) verquatscht. Es genügte vollkommen, wenn jemand kicherte, weil dies den Lehrer veranlasste, nach dem Grund dieser Ablenkung zu fragen. Handelte es sich hierbei um einen Witz, möglichst noch – altersgemäß - um einen unanständigen, so legte Voßberg für den Rest der Stunde mit eigenen, ebenfalls zweideutigen Witzen nach.

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 Einmal gab er Joe privat bei sich zu Hause eine Nachhilfestunde, weil der Vierzehnjährige den Dreisatz einfach nicht kapieren wollte. Im Nachhinein verstand Joe die Nervosität des Lehrers, als dessen Frau, die ja schon längst beim Einkaufen hätte sein sollen, sich partout nicht verabschieden wollte. So entschwand Joe (aus Sicht des Lehrers) unverrichteter Dinge, was sich auch auf Joe’s Verständnis des Dreisatzes bezog.



Wenig später erzählte Joe ein Mitschüler und Freund, wie ihn der Mathelehrer zum gemeinsamen Onanieren verführen wollte. Unter einem Vorwand lockte er ihn in seine Wohnung, dann verließ er für einen Moment sein Arbeitszimmer, nicht ohne dem Jungen einige handschriftliche Texte pornographischen Inhalts zur Ansicht überlassen zu haben, die er angeblich Schülern während des Unterrichts abgenommen hatte. Voßberg ließ dem Jungen etwas Zeit, um den Text in Ruhe lesen zu können. Dann betrat er wieder den Raum und hoffte auf eine erregte Reaktion (oder reaktive Erektion ?) des Knaben auf den versauten Text. Um den Pubertierenden für seine Zwecke bereit zu machen, zeigte er ihm noch ein paar Pornohefte, die er natürlich ebenfalls unter Schülerbänken gefunden haben wollte. Damit das Ganze dann in die richtige Richtung gesteuert wurde, präsentierte er auch noch eine japanische Radierung mit einem überdimensionalen Penis. Da Voßberg auch Biologielehrer war, fragte er nun, aus rein wissenschaftlichem Interesse heraus, nach den Onaniergewohnheiten des Schülers. Dieser war dann triebmäßig schon so weich (hart ?) gekocht, dass es bis zum letzten Schritt nicht mehr weit gewesen wäre. Verwirrt verließ dieser Freund die Stätte der Versuchung. Joe hat dann später ein anderer Mitschüler von genau dem gleichen Ablauf erzählt, als Voßberg es auch bei ihm, diesmal erfolgreich, mit seiner Methode versucht hatte.



In früheren Zeiten, vor den ausgetüftelten Informatikprogrammen, die heutzutage zu erwerben sind, mussten die Schulleiter zum Schuljahresbeginn eine Tafel der Unterrichtsverteilung vorweisen. Das war ein recht großes Brett mit vielen bunten Markierungen, welche die Lehrkräfte und ihre Einsatzorte repräsentierten. Diese komplizierte Verteilung zu ordnen war i. Allg. Aufgabe eines Mathelehrers, bei Joe war es Voßberg, dem man diese Verpflichtung aufgegeben hatte. Joe, damals Fünfzehn, erhielt an einem der letzten Ferientage einen Anruf von Voßberg. Ob er nicht einmal vorbeikommen könnte, ihm beim Transport der schweren Stundentafel zu helfen.

 



Amüsiert und neugierig sagte Joe seine Unterstützung zu und radelte zu dem eher schwächlichen Mathelehrer. Dieser war allein zu Hause und bat den gut durchtrainierten Jungen in sein Arbeitszimmer. Er kramte ein paar handgeschriebene Texte von seinem Schreibtisch und erklärte dem Knaben, dass er diese Schülern der siebenten Klasse abgenommen hätte. Er müsse kurz was erledigen und Joe könne sich ja die Wartezeit mit Lektüre der Lektüre vertreiben.



Als er nach ca. 10 Minuten erwartungsvoll sein Arbeitszimmer wieder betrat, fand er einen gelangweilten Schüler vor.



„Aber, Herr Lehrer, das ist doch wohl primitiv. Bruder mit Schwester, Vater mit Tochter, Mutter mit Sohn. Und dann diese einfallslosen Formulierungen nach jeder neuen Situationsbeschreibung: “Und wieder ging die Fickerei los.“ Also ich weiß nicht, was das soll. Nun kamen die Pornohefte zum Zuge.



„Och nö, so eine miese Qualität, die sind ja im Wortsinne unscharf. Da habe ich aber schon viel bessere gesehen. Kennen Sie „Weekend Sex“ oder „Private ?“



Voßberg sah zusehends trauriger aus. Jetzt der verzweifelte Versuch, mit der japanischen Radierung, das Blatt zu wenden. Aber Joe gähnte nur müde vor sich hin. „Das ist doch völlig übertrieben. Mit so einem Schwanz müsste der doch vorne über kippen.“



Von ungeahnten Kräften plötzlich beseelt, trug Voßberg dann die Stundentafel ohne Joe’s Hilfe in sein Auto. Gab dem Jungen zwei Mark für ein Eis und entschwand.




Dass dieser Lehrer über viele Jahre so agieren konnte lag wohl neben seiner wirklich gewinnenden Art am Zeitgeist des liberalen Aufbruchs, man wollte ja nicht spießig sein, der zunehmenden Gesellschaftsfähigkeit von Homosexualität (Im „Why not“ in der Fasanenstraße verkehrten neugierige Homo- und Heterosexuelle in einmütiger Toleranz).



Kurz vor seiner Pensionierung hatte es ihn dann doch erwischt und er wurde an eine andere Schule versetzt.





Renate



Joe hatte durchaus Erfolg bei Mädchen seines Alters - so mehr theoretisch. Die fanden den Jungen zwar recht sexy, aber eben nicht so attraktiv wie den Sportwagenfahrer, der ihnen alles bieten konnte, was das kleine Mädchenherz sich erträumte. „Scheiße“ dachte Joe da nicht nur einmal (bis er selbst, wie in einem späteren Abschnitt geschildert wird, genau diese Hassrolle übernehmen sollte).




Ein attraktives Suchfeld für amouröse Abenteuer waren Sport- oder Politgruppen. Mit den „Falken“ fuhr Joe als 16jähriger nach Norwegen. Renate (17), mit der er da stundenlang am Rande der Klippen in der Sonne lag, brachte ihm das Rauchen und die Erkenntnis bei, dass Ältere als Lover doch eher bevorzugt werden. Erst nach der Reise erfuhr er, dass Renate sich mit ihm lediglich tagsüber mit harmlosem Geplänkel die Zeit vertrieb, während sie mit einem der Lagerleiter, Lutz, nachts „herummachte“.



Zwei Jahre später, Joe war noch immer durchaus begehrt, aber erfahrungsmäßig noch nicht da angekommen, wo er schon seit Jahren sein wollte, fuhr er wieder mit den Falken weg, diesmal nach Holland und zwar als Zelthelfer. Auch Renate war wieder mit dabei, allerdings als ausgewiesene Verlobte des Herren, der sich vor zwei Jahren köstlich über den einfältigen Jungen amüsiert haben musste. Lutz war nicht anwesend, kam aber für ein paar Tage zu Besuch, weshalb ein kleines Zwei -Mann Zelt für das Paar aufgestellt wurde. Als Lutz dann nach drei Tagen wieder Richtung Berlin fuhr, um sich der politischen Arbeit zu widmen, stand das Zelt leer.



Wie bei den Helfern damals üblich, versammelte man sich nach 22.00 Uhr im Lagerleiterzelt und sprach ordentlich dem ansonsten verbotenen Alkohol zu. Irgendwann fragte Renate Joe, ob er nicht Lust hätte, eine Runde in der frischen Luft zu drehen. Joe, schon seit Jahren scharf wie eine Rasierklinge und vor allem auf Renate, ging auf diesen Vorschlag gerne ein.



Als sie bei dem leerstehenden Zwei-Mann Zelt vorbeikamen, machte Renate ihm ein unsittliches Angebot. Joe, verwirrt und wohl auch nicht mehr ganz im Besitz seiner Sinne (oder vielleicht doch ?) lehnte dankend ab. Die Vorstellung, sie könnte ihn nur vorführen wollen und ihn laut lachend mit heruntergelassener Hose stehen lassen, killte seine Begierde. Das war also mal wieder nichts.



Dass dies eine Fehleinschätzung war, merkte er am nächsten Morgen. Renate würdigte ihn keines Blickes und das blieb so bis zum Ende der Reise.



Egal. Sehr früh lernte Joe, dass man auch einmal Verzicht in Kauf nehmen muss, um sein Selbstwertgefühl nicht zu beschädigen.





Hamburg, Rudi und ein Irokese










Nach dem Abitur ging Joe nach Hamburg und absolvierte eine Lehre zum Großhandelskaufmann. Dort lernte er, 20, während eines Besuchs von Freunden aus Berlin Meret (30) kennen. Oberschwester im Altonaer Krankenhaus. Der jungen Frau, Typ guter Kumpel, gefiel der junge Berliner, der sie mit Freunden besucht und – na so was - seinen Schirm bei ihr vergessen hatte. Sie landeten fast unweigerlich in ihrem Bett, und jetzt sollte das geschehen, wovon Joe schon seit Jahren geträumt hatte.



Meret konnte sich Mühe geben, wie sie wollte - Joe versagte total. Immerhin, er hatte es mit einer sehr liebevollen Krankenschwester zu tun, die ihn über diese für einen jungen Mann nicht unerhebliche Pleite hinwegtröstete. Spätere Versuche in dieser Richtung erzeugten auch nur - trotz lobenswerten Engagements der Oberschwester - sehr magere Ergebnisse.



Joe was not amused, aber auch nicht verzweifelt. Das konnte noch nicht die Vorwegnahme von 50 und mehr Jahren Sexuallebens sein.



Eine (nicht wirkliche) sexuelle Alternative bot sich dem frustrierten Jungmann fast zeitgleich an. Joe, der in Barmbeck in einem Zimmer zur Untermiete wohnte, holte sich jeden Morgen vom Bäcker um die Ecke ein Brötchen zum Frühstück. Hierbei passierte er immer eine Schneiderei, durch deren Fenster jemand jedes Mal freundlich winkte. Joe schenkte dem keine weitere Bedeutung. Bis er eines Abends vom Judotraining kam. Der Schneider schloss gerade seinen Laden und unterhielt sich mit einem älteren Hamburger, einem Arzt des Viertels. Man kam ins Gespräch und der Schneider, Rudi, schlug Joe vor, einen Spaziergang ums Karree zu machen. Joe, ohnehin noch sehr allein in der Millionenstadt, willigte gerne ein. Rudi, ca. Mitte Dreißig, klein und schmächtig, entpuppte sich als sehr liebenswürdiger Jugoslawe, der in der Schneiderei als Angestellter wie ein „Kümmeltürke“ arbeitete, um viel Geld verdienen zu können. Im Sommer fuhr er dann immer mit einer Unmenge an Geschenken in seine Heimat und schwärmte seinen Angehörigen vom Leben in Deutschland vor, wo er so viel auf Grund seiner Qualifikation verdienen konnte. Natürlich kommt auch bei einem schlechten Gehalt etwas zusammen, wenn man fast die doppelte Zeit arbeitet.



Nach dem gemeinsamen Spaziergang lud Rudi seinen neuen Bekannten auf einen Schluck Wein in sein Zimmer ein, welches er als Untermieter bei seinem Chef bewohnte. Sorglos ging Joe mit. Er hatte in Sekundenschnelle gecheckt, dass er Rudi körperlich haushoch überlegen und somit nicht in Gefahr war. Zudem schuf auch Rudis Bekanntschaft mit dem Kiezarzt ein gewisses Vertrauensverhältnis.



In seinem Zimmer ließ Rudi zunächst die Jalousien herunter und zündete dann eine Kerze an.



„Wow“, dachte Joe. „So würde ich mir die Verführung eines Mädchens vorstellen.“ Rudi wollte auf die neue Freundschaft Bruderschaft trinken, dem Joe schon mit einem gewissen Misstrauen begegnete. Dennoch machte er das Spiel mit. Als Rudi aus dem obligatorischen, flüchtigen Kuss dann aber einen Zungenkuss machen wollte, rückte Joe auf Distanz mit dem Hinweis, dass er nicht schwul wäre.



Und jetzt machte Rudi einen entscheidenden Fehler. Er bestritt seine Homosexualität.



Hätte er zu seiner Veranlagung gestanden, wären die Grenzen abgesteckt gewesen und man hätte sich gegenseitig respektiert.



In den folgenden Wochen nutzte Joe seinen verhinderten Lover gnadenlos aus.



Kam er von der Arbeit oder vom Training, Rudi hatte schon in der Werkstatt ein hervorragendes Sandwich für ihn bereitet. Joe liebte es, den Rücken gekratzt zu bekommen. Dafür war jetzt Rudi zuständig. Wenn dieser mit seinen Händen einmal etwas tiefer gleiten wollte, spannte Joe einfach seinen muskulösen Bauch an und der Zugang zu dem von Rudi Erhofften war blockiert.



Dann kam der für einen schwulen Schneider klassische Trick. Rudi wollte für Joe eine Hose schneidern. Dazu muss man natürlich Maß nehmen. Was Rudi auch ausgiebig tat. Das Ergebnis war eine altersangemessene Erektion des jungen Mannes, die lediglich durch die zwei engen Slips im Zaume gehalten wurde, die Joe für die „Maßnahme“ sicherheitshalber angezogen hatte.



Joe reizte das Spiel mit dem Feuer, das ja besser gesagt eher ein Lagerfeuer, da jederzeit beherrschbar war.



Besuch eines Stripclubs auf der Reeperbahn mit anschließendem Essen ? Rudi bezahlte alles. Einmal wäre es fast zu einer sexuellen Handlung gekommen. Joe, unbefriedigt und geil, ließ den netten Schneider länger als sonst gewähren und war fast bereit, sich gehen zu lassen. Die Vorstellung jedoch, wie er sich anschließend fühlen und dass er den kleinen Jugoslawen angeekelt aus dem Fenster werfen könnte, riefen ihn rechtzeitig zur Raison.




Als Joe sich dann endlich in eine Frau verliebte, mit der er auch befriedigenden Verkehr hatte, war diese Zeit der sexuellen Orientierungslosigkeit vorüber.



Er lernte Ruthie in einem zionistischen Jugendcamp kennen. Das war Liebe auf den ersten Blick, „le coup de foudre“, wie die Franzosen sagen würden. Ihre kräftige, sportliche Figur, das wilde schwarze Haar, die provozierende leichte Himmelfahrtsnase mit den scharf gezeichneten Nasenflügeln, die schwarzen Augen, die kräftig entwickelten Brüste, ihre Stimme. Sie saßen nächtelang zusammen und lösten die Probleme der Welt. Also mehr oder weniger.



Ruthie, 23, studierte in Amsterdam Ballettpädagogik. Joe sah sie alle zwei Wochen, im Sommer trampte er im Anschluss an die Arbeit nach Amsterdam, im Winter fuhr er mit dem Zug hin. Dann, mit 21 Jahren endlich die Volljährigkeit erreicht und den Führerschein gemacht, kaufte er sich einen gebrauchten VW-Käfer. Als er einmal mit diesem alten Gefährt mit Ruthie im Transitbereich der DDR nach Berlin fuhr, überkamen das Mädchen heftige Bedürfnisse, weshalb sie, ungeachtet der Schlaglöcher, die zu umfahren Joe sich konzentrieren musste, dem Freund an der Hose herumspielte, was auf die Dauer nicht gut gehen konnte. So suchte Joe einen einsamen Parkplatz und das Paar begab sich in den Fond des Wagens. Joe’s Bedenken, eventuell von anderen Parkenden beim Liebesakt beobachtet zu werden, erwiesen sich als unnötig. Der Wagen hielt, was man sich über das Modell erzählte. Das war der luftdichteste Wagen seiner Zeit. Hierdurch entwickelte sich durch die mit dem Akt zwangsläufig verbundene Bewegung und heftiges Ausatmen ein innerer Beschlag, der jede Gardine ersetzt hätte.



Leider rüttelte Ruthies provozierender Charakter immer wieder an der sich entwickelnden Bindung, Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle, und in einer dieser Talsohlen geschah Folgendes:



Joe campte mit seinem VW Käfer im dänischen Sönderborg in freier Natur am Strand. Dort beobachtete er eine junge Frau, vielleicht Mitte Dreißig, schlank, sportlich, die mit ihrer Tochter spielte. Joe fand diese Frau so hinreißend, dass er ihr einen Zettel mit einer Einladung hinter den Scheibenwischer klemmte.



Sie erschien tatsächlich in dem kleinen gemütlichen Weinlokal und beide mochten sich und den Wein auf Anhieb. Die Frau, Gattin eines reichen Weinhändlers in Bad Nauheim, bot dem jungen Mann an, statt in seinem unwirtlichen VW bei ihr zu übernachten. Und was tat der Idiot ? Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie das ernst meinen könnte und lehnte das Angebot ab.




Ja, lieber Leser, verehrte Leserin, bis dahin war nicht viel los. War das bei Ihnen anders ?




Nach einem Jahr gab es eine längere Unterbrechung in der Beziehung zu Ruthie und Joe lernte Katrin kennen. Sie fuhren mit derselben U-Bahn vom Berliner Tor in Hamburg nach Winterhude. Da beide im Dany’s Pan, einem Folklorelokal, in welchem Otto Waalkes und Udo Lindenberg zu dieser Zeit ihre ersten öffentlichen Gehversuche machten, waren, kamen sie schnell ins Gespräch. Die Verabredung für den nächsten Abend endete dann zeitgeistgemäß in Katrins Bett. Katrins leicht asiatischer Gesichtsschnitt, ihr hinreißender, mädchenhafter Körper mit einem Venushügel, der von einem Haarbüschel mit Irokesenschnitt geschmückt wurde, die langen schmalen Beine an deren Ende es weiterhin sehr wohlgeformt zuging, ihre sanfte Art, ihre dunkle Stimme, die das „R“ so angenehm guttural rollte. Joe war hin und weg. Zärtlichkeiten über Zärtlichkeiten steigerten sich zu dem, was fast zwangsläufig folgen musste…

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